Skizzen einer Safari
Eine meiner aufregendsten Reisen, bei der auch das Schicksal in gütiger Version mitgewirkt hat, geht auf das Jahr 1973 zurück.
Der Krieg war vorüber, die Hungerjahre durchgestanden, der Wiederaufbau geschafft, also konnte man sich endlich wieder der Erfüllung uralter Träume zuwenden…
In diesem Falle waren es die Sehnsüchte von Kurt, die seit der Jugendzeit in seinem Kopf ihr Unwesen trieben und Gedankenbilder hinein projizierten, die nach Überprüfung vor Ort drängten:
Sein Wunschziel OSTAFRIKA sollte realisiert werden.
Da eine „vorgefertigte“ Tour durch ein Reisebüro für Kurt nicht in Frage kam, lastete die Durchführung des Unternehmens ebenso umständlich, wie aufreizend in unseren eigenen Händen.
Damals in Stuttgart wohnhaft berufstätig, gelang es mir glücklicherweise von einem Arbeitskollegen, Straßenkarten und wichtiges Informationsmaterial über den östlichen Teil des „schwarzen Kontinents“ auszuleihen, dessen Bevölkerung immerhin Jahrhunderte lang von europäischen Mitmenschen ausgebeutet und vielfach als Sklaven in alle Welt verkauft worden ist und immer noch ein ärmliches Dasein führen soll.
Sprichwörtlich sei dagegen der Reichtum an Wildtieren in den weiten Savannen, denen zu begegnen, das Ziel unserer Safari sein wird.
Nach einem halben Jahr intensiver Vorbereitung findet am 8.Juni 1973 der Start zur privaten Expedition statt, an der teilzunehmen, sich schließlich Karin und Frieder zu unserer großen Freude, entschlossen haben. Nach 8 Stunden Flug von Frankfurt nach Nairobi – Kenias Hauptstadt – wird ein atemberaubend prächtiger Sonnenaufgang kurz vor der Landung, als hoffnungsfroher Willkommensgruß, gedeutet.
Auch die Empfehlung unseres Reise-Handbuchs, ein, als „menschlich nett und billig“ bezeichnetes Quartier, für 2 Nächte zu wählen, erweist sich als positiver Tipp.
Sofort überfällt uns die fremde Welt mit dem Portrait von mehrheitlich dunkelhäutigen Menschen, die zum Großteil adrett und sauber gekleidet, aber auch von einer Anzahl für uns etwas fragwürdiger, mitunter sogar zerlumpter Gestalten und verkrüppelter Bettler, durchmischt sind. Diese Bühne wird von der blühende Kulisse einer unglaublich reichhaltigen Vegetation umrahmt!
Sie zu bewundern bleibt leider wenig Zeit, denn allerhand Vorkehrungen für die Safari, sind in kürzester Zeit zu treffen. Als erstes steht die Anmietung eines entsprechenden, fahrbaren Untersatzes, möglichst Landrover an. Eine ziemlich schwierige Angelegenheit, denn erstens gibt es wegen der Ende des Monats zu erwartenden Sonnenfinsternis, keine Allrad-Fahrzeuge und zweitens gestalten sich die Verhandlungen für die Überlassung eines VW-Busses als Ersatz, zu einer an europäischen Nerven zehrenden, langen Diskussion Afrika braucht Geduld, der Lauf der Zeit besteht hier aus anderen Drehzahlen…
Aber letztendlich erhalten wir ein wunderschön, als Zebra gemustertes Exemplar von Bus!
Nachdem die Beschaffung des benötigten Proviants hauptsächlich durch Karin und Frieder in indischen Geschäften bereits erfolgt ist und letzterer sogar in einem Bazar-ähnlichen Laden ein Musterbeispiel von Spaten und einen Spirituskocher ausgegraben hatte, bleibt nur noch die Abholung der umfangreichen Gepäckstücke vom Hotel, bevor es probeweise in den nahen Nairobi-Nationalpark und anschließender Fahrt nach Naiwasha geht. Ein Trainingsprogramm sozusagen, bevor wir die Weite Ostafrikas durchkämmen werden.
Kurt, der noch nie in einem VW-Bus das Steuer geführt, dirigiert uns als erster „Fahrer vom Dienst“ mehr holpernd und stotternd durch Nairobis-Straßenverkehr – wir können nur beten… hoffentlich lernt er es bald – und mitten darin streikt auch schon das Zebra und bleibt stehen. Hinter uns ertönt ein Hupkonzert, es nützt nichts, es springt nicht an… zwei freundliche Afrikaner helfen schieben, bis es wieder in Trab kommt.
Also schleunigst sämtliches Gepäck aus dem Hotel einladen und weiter Richtung Nationalpark!
Die Faszination der ersten, in einer ansprechenden, Steppen ähnlichen Landschaft mit Akazien-Bäumen und vereinzelten Wassertümpeln, auftauchenden Tiere… Antilopen, Gazellen, Gnus, Strauße, auch Giraffen werden gesichtet… versetzt uns in eine Euphorie der Erwartung, bis… ja bis unser Zebra sich weigert, einen Berghang im jetzt hügeligen Gelände zu erklimmen. Bockig wie ein Esel, rührt es sich nicht vom Fleck.
Kurt fährt zurück, wir steigen aus, versuchen es mit Schieben… nichts, es verweigert sich uns …
Endlich, mit dem Rückwärtsgang und nach 5 vergeblichen Anläufen, gelingt es uns, das sture Vehikel hoch zu zwingen.
Dabei wird uns klar: mit diesem Genossen können wir unmöglich durch Kenia und Tansania bis zu unserem Ziel Mombasa, am indischen Ozean, gelangen.
Wir müssen umkehren und in Nairobi die Auto-Vermietung zur Herausgabe eines anderen Busses bewegen. Nach sehr langem Palaver und Probefahren wächst bei dieser die Einsicht, dass mit dem Zylinderkopf etwas nicht stimmt und wir Ersatz benötigen.
Leicht geschockt, aber geduldig warten wir demnach mit unserer gesamten Habe fast 1 ½ Stunden vor der Garageneinfahrt bis ein neuer, ebenfalls Zebra gestreifter Bus, anrollt.
Da es inzwischen dunkel wird – gegen 7 Uhr findet in Äquator nähe die Abenddämmerung statt – wird eine zusätzliche Übernachtung in unserem so „menschlich netten“ Hotel in Nairobi fällig.
Mit ungebrochener Zuversicht suchen wir am nächsten Morgen, auf dem Weg nach Naiwasha den berühmten Grabenbruch, geraten dabei in einen Ort mit beängstigend fremden Milieu, kehren um und sind erstaunt, dass wir auf der Hauptstraße automatisch plötzlich seinen fantastischen Anblick bewundern können.
Am erloschenen Krater Longonot entlang, durch seltsame Landschaft mit Euphorbien, die mit ihren Kakteen artigen Armen wie halb aufgespannte Regenschirme aussehen, gelangen wir auf einer Straße, die unser heutiger Fahrer Frieder, etwas schief und uneben findet, über Naiwasha nach Nakuru.
Die Einfahrt zu diesem, unseren ersten Tierreservat am Nakuru-See, wird gesäumt vom lila Blütenmeer der Jacaranda-Bäume, denen ein Wald von gelbrindigen Akazien folgt.
Auf einem kleinen Platz, den wir für eine Rast bestimmt halten, steigen wir aus und streben durch hohes Schilfgras dem See zu. Dass es sich dabei um einen, für Menschen nicht vorgesehenen Flusspferd-Pfad handelt, erfahren wir erst später… aber ein tausendfaches Flügelschlagen und Zwitschern, kündigt die Anwesenheit von einer unübersehbaren Zahl von Flamingos an, die in den seichten Uferzonen dieses Gewässers ihre Nahrung finden.
Hoher Salzgehalt führt hier zu üppigem Algen-Wachstum, das diese grazile Vogel-Spezies als wahre Delikatesse schätzt.
Allein auf weiter Flur, merken wir, dass hier kein offizieller Aussichtspunkt zu finden ist und steuern diesen schließlich per Auto an.
Dicht an dicht, stapfen abertausende, spindeldürre, hohe Beine durchs seichte Wasser, während ihre Körper, als sich rhythmisch bewegendes, in allen Farbschattierungen schillerndes, rosa Band durch den See wogen.
Weiter draußen, durchbrechen vereinzelt kleine Trupps von Pelikane, die engmaschige Barriere, ziehen als weiße Flottille stolz und gelassen durch das kreischende Getue ihrer Artverwandtschaft.
Im einige Kilometer zurück liegenden Naiwasha, finden wir nach diesem großartigen Erlebnis, am Ufer des Naiwasha-Sees, eine nicht nur komfortable Unterkunft, sondern verbringen auch durch Gespräche mit Engländern, einen sehr anregenden Abend.
Die Zeremonie der Einlösung von Traveller-Schecks auf einer Bank in Naiwasha, vor der bewaffnete Polizisten patrouillieren und eine ebensolche Taktik vor der Tankstelle, ermahnen uns, dass Wachsamkeit in bestimmten Situationen angebracht sein könnte.
Die Landschaft während der Weiterfahrt… die Blütenpracht… die Tiere, die uns auch außerhalb der großen Naturschutz-Regionen immer wieder begegnen – mal verwundert, mal neugierig, die in ihr Reich eingedrungenen, unbekannten Wesen, mustern, entführen uns in eine Welt der Wunder, die an den Garten Eden erinnern.
Zierliche Thomson-Gazellen warten mitten auf der Straße auf unser Zebra, springen erst im letzten Moment blitzschnell zur Seite. Zottelige Gnus mit kurzen, gebogenen Hörnern beobachten uns im Gegensatz zu den hell wachen, aufmerksamen, echten Zebras, kaum, folgen uninteressiert, grunzend ihrer Herde.
Seltener treffen wir Giraffen im freien Gelände, die uns dann aber wie majestätische, hoch aufgerichtete Monumente ins Visier nehmen und erst, wenn wir ihnen zu nahe rücken, im eleganten Passgang von dannen schweben.
Noch haben wir keine der „Big five“ – Löwen, Leoparden, Nashörner, Flusspferde, Elefanten – gesichtet. Sie hoffen wir im 1670 qkm großen Masai-Mara-Gebiet zu treffen.
Dabei handelt es sich um ein riesiges Refugium der Tiere, in dessen Zentrum sich als profitabler Beobachtungsposten, eine komfortable Lodge eingerichtet hat.
Wir steuern sie an und quartieren uns für 2 Nächte in dieser gediegenen und noblen Unterkunft mitten in der Wildnis ein.
Zwei Bungalows am Ende der, im Halbrund um das Haupthaus angeordneten, aneinander gereihten Gästehäuser, versprechen einen angenehmen Aufenthalt.
Ein gepflegter Rasen, auf dem übermütige Äffchen – Meerkatzen – herumturnen, ein Swimmingpool und kultivierter Blumenschmuck versinnbildlichen einen krassen Gegensatz, zu der, sich hinter der Touristenoase, in schier endloser Weite ausbreitenden, wilden Natur.
Kaum zu erkennen, warnt eine simple Grenzschnur in der Ferne, vor dem Betreten dieses weiten, unkontrollierbaren Terrains.
Es ist abends. Unsere am äußersten Rand befindlichen Domizile werden von den Lichtern der Lodge nur noch spärlich beleuchtet.
Vom schmalen Balkon unseres Häuschens, schaue ich noch einmal hinaus in die Dunkelheit der Nacht, atme die Luft, die hier in 1600 m Höhe angenehm erfrischend und vom Geruch verborgener Tiere geschwängert, duftet… und entdecke, wenige Meter entfernt, eine mächtige Gestalt, die mich reglos, wie ein schwarzes Phantom, zu fixieren scheint.
Ein Kaffernbüffel… geht es mir durch den Kopf, angeblich gefährlich, der allerdings in seiner stoischen Ruhe jetzt eher die freundliche Version der rauen Natur verkörpert…
Noch vor dem Frühstück starten wir am folgenden Morgen zur ersten Pirsch mit einem Rangerin, treffen auf Nebenwegen durchs Gelände auf Giraffen, Antilopen, Paviane…
Die Farben der Landschaft im Morgenlicht, die Wolkenbildung sind faszinierend, sodass sofort nach einem ausgiebigen Frühstück die Fortsetzung folgt, bei der uns die Dame querfeldein zu vermuteten Weideplätzen der Tiere, dirigiert… nicht lange, denn plötzlich hat unser Zebra sein Räder im Schlamm eingegraben, die sich weder durch eifriges Anschieben noch mit Hilfe des Spatens befreien lassen.
Was tun… ?
Da taucht, als rettender Glücksfall, ein weiterer VW-Bus auf und sein schwarzer Fahrer, der mit 2 englischen Ladies unterwegs ist, bietet seine Hilfe an. Mit den von uns mitgeführten „Schneeketten“ gelingt es schließlich, unser Zebra aus dem Dreck zu ziehen. Danach sind zwar die Ketten kaputt, aber wir können weiter „pirschen“ und haben sogar bald darauf die Gelegenheit, uns beim freundlichen Samariter zu revanchieren, denn auch sein Fahrzeug wird bald darauf vom schlammigen Boden blockiert. Durch gemeinsames Schieben, hieven wir ihn wieder hoch. Dabei entdecken wir Fußspuren von Löwen, aber in diesem Fall zum Glück, keine Spur von den Verursachern.
Sehr erfolgreich erweist sich dann die dritte Pirsch am Nachmittag durch eine leicht hügelige Savanne mit Buschwerk und Bäumen, die eine holprige Piste durchschneidet.
Während für uns, die seltsame Art, die Umgebung plötzlich von einem Käfig aus wahrzunehmen, ein Gefühl von verkehrter Welt erzeugt, kümmern sich die Tiere wieder nicht um das blecherne Gefährt, das in ihrem Lebenskreis herum kreuzt und einen stinkenden Geruch verbreitet.
Und jetzt… endlich… ein Rudel Löwen rekelt sich im dürftigen Schatten eines Strauches… einer wälzt sich mit hoch erhobenen Pfoten am Rücken, Jungtiere purzeln spielerisch übereinander – alle ignorieren den gestreiften Fremdkörper dicht neben ihnen.
Zwei Sekretäre – Vögel mit langen Beinen und schwarzen, bei jeder Bewegung wippenden Schmuckfedern am Hinterkopf – schreiten würdevoll durchs Steppengras.
Weiter entfernt tummeln sich Antilopen – Impalas und Gazellen…
Ein friedliches Panorama der Wildnis, das diskret das eherne Gesetz der Natur vom „Fressen und Gefressen werden“ verschweigt.
Voll zufrieden mit diesem Tag, trinken Kurt und ich nach dem Abendessen, unseren Kaffee an einem kleinen Tischchen draußen im Freien, nahe der Feuerstelle, lassen das Erlebte nochmals Revue an unserem Geist vorbeiziehen.
Karin und Frieder nehmen ihren Drink an der Hotelbar, durch deren großes Glasfenster, man ebenfalls einen Blick nach draußen genießt.
„Ich glaube, da vorne tut sich etwas… “ flüstert Kurt leise, führt sein Fernglas an die Augen, das auch nachts verborgene Dinge, sichtbar zu machen sucht. Angestrengt späht er in die Finsternis.
„Könnt‘ ein Leopard sein“, überlegt er… die sind unter den „Big five“, besonders rar geworden und schwer zu entdecken.
Er steht auf und geht ein paar Schritte vor.
Auch ich versuche in der Dunkelheit, mit bloßem Auge etwaige Bewegungen zu deuten und stelle mich neben ihn.
Wir stehen im hellen Scheinwerferlicht und vor der Terrasse der Lodge…
Die Linie, die nicht überschritten werden darf, ist weit von uns entfernt!
Noch ehe er mir das Fernglas weiterreicht, zwingt mich irgendetwas, zur Seite zu blicken… und… ein jäher Schreck durchfährt mich…
Da steht wieder jenes schwarze Ungetüm von gestern vor unserem Bungalow… höchstens 6 bis 7 m entfernt. Reglos wieder, doch voll geballter Kraft und offenbar in Bereitschaft, anzugreifen.
Was dann in Bruchteilen von Sekunden stattfindet, geschieht wie gleichzeitig, als Ketten-Reaktion:
Mein ängstliches Wispern „ein Büffel… “
Das Brüllen des Tieres…
Kurts Kommando „lauf“ mit dem er und ich sofort Richtung Haus starten.
Als ich ein Trampeln und schweres Schnaufen hinter mir vernehme, wird mir plötzlich die prekäre Situation voll bewusst… ganz dicht spüre ich schon den heißen Atem…
„Nein… “ wehrt sich mein Lebenswille… nein, das kann nicht sein… da ist, direkt vor mir, das Haus, ganz nahe… und doch unendlich fern…
Es sind die letzten klaren Gedanken…
Was folgt ist die automatische Registrierung der Feuerstelle, deren Glut bereits erloschen, nun den Rauch in die entgegengesetzte Richtung streut.
Ich weiß nicht, wer oder was mir einen Sprung in die zum Anheizen ziemlich breite Öffnung des steinernen Rondells als verzweifelten Versuch, dem Verfolger zu entkommen, befahl… vielleicht ein allem Lebenden angeborener Instinkt…
Sekunden oder Minuten später, helfen mir unbekannte Hände aus der rettenden Vertiefung, aufzustehen. Benommen lautet meine bange Frage „wo ist Kurt?“
„Hier… “ tönt es beruhigend vom Haus her.
Bewohner und Gäste der Lodge befinden sich in heller Aufregung.
Es hagelt Vorwürfe über die Schuld an dem Beinahe-Unglück, die keiner auf sich nehmen will und die gefälligst das Opfer zu tragen hat.
Nur die beiden schwarzhäutigen Männer, die als erste an meiner Seite waren, reden nicht von Schuld, sondern bemühen sich tröstend um mich.
„Wo ist der Büffel?“ wundere ich mich.
Er soll, verdutzt über das plötzlich verschwundene Reizobjekt, friedlich davon getrottet sein…
Warum hat er mich angegriffen?
War es mein Erschrecken oder das dadurch ausgelöste Davonlaufen?
Was ging in diesem unbekannten Gehirn vor und hat dessen Aggression ausgelöst?
Handelt es sich um einen von der Herde verstoßenen Einzelgänger, der nun selbst unberechenbar auf seine Umgebung reagiert?
Ja… und was wäre gewesen, wenn… ?
Wenn nicht im letzten Augenblick die Feuerstelle als Rettungsanker vorhanden gewesen wäre?
Fragen voll beklemmender Angst…
In der folgenden Nacht, die mir mit allerlei wirren Träumen nur unruhigen Schlaf beschert, unterbricht plötzlich ein Ächzen und Krachen die Stille meiner ohnehin sehr gestörten Nachtruhe. Es hört sich an, als ob Holz zersplittert und zersägt würde…
Ein Blick aus dem Fenster klärt die Lage:
Von den verschwimmenden Lichtern der Lodge magisch beleuchtet, löst der Rüssel eines Elefanten, die Rinde eines unmittelbar vor unserem Bungalow stehenden Baumes, vom Stamm.
In Fetzen hängt sie vom Leib des botanischen Riesen, während der ebenso kolossale, tierische Nimmersatt, sich das zerzauste Astwerk ins Maul stopft.
Im Dunkel der Nacht kehren sie zurück – alle die Ureinwohner, um auch den Teil ihres Eigentums zu vereinnahmen, den ihnen der Mensch für die Nutzung eigener Zwecke, genommen hat.
Als wir uns am Morgen in das Haupthaus zum Frühstück begeben, stellen wir fest, dass der Elefant nicht nur vom Baum gefressen, sondern diesen buchstäblich entwurzelt hat.
Sehr dankbar setzen wir unsere Safari fort, entschlossen mehr über die vierbeinigen Herrscher des Kontinents zu erfahren und ihnen Respekt und Achtung zu zollen.
Wir wollen lernen über sie und ihre Gewohnheiten, um ihre Reaktionen besser verstehen zu können.
Unser Weg führt uns nun nach Tansania, das unter Präsident Nyerere einen ziemlich links gesteuerten und etwas abgeschotteten, eigenen Kurs steuert, aber ebenfalls durch seine grandiosen Naturparks, unvergessliche Erlebnisse vermittelt.
Von Norden dringen wir in die Serengeti ein, über die der „Retter“ dieses noch viel weitläufigeren Reservates, Dr. Grzimek, der Welt berichtet hat.
Und hier erleben wir hautnah das Schauspiel der „Migration“, das nur zwei Mal im Jahr über die Bühne der Savanne läuft; die Wanderung der riesigen Gnu-Herden zu besseren Weidegründen, nach Norden. Es dauert lediglich zwei oder drei Tage und niemand kann genau voraus berechnen, wann dieses Ereignis eintritt.
Wir trauen kaum unseren Augen, als sich eine viel tausendfache, dunkle Masse von Leibern in einer seltsamen, spitz winkeligen V-Formation über die Ebene wälzt.
Dicht hintereinander überzieht die schier endlos Schar das Gras der Steppe. Dabei scheint es, als ob der riesige Keil still stünde und erst allmählich, wie in Zeitlupe, seine Form verändere.
Doch was aus der Ferne beobachtet, wie unbeweglich verharrt, findet in Wahrheit in vollem Galopp statt. Eng geschlossen schiebt sich der Zug vorwärts, sodass das Stampfen der Millionen fachen Hufe, lediglich als dumpfes, monotones Lied der Savanne, zu vernehmen ist.
Auch die weniger geordneten Gruppen von Zebra-Körpern, verschwimmen im diffusen, flimmernden Licht der afrikanischen Sonne zu undefinierbaren Wesenheiten.
Geblendet von dem bizarren Geschehen, halten wir unser Streifenzebra an, verfolgen gebannt die ungewöhnliche Darbietung… und verlieren dabei jedes Zeitgefühl!
Es gibt nur eine einzige Übernachtungsmöglichkeit in der Serengeti – 70 km entfernt, eine wildromantisch in Felsen eingebettete und auf Felsen erbaute Lodge. Sie steuern wir an… in luftiger, windiger Höhe existiert da sogar ein von einer Quelle gespeistes Swimming-Pool.
Kurios hört sich auch ihre Entstehungsgeschichte an:
Der mit dem Bau von der Regierung Tansanias beauftragte Architekt kaufte von einem Masai die Lobo-Hills, die eine gute Trinkwasser-Versorgung garantierten.
Nachdem die Bauarbeit bereits im Gange war, entdeckte man ganz in der Nähe einen Leoparden-Sitz… also musste der Plan geändert werden und erst 1970 ist das Projekt an der heutigen Stelle fertiggestellt worden.
Eine Etage über dem Speisesaal, wo die Lehnen der Sitze, teilweise blanke Felsen sind und Bäume, rundum mittels gläsernen Vitrinen abgedeckt, quasi zum Inventar gehören, befindet sich die Halle, die gleichzeitig als Bar dient.
Es nächtigen kaum Gäste in diesem extravaganten Refugium, von dem aus wir, den ganzen nächsten Tag mit einem Ranger auf Pirsch gehen. Seine Ohrläppchen sind lange herab gezogen, er spricht kein Wort englisch. So erfahren wir die Namen, der auf der Tour gesichteten Tiere, in Swaheli.
Wir durchstreifen eine sehr abwechslungsreiche Landschaft in stets anderer Beleuchtung. Darin eingestreut, ragen bizarr geformte Äste von verdorrten oder durch Elefanten ruinierten Bäumen, wie Lumpen in den Himmel. Gleichen sie nicht Dämonen und bösen Geistern?
Durchs Fernglas können wir am Flussufer deutlich erkennen, wie eine Schar Geier, im ausgehöhlten Bauch eines Büffels nach Innereien oder sonstigen Resten wühlt.
Hyänen schleppen von irgendwoher Aas an… es stinkt bestialisch.Wo steckt das Raubtier, das die Beute gerissen hat?
Um weiter zu kommen, müssen wir das Flussbett durchqueren und bleiben prompt im steinigen Untergrund stecken.
Es nützt nichts… wir müssen aussteigen, egal ob irgendwo im Verborgenen Löwen oder Leoparden lauern.
Unser Ranger hilft fleißig beim Steine entfernen, der Spaten wird zum wichtigsten Helfer beim „frei“ schaufeln, sodass wir bald wieder flott sind.
In der zweiten Nacht pfeift der Wind um unsere Behausung, als wäre wir in der Arktis. Aber die Luft ist lau und mild.
Gern hätten wir noch einmal nach der Erkundung der Zentral-Serengeti auf diesem riesigen Terrain übernachtet, aber beide vorhandenen Lodge sind geschlossen.
Wir müssen also weiter durch eine schier endlose, ebene Steppe mit gelbem Gras, zum Ngorongoro-Krater, der sich an das Südende der Serengeti anschließt. Mit einer 320 qkm großen Caldera, ist er der zweitgrößte der Welt!
Thomson-Gazellen versperren uns immer wieder den Weg. Die bizarren Felskegel der Simba-Hills ragen weit verstreut aus der unendlichen Ebene. Hin und wieder narrt uns in der Ferne eine Fata Morgana.
Am Anfang des Ngorongoro -Tierschutz-Gebietes wird gleich die Parkgebühr kassiert, aber bis zum Krater ist es noch ein weiter Weg.
Die Straße wird immer schlechter… Schotterhaufen liegen über sie verstreut, es folgt eine Umleitung ins freie Feld.
Und was für ein Feld!!!
Tiefe sandige Rinnen sind eingefahren. Wir holpern und stolpern durch, mit der Angst im Nacken, stecken zu bleiben und festzusitzen. Weit und breit keine Autos, nur ab und zu eine Masai-Boma.
Staub und Kiesel rieseln an Wänden und Fenster unseres Zebras herunter und torpedieren es als Dauerregen. Und das 25 km lang…
Das einzige Motto in dieser Situation: im Schritttempo vorwärts, ja nicht anhalten in der menschenleeren Öde, um nicht für unbestimmte Zeit oder gar immer, hier festzusitzen.
Seufzend registrieren wir das Schild zur berühmten Ausgrabungsstätte in der Olduwai-Schlucht – ein 16 km entfernter Abzweig, der, weil direkt auf unserem Weg, geplant war und nun nicht durchführbar ist. Vor 2 Millionen Jahren wurde die 60 m tiefe Schlucht unter einer Lava-Schicht begraben.
Wieder einmal müssen wir akzeptieren, dass Vorausberechnungen in Afrika nur bedingt zu verwirklichen sind.
Nachdem wir das Mahnmal für den Sohn von Dr. Gzimek, der in Afrika den Tod fand, passiert haben, erreichen wir kurz vor Einbruch der Dämmerung, die am Äquator sehr kurz ist, leicht ramponiert, in 2400 m, den Kraterrand.
Eine Atmosphäre ähnlich der im Norden Europas, empfängt uns.
Feuchte Kälte zieht über die Regenwälder.
Nebelfetzen verfangen sich als weiße Schleier in den Baumwipfeln, das helle Grün der Bartflechten hängt wie Lametta am dunklen Blätterdach.
Und wie in Norwegen, könnten jeden Moment Trolle und andere böse oder gute Spuk-Gestalten aus dem Dickicht heraus schlüpfen.
Unser Quartier in dieser gespenstischen Szenerie strahlt ebenfalls unwirtliche Kühle aus… erst ein Kaminfeuer wärmt notdürftig die klammen Glieder… und unsere Schlafsäcke die Betten.
Ganz anders der nächste Morgen…
Verfolgt von der andrängenden Sonne, geistert der Nebel, auseinandergerissen und verwirrt über den Regenwald, zieht widerwillig, hilflos über seine dichten Baumkronen.
Da nur Allradwagen in die 600 m tiefer, sich über einen Durchmesser von 16 – 20 km sich ausbreitende Caldera, abtauchen dürfen, mieten wir einen solchen samt Fahrer und erleben dabei den überwältigenden Anblick, der steil abfallenden Krater-Wände und auf ihrem Boden ein Eldorado an Flora und Fauna, sozusagen das fantastische Sammelbecken von Ostafrikas Tier- und Pflanzenwelt. Hier begegnen wir ihnen fast allen, den Löwen… all den kleinen wie auch den kolossalen Vertretern einer Tierwelt, die nur in Afrika ihr Bleiberecht verwirklichen konnte.
Und kurioserweise finden darin sogar Menschen und deren Rinder ein Plätzchen: das seltsame Völkchen der Masai.
Ihnen sind wir während unserer Fahrt bereits mehrmals außerhalb dieses 8. Weltwunders Ngorongoro begegnet, doch hier unten steht ihnen ein Refugium mit und neben den Wildtieren zu.
Unter all den verschiedenen Bevölkerungsgruppen Ostafrikas, fallen sie durch ihren hoch aufgeschossenen, schlanken Wuchs, den farbenfrohen Schmuck um Hals, Ohren und Arme, einem rotbraunen Umschlagtuch und den unvermeidlichen Speer, auf. Im Geleitzug folgen ihnen stets eine große Anzahl von Rindern… ihr Stolz, Reichtum und Schutz.
Woher sie vor etwa 500 Jahren kamen, ist nicht ganz klar, vielleicht aus Äthiopien, ihre Sprache ist jedenfalls nilotisch.
Längst haben sie die Unschuld des weltfremden Naturvolkes verloren und wissen sehr gut, was Geld bedeutet. Dem Fremden gegenüber fühlen sie sich keinesfalls unterwürfig gegenüber, eher stolz und erhaben.
Aus der Ferne, können wir am Krater-Boden ihre Krals – Manyattas – niedrige Holzhütten, umgeben von einem Zaun, erkennen, worin Menschen und Tiere, die Nacht verbringen.
Sie werden von den Frauen vorwiegend aus Kuhmist zusammengeklebt. Dieser dient auch als Haarpomade, mit der sich die Zöpfe der „Krieger“ besser flechten lassen.
Angeblich dient als Waschwasser seit alters her Kuh-Urin, was die schöne, weiche Haut, selbst bei alten Leuten bestätigt.
Ein näherer Kontakt mit ihnen könnte sich – falls er zustande käme – etwas problematisch gestalten, denn… das Nationalgetränk der Masai besteht, wie es heißt, aus einer Mischung von Kuhmilch, Rinderblut und menschlichem Urin.
Auf unserem Rastplatz auf einer Wiese am Krater-Boden, versuchen schon mal Kinder und auch Erwachsene, Kontakte mit den Touristen zu knüpfen, die der Ranger sogleich geschickt abwendet.
Nachdem wir am Morgen, nach einer zweiten Nacht in der kalten Lodge, frühzeitig aus nebeliger Höhe ohne Sicht auf die grandiosen Bergwelt, die Rückkehr in wärmere Gefilde bezwungen haben, sind es noch ca. 60 km bis zum Manyara-See und seinem großen Tier-Reservat.
An Ortschaften vorbei, begegnen wir immer wieder, mit ihren Rindern vorbeiziehende Masai und entschließen uns am Ziel, vor der Einquartierung in das auf einer Anhöhe gelegene, elegante Hotel, zu einer ausgiebigen Tagespirsch im Reservat.
Aber oh je… am Eingang wird uns bedeutet, dass wir den Park mit unserem Zebra nicht befahren dürfen. Das hat nämlich infolge der vorangegangenen Strapazen seinen Auspuff eingebüßt und ächzt und krächzt jämmerlich bei jeder Bewegung. Das würde einen Schock bei den Tieren auslösen…
Aber Afrika weiß sich auch in schwierigen Situationen zu helfen. Wir werden ins Hauptquartier verwiesen, wo man unserem Gefährt schnell und geschickt einen Auspufftopf von einem ausgedienten „Landrover“ anschweißt.
Jetzt haben wir wenigstens ein kleines Stück „Landrover“, frohlockt Kurt und die Safari im Manyara-Park kann mit einem Ranger, der sogleich auch das Steuer übernimmt – damit die Mannschaft vollzählig bei der Pirsch mit der Kamera „schießen“ kann – auf „leise“ Art weitergehen.
In Mto Wa Bu, einem reizenden, kleinen Ort, umgeben von Bananenstauden, wird zuerst Proviant, vor allem Bier, eingekauft…
Den anfänglich üppigen Urwald, löst eine begeisternd schöne Vegetation mit Palmen und anderen mächtigen Baumgruppen ab und schließlich tauchen die ersten Baobabs – Affenbrotbäume – auf, deren Äste wie nach oben gewachsene Wurzeln aussehen und nur im September/Oktober Blätter tragen.
Interessant auch die Leberwurstbäume mit riesigen herunter hängenden Früchten, die für Menschen ungenießbar sind, aber von Elefanten gefressen und zum Brauen von Bier durch manche Einheimische verwendet werden.
Überall ragen Termiten-Hügel aus der Erde…
Urwald, mit hohen Bäumen durchsetztes Buschland, vorbei an einer Herde Elefanten und auch ein Nashorn, dicht am Auto, zeigt keinerlei Interesse an uns.
Während unserer Mittagspause mit westfälischem Schwarzbrot „made in Germany“, gekauft in Nairobi zu Corned Beef aus der Dose und Bier, steigen in der Nähe 3 Flusspferde aus dem See, der Salz-und Alkali haltig, an dieser Stelle einen Süßwasser-Zufluss hat.
Den Büffel, etwas weiter entfernt, lasse ich indes nicht aus den Augen.
Was für eine herrliche, friedvolle Landschaft… hier möchte man verweilen.
Nachmittags suchen wir vergeblich Löwen, die hier wegen der Mücken auf Bäume klettern… dafür haben wir eine Menge Zetse-Fliegen im Auto, die Frieder, ebenfalls vergeblich, zu erschlagen bemüht ist.
Am Ende des Parks befinden sich heiße Quellen, die lediglich aus 2 kleinen Rinnsalen bestehen.
Draußen im See, stehen zwei Rhinos – eine Seltenheit,angeblich.
Zurück zum Parkeingang sind es 25 Meilen und… was für ein Erlebnis, selbst für den Ranger… vor uns auf der Straße, schon in der Nähe des Eingangs und bereits im dichten Wald, spaziert eine kleines, gedrungenes Tier – ein Leopard, der viel zu schnell im Gebüsch verschwindet.
7 Stunden haben wir im Park verbracht, es war der Höhepunkt aller bisherigen Pirsch-Fahrten.
Hoch oben am westlichen Grabenbruch, mit herrlichem Blick auf den See, beschließen wir im luxuriösen, modernst ausgestatteten Hotel bei Whisky und Gesprächen den ereignisreichen Tag.
Dabei wird mir als Wermutstropfen der deprimierende Kontrast auf diesem Kontinent bewusst.
Touristen und wenige Auserwählte genießen den Überfluss in Komfort-Hotels, während die Menschen auf den Straßen oft ohne Schuhe und in zerrissenen Kleidern herumlaufen.
So trug beispielsweise gestern unser Landrover-Fahrer hinunter in den Ngorongoro-Krater – der zweifellos bereits einen Besserverdiener verkörpert, ein zerschlissenes Hemd und einen abgenutzten Pullover mit Löchern.
Erschütternd oft die Begegnungen am Straßenrand in den Städten, die Blicke der Menschen, wenn sie für ein paar Cent Bananen oder Zeitungen anbieten…
Zu viele Menschen in Armut… hartes Afrika, wo der Kampf ums Leben und Überleben bei Mensch und Tier noch gegenwärtig ist, wo es wenig Arbeitsmöglichkeiten gibt und der Mensch eine billige Ware darstellt.
Nach Arusha, dem nördlichen Zentrum von Tansania sind es 30 Meilen… plötzlich kriecht direkt vor uns eine Schlange über die Straße, richtet sich am Rande auf und zeigt ihren breiten Kopf, ehe sie im dichten Gras verschwindet, eine Kobra…
Arusha enttäuscht mich etwas, wirkt triste mit einem Uhrturm inmitten des Hauptplatzes, der die Hauptstraße kreuzt.
Unser heutiges Ziel ist auf eine noch 30 km entfernte Lodge, von der aus wir den für Afrika kleinen, und noch nicht lange ausgewiesenen Arusha-Nationalpark, durchstreifen wollen.
Das Wetter ist leider bewölkt und unfreundlich, die Gipfel von Afrikas „Wolkenkratzern“, der Mount Meru, vor allem aber der über 6000 m hohe Kilimandscharo, verstecken sich hinter Wolken.
Die Lodge, samt umgebendem Farm-Gelände sind die Verwirklichung einer interessanten Marotte des deutschen Filmschauspielers Hardy Krüger, der in Hollywood Karriere machte…
Eine Anzahl Rondells, verstreut um das Haupthaus, werden von einer wunderschönen grünen Landschaft gerahmt. Die Einrichtung des Haupthauses zeigt Geschmack und zeichnet sich durch gediegene Eleganz aus, voll dem Charakter Afrikas entsprechend. Reichlich schwarzhäutiges Personal schwirrt herum, 5 Boys, bemühen sich um uns 4 Gäste.
Obwohl der Hausherr seit 3 Jahren nicht anwesend war und sein englischer Freund für uns unsichtbar bleibt, ist man sich hier der Verpflichtung gegenüber seinem Herrn bewusst und wir werden entsprechend um- und versorgt.
Besonders stolz ist man hier auf die Drehtage des Films „Hatari“, auf die sich besonders der Barkeeper der Lodge, als statistisch Mitwirkender, gern erinnert.
Leider sieht es momentan so aus, als wären die rosigen Zeiten vorbei und Geld inzwischen im kurzzeitigen Paradies eines Schauspielers, zur Mangelware geworden.
Wir fühlen uns jedenfalls in der Traumwelt eines Stars sehr wohl, auch wenn es am 2. Tag kein Brot zum Frühstück gibt…
Und trotz bewölkten und kühlen Wetters erleben wir in diesem kleinen Reservat von Arusha wieder unvergessliche Begegnungen mit Tieren, wie z.B. den Dik-Diks, der sehr scheuen, kleinsten Antilopen-Art.
Bis zum Treff mit einem Lastwagen, haben wir sogar das Gefühl, die einzigen Menschen in dieser weiten Landschaft zu sein.
Allein um die beiden Momella-Seen zu umrunden, benötigen wir 3 Stunden Fahrzeit.
Noch eindrucksvoller gestaltet sich der Blick in den Ngurdoto-Krater, dem kleinen Bruder des Ngorongoro.
Durch dichten Wald, mit hellgrünen Flechten an den Bäumen – Kolobus-Affen, schwarz mit weißen Mähnen auf dem Rücken und weißem Schwanz springen von Ast zu Ast – quälen wir unser Zebra steil bergauf, um glitschige Kurven zum Aussichtspunkt hoch – durch eine fast mystische Atmosphäre. Feigenbäume mit dicken, fleischigen Blättern, Riesenfarne, meterdicke, zerklüftete Baumstämme,
Lianen, die Ästen gleichen, hängen herunter und wie zufällig taucht ein Buschbock auf oder Paviane spazieren die Straße entlang.
Der Blick in den Krater, relativ klein und überschaubar krönt die beschwerliche, aber unvergessliche Pirsch dieses Nachmittags in Momella.
Wir sind auf dem Weg zur Grenze Tansania/Kenia, passieren die Stadt Moshi, die mir sehr gefällt.
Das Gebiet um sie herum fiel durch die offensichtlich starke landwirtschaftliche Nutzung auf. Sisal, Mais und vor allem Bananen gedeihen hier.
Im Zentrum von Moshi prangt natürlich wieder der obligate Uhrturm. Aber auch hübsche Moscheen, ein Hindu-Tempel und vor allem viele Geschäfte und lebhafter Betrieb zeichnen die Stadt aus.
Besonders die ungewöhnlich erscheinen uns, die vielen Nähmaschinen auf der Straße vor den Läden, auf denen „Männer“ farbenfrohe Stoffe bearbeiten.
Auch die Frauen sind vielfach farbenprächtig mit Kitenga-Stoff bekleidet oder in Sari gehüllt.
Der nächste Ort Himo besteht nur aus ein paar Hütten und einem riesigen Marktplatz.
Da Samstag, begegnen uns daher auch bei der Weiterfahrt Kolonnen von Frauen, die beiderseits der Straße mit gefüllten Körben am Kopf, zu ihren versteckten Behausungen wandern. Irgendwo zwischen den Bananen dürften sich ihre Hütten verbergen.
Die üppige Vegetation begleitet uns weiter zu dem nur aus wenigen Häusern bestehenden Ort Marangu, in dem wir nochmals vor dem nächsten großen Nationalpark in Kenia, in einer von Engländern geführten Lodge inmitten einer herrlichen Umgebung, übernachten.
Die Straße entlang des Kilimandscharo zur Grenze soll miserabel sein, warnt man uns.
Wir finden sie erst einmal bezaubernd schön, umgeben von Bananenhainen.
Eine Menge Leute sind an diesem Sonntag unterwegs – die Gegend scheint dicht besiedelt zu sein.
Die sogenannten Dörfer sind lediglich durch ein paar Steinhäuser gekennzeichnet und dienen vermutlich lediglich als Lager oder Geschäfte, die Hütten entziehen sich wieder jeder Beobachtung von der Straße aus. Auffallend dagegen 4 – 5 pompöse Kirchen aus rotem Stein.
Eine Prozession bewegt sich vor uns und in weiß gekleidete Mädchen lassen die Zeremonie der Firmung vermuten…
Wie durch einen Bananen-Wald führt die Straße bergauf, bergab und wird kurz vor der Grenze nach Kenia,entsetzlich staubig.
Im „Niemandsland“ ist sie kaum noch wahrzunehmen und der Wind fegt graue Wolken hoch. Auch nach dem Überschreiten der Grenzlinie haben wir damit zu kämpfen, aber die Fahrbahn wird zusehends breiter.
Und dann… ehe wir uns versehen, sind wir überraschend schnell am Eingang zum Amboseli-Park.
Die ersten 30 km in diesem bekannten Wildreservat sind wenig begeisternd… alles ist eben, nur niederer Busch mit Akazien-Bäumen dazwischen, kennzeichnet die Landschaft. Auch der Kilimandscharo, der einmal unterwegs für kurze Zeit sein majestätisches Antlitz mit dem von Schnee bedeckten Gipfel frei gab, zeigt sich wieder nur als undefinierbare, graue Masse.
Doch plötzlich tauchen als Beweis menschlicher Anwesenheit im weiten Terrain die Bendas – kleine, Stroh gedeckte Steinhäuschen – einer Lodge auf… Old Tukai!
Genau sie haben wir als „Standbein“ und Unterschlupf nach unseren Pirsch-Fahrten im Amboseli-Reservat für 2 Tage vorgesehen.
Das Prädikat „old“ trifft für diese geräumigen Bungalows ebenso zu, wie „urig“ und „gemütlich“.
Sie verfügen über alle nötigen Einrichtungen, die allerdings meist nicht funktionieren.
Eine luftige Behausung jedenfalls, mit Moskitonetz über den Betten und Maschen-Draht an den Fenstern.
Reizend, verlockend, ebenfalls der mit Stroh überdachte Vorplatz mit Tisch und Stühlen.
Direkt davor erstreckt sich die Ebene mit weidenden Gnus, Zebras, etc. und dem großartigen Hintergrund, des von Wolken verhüllten Kilimandscharo.
Es gibt ein paar Schritte entfernt eine Einheimischen-Kneipe, die Bier, Whisky, etc. verkauft und einen kleinen Shop, der ein paar Dosen, Mehl und Zucker vorrätig hat, aber weder Brot noch Eier oder sonstiges bieten kann.
Trotzdem zaubert Frieder ein köstliches Mahl auf den Tisch unserer „Veranda“, das wir – allein auf weiter Flur – unter einem Sternenhimmel von nie gesehener Fülle und Pracht – unter entsprechenden Vorsichts-Maßnahmen, wie regelmäßiges Ableuchten der Umgebung – feierlich zelebrieren.
Am nächsten Morgen sind gelbe Webervögel und freche Glanzstare unsere Frühstücksgäste und vor uns, am Rande der Ebene schreitet eine Giraffe, sich ihrer Größe und Würde bewusst, gemessenen Schrittes entlang.
Entsprechend von der Wildnis geprägt, verlaufen auch unsere Pirsch-Fahrten in diesem staubigsten aller Parks.
Ganze Herden von Elefanten – ein 2 Wochen altes Baby wird behutsam inmitten der erfahrenen Alten geführt… eine hungrige Löwin, die ein Gnu im Visier hat und unser Zebra sowie 2 andere Autos als Deckung benützt, hält uns in Atem… doch das Gnu entkommt und so bleibt uns der dramatische Akt des „Gefressen werden“ erspart.
Der ganze Tag war von Wolken verhangen und der Abend an diesem zweiten Aufenthaltstag ist Sternen los…
Als wir die Erlebnisse des Tages nochmals an unserem Geist vorüberziehen lassen, ertönt plötzlich ein lautes Brüllen… Löwen wird sofort klar, womit der schöne Abend durch eiligen Rückzug in die schützenden Bungalows ein jähes Ende findet.
26.Juni – unser 30. Hochzeitstag!
Frieder bereichert den Frühstückstisch mit ein paar reizenden, selbst gesammelten Blümchen und… welch‘ großartige Überraschung… auch der Kilimandscharo sendet mit einer strahlend, klaren Bergkuppe, die ein schmales Schneehäubchen ziert, seine Grüße zu uns herab.
Sein Wolkenvorhang hat sich verschämt auf das untere Drittel der riesigen, behäbigen Masse zurück gezogen, während sich das Dach mit dem freundlichen Blau des Himmels vereint.
Ein grandioses Erlebnis!!
Auch unsere „Hausgiraffe“ spaziert gravitätisch und pünktlich zur Frühstückszeit am Rande der Ebene als Morgenvisite vorbei.
Angesichts der Tatsache, dass es in Old Tukai seit 2 Tagen kein Wasser gibt und auch ein wenig zur Feier des Tages, übersiedeln wir noch für eine weitere Nacht im Amboseli-Park in eine 4 Meilen entfernte und erst vor einer Woche eröffnete Nobellodge, die zur Hälfte vom Stadt und zu 51 % von Aga Khan finanziert ist und nicht nur allen Komfort bietet, sondern auch im Design, ausgefallen und extravagant, eine Oase der Zivilisation inmitten der Wildnis darstellt.
Wir genießen das Ambiente und widmen uns erst am Nachmittag wieder den eigentlichen Herrschern des Gebiets, den Tieren. Diesmal treffen wir auf eine Gepardin, die mit rührender Zärtlichkeit ihre Tochter in der Jagd unterweist, auf eine Löwenfamilie, und auf die massige Gestalt eines Rhinos, das unbeeindruckt, friedlich vor uns grast.
Zwischendurch kühlt ein heftiger, aber kurzer Regenschauer den heißen Tag und hinterlässt einen eigenartig herben Geruch der Erde.
Den Sonnenuntergang mit einem Himmel, der ehe das Gestirn verschwindet, in allen Farben glüht und leuchtet, erleben wir diesmal von der sicheren Terrasse unseres neuen Quartiers, als letztes Geschenk eines in jeder Hinsicht denkwürdigen Tages.
Um das ausgedehnte Gebiet des Tsavo-Parks, der in 2 Territorien, West und Ost, aufgespalten ist, zu erreichen, müssen wir zurück zum Amboseli-Ein- bzw. Ausgang.
Ab und zu begegnen uns Masai in roten Umhängen, mit kunstvollen Hals- und Ohrenschmuck, teilweise auch mit Schild und Speer, die sich offensichtlich als Fotomodelle gegen Entgelt anbieten.
Leider, wir haben keinen Bedarf an derartigen „Touristen-Souvenirs“.
Schon bald nach der Abzweigung Tsavo-West wird die Landschaft abwechslungsreicher, mit Hügeln und Bergen, wobei vor allem der vom Laterit-Staub rot gefärbte Erdboden auffällt. Daher treffen wir auch immer wieder auf „rote“ Elefanten.
Ein Lava-Gebiet beiderseits der Straße überzieht das Terrain mit erstarrter, schwarzer Masse und stammt vermutlich vom, im Jahr 1700 ausgebrochenen Vulkan Shetani, der als dunkler Bergkegel hinter uns, einen urweltlichen Anblick vermittelt, um den sich dementsprechend Sagen und Geschichten ranken.
Relativ nahe dem Parkeingang erwartet uns dann bereits eine hübsche Lodge, vor der sich eine Wasserstelle befindet, sodass der Abend eine mühelose Beobachtung von der Terrasse des Quartiers, gewährleistet. Wie bei einer organisierten Parade, marschieren die Tiere der Wildnis davor auf…
Ein Schauspiel von ungewöhnlicher Art!
Zwei an Bäumen angebrachte Lampen, an die sich die von Durst Geplagten gewöhnt haben, erleuchten die Szene.
Eine Büffelherde und immer wieder Elefanten tauchen aus dem Dunkel der Nacht… Frieder zählt 48… es könnten auch mehr sein. Einige Bullen trompeten laut, gehen sogar mit den Stoßzähnen aufeinander los, dürfte aber harmlos sein…
Als Privileg an die Touristen wurde auch noch Salz dicht unterhalb der Terrasse ausgestreut, von dem die Tiere gerne lecken.
Da Fahrten durchs Gelände im Tsavo verboten sind, überwinden wir die endlose Weite in stundenlanger Einsamkeit auf dem vorgeschriebenen „Waschbrett-Weg“.
Seitlich im Gebüsch entdecken wir noch 2 bisher nirgendwo gesehene Kudus, die allzu rasch wieder verschwinden.
Die Stämme der für Tsavo charakteristischen Affenbrotbäume sind überall – wie uns erzählt wurde – von Elefanten abgenagt und zerstört worden. Wir beobachten tatsächlich ein riesiges Exemplar direkt vor uns – mit laufendem Motor – bei seiner Arbeit. Mit den Stoßzähnen gräbt es sich ins Holz, das es mit dem Rüssel herausschält.
Ist dieses Verhalten eine „Geschmackssache“ oder die Folge von Übervölkerung?
Schier endlos lange dauert es bis zum Ausgang West, immer wieder ragen rot gefärbte Termiten-Hügel aus der Wildnis. Wir fürchten schon, uns trotz ausgezeichneter Beschilderung, verirrt zu haben.
Durch Registrierung jedes einzelnen Fahrzeugs an den Park-Ein- und Ausgängen, soll das „Verlorengehen“ von Leuten verhindert werden.
Trotzdem kein verlockender Gedanke, in diesen Weiten hängen zu bleiben oder sich zu verirren und erst durch Vermissten-Meldung irgendwann aufgelesen zu werden.
Auch unser Benzintank ist erschreckend leerer geworden und bis zur nächsten Stadt Voi, sind es noch 45 km.
Wir schaffen es und in diesem Ort mit den üblichen Geschäften unter gedecktem Gehsteig, kaufen Kurt, Karin und Frieder Proviant und alles noch Nötige ein, während ich unser Zebra hüte.
Auf dem Gehsteig neben, mir verarbeitet während dieser Zeit ein Mann zwei verschiedene Stoffe. Alle möglichen Menschentypen ziehen vorüber. Sauber europäisch gekleidete Frauen in bunten Stoffen und Kopftüchern, andere laufen barfuß und zerlumpt herum.
Bestens mit allem eingedeckt, verbringen wir unsere beiden letzten Nächte in einer Selbst-Versorgungs-Lodge im Tsavo-Ost Park. In völliger Abgeschiedenheit und Einsamkeit holen wir uns abends per Fernglas die Tiere näher heran, die am gegenüber liegenden See-Ufer nach und nach auftauchen.
Es herrscht stockdunkle Nacht, Sturm heult ums Haus… ich meine Elefanten vor unserem Quartier zu erkennen, Kurt behauptet, es wären nur die Büsche…
Die letzte Pirsch – eine Rundfahrt Tsavo Ost findet ohne Ranger in eigener Regie statt und führt zuerst zum Mudanda-Felsen, wo Hunderte von Elefanten zu einer Tränke kämen und aus sicherer Anhöhe gut zu beobachten wären.
Die Fahrt dahin geht durch ausgetrocknetes Land mit kahlen Sträuchern und Bäumen. Eine Überraschung erleben wir dabei durch das noch nie entdeckte Gerenuk – eine Giraffengazelle – die hoch aufgerichtet – sie sieht wie „aufgehängt“ aus – an einem Strauch äst.
Ein seltener Anblick auch, wie Vater Strauß seinen noch flauschigen Sprössling durchs Gelände führt.
Enttäuschend dagegen der Ausstieg und Aufstieg zum Felsplateau über der Tränke, denn diese ist völlig ausgetrocknet und daher ohne Reiz für Elefanten.
Zweiter Anlaufpunkt sind die Lugards -Wasserfälle in einer sehr reizvollen Felslandschaft, dem der 2 km entfernte Crocodile-Point folgt.
Da liegen die gepanzerten Giganten auf Felsen und Untiefen und sind mit freiem Auge erkennbar und durchs Glas erscheinen sie als wahre Monster. Außerhalb des Wassers zähle ich 18 solcher Urtiere.
Die so lange gesuchten Oryx-Antilopen und eine ganze Schar aus einem Erdloch nacheinander heraus quellenden Warzen-Schweine erfreuen uns auf dem Weg zurück in die Lodge, in deren Einsamkeit wir unseren letzten Abend vor der Rückkehr in die Zivilisation ausgiebig genießen.
Wieder ist die Nacht tiefschwarz, doch ein sonniger Morgen folgt ihr.
Den restlichen Proviant, die leere Bierkiste – dafür gibt’s Pfand – schenken wir dem Boy der Lodge, der sich unglaublich über die paar Überbleibsel freut.
Beschämend dabei für mich wieder der Gedanke, wie sehr hier Menschen ein paar Scheiben Brot schätzen, das in unseren Breiten so oft, alt und verschimmelt in den Mülltonnen verkommt.
Bei der Abfahrt merken wir entsetzt, dass der Anlasser unseres treuen Zebras streikt und nur per Anschieben, in Gang zu bringen ist. Dabei haben wir noch einen weiten Weg bis zum indischen Ozean, unserem einwöchigen Erholungs-Aufenthalt am Meer.
38 km sind es bis zum Park-Ausgang Ost und 102 km auf der Hauptstraße nach Mombasa, der zweitgrößten Stadt Kenias.
Es herrscht kaum Verkehr auf dieser Strecke. Kokospalmen in grüner Landschaft sind die ersten Boten eines veränderten Lebensraumes mit Dörfern, bestehend aus einigen Häusern und Lehmhütten.
Unmerklich geht es in Serpentinen abwärts; wir durchqueren Mombasa – das auf einer Insel liegt – zur Fähre und weiter zum südlichen Urlaubsstrand.
Während der halbstündigen Wartezeit auf die Autofähre plagt uns die Angst, wie wir unser Zebra danach wieder flott kriegen… doch wir haben Glück, die Straße ist abschüssig und der treue Gefährte springt von alleine wieder an.
Während des Transports, eingezwängt zwischen Lastwagen und PKW herrscht so großer Lärm, dass niemand den laufenden Motor unseres Zebras beachtet.
So erreichen wir, nach weiteren 30 km, umgeben von einem üppigen, tropischen Milieu mit Palmen, Blumen und grünem Flair, unser strahlend weißes Hotel, in dem wir für eine Woche lang, nicht nur Entspannung und Erholung, sondern auch Luxus und Komfort finden.
Dabei unterbrechen allerdings doch noch ein paar wenige aufregende Zusätze das faule Nichtstun am Kilometer langen und sehr breiten Strand, auf dem Dutzende Sand farbiger Krabben eifrigst Löcher graben und hurtig hin und her eilen.
Das erste Ereignis vollzieht sich gleich am Tag unserer Ankunft.
Es ist der 30.Juni und Frieder holt uns gerade noch rechtzeitig kurz vor 4 Uhr nachmittags auf den Balkon, um von hier aus die große Sensation einer totalen Sonnenfinsternis über Afrika, mit zu erleben. Ihretwegen sind Wissenschaftler aus aller Welt angereist und daher mussten wir auch statt mit Landrover, mit gestreiftem Zebra-Bus zur Safari starten.
Über dem Meer irrlichtert seit unserer Ankunft eine Farbmischung aus blau, grün, im Hintergrund schwarz, die sich jede Minute verändert und dunkle Wolken deuten Regen an.
Auch jetzt liefern sich am Firmament Wolken und Sonne ein ständiges Duell. Das erwartete Schauspiel läuft dann innerhalb weniger Minuten ab und wird leider auch durch die irdischen Wetter-Kapriolen etwas beeinträchtigt. Lediglich als schmale und matte Sichel erscheint der Sonnenrand, aus der unser Gestirn umklammernden, Mondmasse.
Am nächsten Morgen nach einem feudalen Frühstück enttäuscht uns zunächst der Ozean, denn es herrscht Ebbe und sein Wasser reicht kaum bis zum Knie. Außerdem sichtet Karin auch noch eine Seeschlange, die zwar kaum aggressiv, aber absolut giftig ist und man eine Begegnung mit ihr besser vermeidet.
Als Ersatz fürs Schwimmen heuert Frieder einen Jungen an, der wie einige andere, im seichten Wasser mit seinem Einbaum, auf Kundschaft wartet. Es sind dies schmale, lange Boote, aus einem Baumstamm gefertigt, die wendig und schnell manövrieren…
Ein zerschlissenes Segel wird als Antrieb hoch gehievt und los geht es, durch nicht sehr tiefes Wasser zum 500 m der gesamten Küstenlinie, vorgelagerten Korallenriff. An dieser Barriere brechen sich die Wellen des Ozeans und der Spaziergang entlang der Sperre eröffnen uns im Gegensatz zur Safari im Großwildbereich, die fantastische Welt der kleinen und kleinsten Lebewesen… ihre unglaubliche Vielfalt an Formen und Farben, die ebenfalls faszinieren.
Titegameh wurde unser junger Bootsführer von seiner Mutter genannt… so heißt auch sein Einbaum, mit dem wir nun täglich einen Ausflug zu dieser neuen, fremden Welt unternehmen werden.
Das ständig dem Wind ausgesetzte Segel zeigt überall sorgfältig geflickte Risse, ebenso wie das weiße Hemd des sympathischen Jungen.
Die zweite Unterbrechung beschaulicher Ruhe, findet mit der Fahrt nach Mombasa statt, die die Trennung von unserem Zebra bedeutet, das uns 2700 km über Stock und Stein durch Kenia und Tansania getragen hat. Nicht zu leugnen, wir empfinden Abschiedsschmerz, als Kurt und Frieder unseren maroden Kameraden ein letztes Mal zur Autovermietung steuern und Karin und ich mit dem Hotelbus hinterher trotten.
In Verbindung mit dem unvermeidlichen Abschied wollen wir gleichzeitig einen Blick auf das südliche Zentrum Kenias, also dem, neben Durban zweitwichtigsten Hafen, am indischen Ozean – Mombasa – werfen.
Eine äußerst lebhafte und betriebsame Stadt, stellen wir fest, in der eine Menge Inder und auch Araber im Portrait der Stadt mitmischen.
Über der großzügig angelegten, mit Palmen ausgestatteten Avenue Nyerere, kreuzen sich als Wahrzeichen, 2 x 2 überdimensionale Elefantenstoßzähne.
Auffallend im modernen Zentrum sind die vielen Souvenir-Stände, die vor allem Holzschnittarbeiten anbieten.
Wir suchen vor allem auf dieser 5 x 3 km umfassenden Inselfläche nach der Altstadt und müssen dafür in der, trotz Wind schweißtreibenden Hitze, einen langen Fußmarsch absolvieren.
Von einer Moschee ertönt laut und eindringlich der Gebetsruf des Muezzin… an Gehsteigen werden auf einer Art Grill, Schaschlicks gebraten… viele Leute, jetzt vor allem Einheimische, stehen und sitzen überall herum… an einer Straßenecke bietet ein Stand leere Konservendosen in jeder Größe zum Kauf an. Zwischen windschiefen Blechdächern kann man in primitive Behausungen blicken und ehe wir uns versehen, haben wir in einer schmalen, langen Gasse die Hauptader dieser Altstadt erreicht.
Ein Milieu, das keinerlei Romantik vorgaukelt. Über geschlossenen Geschäften – es ist Mittagszeit – wölben sich im 1.Stock breite, vorstehende Holzbalkone… manche Eingangstore sind mit Stuck verziert.
Unerwartet stehen wir am Ende der Gasse vor dem Fort Jesus, das als Zeichen portugiesischer Macht, heute als riesige, gut restaurierte und eindrucksvolle Ruine, eine leidvolle Vergangenheit mit immer wieder Kriegen demonstriert, bis Portugal im 18.Jhdt die Inselstadt aufgab. Ein kleines Museum, liebevoll zusammengestellt, zeigt interessante Schiffsmodelle.
Die Erlebnisse unserer faszinierenden Safari sind noch so gegenwärtig, dass wir nicht widerstehen können, für einen Tag unsere Palmen-Oase am indischen Ozean zu verlassen, um im etwa 30 km entfernten Kwale-Wildreservat, die nur hier vorkommenden Säbel-Antilopen aufzuspüren. Dazu mieten wir uns einen Peugeot und starten mit Lunchpaket, aber ohne sonstige Ausrüstung eine Art „Salon-Safari“, werden am Eingang als erster und bisher einziger Wagen vom Wildhüter freundlich begrüßt, mit Ratschlägen ausgerüstet und vor allem der Empfehlung, die Tränke im Tal zu besuchen.
Auf schmaler Straße, bergauf und bergab, fühlen wir uns zwar in dem kleinen PKW etwas beengt, aber schon bei der ersten Begegnung mit dieser, auch Rappen-Antilopen genannten Art, packt uns wieder das Safari-Fieber… wir sichten mehr von ihnen und bewundern ihre Eleganz und Schönheit.
Eine Pause am kühlen Rastplatz mit Holztischen und Bänken, inmitten mächtiger Bäume, deren Wurzeln breit und zerklüftet aus dem Erdboden ragen, mit Vogelgezwitscher aus dichtem Blätterdach als Musik, krönt diesen Ausflug zusätzlich.
Bleibt nur noch die empfohlene Tränke, zu der wir uns danach auf den Weg machen…
Er führt ziemlich steil bergab und bereits auf halber Höhe müssen wir feststellen, dass er total zerfurcht und zernagt vom Regen irgendwann von vermutlich schweren Fahrzeugen ausgewaschen wurde und seine Aushöhlungen nun erhärtet, eine arge Zumutung für jedes Auto sind. Es schüttelt und rüttelt unseren PKW hoch und nieder… bis, ja bis wir festsitzen.
Umkehren… ? Zurück den Berg hoch… ? Geht nicht, der Rückwärtsgang schafft die Steigung nicht.
Also mit Karacho und Glück vorwärts, bergab…
Mit vereinten Kräften gelingt es uns, das Auto aus der tiefen Kuhle zu befreien und es mit Elan nach unten durchzuziehen.
Der Appetit auf die Tränke ist uns allerdings längst vergangen, wir suchen die beste Möglichkeit, um schnell wieder nach oben zu gelangen…
Aber leider, die gibt es nicht… ob wir wollen oder nicht, wie müssen auf dem gleichen Weg auf dieser löchrigen, ausgefransten Piste zurück.
Kein Mensch, kein Auto befindet sich irgendwo im Umfeld. Wir sind allein auf weiter Flur und sowohl
Wasser wie Proviant verbraucht.
Wir starten Gott ergeben auf den Rückweg und stecken, wie zu erwarten, gleich beim ersten Anlauf wieder fest.
Im Auto befindet sich ein Wagenheber, sonst kein Werkzeug. Mit ihm gelingt es immerhin Kurt und Frieder, den Peugeot soweit bewegen zu können, dass er danach mittels Stein und Anschieben wieder „frei“ wird.
Die einzige Chance, dem Kwale-Park doch noch zu entkommen, kann jetzt nur das Ausweichen ins hoch mit Gras bewachsene, Gelände sein. Die Prüfung ergibt, dass es zumindest trocken ist.
Nach einigen vergeblichen Versuchen, schafft es Kurt auf die Wiese und bewältigt dann im Slalom die Steigung, bis hinauf zum Hauptweg. Wir stolpern leicht verschmutzt und geschockt hinterher und haben nur noch den Park-Ausgang im Sinn.
Leider wir müssen feststellen, dass es mehrere Haupt-Eingangstore in diesem Reservat gibt und uns dadurch noch ein Umweg von 20 km aufgebürdet wird.
Belohnt dafür, werden wir allerdings mit einer Fahrt durch die bezaubernde Landschaft mit roten Blumen, die Orchideen gleichen und an Dörfern und unter Palmen versteckten Hütten, vorbei.
Nach dieser letzten Safari, erfreuen wir uns umso bewusster an der tropischen Atmosphäre und dem komfortablen Flair unseres Hotels und sind dankbar, dass wir aus einem Naturpark wo „Aussteigen“ nur an gekennzeichneten Plätzen erlaubt ist, unversehrt herausgekommen sind. Der gemietete Peugeot hat dabei, wie einst das Zebra, seinen Auspuff wieder einmal eingebüßt.
Die letzten Tage in Ostafrika gehören ganz dem Meer und seinen Bewohnern, die wir mit „Titegameh“ so gern besuchen.
Zum Abschied schenkt Frieder dem Jungen, seine in Nairobi gekauften Turnschuhe… eine Kleinigkeit für uns Europäer, ein großes Geschenk für Afrikaner, für die auch Straßenschuhe oft einen kaum erschwinglichen Luxus darstellen.
Während wir eingehüllt in die Annehmlichkeiten des Lebens, die Tage an uns vorüberziehen lassen, begegnet uns bei jedem Schritt außerhalb der Enklave, die Armut und die scheinbar unüberbrückbare Diskrepanz zwischen Arm und Reich.
Und trotzdem, macht gerade „Titegameh“ weder einen unzufriedenen oder gar unglücklichen Eindruck… er hat immerhin Arbeit, befördert Touristen zum Riff… mit seinem Einbaum! Ein Besitz, der ihn frei macht.
Hilfe tut Not in Afrika.
Die Europäer sind es den Nachfahren der Sklaven, Verschleppten und Ausgebeuteten schuldig.
Aber eine Hilfe, die nicht entwürdigt… Hilfe zur Selbsthilfe!