Portugal

Südwestliches Schlusslicht Europas…

Lang gezogen und schmal, gleich einem schmächtigen, aber kostbaren Anhängsel lehnt sich Portugal an seinen großen Nachbarn Spanien. Kehrt ihm den Rücken zu und spürt auch im Norden seine mächtige Flanke.

Doch sein Antlitz blickt frei und unbehindert auf die Weite des Ozeans, der das Land auch im Süden umbrandet.

Klein, sehr klein erscheint dabei Portugal, misst in der Länge nur 561 und in der Breite 218 Kilometer auf dem Klotz der iberischen Halbinsel.

Auf ihm siedelten Menschen mindestens seit der Steinzeit, wie Dolmen entlang der Küsten, megalithische Hünengräber, Tumuli beweisen. Gehörten sie bereits zu den späteren als „Iberer“ bezeichneten vorindogermanischen Stämmen, die den menschlichen „Grundstock“ des westlichen Europas lieferten?

Ein Bruderstamm der Iberer, die nach mehrfachen Vermischungsprozeduren durch eingewanderte Völker zu den heutigen Spaniern mutierten – nach ihrem legendären Ahnherrn Lusus benannt – erkor sich irgendwann den schmalbrüstigen Landstrich entlang des Atlantik

zur Heimat, der als Lusitania Eingang in die Geschichtsbücher fand. Er entspricht im wesentlichen dem Porträt des heutigen Portugal.

Es waren die Römer, die dem Randstreifen als einer ihrer von Iberia abgetrennten Kolonie, diesen klangvollen Namen verliehen.

Bedauerlicherweise standen sich der kleine und der große Bruder von Anfang an wenig freundlich, vielfach sogar feindlich gegenüber. Misstrauisch, stets auf der Hut der Eine, überheblich stolz der Andere, gestaltete sich die Nachbarschaft im Laufe der Jahrhunderte ziemlich konfliktreich. Der Schatten des großen Rivalen drückte oft schwer auf die portugiesische Seele, gab ihr einen melancholischen Anstrich.

Doch einmal im Verlauf der Weltgeschichte übernahm der Zwerg die Hauptrolle im Spiel der

Kräfte um Macht und Erfolg. Da verwandelte sich Resignation in Erfolg!

Doch da nichts auf Erden auf Dauer währt, endete auch diese glorreiche Epoche nach geraumer Zeit. Allerdings glänzt ihre Hinterlassenschaft noch heute so eindrucksvoll und überzeugend, dass eine Reise in diesen entlegenen Zipfel unseres Kontinents zum unvergesslichen Erlebnis wird. Das Szenenbild des Außenseiters fügt sich dabei zu einer Schau von Vergangenheit und Gegenwart zusammen.

Die Schönheit der Landschaft, der Reichtum an Kunst und Kultur wird von dem sympathischen Charakter der Bewohner, die erdverbunden, zu lachen aber auch zu weinen verstehen, vervollkommnet.

Es ist Ende April 1998, als ich zu diesem abseitigen Winkel unseres Kontinents aufbreche und an der südlichen Küste des portugiesischen Mikrokosmos lande.

Faro, die Hauptstadt der Algarve führt zu dieser Jahreszeit ein eher beschauliches, ein wenig verträumt vor sich hindämmerndes Dasein an der oft von Felsen zerrissenen Küste des Atlantiks. An diesem Abschnitt hat jedoch der berüchtigte Ozean auf sanftere Gangart geschaltet. Faros lang gestreckter Strand samt Lagunen befindet sich 6 km außerhalb und am Sonntag meiner Ankunft deutet nichts auf die Bedeutung der Stadt als wichtiger Fischereihafen, Verkehrsknotenpunkt für Bahn, Bus und PKW hin.

Der Torbogen Arco da Vila, der zur Altstadt und Kathedrale führt, erinnert an italienisches Design. Auf seinem Turm nistet ein Storchenpärchen und schon schwebt flügelschlagend ein Elternteil über meinem Kopf auf seine Häuslichkeit zu. Welch´ freundliche Begrüßung in dem fremden Land!

Malerische Gassen mit holprigem Pflaster, eine alte Stadtmauer, an die sich neue Häuser schmiegen und ein großer Platz, auf dem als Monument christlicher Gesinnung, die Kathedrale thront, bieten sich mir als „Willkommen“ im Repetoire meiner Reise an.

Der Baustil des Gotteshauses verrät sein wechselvolles Schicksal: angeblich auf den Fundamenten einer Moschee am Platz des römischen Forums errichtet, war es ursprünglich gotisch, wovon noch ein massiger Fronturm, einer Festung gleichend, zeugt.

Nach einem schweren Erdbeben, drückte ihm die Renaissance mit dorischen Säulen ihren Stempel auf und das Barock schmückte es mit reichlich Gold im Innern.

Vom Rathaus an einer Seite des Platzes wehen drei verschiedene Fahnen: die Flagge von Faro, die von Portugal und die der EU!

Dass die Algarve eine Art Extra-Part im Land Portugal spielt und sich aus dem Verbund Lusitania damit heraushebt, erkenne ich während meines Trips zu einigen markanten Stätten in diesem südlichen Grenzgebiet zum Atlantik, sehr deutlich.

Es ist der Atem Nordafrikas, der hier übers Meer geweht, spürbar wird und zu allen Zeiten eine wichtige Rolle übernommen hat. Verwandtschaftliche Beziehungen bestanden immerhin auch zwischen den Iberern und dem Volk der Berber, die im westlichen Nordafrika, dem Maghreb, sesshaft wurden. Zu deren verzweigtem Netz gehören auch die Tuareg und andere Stämme sowie die Guanchen auf den kanarischen Inseln.

Dass bereits Neandertaler auf der iberischen Halbinsel gelebt hätten, bleibt trotz dem Fund eines Schädels dieser Spezies bei Gibraltar, Spekulation.

Durch Grabfunde an der Algarve erscheint jedoch sicher, dass in der Jungsteinzeit (ca. 4000 v.Ch.) Stämme der ebenfalls vorindogermanischen Berber aus Nordafrika in den Süden der iberischen Halbinsel eingewandert sind.

Grob ausgedrückt, hätte sich demnach also aus verwandten „Bruderschaften“ plus fremden

Eindringlingen wie Kelten, Römern, Sueben etc. im Laufe der Jahrtausend, das heutige Spanien und Portugal heraus kristallisiert…

Das Puzzlemuster der Menschheit ist wahrlich kompliziert und schwierig zu entschlüsseln!

Je weiter sich das Land in westlicher Richtung in den Ozean frisst, umso spektakulärer markieren Felsformationen die Trennlinie zum Wasser, wehren sich zerklüftete Zacken und Spitzen gegen die schäumende Gischt der Brandung. Dazwischen behaupten sich kleine Sandbuchten, täuschen Frieden im Gezeter der Elemente vor… Oasen, die im Zeitalter des Tourismus Sonnenhungrige anlocken, momentan aber noch still vor sich hinträumen.

Infolge des zerrissenen Profils der Küste, führen die Strassen zu den Urlaubsorten durch unscheinbare Gegend ohne Sicht auf das bizarre Szenarium des Atlantiks. Doch auf Komfort getrimmte Hotels warten bereits auf Kundschaft. So zum Beispiel auch eine Fahrstunde westlich von Faro, der Ort Portimao, der außer seiner Sandbucht das Felsenensembles Praia de Rocha zu bieten hat. Es ist inzwischen zum Aushängeschild der Algarve und sogar ganz Portugals avanciert, denn außer der imposanten Visage, haben die Bombardierungen der Meereswogen auch noch diverse rundhöckrige oder spitze Gebilde – Höhlen, Brücken, etc. –aus dem Gestein modelliert… als hätte ein wildes Tier Fleisch und Innereien aus einem toten Kadaver genagt!

Angeblich hätten Engländer dieses Panoptikum von Figuren zum „relaxen“ entdeckt, das 3 km vom gleichnamigen alten Stadtzentrum Portimao entfernt, sein verführerisches Naturschauspiel inszeniert.

Der Ort selbst, in dem heute der Fischfang mit Kabeljau, Thunfisch und Sardinen floriert, war einst, wie so viele Plätze im Süden der iberischen Halbinsel, ein Ziel für Menschen aus Nordafrika. Die Phönizier könnten bereits im 8. vorchristlichen Jahrhundert hier vor Anker gegangen sein und Portimao sei im 3.Jhdt. vor Ch. von dem Karthager Hamilkaar Barkas, dem Vater Hannibals, gegründet worden. Die Römer folgten…

An der Hafenmole von Portimao reihen sich wie Perlen an der Schnur die Lokale, in denen Sardinen vom Grill als leckerer Imbiss verabreicht werden – ein gemütliches, eng aneinander gedrängtes Picknick im Freien – auf Holzbänken und Tischen unter Planen, die vor Wind und Sonne schützen.

Wie beim großen Nachbar Spanien, wurde auch die Algarve erst Karthago tributpflichtig, hatte Rom zu gehorchen, musste islamische Herrschaft erdulden, wurde schließlich arabisiert, bis das katholische Imperium dem Spuk einen keineswegs friedlichen Garaus bereitete.

Dabei waren die Impulse Arabiens dem starren, engstirnigen Zwängen des europäischen Mittelalters weit überlegen und befruchteten nachhaltig die eroberten Territorien.

Das Christentum fasste in Portugal sehr früh, bereits 60 n.Ch. Fuß, ehe der Islam um 800 seinen Siegeszug antrat und erst durch die Reconquista vertrieben wurde. Das geschah in Portugal über 200 Jahre eher als im spanischen Andalusien.

1249 war Portugal frei vom Bazillus Mohameds, Spanien erst 1492.

Blut floss im Hin und Her der Fronten auf der iberischen Halbinsel reichlich, bis das nordafrikanische Mischvolk der Mauren endlich auf ihren Kontinent zurück katapultiert wurden.

Nun herrschte wieder Zucht und Ordnung wie es das Christentum predigte und seine vom Papst beglaubigte Könige samt Adelsgefolge, vorschrieben. Kirche und Staat zügelten als Einheit die Gelüste des Volkes und drohten Zuwiderhandelnden mit Strafen im Höllenreich des Satans.

1112, also noch während des kriegerischen Glaubensgemetzels, betrat Alfonso Henrique als erster König des später als Portugal zusammen gefassten Landstrichs am Atlantik, die Weltbühne. Bis 1385 folgten ihm 8 weitere Herrscher aus der Dynastie „Burgund“. Als „Schrecklicher“ wird er von den Mauren, als „Eroberer“ von den Christen betitelt.

In dieser Zeit der Kreuzzüge und des Rittertums wurden Gewalttätigkeit und Brutalität durch Ideale wie Ehrgefühl, Frauendienst, Heldentaten legitimiert.

Dem „Haus“ Burgund folgte das von Aviz und dem entspross als vierter Nachwuchs ein Mann, der Portugal ins Rampenlicht der Welt bugsierte und ihm zu Glanz und Glorie verhalf: Heinrich der Seefahrer…

1394 im nördlichen Porto geboren, erkor er die Algarve zu seinem 40-jährigen Wohnsitz.

Seinen Spuren will ich folgen, ehe ich mich Portugals Hauptstadt, Lissabon widme.

6 km vor dem südwestlichen, steil aus dem Ozean ragenden Ende Europas, dem 62 m hohen

Felsklotz des Kap Vicente, hat Heinrich den Ort Sagres gegründet. Von hier sollten die Schiffsexpeditionen zur Entdeckung neuen Landes auslaufen!

Vor dem Ort führt die Strasse direkt zur Festung Heinrichs, die als ein ins Meer hinausragendes Felsplateau von 300 m Breite sein Einsiedler-Domizil bildete. Umgeben war er von Geografen, Nautikern, Schiffsbauingenieuren , Kartografen, Kapitänen und Gelehrten.

Hier, in der Kapelle Santa Maria da Graza betete der tiefgläubige Heinrich als Ordensmeister des Ordens der Christusritter, für sein Ziel unbekannte Erdenflecke für Portugal zu finden – mit dem Fernwunsch den Seeweg nach Indien zu entdecken und… dem Islam seine legendären Nachschubbasen abzunehmen und ihn zu vernichten.

Von den Brüstungen der Bastion verabschiedete er die Karavellen, wenn sie in die Ferne segelten. Hier verstarb er auch 1460.

Von den einstigen Wohngebäuden und der Seefahrerschule sind nur noch Reste vorhanden.

Das Cabo de Sao Vicente, auf dessen Spitze ein Leuchtturm in die Unendlichkeit weist, dessen Mystik nostalgisch nach dem Glauben seiner jeweiligen Besitzer verklärt wurde, klafft als Karbonschiefer-Koloss unweit Sagres gegen den Himmel. Als „heiliger Kap“ der Römer pflegten hier die Götter zu nächtigen, weshalb jedem Sterblichen zu dieser Zeit, der Aufenthalt dort strengstens verboten war.

Im 8. Jhdt. strandete das Schiff mit dem Leichnam des hl.Vincenz an seinen Klippen und wurde von Raben nach Lissabon weitergeleitet. Daher gilt auch die der Kapnase vor gelagerte

Felsnadel, Gigant genannt, als Finger des Heiligen, der bei der Havarie abgebrochen sein soll.

Im 17. und 18.Jhdt. fanden in den Gewässern vor dem Kap etliche Seeschlachten statt… Heute passieren täglich Hunderte von Schiffen aller Nationen dieses senkrecht ins Meer abfallende Symbol „Ende der Welt“ und grüssen es mit 3 Hornsignalen.

An der Zufahrtsstrasse reihen sich Stände mit dicken Pullovern aneinander… ein Angebot für leicht bekleidete Touristen, wenn, wie sehr oft kalte Winde das Kap bestürmen. Der vorderste Stand bietet Kulinarisches mit dem Hinweis: „Letzte Bratwurst vor Amerika!“

Noch ein Städtchen an diesem westlichen, von Felsen zerrissenen Küstenstreifen verdient Aufmerksamkeit: der alte Hafenort Lagos. 2 km südlich davon bietet außerdem das „Kap des Erbarmens“, eine Steilküste, die als weitläufiger Aussichtspunkt Besucher anzieht, atemberaubende Blicke über das Terrain. Zickzack-Stufen ermöglichen hier sogar den Abgang zum Meer, in dessen Buchten oft Sandanschwemmungen winzige Badeplätze geschaffen haben. Die Sicht fasziniert, die manchmal rotgelb leuchtenden Felstürme mit Grotten, Bögen und Höhlen sind jedoch nur per Boot von See aus zu erreichen.

Lagos war phönizischer Ankerplatz, römischer Hafen, maurische Seefestung und nach der christlichen Wiedereroberung Mittelpunkt der portugiesischen Schiffsbaukunst. Hier wurden die ersten Karavellen konstruiert und gebaut. Heinrich, der nur ein einziges Mal bei der Eroberung von Ceuta auf See war, überprüfte hier 1438 seine Karavellen und war nach seinem Tod bis zur Überführung nach Bathala in Lagos aufgebahrt.

1443 landeten in Lagos die ersten Negersklaven aus Afrika und wurden unter den Arkaden des Zollamts versteigert. Auch von Seeschlachten gibt die Bucht 200 Jahre später ein blutiges Zeugnis.

Heute laden Cafes und Souvenirstände im Zentrum zum Verweilen ein. Um 1500 wurde Belem bei Lissabon zum königlichen Hafen aller portugiesischen Flotteneinheiten und Lagos degradierte zum Stützpunkt fürs Fischereigeschäft.

Der oder die Algarve, abgeleitet von „Al Gharb“, arabisch „der Westen“ war also das Zentrum, von dem aus Portugals Kolonialflagge über die Länder der Erde zu wehen begann. Vorausgegangen war lediglich die Eroberung Ceutas und die Auffindung der Insel Madeira. Von ihm oder ihr starteten Heinrichs Schiffe mit tollkühnen Kapitänen an Bord zu neuen Ufern, nahmen Land für die Krone in Besitz und Portugal wurde zur führenden Instanz über fremde Gebiete und Völker.

Aber die Konkurrenz schlief nicht. Das Wettrennen um den Besitz fremder Territorien begann. Den Portugiesen jedoch die Schuld an dem Leid und der Gewalt, die später oft in den Kolonien herrschte, aufzubürden, wäre eine Ironie der Geschichte… gerade sie haben nie versucht die Hinterländer der Küstenplätze zu erobern, wollten Handel treiben und keine Ländereien besitzen. Missionstätigkeit an ihren Handelskontoren gehörte allerdings zu ihrer Strategie, wobei getaufte Eingeborene bei Verheiratung volle Rassengleichheit erlangten, sodass keine Diskriminierung aufkam.

Schärfster Konkurrent und Neider im Spiel um die Macht in fremden Gefilden, war Nachbar Spanien und erst durch einen regelnden Vertrag konnten 1494 die Zwistigkeiten beigelegt werden.

Zu Beginn des 16.Jhdts. steht Portugal am Gipfel wirtschaftlicher Expansion… Vasco da Gama hat den Seeweg nach Indien gefunden, Brasilien ist entdeckt…

Doch den Triumph der Eroberung Amerikas verbucht 1492 die spanische Flagge mit Christoph Kolumbus. Ausgerechnet der nachbarliche Rivale!

Wie bei Wettkämpfen bedeutet „Erster“ zu sein stets Ruhm, Ehre und Vorrechte.

Aber betrat Kolumbus tatsächlich als Erster die „Neue Welt“?

Dass die Wikkinger dort kurzfristig landeten scheint sicher.

Ein Geheimnis bleibt jedoch, ob nicht doch Portugiesen auch den nördlichen Teil des amerikanischen Kontinents auf ihren Seereisen kannten und zuerst betraten.

Alle Karten, Aufzeichnungen, Archive über ihre Unternehmungen sind beim Erdbeben 1755 im und mit dem königlichen Palast vernichtet worden.

Auch hatte Kolumbus während seiner Lehrzeit in Portugal und auf dessen Karavellen ausreichend Gelegenheit Logbücher und Aufzeichnungen portugiesischer Experten zu studieren. Halfen sie ihm später sein „vermeintliches“ Indien auf bereits bekannten Wegen zu finden? Immerhin befanden sich auf Kolumbus Schiffen auch erfahrene portugiesische Seeleute.

So darf straflos spekuliert werden… denn, zu allen Zeiten war die Weste auch der größten

Helden der Geschichte, nicht immer fleckenlos…

Die Sonne Portugals schickte sich tragischerweise bald nach dem kurzen, strahlenden Leuchtfeuer an, unterzugehen.

Das spanische Kastilien, mit dem Portugal immer wieder auf Kollisionskurs geriet, oft aber auch zu kooperieren versuchte, löschte 1580 den Glanz des kleinen Bruders rigoros aus und unterjochte ihn für 60 lange Jahre. Damit erlischt auch die Periode der Könnigsdynastie des Hauses Aviz.

Bis 1640 dauert das spanische Intermezzo unter Philipp II. in dem das portugiesische Volk brutal unterdrückt und ausgeplündert wird. Es leidet unsäglich und wird auch noch von Spanien in den Krieg gegen die protestantischen Holländer und Engländer mit hineingezogen, verliert bei der Versenkung der spanischen Armada auch die eigene Flotte. In den reichen Kolonien sind Vertreibungen und Plünderung an der Tagesordnung und schließlich ist vor allem Indien nicht mehr zu halten. Endlich bringen Aufstände gegen das ebenfalls geschwächte Spanien ein Ende der Not und Pein. Das „Haus“ Braganca bringt die ersehnte Unabhängigkeit und residiert mit insgesamt 14 Königen bis 1910. Doch die alte Herrlichkeit kann nie wieder erreicht werden und Europas südwestliches Schlusslicht gilt lange Zeit als sein Armenhaus.

Eine Fahrt auf der Autobahn durch das Hochland des südlichen Alentejo befördert mich über den Salzhandelsplatz Setubal – drittgrößter Hafen und viertgrößte Stadt Portugals – durch das bewaldete Naturschutzgebiet des Arrabida-Gebirges, nach Lissabon.

In der gering besiedelten Schieferlandschaft des Alentejo mit verstreuten Bauernhäusern aus Lehm, mit Öfen außerhalb, blüht der Ginster und lila und weiße Blumen sprenkeln die Wiesen, die je weiter man nordwestlich reist, sich immer mehr verdichten und weite Flächen bedecken. Zistrosen, Ginster, dazwischen stämmige Korkeichen… welch´ harmonische Szenerie, die von kuriosen Wolkenformationen verbrämt wird.

Das Latifundiensystem im Alentejo, wo sich zahlreiche zum Bauerngut gehörende Gebäude für Landarbeiter fast wie Dörfchen reihen, von dem aus die Felder bearbeitet werden, hat immer Anlass zu Spannungen gegeben. Die während der roten Nelkenrevolution 1974 durchgeführten Enteignungen mussten teils wieder rückgängig gemacht werden und stellen die Regierung und stellen die Regierung vor große Probleme.

Im Naturschutzgebiet begeistert immer wieder die Sicht aufs Meer und die bewaldete Küste, leider wird es durch ein weitläufiges Zementwerk stellenweise verschandelt. Durch Macchia führt dann die Strasse steil bergan, bis auf der anderen Seite sich schemenhaft die Häuser der Metropole abzeichnen. Über die berühmte Rote Brücke, die vom gleichen Architekt wie die von San Franzisko entworfen wurde, gelangt man schließlich ins Zentrum der Stadt.

Lissabon breitet sich über sehr steile und enge Täler am Nordufer des Tejo aus, der nach 16 km in den Atlantik mündet. In der breitesten Senke zwischen den Hügeln ist die Baixa, die Unterstadt angesiedelt, wo möglicherweise schon die Karthager siedelten, auf jeden Fall aber kannten die Phönizier bereits diese „liebliche“ Bucht. Nachweisbar war sie von Griechen bewohnt und für die Römer bedeutete sie neben Merida die zweitwichtigste Stadt in Lusitania. Die folgenden Alanen, Sueben Westgoten mussten 713 den Arabern weichen, die sie 700 Jahre lang in ihre Kulturwelt einbanden.

Ende des 15.Jhdts., zur Zeit der großen Entdeckungen wurde Lissabon zur wohlhabendsten, prächtigsten und wahrhaft kosmopolitischen Metropole Europas und größter Umschlagplatz für die begehrten Waren aus Brasilien, Afrika und dem Orient.

Außer dem Dilemma der spanischen Besatzungszeit erlitt die Stadt die größten Zerstörungen durch das verheerende Erdbeben von 1755, bei dem Zehntausende Menschen starben. Erst nachdem Pombal sie aufbauen ließ, begann sie wieder aufzublühen.

Pombal, eigentlich Graf Jose C. da Melo war hochbegabter Minister von König Jose I. aus dem Hause Breganza und Initiator des Wiederaufbaues, den er mit Härte und Energie betrieb. Durch seinen freizügigen Lebenswandel und zahlreicher „Affären“ einerseits und Durchsetzungsvermögen andererseits, war er beim Klerus und auch beim Adel nicht gerade beliebt, was schließlich an seinem Lebensabend zu seiner Abdankung und Verbitterung führte.

Während meines einwöchigen Aufenthaltes genieße ich nicht nur die angenehme Atmosphäre von Lissabon, sondern auch ihre kulturelle Vielfalt an Baudenkmälern und Kunstwerken, die sie in Museen aufbewahrt. Und immer wieder bei meinen Exkursionen zu Fuß, wenn ich durch das neue reißbrettartig konzipierte untere Viertel oder die malerische Altstadt oder das lebhaft Zentrum spaziere, muss ich unwillkürlich an das Flair einer anderen großen Metropole viele Kilometer entfernt, an einem anderen Ozean denken: San Franzisko!

Wie viel Ähnlichkeiten bestehen doch zwischen den beiden: Hier der Atlantik, dort der Pazifik… beide auf Hügeln erbaut… ,beide durch eine kühne Konstruktion überbrückt und schließlich beide durch ein verheerendes Erdbeben gegeißelt… die Eine früher, die Andere später! Und sogar die berühmte und von den Bewohnern heiß geliebte Cable Car von San Franzisko, die den Hang hoch keucht, hat ihr Pendant in Lissabon. Auch da schlängeln sich die Waggons einer Tramway durch enge, steile Gassen bergan.

Und wie einst in San Franzisko versuche ich auch in Lissabon den Charme und die Sehenswürdigkeiten der Metropole auf Schusters Rappen zu erleben. Und wo gelingt das besser als in den alten Vierteln, die sich beiderseits der Unterstadt emporziehen!

In Bairro Alto oder der Alfama und Mouria, die noch das Flair aus maurischer Zeit ausstrahlen, wo Menschen vor ihren Behausungen sitzen und schwatzen und Eile ein Fremdwort ist, da schlägt das Herz der Stadt hörbar und für jeden verständlich. In Bairro Alto laden kleine Lokale zu Speis´ und Trank ein und in einem solchen, in das sich kaum ein Fremder verirrt, finde ich den erste Kontakt zur Bevölkerung. Bald lässt sich ein Ehepaar an meinem Tisch nieder und bei einer Flasche Wein überbrückt der Wunsch miteinander zu reden alle sprachlichen Hürden. Mit ein wenig Englisch oder was immer, rücken zwei Welten einander näher.

?esonders intensiv gestaltet sich das Eindringen in den unbekannten Kulturkreis im Distrikt der Alfama, jenem Rest aus Lissabons arabischem Erbe. Der Streifzug durch dieses verwinkelte Vermächtnis, wo Vögel aus kleinen, am Fenster angebrachten Käfigen, fröhliche Lieder zwitschern und die Menschen ohne Hast herumschlendern, lässt vergessen, dass Lissabon eine Großstadt ist und auch, dass die Beschaulichkeit um den Preis der Armut eingehandelt wird. So spezifisch ist die Atmosphäre hier, dass ich Hemmungen empfinde, sie und ihre Menschen mit Film- oder Fotoapparat zu stören.

Noch zu Bairro Alto gehörend, aber hoch oben auf einem Hügel, zu dem auch ein pittoresk verkleideter Aufzug pendelt, klafft als Gerippe die Kirchenruine von Cameo, die nach dem Erdbeben nicht mehr aufgebaut wurde und… das archäologische Museum. Noch ein Stück weiter bergauf bietet die Kirche La Roqua ein wahres Eldorado an Kunst mit von Gold überladenen Seitenkappellen und der in Rom gefertigten Johanneskappelle, deren Gemälde aus Mosaiksteinchen zusammengesetzt sind.

Bergab zum „Rossio“, dem Zentrum sind es von hier nur wenige Minuten. Zu Zeiten der Inquisition, die in Portugal vor allem von fanatischen Jesuiten betrieben wurde, war er Schauplatz für Hinrichtungen. Bis ins 19.Jhdt. diente er als Stierkampfarena, wobei zu erwähnen ist, dass in Portugal die Tiere nie in der Arena, wie in Spanien, getötet werden, sondern unsichtbar fürs Publikum, erst danach.

So ziemlich als einziger Distrikt verläuft die Unterstadt eben, ohne Erhebungen, lässt sie von einstiger Großartigkeit nichts mehr ahnen. Die Strassen verlaufen längs und quer geradeaus, offerieren Geschäft aller Art, bieten aber bei genauer Beobachtung interessante Details an. So tragen zum Beispiel die schmiedeisernen Haltearme der Laternen an Gebäuden, Brunnen oder Torbogen oft ein Relief von Raben, die Bug und Heck eines Schiffes bewachen. Eine Erinnerung an die Seefahrt des Schutzheiligen Vincent, dessen Gebeine 350 Jahre nach seiner Havarie am Kap im 8.Jhdt. die Vögel zur Kathedrale nach Lissabon begleiteten. Die „amtierenden“ Raben werden im Kastell von Lissabon in einer Voliere gehalten und auf Staatskosten gefüttert, auf das nie wieder die Mauren zurückkommen mögen.

Die Prachtstrasse „Liberdade“ mit Bäumen und Bänken in der Mitte sowie großen Geschäften zu beiden Seiten, die ein wenig an die Champs Elyssee in Paris erinnert, führt hinauf zwar nicht zu einem Triumphbogen, sondern zu einer Rotunda, – dem Platz Pombal, mit dem Denkmal des großen Staatsmannes. Von hier starten auch Busse zu Ausflügen in die Umgebung.

Eine weitläufige, gepflegte Parkanlage schraubt sich weiter aufwärts zu einer Anhöhe, wo ein „Zaubergarten“, das Gewächshaus Estufa Fria, die Mühe des Aufstiegs lohnt.

Verschlungene Wege und Galerien geben den Blick auf ein Pflanzen-Konglomerat frei, das so vielfältig und reichhaltig ist, dass die Frage nach Namen – obwohl angegeben – zur Nebensache werden lässt. Auch die lichtdurchlässige Überdachung empfinde ich nicht als störend. Nur die gepflegten Pfade durch das Dickicht verraten den künstlichen Urwald. Grotten schmiegen sich in das dichte Grün und Türen weisen den Weg hinaus aus dem tropischen Idyll, wo ein Teich mit Enten und blühenden Bäumen den Besucher empfängt.

Oberhalb der Alfama, auf dem Burghügel ragt das Kastell Sao Jorge, die Festung des heiligen Georg, das älteste Bauwerk der Stadt, in den Himmel. Schon in prähistorischer Zeit befand sich hier eine Fluchtburg, die von den Römern ausgebaut und befestigt wurde. 1147 nahm König Alfonso Henrique die Festung den Mauren ab und Aus- und Umbauten verwandelte sie zur Residenz, bis 1511 das neue Schloss unten am Tejo fertig gestellt war. Heute bietet sie, nach den Zerstörungen durch das Erdbeben, restauriert, ein grünes Areal, umschlossen von Türmen und Zinnen mit herrlicher Sicht auf Lissabon. Ein Rundgang auf holprigem Weg und der Abstieg durch winkelige, steile Strassen, durch die sich Autos und die Tramvia zwängen, bringt mich zurück in die Altstadt.

Die Kirche Sao Vicente, an das sich ein ehemaliges Augustinerkloster anschließt, weckt mein Interesse. In diesem schmücken prächtige Azulejos die Wände des gedeckten Umgangs. Eine speziell portugiesische Verkleidung von Flächen, die sich findet überall und immer wieder in Kirchen ebenso wie bei Profanbauten findet und mit ihren endlos zu variierenden Dekors jedem Ort oder Gegensand eine besondere Note verleiht..

Es handelt sich dabei um hart gebrannte Tonfliesen vorwiegend in Blau und Weiß. Die Technik stammt von den Mauren und ursprünglich abstrakt-islamischen Mustern, die später von den Portugiesen durch Pflanzen und Figürliches abgewandelt wurde. Das arabische „al-zulayi“ bedeutet „kleiner Stein“. Um großflächige Azulejo-Gemälde, Altarbilder oder weltliche Zyklen von der Umgebung abzuheben, werden sie meist von passend gemusterten Rahmen und Friesen eingefasst.

Während mir die in der spanischen Besatzungszeit errichtete Kirche Sao Vicente ein wenig als Demonstration von „kalter Pracht“ erscheint, bietet mir der Spaziergang durch das ehemalige Kloster mit seinen Azulejos höchst amüsante „Ansichten“!

Ganz besonders erholsam und wunderschön finde ich auf dem Weg zur Kathedrale die kurze Rast auf dem Miradouro de Santa Luzia – einer vom Weinlaub umwehten kleinen Oase, die abgeschieden vom Getriebe als verschwiegenes Juwel, wie von einem Balkon Stadt und Tejo-Fluss zu ihren Füssen, portraitiert. Über steinernen Sitzbänken beschwören Azulejo-Gemälde, gefertigt nach alten Stichen, das Lissabon von damals und seine Einnahme von 1147.

Zuletzt schält sich dann aus dem Gewirr der Häuser und Plätze auch die Se, die Kathedrale, das älteste kirchliche Bauwerk der Stadt, aus dem Durcheinander. Standhaft und ehern trotzte sie allen Blessuren der Zeit – dem Erdbebenschaden, ebenso wie den Umbauten – und zeugt wuchtig, düster und mit mächtigen Säulen von der Kraft und Macht des Christentums. An der Stelle einer Moschee, bereits 1147 begonnen, demonstriert sie den Sieg über den Islam.

Es ist unmöglich in nur einer Woche alle die eindrucksvollen Kirchen sowie die zahlreichen großen Museen zu besuchen. Nur das Nationalmuseum und das Museo Calouste Gulbenkian picke ich mir aus dem reichen Angebot heraus und bin sehr beeindruckt von den übersichtlich dargebotenen, hochinteressanten Ausstellungsstücken.

Den Höhepunkt dieser 8 Tage bietet mir allerdings die Fahrt mit der Straßenbahn Nr. 15 zum Vorort Belem ( abgeleitet von Betlehem), das vom Erdbeben verschont blieb und mit der Klosteranlage des hl. Jeronimus der Nachwelt eine einzigartiges Kulturdenkmal Portugals aus seiner Glanzepoche präsentiert.

Direkt am Tejo-Ufer gelegen, vermitteln die berühmte Anlage, der Turm von Belem und das Seefahrer-Denkmal Heinrichs, ein Ensemble, das die Welt des 16.Jhdts. nicht nur in seiner üppigen Ornamentik, sondern auch im Hinblick auf Weite und Ausdehnung auferstehen lässt.

Die Klosterfassade mit dem prachtvollen Portal von 32 m Höhe und 12 m Breite ist überwältigender Blickfang zum Fluss hin und offeriert den ausschließlich in Portugal zwischen 1500 und 1520 erfundenen und angewendeten Baustil der Manuelinik (benannt nach dem Aviz-König Manuel I. (1495 – 1521), der 1500 den Bau des Klosters in Auftrag gab.

Es handelt sich dabei um einen Mischstil zwischen Gotik und Renaissance, bei dem überschwängliche Dekorformen vorherrschen. Portugiesische Seeleute, Entdeckerkapitäne, Festungsbauer und Handwerker verschmolzen dabei afrikanische, amerikanische und vor allem asiatische Schmuckformen mit erlernten gotischen und denen der eben aufkommenden Renaissance. Ein einzigartiges und einmaliges Erbe aus Portugals kurzer Glorie.

In Belem betete 1497 Vasco da Gama, ehe er mit 4 Karavellen nach Ostindien aufbrach, Hier empfing ihn 2 Jahre später feierlich Manuel I. mit dem gesamten Hofstaat und gab den Auftrag für dieses nach Bathala bedeutendste Nationaldenkmal.

1834 wurde das Kloster aufgelöst.

In der Anlage, der Hallenkirche, dem Kreuzgang, etc. herumzustreifen, vermittelt das Gefühl in einem überirdischen Reich zu wandeln, in dem das Auge von der unendlichen Vielfalt der Muster und filigranen Details überwältigt wird.

Der Turm von Belem entstand 1520 nach vierjähriger Bauzeit auf einer Insel, die durch Sandanschwemmungen zur Landzunge verfestigte. Auch er ist manuelinisch und neben dem Jeronimus-Kloster in seiner Erhabenheit einzigartig auf der Welt und Wahrzeichen eines waghalsigen und mutigen Seefahrervolkes.

Ebenfalls am Tejo, nahe beim Turm, rühmt das Denkmal der „Entdeckung“ vor allem Heinrich, der an der Spitze, am Bug einer stilisierten Karavelle stolz und aufrecht in die Ferne blickt. Aufsteigend auf den Rampen folgen ihm rechts und links Seeleute, Kapitäne, etc. und…

Missionare!

Am Boden des Vorplatzes zum 1960 errichteten Ehrenmal markieren Mosaiksteinchen in einer großen „Weltkarte“ die einstigen Besitzungen Portugals über alle 7 Meere – ein Imperium verlorener Macht – über das nun die Besucher hinweg schreiten!

Auf dem Fluss glitzert und flimmert das Licht der Sonne und als geschwungener roter Bogen wölbt sich die Silhouette der Brücke des 25.April über den blauen Himmel.

Mein Aufenthalt in der so sympathischen Metropole von Europas Südwestrand neigt sich dem Ende zu. Ich habe versucht hinter der attraktiven Kulisse den Rhythmus ihres Herzschlags zu vernehmen, der sich besonders abends in den Tavernen der Alfama und Mouria offenbart. Dabei klingen in den von Wehmut getragenen Melodien des „Fado“ alle Sehnsüchte und Wünsche an. Die Liebe, aber auch das Leid, das stets in ihr verborgen lauert, klagen an und werden doch Gott ergeben, ertragen.

Entstanden ist dieser melancholische Gesang Anfang des 19.Jhdts. in den Hafenkneipen von Lissabon und Porto, heraufbeschworen von und für Matrosen, hat er sich zum musikalischen National-Epos für das ganze Land entwickelt.

Seine Wurzeln hat er jedoch in der „Saudade“, die die Weltsicht der Portugiesen zum Ausdruck bringt: Sehnsucht nach verlorener Größe, Traum von besserer Zukunft ohne Flucht aus der Gegenwart.

Sudade ist die Trauer über die Endlichkeit aller Dinge, aber gleichzeitig ihre Akzeptanz. Wie der Seefahrer Heimweh in der Ferne verspürt und Fernweh, wenn er zu Hause weilt, herrscht eine stille Unrast und Zerrissenheit in dieser Volksseele, die weiß, das Licht immer mit Schatten und Aufstieg mit tragischem Ende verbunden ist.

Mein Schwanengesang für diese Stadt führt mich mittels Fähre nach Cacilhas, dem Lissabon gegenüber liegenden Hafengelände des Tejo.

Nachdenklich und nahezu allein schlendere ich dort die Mole entlang, an halb verrosteten Schiffen vorbei, die traurig vom Verschleiß Zeugnis geben, aber durch unsichtbare Stimmen aus ihrem Innern, Betriebsamkeit verraten. Was mögen sie alles auf der Fahrt durch die Meere erlebt haben, erwarten die ramponierten Veteranen etwa nochmals den Aufbruch zu neuen Abenteuern oder warten sie auf das Schicksal alles Ausgedientem?

Je weiter ich dem Lauf des Tejo folge, umso näher rückt Europas gewaltigste Hängebrücke, die 1966 feierlich eingeweiht wurde. Elegant schwebt sie über dem Strom und verrät nichts von dem enormen Material- und Kraftpotential, das für ihre Präsentation aufgewendet werden musste. Im Hintergrund ihres roten Bogens auf einer Anhöhe taucht undeutlich und kurz der schemenhafte Umriss einer übermächtigen Gestalt auf… einer riesigen Christusstatue, für die wohl das brasilianische Rio de Janeiro, Pate gestanden hat. Per Bus soll sie von Cacilhas erreichbar sein. Da ich dessen Standpunkt nicht entdecken kann, begnüge ich mich mit dem Hafen, seinem Flair und dem prächtigen Blick auf die Brücke, die sich so kühn und voll Leichtigkeit über dem Wasser erhebt. Über allem aber lagert der Geruch des Atlantik, der die Atmosphäre Portugals prägt.

In der Umgebung von Lissabon warten zwei Schlösser auf den Besuch von Touristen.

Das ältere, ehrwürdigere war Sommersitz der Dynastie Aviz und liegt 200 m hoch, eingekeilt zwischen Hügeln auf einem Bergsporn der Serra de Sintra. Schon die Mauren schätzten die Schönheit des Gebietes und bauten ein Schloss. Auf seinen Fundamenten erhebt sich seit Ende des 15.Jhdts. die ehemalige Aviz-Residenz. Hier wurde König Manuel geboren und unverkennbar sind die manuelinischen Schmuckformen vor allem an Fenstern und Portalen. Eine Besichtigung der Räume entführt in eine verflossene Zeit, während in den steilen Gassen des hübschen Ortes das bunte Souvenirangebot der Gegenwart vor den Geschäften im Winde flattert. Dazwischen verstecken sich aber auch kleine, enge Lokale mit urigem Flair, wo es sich gemütlich speisen lässt.

Ganz anders präsentiert sich das Sommerschloss der Dynastie Breganza in Queluz, entstanden 1747, das in romantischer Rokoko-Ausstattung schwelgt.

Leider ist die rosafarbene Fassade gerade zur Hälfte eingerüstet, trotzdem drängen sich Menschenmassen vor dem Eingang. Busgruppen und Schulklassen wälzen sich im Innern durch die Räume, in denen einstige Pracht zur Schau gestellt wird.

Der anschließende Spaziergang durch den herrlichen Garten, der hufeisenförmig das Gebäude umrahmt lässt ahnen, welch´ erlesene Feste hier zwischen Bäumen, dekorativen Beeten, Buchsbaumhecken, zwischen reizenden Figuren und neckischen Putten einst stattfanden. Zwischen blühenden Rabatten plätschern kleine Springbrunnen, ein zu einem Kanal gestautes Bächlein wird von einer Brücke überspannt und im Geiste sieht man förmlich, wie bei feierlichen Soirees Boote mit Gästen den Kanal befahren, während oberhalb wie auf einem Podium die Kappelle bei Kerzenlicht musiziert.

Zurück aus königlichen Gefilden, übernimmt in der Nähe Cabo da Roca die Hauptrolle im Spiel der Elemente. Durch zauberhafte Landschaft auf einer Strasse mal bergauf, mal bergab, erreicht man dieses westlichste Felsmilieu des europäischen Festlandes, das sich als ein faszinierendes Stück Erde vorstellt. Mittagsblumen und niedere Zistrosen-Sträucher bedecken ringsum das Terrain. Der Leuchtturm weist ins Land hinein, das von Brandung umspülte Gestein hinaus aufs weite Meer. Kleine Pfade zwischen den blühenden Wiesenteppichen verleiten zum Flanieren. 144 m hoch thront das Kap auf einem Felsklotz über dem Ozean, das die Römer „Promotorium Magnum“, großes Kap nannten.

Immer noch im Bannkreis von Lissabon muss erwähnt werden, dass diese vielseitige Stadt auch eine „Costa del Sol“, eine Sonnenküste am Atlantik anzubieten hat. Diese Riviera ist zwar kurz, aber die Fahrt entlang, wunderschön. So bietet zum Beispiel Estoril ein berühmtes Spielkasino mit davor einem prächtigen Garten. Es ist inzwischen fast mit dem ehemaligen Fischerdorf Cascais zusammen gewachsen und beide galten als das vornehme Profil der Stadt, was sich inzwischen allerdings etwas gewandelt hat.

Nördlich der Metropole führt eine Strasse durch die Estremadura zu einem Kleinod, dem „Vorzeige-Ort“ Obidos. Kelten, Römer, Westgoten und schließlich Araber haben dort ihre Visitenkarten abgegeben, bis es 1195 den Freibrief erhielt.

Obidos war das Hochzeitsgeschenk für Königin Isabel, die als Heilige verehrt und deren Vermählung 1282 hier gefeiert wurde. Bis 1834 gehörte der Ort zur Aussteuer der portugiesischen Königinnen.

Das Konterfei des kleinen Städtchens, zu dem man durch ein Tor Zugang gewinnt, bestätigt mit malerischen Gassen innerhalb 13 m hoher Mauern seinen Ruf als mittelalterliches „Bilderbuch-Juwel“. Die hübsch mit Wappen dekorierte Burg an der Basis – einst belegte ein maurisches Kastell die Stelle – wurde inzwischen zu einer Pousada, jenen exklusiven im Land immer wieder anzutreffenden Gästehäusern, umfunktioniert.

Sowohl der Bummel durch die enge, holprige Hauptstrasse, durch die sich leider auch manchmal Autos zwängen, als auch der Aufstieg zur Burg oder entlang der Stadtmauer, entführen in eine längst vergangene Zeit und die liebliche Hügellandschaft, in die sich Obidos mit weißen Häuschen hinein schmiegt, verleitet zum Träumen von herrschaftlichem Glanz.

Zwei Highlights von Portugal, die gleichzeitig Nationalmonumente darstellen, verkörpern die Klosteranlagen Bathala und Alcobaca.

Auf dem Weg zum Kloster Alcobaca, verlockt noch der Fischerort Nazare zu einem kurzen Aufenthalt. Wie so typisch für das christliche Portugal, verklärt diese Ansiedlung am Atlantik eine glorifizierende Legende. Am Klippenrand zum Ozean gemahnt eine kleine Kappelle an die Rettung des Bürgermeisters aus den Klauen des Teufels, der es auf seine Seele abgesehen hatte. Als leidenschaftlicher Jäger geriet einst sein Pferd bei der Verfolgung eines Hirsches in Panik und stürzte ins Meer, nachdem es ihn vorher abgeworfen hatte. Natürlich stiftete der Mann dafür diese Kappelle der Mutter Gottes.

Am Marktplatz von Sitio, dem hoch an einem Fluss gelegenen Ortsteil von Nazare, den man mit einer etwas ausgewerkelten Seilbahn erreicht, entstand 1182 gestiftet, die Wahlfahrtskirche, zu der am 15.8. und im September zahlreiche Menschen pilgern. Auch die Kappelle am Abhang erinnert genau wie Kachelbilder an vielen Häusern an des Bürgermeisters wundersame Rettung.

Und natürlich wimmelt Sitios Marktplatz, von dem aus man eine herrliche Sicht auf den Atlantik genießt von Andenkenständen; zum Glück benehmen sich Portugiesen beim Anbieten ihrer Waren dezenter als in anderen südlichen Ländern und werden nie aufdringlich.

Unten in Nazare brandet der Ozean ans Ufer. Noch finden sich keine Touristen am Badestrand und auch von den charakteristischen bunt bemalten Booten mit den spitzen, hochgezogenen Vordersteven – eine Erfindung der Phönizier – ist nichts zu sehen. Das auf den Wasserfahrzeugen aufgemalte „Auge Gottes“ würde beim Suchen der Fische helfen, heißt es…

Bis vor ein paar Jahren gab es keinen Hafen und keine Mole in Nazare und die Fischer mussten ihre Boote mit Ochsen oder Traktor an Land ziehen.

Durch wunderschöne Pinienwälder gelange ich schließlich zur Klosteranlage von Alcobaca, dem Gelöbnisgeschenk an die Zisterzienser, wo einst 999 Mönche lehrten und beteten. Der Ort ist landwirtschaftlicher Mittelpunkt und oberhalb weist auf einem Hügel eine verfallene Maurenburg auf die islamische Ära hin, während sich im Tal der Klosterkomplex mit all seinen Gebäuden über eine Front von 221 qm ausbreitet. Alcobaca war Mutterkloster von 18 anderen Mönchsgemeinden, der Abt gehörte zu den ranghöchsten Würdenträgern des Reiches. Er gebot über 3 Seehäfen und 13 Städte. 1147 schickte von hier Portugals erster König Alfonso Henrique seine Ritter in den Kampf gegen das moslemische Santarem und versprach im Falle eines Sieges die Gründung des Klosters. Es erlebte Zerstörung durch Erdbeben, marodierende Franzosen und 1834 Säkularisierung, bis es 1930 Nationalmonument wurde. Als eines der bedeutendsten religiösen Baudenkmäler dient der größte Teil der Gebäude als Schule und Sitz von Behörden.

Die Domkirche, ein gigantischer, schmuckloser, 106 m langer frühgotischer Hallenbau ohne Seitenkappellen, Umgänge oder Galerien – Portugals größter Sakralbau – strahlt eine große Ruhe aus.

Zwei Prunksarkophage im Mittelpunkt der beiden Querschiffarme der Kirche erzählen die Geschichte eines Dramas, wie es kein Autor tragischer hätte erfinden können…

Als im 12. Jhdt. König Alfonso IV. aus dem Hause Burgund, die Geliebte seines Sohnes Pedro – eine Hofdame dessen Frau – Ines de Castro – töten ließ, nahm dieser nach dem Tod des Vaters und neuer Herrscher furchtbare Rache an den Mördern. Sie wurden gejagt, ihre Auslieferung von Spanien, wohin sie geflüchtet waren, erwirkt und in Pedros Gegenwart grausam hingerichtet, indem man den lebenden Körpern das Herz aus dem Leib riss.

Alfonso hatte Ines zunächst verbannt, der Sohn ließ sie nach dem Tode seiner Frau zurück in den Palast holen und heiratete sie heimlich.

Nach der grausigen Vernichtung der Schuldigen ließ Pedro den Leichnam seiner Geliebten und Gattin aus dem Kloster in Coimbra, wo diese einbalsamiert ruhte, überführen, auf den Königsthron setzen und befahl dem Adel des Landes, der mit allen Insignien königlicher Würde – Krone, Zepter und Purpurmantel – bekleideten Toten zu huldigen und ihre starre Hand zu küssen, ehe sie in einem gespenstischem Trauerzug, gefolgt vom König, den Granden, Prälaten, Mönchen mit Trauermusik in der Kathedrale von Alcobaca beigesetzt wurde.

Und wie immer, wenn es sich um die Geschichte einer großen Liebe handelt, wurde auch dieses makabere Ereignis von Literaten aufgegriffen und bearbeitet. So auch von Portugals berühmtesten Dichter Luis de Camoes, der es in den „Luisaden“ – einem Epos in 10 Gesängen – verewigte. Auch dieses Leben verlief abenteuerlich und endete tragisch.

Als Sohn eines Schiffkapitäns 1524 in Lissabon geboren, studierte er in Coimbra und wurde wegen einer Liebesaffäre aus Lissabon verbannt. Als Freiwilliger ging er zur Flotte, verlor bei einem Seegefecht bei Ceuta das rechte Auge und lebte 19 Jahre lang in Ostasien. Hier lernte er alle Höhen und Tiefen menschlicher Existenz zwischem Roten Meer und Macau kennen und verfasste das Heldenepos der Lusiaden. Bei einem Schiffbruch auf der Rückfahrt nach Lissabon rettete er als einzige Habe dieses Manuskript. Sein sehnlichster Wunsch war die Veröffentlichung, die tatsächlich gelang. Doch inzwischen krank und verarmt konnte ihm das geringe Entgelt nicht aus seiner Notlage retten. Er zog sich zurück und soll 1579 völlig verkommen in der Alfama in Lissabon, an der Pest gestorben sein.

Sein Werk aber, das größte nach Homer wurde zum Nationalepos und sein Kenotaph steht in Belem in der Jeronimus-Kirche gegenüber dem von Vasca da Gama. Gleich nach dem Erscheinen der Arbeit begann auch Portugals Macht nach der Periode der Herrlichkeit, zu schwinden.

In der Kathedrale von Alcobaca stehen sich die Sarkophage von Pedro und Ines de Castro Fuß zu Fuß gegenüber, damit jeder bei der Auferstehung den anderen zuerst erblicke.

Der Sarg des Königs ruht auf 6 Löwen, die Rosette am Kopfende zeigt 18 Szenen über das Zusammenleben der Liebenden und Details des Mordes. Den Sarg der Ines tragen kauernde, wie zu Boden gedrückt, gebeugte Widersacher und an den Längsseiten sind Darstellungen aus dem Leben Christi angebracht. Oben auf den Särgen umgeben Engel das Paar. Pedro hält die Hand am Schwert, Ines mit Schleier und Krone bettet den Kopf unter einen Schmuckbaldachin.

Eine beklemmende Begegnung!

Das Kloster Bathala empfinde ich als ein Wunder aus Kalkstein!

Schon das Eingangstor zur Kirche deutet auf einen außergewöhnlichen Kunstgenuss hin.

Es ist ebenfalls ein „Geschenk“, diesmal zu Ehren der Jungfrau Maria, versprochen vom Begründer des Hauses Aviz Joao I., – im Falle eines Sieges im Kampf gegen Kastilien – sollte es der Santa Maria de Vitoria geweiht werden. Der Volksmund taufte es in „Bathala“ um.

Von der Hochgotik über die Manuelinik bis in die Renaissance reichen die Stile der Architektur und Ausstattung, bei der 6 Könige tätig waren. Erst 1557 war das Kloster vollendet.

1955 erfolgte eine ausgezeichnete Renovierung, denn Zerstörungen und Plünderungen hatten der Anlage, die 1834 aufgehoben und später Nationalmonument wurde, arg zugesetzt.

Das Innere der Kirche ist schmucklos und feierlich und erinnert stark an Alcobaca.

Unter prunkender Sternenkuppel ruhen in Nischen die Mitglieder der Aviz-Familie, unter einem gotischen Baldachin, Heinrich der Seefahrer.

Im 55 x 50 m messenden, fast quadratischen Kreuzgang hat der Baumeister das ganze „Füllhorn“ der gerade aufgeblühten Manuelinik, ausgeschüttet. Wie mit Blüten aus Stein schmückte er die alten Spitzbogen, wodurch der „Claustro Real“ zweifellos zum schönsten Kreuzgang der Welt gekürt wurde. weiteres Meisterwerk der Manuelinik gilt das mächtige Tor zu den „Unvollendeten Kapellen“. Sie wurden für Joao´s Sohn errichtet und sollten für ihn und seine Nachfolger zum Familien-Mausoleum werden – mit seinem Sarkophag in der Mitte und einem Kappellenkranz ringsum. Sie sind jedoch unfertig, ohne Dach geblieben.

Das 15 m hohe Portal, das zu ihnen führt, quillt über von Skulpturen mit Stängeln, Blüten und Blumen und einem geklöppelten Spitzenwerk aus spätgotischen und Renaisance-Formen, das mit Anklängen aus dem Islam und dem fernen Osten einem fantastischem Märchen gleicht. So ähnlich präsentieren sich auch die Kappellendekore mit Bändern, Zacken etc.

Um das Kloster entstand das Dorf Bathala, das mit Geschäften und Souvenirs aus der „Berühmtheit“ Nutzen zu ziehen sucht.

Im weiteren Umkreis der beiden Nationalmonumente Alcobaca und Bathala zwingt noch ein anderes Vermächtnis aus der Vergangenheit zur Besichtigung. Auch bei ihm wird man in die Zeit der Könige zurückgeführt und mit den nicht immer ehrwürdigen Gepflogenheiten der Kirchenhierarchie konfrontiert.

Eingebettet in eine grüne Hügellandschaft, die an die Toskana erinnert, breitet sich das Städtchen Tomar aus und über ihm auf einem Berg erhebt sich die Christus-Ritterburg, deren Geschichte von allerlei Turbulenzen, Intrigen, etc. zu erzählen weiß.

Schon die Römer siedelten an diesem Platz, auch die Mauren und als sich während der Renaissance die Tempelritter bei der Eroberung von Santarem besonders hervor taten, überließ ihnen Alfonso Henrique, der erste König Portugals 1159 ein Kastell am Fluss Nabao, wo ein Jahr später der Bau der Kirche vom Ölberg – die Mutter aller Templerkirchen – begann. Sie steht heute am Rande der Stadt. Lange war das der Ort des Ordenskapitels, wurden hier viele Ordensmeister und hervorragende Ritter begraben.

Der Ursprung der Templer geht auf die Kreuzzüge zurück, wo der Orden vom Papst bestätigt und mit Privilegien ausgestattet wurde.

Im 13.Jhdt. hatte er seine höchste Blüte, besaß in Europa 9000 Komtureien und Einfluss in allen Bevölkerungskreisen. Der Großmeister hatte fürstlichen Rang, seine Großprioren regierten in den Provinzen.

Da das Kastell im Tal wenig zur Verteidigung geeignet war, begann 1160 der Bau einer Tempelritter-Burg am Bergrücken, die nach dem arabischen Flussnamen Nabao „Tomar“ genannt wurde.

1291 ging die christliche Herrschaft dort zu Ende, der Großmeister ließ sich in Zypern nieder.

Das eigentliche Drama der Templer nahm in Frankreich seinen verhängnisvollen Verlauf, wo der reiche Orden die meisten Besitztümer hatte. Dort herrschte gerade König Philipp der Schöne, der Geld und Gut überaus schätzte. Er war als Rittermitglied von den Templern abgelehnt worden… Was dann geschah, kann als Musterbeispiel für die Koexistenz oder auch Divergenz zwischen Staat und Religion bzw. deren Vertreter auf Erden gelten. Philipp benutzte den von ihm abhängigen Papst Clemens II. als Vollstrecker des Untergangs der mächtigen Ordensbruderschaft. Ob und wie weit die ihnen vorgeworfenen Untaten wie Ausschweifung, Götzendienst, Ketzerei, etc. zutreffend waren, wird nie zu klären sein. Schließlich bietet das Leben besonders wenn man Geld im Überfluss besitzt, außer beten und büßen, auch manch angenehme Tätigkeit!

Jedenfalls löste der Kirchenfürst wohl mehr gezwungen als freiwillig 1312 den Orden auf, beschlagnahmte all´ sein Vermögen und… was so gar nicht zum Image christlicher Nächstenliebe passt… seine Mitglieder wurden grausam verfolgt, vor ein Inquisitionsgericht gestellt und vielfach am Scheiterhaufen verbrannt.

Was tun mit dem päpstlichen Verbot in Portugal? Der hier amtierende König konnte den Beschluss nicht verhindern, wusste sich aber zu helfen. Er übertrug alles bewegliche Gut der Templer, den im August 1318 neu gestifteten Orden Jesus Christo, den der neue Papst Johannes XXII. im gleichen Jahr bestätigte. Wie es erzählt wird, hatte der Großmeister der Templer vor seiner Verbrennung sowohl den Tod von Papst Clemens, wie auch ein Jahr später den von Philip dem Schönen vorausgesagt. Beides traf termingerecht zu.

Der neue Christusritter-Orden bekam die Weisung, in Zukunft nach den Regeln des heiligen Benedikt und den Satzungen der Zisterzienser zu leben.

So lässt sich manchmal Altes in eine neue Facon „ummodellieren“! Und der nächste Papst Julius III. verband schließlich das Grossmeistertum für immer mit der Krone Portugals. Damit erfuhren die Christusritter vor allem unter dem Königsinfant Heinrich dem Seefahrer als Oberhaupt, eine Blütezeit. Mit Sitz in Tomar wurde er wieder zum Wohlhabendsten der ganzen Christenheit.

Erst als der bigotte Joao III. den Ritterorden auf Betreiben der Jesuiten in einen Mönchsorden umwandelte, begann der Niedergang und mit dem Sturz der Monarchie 1910 erfuhr er seine Aufhebung. Seine Zeichen, das achtspitzige rote Kreuz, das auf den Segeln der portugiesischen Karavellen flatterte, schmückt jedoch bis heute die Ordensbauten.

Eine breite Treppe führt zu Plattform vor dem Kirchenportal von Tomar.

Gebaut wurde die Anlage während der Regierungszeit mehrerer Könige, bis sie schließlich zum größten Renaissance-Bauwerk Portugals emporwuchs.

Die Westfront, die man von der oberen Plattform am besten überblickt, stellt einen Höhepunkt der Manuelinik dar, wobei vor allem das riesige mit Schnüren und Tauen und allen möglichen Gestalten ausgeschmückte Fenster ins Auge fällt.

Nach dem Kunstgenuss der drei prächtigen Kirchen bzw. Anlagen darf ich Portugals bekanntestes Pilgerziel natürlich auch nicht versäumen… Fatima! Am 13.5.1917 war drei Hirtenkindern die Jungfrau Maria erschienen. Anlass genug für den Bau einer Kappelle an der Stelle der überirdischen Begegnung, der später eine große Kirche folgte.

Der „Erscheinungsplatz“ präsentiert sich als riesige Plattform, auf der heute glücklicherweise nicht viel Betrieb herrscht.

In einer quadratischen Arkade davor haben sich Stände mit Andenken und mancherlei Kitsch etabliert, wobei wenigstens das Wallfahrtszentrum selbst, von der profanen Geschäftemacherei verschont bleibt.

Ein Informationsbüro stellt Unterlagen zur Geschichte der Ereignisse zur Verfügung und erwähnt auch, dass zwei der drei Kinder bereits 1919/1920 gestorben wären und das dritte weltabgeschieden als Nonne in einem Kloster lebe.

Man kann Kerzen kaufen und seitlich an einem dafür vorgesehenen Platz entzünden. Auch „Knieschoner“ sind zu mieten… und trotz der wenigen Menschen, die heute das Pilgerziel besuchen, begegne ich einer älteren Frau die auf Knien zur Kirche rutscht. Darin findet gerade eine Andacht statt. Im Vergleich zu den Ausmaßen des Platzes wirkt das Gotteshaus im Innern fast bescheiden.

Der Ort Fatima, zu dem ein schmale Straße an Steinbrüchen (Kalk wird abgebaut) vorbei führt, macht mit ein paar Geschäften und Häusergruppen einen eher nichtssagenden Eindruck.

Der „Erscheinungsplatz“ an dem das Wunder stattfand, strahlt dagegen irgendwie eine geheimnisvolle Mystik aus… wohl dem, dem sie sich offenbart!

Meine Reise führt nunmehr weiter nach Norden und da setzt vor allem die Begegnung mit der alten Universitätsstadt Coimbra besonders eindrucksvolle Zeichen. Nicht umsonst umgibt sie ein romantisches Flair, das dem von Heidelberg gleichkommt. Studentenherrlichkeit auf portugiesisch! Ihre Vertreter erkennt man an der Tracht, die sie zumindest an Festtagen zur Schau stellen.: die Batina… ein schwarzer Rock, ein schwarzer Mantelumhang, den am unteren Rand Fransen zieren. Ihre Anzahl gibt Auskunft über die Studienjahre und… getätigte Liebschaften!

Coimbra, das sich am rechten Ufer des Flusses Mondego auf und um Hügeln ausbreitet, entzückt einerseits durch die herrliche Ansicht vom großen Platz in der Oberstadt auf das Gelände der Universität mit all seinen Gebäuden und andererseits auf den Fluss und die Häuser des unteren Stadtteils.

Die Schönheit der Landschaft hat schon in prähistorischer Zeit Menschen zum siedeln angeregt. Römer, Vandalen, Sueben, Westgoten wechselten sich meist kriegerisch im Besitz der Stadt ab, bis 716 der Arabersturm einsetzte. Erst 1064 kam sie endgültig unter christliche Herrschaft und wurde 1140 Portugals Residenz. Anfang des 14. Jhdts. wurde unter der Dynastie Burgund die Universität gegründet, die bald einen hervorragenden Ruf genoss.

Das „eiserne Tor“ eines alten Kastells, das hier einst stand, führt zu den Universitätsanlagen, die 1540 in den königlichen Schlossanlagen entstanden.

In der Bibliothek ruhen in 3 hohen, barocken, untereinander verbundenen Hauptsälen rd. 120.000 Bände in Regalen. Zu Papier gebrachte Geisteswelt vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Die Räume ähneln denen der gleich alten Hofbibliothek in Wien, dem Werk Fischer von Erlachs. Ein Zufall? Eher nein, denn der Erbauer Joao V. war mit Anna von Österreich verheiratet!

Von einem schmalen Wandelgang aus kann man in verschiedene Räume der Aula einsehen und durch ein hohes, manuelinisches Portal betritt man die Universitätskappelle, deren Fenster, ebenso wie Wappen und das Christusritterkreuz noch vom ehemaligen Königsschloss stammen, in dem die Universität untergebracht ist.

Die alte Kathedrale befindet sich ebenfalls noch in der Oberstadt. Sie wurde als romanische Wehrkirche errichtet und hat zumindest im Innenraum ihr ursprüngliches Aussehen bewahrt.

Der Abstieg in die Unterstadt führt über die Quebra Costas, die „Rippenbrecher“, wie die Straßenstufen genannt werden, die tatsächlich Konzentration erfordern, wobei leider die Würdigung des malerischen “Rundum“ zu kurz kommt.

Ohne Blessuren in der Fußgängerzone der Unterstadt angekommen, bin ich fast zu „geschafft“ für weitere Besichtigungen wie die neue Kathedrale. Lediglich der Kirche Santa Cruz widme ich einen kurzen Blick im Innern. Immer noch höchst ansprechend, soll sie auf Fundamenten der alten romanischen um 1530 zur glanzvollsten der ganzen iberischen Halbinsel gezählt haben.

Als bestens geeignet für eine Erholungspause auf dem Weg nach Viseu, entpuppt sich der 480 Hektar große Wald von Bucaco.

Durch ein dichtes, grünes Areal von Baumfarnen, Azaleen und Eukalyptusbäumen, erscheint auf einer Anhöhe ein winziges Karmeliterkloster, dessen Mönche das Kleinod schützten und pflegten. In der Nähe ließ der vorletzte Bryganza-König einen Sommerpalast in neu-manuelinischem, Stil errichten, der zum Nobelhotel umfunktioniert wurde. Im Salon, der luxuriös mit blauen Azulejos ausgeschmückt wurde, lässt es sich stilvoll ausruhen!

Mehr als 400 einheimische und 300 exotische Gewächse, die portugiesische Seeleute als Samen oder Setzlinge von überall mitbrachten, gedeihen in diesem wundervollen Amborium.

Das Provinzstädtchen Viseu gilt als „antigua e noblissima Cidade“ – als alte noble Stadt, was besonders oben um ihre Kathedrale sichtbar wird. Nicht nur das manuelinische Steintau-Knotenspiel-Gewölbe über romanischen Säulen im Innern ist einzigartig, auch der Platz davor, in dessen Mitte ein Marterpfahl prangt, strahlt mit vielen schönen Herrenhäusern privaten oder bischöflichen Besitzes, auffallende Eleganz aus.

Bis zum lusitanischen Volkshelden Viriatus, der gegen die Römer, infolge seiner Ermordung vergeblich kämpfte, reicht Viseus belegte Historie zurück.

Im 13. und 14.Jhdt. war die Stadt zeitweise Portugals Residenz. Im 15.Jhdt. begann durch die Gründung einer Malschule ihr Ruhm als hervorragende Kunststadt.

Äußerst abwechslungsreich verläuft auch mein weiteres Vordringen in nördliche Regionen. Halten sich zuerst noch die Berge im Hintergrund, sammeln sie sich bald wieder konzentrierter um die Straße, deren Ränder von der Fülle gelb blühenden Ginsters fast erdrückt werden. Wie ein grauer Asphaltwurm schlängelt sie sich mal bergauf, mal bergab bis auf eine Höhe von 1000m.

Einen reizenden Ort erreicht man in Lamego am Hang des Monte Penudo. Er wird vom Burghügel, wo einst ein maurisches Kastell stand und der Remidius-Wallfahrtskirche, zu der 600 Stufen empor führen, eingefasst.

Nun befinde ich mich bereits dicht am berühmten Weinbau-Gebiet des Douro-Flusses, der sein blaues Band durch eine liebliche, unberührte Landschaft Richtung Atlantik dirigiert. Auf seinen Hängen reihen sich die Rebstöcke des edlen Portweines aneinander, der auf den Schieferböden infolge der Wärmespeicherung besonders gut gedeiht. Bei der Gärung wird er gestoppt und mit Branntwein 1 : 5 versetzt.

Terrassenförmig gestaffelt, offenbaren Fluss und Hänge, immer wieder von einer kleinen Stadt oder Dörfern belebt, den speziellen Zauber, der charakteristisch für viele europäische Ströme ist. Zwar fehlen hier die bizarren Ruinen der Burgen, was der Harmonie der Natur eher zugute kommt.

Der Weg nach Braga, meinem nächsten Anlaufziel, führt nach Verlassen der Flusslandschaft durch den Distrikt Minho, einem Gebiet, in dem sich, obwohl dicht besiedelt, Unberührtheit zu Abgeschiedenheit steigert und das das Prädikat „grüne Augenweide“ wohl verdient. Nur das Gelb des Ginsters und das Weiß der Baumheide, die um diese Jahreszeit blühen, steuern zusätzliche Farbe bei.

Nach dem Städtchen Amarente, das seine Besucher mit einem hübschen alten Stadtkern begrüßt und Station auf dem portugiesischem Jakobsweg bietet, stehen mir noch 2 Stunden Fahrt bis zum heutigen Ziel Braga bevor. 5 km an der Stadt vorbei, die sich als „Rom Portugals“ bezeichnet, steigt eine kurvenreiche Strasse empor zur Wallfahrtskirche „Bom Jesus“, die mit dem gleichnamigen Hotel eine angenehme Übernachtungsmöglichkeit verspricht. In herrlicher Waldluft wirkt dieses Quartier sehr vornehm, mein Zimmer samt Inventar gemahnt dagegen intensiv an Großmutters „bessere“ Zeiten. Das Bett auf Stelzen mit weiß gestickter Decke lässt ein eventuelles „herauskippen“ des Nachts befürchten, da mitten im Raum befindlich. Geraffte Fenstervorhänge und verschnörkelte Lämpchen versetzen ebenfalls Jahrzehnte zurück und die hohe Tür zu so etwas wie einem winzigen Balkon, lässt sich auch mit sanfter Gewalt nicht öffnen und der Blick durchs getrübte Glas porträtiert eine fahle Landschaft.

Trotzdem beschert mir die antike Herberge einen erholsamen Schlaf, sodass ich mir noch vor der Besichtigung von Braga, die Teilnahme an einem Tagesausflug durch den nördlichen Minho zur spanischen Grenze gönne.

Immer noch auf dem Pilgerweg nach Santiago, der der Route einer alten Römerstrasse folgt, passiert man Orte mit kleinen, teils verfallenen, aber auch neu erbauten Häusern.

Dieser Teil des Minho-Distrikts gehörte einst zu Kastilien und bildet aus historischer Sicht eine Einheit mir Galizien. Wie der Douro und die beiden parallel verlaufenden Flüsse dazwischen – Lima und Cavado – mündet auch der Minho in den Atlantik. Aus Luftfeuchtigkeit, Regenreichtum und daraus resultierenden üppigem Wachstum aller Art, bietet die kurvenreiche Strasse auch hier das Panorama einer herrlichen Bergwelt, das man, da kaum befahren, ausgiebig genießen kann.

Gartenbeete, mittelgroße Felder liefern Mais, Kartoffeln, Obst, Gemüse und… Wein, dessen Reben zwischen Granitständern aufgehängt, einen köstlichen Tropfen produzieren.

Hier ziehen noch Ochsen uralte zweiräderige Wagen, deren kunstvoll verzierte, rechteckige Joche ihre Stirne schmücken. Granithäuser mit geschwungenen Außentreppen, schmalbrüstige Korn- und Maisspeicher sind weitere Merkmale des Gebietes, wo so oft und innig wie nirgendwo sonst, die Kirchweihfeste „Romarias“ gefeiert werden, bei denen sich christlich-religiöses und heidnisches nicht ausschließen, sondern wunderbar vermischen.

Der malerische Grenzort Tuy am Rio Minho befindet sich bereits auf spanischem Territorium und besitzt eine beeindruckende Kathedrale. Ohne Kontrolle kann man nunmehr von Portugal nach Galizien überwechseln. Einst als „Feindesland“ misstrauisch beobachtet, verbindet heute eine Brücke über den Minho die Kontrahenten.

Tuy hat als Verkehrsknotenpunkt, Handelsplatz und Bischofssitz nicht nur interessante Bauwerke, sondern auch eine reiche Geschichte zu bieten.

Möglicherweise haben schon 1200 v.Ch. griechische Fernkaufleute hier eine Handelsstation unterhalten. Tuy jedenfalls ist ein keltischer Name, doch Sueben, Westgoten und Mauren fehlten im Eigentums-Katalog der Stadt ebenfalls nicht. Im 10. und Anfang des 11. Jhdt. wüteten die Wikinger in ihren Mauern. Vielfache Verwüstungen musste Tuy auch durch die portugiesischen Nachbarn, während der kriegerischen Auseinandersetzungen mit Kastilien hinnehmen. Trotzdem behauptete es während des ganzen Mittelalters seine Schlüsselstellung.

1984 läuteten endlich die Friedensglocken zwischen den benachbarten Nationen, was sich auch in der Grenzstadt Valenca do Minho auf portugiesischer Seite bemerkbar macht. Stets stark befestigt, stammen die heutigen Wallanlagen auf der Anhöhe aus dem 17.Jhdt.

Durch ein Tor spaziere ich zu Fuß die enge Hauptstrasse entlang, durch die sich Menschenmassen wälzen. Nahtlos fügen sich Geschäfte aneinander, deren Warenangebote sich vor den Läden am Boden stapeln oder über ihnen hängen. Besonders Bettwäsche, Handtücher, etc. finden sich in großer Zahl. Als Touristen-Souvenirs immerhin eine ungewöhnlich Ware… wundere ich mich.

Bald klärt sich das sonderbare Kaufangebot: Grenzgänger aus Spanien überfluten besonders Samstag – wie heute – die schmale Gasse, durch die sich auch noch eine Menge Autos quetschen, denn… Bettwäsche und alles was dazu gehört ist in Portugal billiger als in Spanien!

Ich quäle mich durch das Gewühl bis vor zu den Festungsmauern, die mit einem sehr imposanten Blick auf Fluss und Landschaft die Mühe belohnen. Für die in der Burganlage eingerichtete Pousada bleibt keine Zeit… Entlang der Costa Verde geht es zurück zu Großmutters Nobelherberge in Bom Jesus, die mich für eine zweite Nacht unter ihren Fittichen schlafen lässt.

Am nächsten Tag ist dann endlich die Stadt Braga an der Reihe.

Als Siedlung keltiberischer Stämme, ernannten sie danach die Römer zur Hauptstadt des Distrikts und erst im 16.Jhdt. erhielt sie ihr feierliches Pathos mit Palästen, Brunnen und Plätzen, das sie heute so sehenswert macht.

Hauptattraktion ist natürlich als geistiges Zentrum, die Kathedrale. Ein Sprichwort behauptet: „in Lissabon lebt, in Porto arbeitet und in Braga betet man“. Beweise für dieses Motto sind in fast jeder Strasse in Form durch eine der über 30 Kirchen der Stadt, zu finden. Gottes Lob schallt sozusagen aus jeder Ecke!

Da bei der Kathedrale aus dem 12.Jhdt. ständig umgebaut und verändert wurde, zeigt sie sich heute als interessantes Stilgemisch aus Romanik, Gotik, Renaissance und viel Barock. Während der Kreuzgang Mittelmaß darstellt – er wurde im 18.Jhdt. an Stelle eines gotischen gesetzt, besitzt des Gotteshaus sicherlich Portugals schönstes, schmiedeeisernes Gitter!

Im ehemaligen bischöflichen Palais, an das sich der Rathausplatz mit einem herrlichen Park voll blühender Blumenrabatte anschließt, vermittelt eine der umfangreichsten Bibliotheken mit 120.000 Bücher und 10.000 Handschriften eine Fülle von Wissen aller Art.

Als Kontrast-Schauplatz zum ehrwürdigen Braga folgt nach einer Fahrt durch eine bewaldete Hügellandschaft, auf der riesige Granitbrocken lagern, die keltiberische Wehrsiedlung aus vorrömischer Zeit – vermutlich um 800 v.Ch. – Citanias Briteiros. Es wir vermutet, dass diese Keltiberer mit den Neolithikern im nordwestlichen Afrika, einer Hamitengruppe, in ethnischer Beziehung standen. Letzte noch heute existierende Reste dürften bei den Basken zu finden sein.

Das Gelände dieser einstigen, 1874 entdeckten Siedlung ist sehr groß und zieht sich am Berghang empor, der Rundgang über Stock und Stein entsprechend beschwerlich. Innerhalb eines dreifachen Mauerrings befanden sich gepflasterte Strassen und Gassen, Wasserleitungen und runde oder viereckige Einraumhäuser aus bereits zugehauenen und passend eingefügten Steinen. Etwa 200 Häuserfundamente wurden freigelegt, 2 Häuser renoviert. Die wichtigsten Funde sind im Museum der Stadt Guimares untergebracht.

Ihr gilt mein nächster Aufenthalt einschließlich dem Besuch einer Pousada, die in einer Seitengasse der Stadt außer vorzüglichem Essen und Trinken eine typisch portugiesische Atmosphäre für gehobene Ansprüche, zu entsprechenden Preisen bietet.

Guimares liegt am Fuße der Serra da Oliveira und gilt allen Portugiesen als „Wiege der Nation“. Denn 1340 errangen die damals mit Spanien verbündeten Portugiesen am Salado einen Sieg über die Mauren.

Vor der Kollegiatskirche erinnern eine quadratische manuelinische Halle und ein Siegeskranz an diesen Triumph. Auch das Rathaus aus dem 16.Jhdt. präsentiert sich im gleichen Stil.

Eine im 10.Jhdt. befestigte Burg auf einem Hügel wählte Heinrich von Burgund 1095 als Wohnsitz und in diesem Festungsbau erblickte 1109 Alfonso Henrique, der spätere erste König Portugals 1109 das Licht der Welt, der Guimares dann auch zur Hauptstadt erhob. Also begann hier die eigentliche Geschichte des Landes!

Unterhalb diesem, einen Hügel bekrönenden, großartigen romanischen Bau, befindet sich noch ein zweites einst königliches Gebäude… der Palast der Herzöge von Braganca: blendend, üppig, 1420 als gotisch-normannisches Feudalschloß errichtet. Seine zahlreichen Räume, die heute als Museum den Touristen vorgeführt werden, empfinde ich als schwerfällig protzig und hier zu wohnen als wenig verlockend. Das Stammschloß der Dynastie Braganca liegt übrigens weit entfernt von hier, im Nordosten Portugals, in Braganca, nahe der spanischen Grenze.

Einen letzten Höhepunkt meiner Reise beschert mir nach so viel Großartigkeit in einem so kleinen Land, die Hauptstadt des Nordens: Porto!

Nicht nur die Lage dieser zweitgrößten Stadt am Douro, der nach 6 km in den Atlantik mündet, ist äußerst reizvoll, auch ihre Ausstrahlung als Wirtschafts- und Handelszentrum, dem geschäftigen Hafen, die barocke Kulisse ihrer Bauten zieht Fremde immer wieder an. Außerdem bietet sie noch durch den berühmten Portwein ein nicht zu verachtendes Extra!

In zahlreichen Weinkellereien wird dieser edle Tropfen, der an den Südhängen des Flussufers

Wächst, gehegt und gepflegt.

Beherrscht wird die Stadt von einer Granitarchitektur. Ihre Häuser klettern am Nordufer eng gedrängt, an steilen Felshängen terassenförmig zur Kathedrale, die beherrschend ins Land weist, empor.

Bei soviel Flair bleiben nebulöse Spekulationen über ihre Gründung nicht aus. Nicht nur Menelaos, der Gatte der schönen Helena, sogar der Stammvater Noah wird mit ihrer Entstehung in Verbindung gebracht. Sicher ist nur, dass bereits 200 v.Ch. griechische Handelsleute hier siedelten.

Aus Porto e Cale wurde Portucale und später Portugal, also der Namensgeber des ganzen Landes. Eine stolze Etikette für den Ort, der bereits unter den Goten Feste und Bischofssitz war. 997 versuchten islamische Mönchssoldaten in der Stadt Fuß zu fassen, wurden aber bereits 1050 vertrieben und danach nie mehr von Mauren berannt. So konnte ihr Aufschwung sogleich beginnen, der, abgesehen von einigen Rückschlägen, bis heute angehalten hat.

Stets war Porto eine Stadt der Handelshäuser und Kaufleute; Stadtpaläste fehlen in ihr, denn im frühen Mittelalter erging ein Niederlassungsverbot für Adelige, sodass selbst der König weder eine Burg noch einen Palast besaß und bei Besuchen im Haus des Bischofs übernachten musste. 1394 wurde Heinrich der Seefahrer hier geboren und auf Portos Werften entstanden viele Schiffe der Kriegs- Handels- und Entdeckerflotten.

Meine Besichtigungstour in dieser Stadt, die außer für ihre Schönheit auch für viel Regen bekannt ist… heute aber strahlende Sonne liefert, beginnt am Zentrumsplatz.

Hektik und Autoverkehr erschweren die Orientierung… wohin führen all die abzweigenden Strassen?

Der Stadtplan erteilt einigermaßen Auskunft und mit seiner Hilfe finde ich als erstes den Bahnhof, dessen Halle eher einem bildschönen Museum gleicht, als der Unrast von eiligen Reisenden. Er ist über und über von Azulejos geschmückt, die Szenen aus dem Landleben illustrieren und nicht zum Abfahren, sondern zum Verweilen und Schauen animieren.

Ein Kuriosum der besonderen Art.

Nach den vielen Kathedralen, die ich in diesem Land bewundern konnte, beeindruckt mich die von Porto mit ihren diversen Stilvarianten und barocken Veränderungen im 18. Jhdt. nicht nachhaltig. Davor, am weiten Terrassenplatz gemahnt ein hübscher neu-manuelinischer Pelouriho – Marterpfahl – an die derbe Sitte der öffentlichen zur Schaustellung von Missetätern.

Als halsbrecherisch gestaltet sich wieder einmal der Abstieg durch die Ribeira-Viertel, wo klebriger Schmutz an mittelalterlich unhygienische Gebräuche erinnert, Wäsche aus allen Fenstern hängt und unterschiedlichsten Gerüche die Nase kitzeln.

Die Ribeira-Kais – die malerischen Douro-Stadtufer – waren schon immer das Porto der armen Leute, der Fischer, Schiffer, Marktfrauen und plärrenden Kinder.

Zu Heinrichs Zeiten, als alles Fleisch eingesalzen als Proviant für die Seeleute an Bord der Schiffe verstaut wurde, musste sich die Bevölkerung mit Kaldaunen (Gedärme, Gekröse) zufrieden geben. Als Eintopf geschmacklich aufgepeppt, werden sie heute noch in alten Speiselokalen, den Touristen serviert. Von der Not zur Attraktion avanciert, könnte man sagen!

Am alten Marktplatz scheint tatsächlich die Zeit stehen geblieben zu sein. Bei „Chez Lapin“, einem verwinkelten Lokal, in dem die Wände fantasievoll mit Zetteln dekoriert sind, stärke ich mich statt mit dem „Armenmenue“ mit allerlei leckeren Köstlichkeiten für die nachfolgende Weinprobe am gegenüberliegenden Douro-Ufer.

Eine von Eifel konstruierte Brücke verbindet die beiden Stadtteile und von dieser Südseite, wo sich die verschiedenen Portwein- Firmen und Kellereien rechts und links ausbreiten, genießt man auch einen besonders spektakulären Blick auf die Stadt.

Der interessanten Führung durch eines der Unternehmen folgt die Kostprobe seiner Erzeugnisse und die verläuft höchst verführerisch und anregend für den Kauf von „Mitbringseln“ nach Hause.

Eine Bootsfahrt am Douro bis hin zum Atlantik beschließt dann auch meine, von herrlichen Eindrücken gewürzte „Entdeckungsreise“ zum südwestlichsten Zipfel Europas, der von den übrigen Mitgliedern des Kontinents viel zu wenig gewürdigt wird.

Leider tat sich dieser „Eckpfeiler“ mit dem königlichen Erbe von Gottes Gnaden viel schwerer als das übrige Europa und hinkte, geplagt von laufend wechselnden Regierungen der Neuzeit, immer wieder stolpernd hinterher.

Den kurzen Traum von Macht und Reichtum hatte der Sturm der Zeit verweht. Die Kolonien gekappt oder unabhängig geworden, erinnern nur noch sprachlich an die einstigen Entdecker (Brasilien, Madeira, Azoren). Auch der winzige Rest Indien – das herrliche tropische Goa – bewahrt lediglich in ein paar Äußerlichkeiten das Andenken an die einstigen Herren.

Die Dissonanzen in Portugals Partitur begannen allerdings bereits fast 100 Jahre vor der Ausrufung der Republik 1910.

Als 1816 der Braganca-Monarch Joao VI. als „König von Portugal, Brasilien und Algarve“ im fernen Südamerika residierte und das Regieren daheim einem Regentschaftsrat überließ, begann der eigentliche Abstieg. Aufstände dezimierten sein Volk. Und als er auf Drängen Englands 1821 nach Portugal zurückkehrte – was Brasilien zur Ausrufung der Unabhängigkeit bewog – widersetzten sich die Königin und ihr Sohn der Zustimmung zu einer konstitutionellen Verfassung. 6 Könige folgten Joao VI, der 2 Jahre später in Brasilien, wohin er geflohen war, verstarb.

1910 brachte damit das Ende der Dynastie Braganca, verursacht durch miserable Zustände im Staat.

Die Auflösung von Klöstern und Orden, die Konfiszierung ihres Vermögens, die Abschaffung aller Adelstitel konnten die wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes nicht lösen.

Bis 1926 erlebt Portugal 44 Regierungen, ständige Unruhen und 15 Militärputsche. Danach etablierte sich 48 Jahre lang die Diktatur von General Carmona, die erst 1974 ein Offiziersputsch beendete. Wieder folgten 17 Regierungen…

Wahrlich eine Odyssee, die die Seefahrer-Flotte, sturmgepeitscht, zu absolvieren hatte, bis sie als intaktes Mitglied und als exponierter und wichtiger Außenposten im Heimathafen Europa landen konnte…