Lange vor Deutschland, wo sich erst 1867 aus Volksstämmen, Herzogtümern und Königreichen die Deutsche Nation herauskristallisierte, wurde Frankreich – die Grande Nation – aus unterschiedlichen Völkerschaften geboren. Bereits 987 erfolgte der Impuls zu einer Einheit durch die westfränkische Dynastie der Kapetinger.
Meine Stippvisite im nördlichen Frankreich – der Normandie, Bretagne und dem Tal der Loire – im August 1986 hat mir jedenfalls bewiesen, wie reich dieser Teil-Ausschnitt unseres Nachbarstaates an kulturellen Schätzen ist!
Mit einem deutschen Busunternehmen mache ich mich, mit 36 anderen Teilnehmern, auf den Weg zu diesem im 20. Jahrhundert durch 2 unsinnige Kriege, zum „Feind“ degradierten Nachbarn.
Zusammen mit Deutschland stellt Frankreich schließlich das „Herz“ des durch blutige Auseinandersetzungen mit oft wechselnden Allianzen, gespaltenen Europas, dar.
Der Gedanke, dass Frankreich bereits vor 480.000 Jahren besiedelt war, was Höhlenzeichnungen vermuten lassen, bezeugen die Vielfalt von unterschiedlichen Völkerbewegungen, die in diesem Land ihre Spuren gesetzt haben.
Kelten drangen in den Norden ein, die nachfolgenden Römer nannten das Terrain Gallien und ab dem 5. Jahrhundert wanderten vermehrt germanische Stämme ein.
Die Westfranken, hervorgegangen aus dem germanischen Großstamm der Franken, der sich im 3. Jahrhundert während des Abzugs der Römer aus Germanien aus mehreren Kleinstämmen gebildet hatte, assimilierten sich ebenso wie die Nebenlinie der Salfranken mit der Einwohnerschaft des westlichen Frankreichs.
Die Region des nördlichen Frankreich, der mein Besuch gilt, war indessen von Einfällen der Normannen geprägt, die hier Geschichte schrieben und diesem Gebiet den Namen „Normandie“ vererbten.
Es handelte sich dabei neben wenigen Norwegern, um dänische Wikinger, Angehörige jener skandinavischen Völkerschaft, die vom 6. – 11. Jahrhundert durch ihre Raubzüge per Schiff ganz Europa bis Russland, aus Lust am kriegerischen Abenteuer und Streben nach Ruhm, in Angst und Schrecken versetzten.
Über Verdun, das mit 8000 im Krieg gefallenen deutschen Soldaten, deprimierende Erinnerungen weckt, erreichen wir am Nachmittag Reims, wo uns für die Besichtigung der berühmten Kathedrale eine halbe Stunde Zeit genehmigt wird.
Die Stadt selbst wirkt heute, Sonntag, still und beschaulich, doch in dem 1300 – 1600 erschaffenen Gotteshaus drängt sich eine beängstigende Touristenmenge, um die herrlichen Glasmalereien der Fensterrose und die 16 Tapisserien an den Seitenwänden, zu bewundern. Wuchtige Säulen lassen den Innenraum dunkel erscheinen.
Reims war Hauptstadt eines keltischen Stammes, danach einer römischen Provinz und im 3.Jahrhundert Bischofssitz und Krönungsstadt der französischen Könige, der im Mittelalter dominanten, französischen Herrschaftsform.
Dass Reims auch Zentrum der Champagner-Herstellung ist, mag weniger monarchisch orientierte Gemüter trösten.
Daher gönne auch ich mir in aller Bescheidenheit ein kleines Flascherl Sekt aus der Bordküche für die Weiterfahrt durch eine grüne Landschaft mit Wäldern und Äckern, auf denen sauber zusammen geballte, abgeerntete Strohballen liegen und auf den Wiesen eine Menge Kühe weiden.
Kleine Dörfer mit uralten Häusern ziehen vorbei…. friedvolle, beschauliche Bilder!
Eingebettet in Grün, aber verunziert durch ein paar Hochhauskästen empfängt uns nach einigen Stunden, die auf einem Hügel platzierte Stadt Rouen.
Durch moderne Straßen, mit immer wieder imposanten Blick auf die Türme der Kathedrale überqueren wir den Seine-Fluss, um am anderen Ufer im Viertel Saint-Sever – im 2.Weltkrieg zerstört und modern wieder aufgebaut – unser Quartier für die Nacht zu beziehen.
Das vorzügliche Abendessen zieht sich von ¼ vor 8 bis ½ 10 Uhr hin. Zwar mit vollem Magen, aber äußerst zufrieden, genieße ich die erste Nacht bei unserm französischen Nachbarn.
Ein Gewitter beschert dem nächsten Morgen ein kühles und trübes Ansehen.
Wieder ist für die Besichtigung der Altstadt von Rouen, die ebenfalls aus einer keltischen Ansiedlung hervorging und 260 nach Ch zum Bischofssitz avancierte, lediglich eine dreiviertel Stunde vorgesehen.
Im 9. Jahrhundert begannen die Normanneneinfälle und gegen Ende war die Stadt Stützpunkt für Raubzüge ins Landesinnere. 911 sah sich der westfränkische König gezwungen mit dem Normannenführer Rollo einen Vertrag abzuschließen, der die Festsetzung dieser Volksstämme sanktionierte. Damit wurde es gleichzeitig das Gründungsjahr der Normandie und der inzwischen getaufte Rollo war nunmehr als Robert, Herzog dieses Staates.
An der Kathedrale, dieser großartigen, 1201 – 1530 errichteten Kirche, in dem alle gotischen Stile zu bewundern sind, beginnt unser Rundgang. Von hier führt die Rue le gros horloge – Straße der großen Uhr – zum Alten Markt, wobei diese, 1389 konstruierte, astronomische Uhr – eine der ältesten überhaupt – untergebracht in einer Art Pavillon, bogenförmig die Straße überspannt. Früher war dieses Meisterstück, das nur einen Zeiger besitzt, an einem Turm befestigt, der im Krieg von Karl VI zerstört worden war. Außer diesem Stundenanzeiger weisen Figuren aus der griechischen Mythologie auf die Wochentage und die Mondphasen hin.
Auf dem neu gestalteten Marktplatz, auf dem Frankreichs Nationalheilige Jeanne d’Arc 1431 bei lebendigem Leib verbrannt wurde, markiert ein Mahnmal die Stelle des grausigen Geschehens.
Am Rückweg zur Kathedrale, deren Fassade gerade restauriert wird, fallen wieder die wunderschönen Fachwerkhäuser und modernen Geschäfte auf und bei der Blitzbesichtigung im Innern imponieren besonders die mächtigen Säulen und die im Chorgestühl noch teilweise erhaltenen alten Glasfenster.
Außen lenken die Türme den Blick nach oben, wobei der mittlere mit 151 m, den höchsten Turm Frankreichs präsentiert. Als Kuriosum empfinde ich den sogenannten „Butterturm“, der von 1485 – 1507 mit den Geldern erbaut wurde, die für die Erlaubnis, in der Fastenzeit Butter zu essen, gezahlt werden mussten.
Damit ist die für Rouen bewilligte Dreiviertelstunde um, viel zu wenig für eine solch‘ geschichtsträchtige Stadt und es geht weiter durch eine Landschaft mit viel Grün, weidenden Kühen, vorbei an kleinen normannischen Bauernhäusern, teilweise noch strohgedeckt, die manche Pariser zum Kauf und Restaurieren verlocken.
Über Honfleur, Trouville – entlang der „blühenden Küste – die bedeutendste Badeküste der Normandie – erreichen wir auf enger Straße zwischen viel Grün mit entzückenden, kleinen Bauernhäusern, das berühmte Millionärs-Seebad Deauville, in dem wir für 2 Stunden in die Freiheit entlassen werden.
Ein junges Mädchen, als ziemlich einzige in einer eher Mittel- bis Alten-Reisegruppe spaziert mit mir durch den hübschen Ort. Sie ist auf ihrer ersten Fahrt und herrlich begeisterungsfähig.
Die Hafenpromenade entlang, streben wir dem Meer zu.
Rechts breitet sich der Yachthafen aus, links säumen gemütliche alte Häuschen die Straße – ein ansprechendes Panorama! Aber leider, kurz vor den 2 Leuchttürmen, die man per Holzsteg erreicht, breiten sich hässliche Appartementhäuser aus…. wir kehren um, suchen in Seitenstraßen ein Restaurant, um eine Kleinigkeit zu essen, bzw. trinken. Erst an der Hafenpromenade finden wir ein dafür geeignetes Lokal und stärken uns für die Weiterfahrt.
Sie führt durch kleinere, sehr nette Badeorte, in denen wunderschön gestaltete Blumenrabatte das Auge erfreuen. Der Strand ist wenig frequentiert und gerne würde man da oder dort verweilen. Aber leider, der Wagen, der rollt…. Erstaunlich viel Altes, Schmuckes und Gemütliches ist an der Küste erhalten und selbst in Trouville und Deauville waren Hochhäuser eine Seltenheit.
Betrug unsere Wegstrecke Wiesbaden-Rouen gestern ca. 700 km, so müssen heute „nur“ 300 km geschafft werden.
Nach dem Küstenabschnitt wechseln wir auf die Autobahn und an Caen vorbei, das auf eine gallo-römische Siedlung zurückgeht, steht uns in Bayeux der zweite längere Aufenthalt bevor.
Diese Stadt gehört zu den wenigen, im Krieg nicht beschädigten Städten und hat eine Sehenswürdigkeit von höchstem Wert zu bieten.
Während Bayeux mit seiner schönen, im Kern romanischen Kathedrale ein wenig verschlafen wirkt, beherbergt das Seminar des bischöflichen Palais den berühmten Wandteppich „Tapisserie de La Reine Mathilde“ – eine Stickerei auf Leinwand mit verschieden farbigem Wollgarn.
Ein Kulturgut von Seltenheitswert und es stimmt traurig, dass sich 17 der insgesamt 36 Mitreisenden nicht an der Schau beteiligen und im Bus mehr oder weniger murrend, auf die Rückkehr von uns Interessierten warten wollen.
Kultur ist demnach bei fast der Hälfte der Mannschaft nicht gefragt, dafür umso mehr Hotelkomfort und gutes Essen.
Unsere kleine Schar betritt also einen abgedunkelten Gang und zieht an der unter Glas aufbewahrten und beleuchteten Bilderfolge im Rundgang vorbei; der 70 m lange und 50 – 55 cm breite Wandbehang erzählt in aneinander gereihten Bildern, die Ereignisse des Jahres 1066, als der Herzog der Normandie Wilhelm – einer der Nachfolger Rollos – in der Schlacht bei Hastings, einen Teil Englands eroberte und damit nachfolgend zum König von England aufstieg.
Dieses großartige Zeitdokument bringt uns nicht nur die Kriegführung und Kleidung, sondern das gesamte Milieu vor 1000 Jahren so plastisch und überschaubar nahe und ich bin so fasziniert davon, dass ich mir Dias kaufe, um zu Hause in Ruhe den Verlauf dieses Spektakels genau zu studieren.
In Auftrag gegeben wurde dieses Werk, das 1077 fertiggestellt war, vermutlich vom damaligen Bischof von Bayeux, einem Halbbruder Wilhelms, dem später der Beiname „der Eroberer“ hinzugefügt wurde.
Mathilde, die Gattin Wilhelms blieb während der Abwesenheit des Herzogs bei den Getreuen in der Normandie, denn Bayeux war eine der wichtigsten Städte des Herzogtums.
Unser Ziel für die nächsten 3 Nächte ist noch lange nicht erreicht.
Wir passieren die Stadt Saint Lo, die 1944 total zerstört, neu aufgebaut ein sehr hübsches Stadtbild mit prächtigen Blumenrabatt am Hauptplatz präsentiert…auch von Avranches sehen wir von der Hauptstraße aus nur ein paar Villen am Hang und steuern ohne Aufenthalt Combourg an, das bereits zur Bretagne gehört.
Im Ort davor – Pontorson – trennt ein kleiner Fluss die Normandie von der Bretagne.
Hier begegnen uns bereits die für die Bretagne so typischen Häuser aus Granitstein.
Die Bretagne ragt im äußersten Nordwesten Frankreich als Halbinsel in den Atlantik hinein.
Zu ihren Bewohnern gesellten sich im 5. – 7. Jahrhundert in mehreren Wellen keltische Briten von England, die vor den eindringenden angelsächsischen Eroberern hierhin und in andere Gebiete flüchteten.
Die Angelsachsen waren ein germanisches „Sammelvolk“ aus Sachsen und Angeln, die mit Stämmen aus Jüten, Friesen, etc. später durch Dänen und Skandinaviern verstärkt, die Geschichte betraten. Aus diesem Volksverbund entwickelte sich die angelsächsische Kultur, bis sich schließlich im Hochmittelalter eine französisch-normannisch geprägte höfische Kultur formierte.
Was für ein komplizierte Puzzle von Stämmen, Stammgruppen und Stammverbänden war es also, das sich da mittels Assimilierung, Vermischung, durch Kriege und Eroberungen zu den heutigen europäischen Staaten und Nationen herausgebildet hat!!
Und je weiter man in die Vergangenheit zurückblickt, wird deutlich wie viel dabei immer noch nicht geklärt werden konnte.
So gibt auch das Volk der Kelten mit ihren ausgeprägten Kunstschätzen letztendlich noch große Rätsel auf und die Träger der besonders in der Bretagne sichtbaren Megalithkultur mit ihren Grabanlagen und Steinsetzungen, sind bis heute unbekannt. Es sind die Spuren menschlicher Besiedlung zwischen 2200 vor Ch. bis etwa 600 vor Ch. Von den östlichen Mittelmeerländern bis nach England reichen diese spektakulären, rätselhaften Zeugen, die vermutlich mit den Zinnhandelswegen in Verbindung gebracht werden können.
Von den Tageserlebnissen und der Fahrt angeschlagen, erreicht unsere Reisegruppe samt der reizenden und lustigen französischen Reiseleiterin ziemlich müde die Stadt Combourg am späten Abend, das mit diesen Granitstein-Häusern ebenfalls anheimelnd wirkt. Auf einem Hügel liegt das düstere Schloss aus dem 11.Jahrhundert, in dem der Dichter Chateaubriand einen Teil seiner Jugend verbrachte.
Am Fuße dieses Schlosses befindet sich dann auch unser Quartier in einem alten, hübschen Haus.
Die Schwierigkeiten mit den Einzelzimmern lösen sich durch meine Bereitschaft, mit dem jungen Mädchen die 3 Nächte in einem urigen, typisch französisch ausgestatteten Doppel-Appartement zu verbringen, das offenbar für Familien gedacht ist.
Wir sind von der Ausstattung der beiden Zimmer mit verschlissenen Möbeln und dem mit Marmor und altertümlichen, vergoldeten Armaturen versehenen Bad so angetan, dass ich das Zimmer mit Doppelbett wähle, das wenig Möbel hat und sie dasjenige mit dem alten, verwitterten Schreibtisch, Kamin und schmalem Bett übernimmt. Nur das Bad befindet sich leider in ihrem Raum.
Der Speiseraum ist gediegen und gemütlich und das Essen noch vorzüglicher und reichlicher als am Tag zuvor.
In der Nacht regnet es und der Morgen begrüßt uns mit grau verschleierter Sicht.
Wie schade, da uns heute doch eine der größten Sehenswürdigkeiten Frankreichs erwartet – der Besuch des Mont Saint Michel, jenes fast einen Kilometer von der Meeresküste entfernten, aus dem Wattenmeer ragenden, fast kreisrunden Felskegels, den ein Benediktinerkloster des Erzengels Michael krönt.
Dazu müssen wir wieder über das Flüsschen zurück in die Normandie fahren und dann steigt plötzlich
ein, auf einem Hügel zusammengedrängter, gigantischer Baukomplex, aus der Ebene empor.
Wir haben Glück, dass wir fast bis zum Eingang des Festungs-Giganten fahren können; oft stauen sich Busse und Autos auf dem Weg, der den Mont Saint Michel mit dem Festland verbindet und dann zu Fuß bewältigt werden muss.
Mit einem Umfang von 900 Meter erhebt sich 78 m hoch dieses Felsgebilde, das vermutlich in vorgeschichtlicher Zeit durch Bodensenkungen und einem Meereseinbruch entstanden ist aus der Ebene – auch bei schlechtem Wetter ein erhabener Anblick.
Dass dieses Wunder der Natur ein mächtiges Kloster trägt, ist dem Traum eines Bischofs zu verdanken, der vom Erzengel Michael aufgefordert wurde, dort oben eine Kapelle zu errichten.
Ihr folgte eine Kirche, aus der wiederum im 11. Jahrhundert eine romanische Basilika heranwuchs.
Zur Zeit der Normanneneinfälle wurde sie befestigt und viele Familien suchten Schutz hier, sodass ein kleines Dorf entstand.
Die Normandie und somit auch die Insel gehörte den Herzögen der Normandie, aber seit Wilhelm dem Eroberer auch den Königen von England – zumindest zeitweise: 1066 – 1087, 1106 – 1144, 1154 – 1204 war sie ein Teil Englands.
Wie sehr sich England und die französischen Könige um den Besitz der Normandie stritten, beweist auch der 100-jährige Krieg 1337 – 1453 zwischen ihnen. In diesem Zeitraum war sie 2 mal von englischen Truppen besetzt. In diese Epoche fiel auch das Engagement der Jungfrau von Orleans, die für den französischen König kämpfte und nach dessen Niederlage gegen England, zum Tod auf den Scheiterhaufen verurteilt wurde.
Letztendlich scheiterten jedoch alle Versuche Englands die Normandie zu erobern, diese blieb Frankreich erhalten.
1790 wurde das Kloster am Mont Saint Michel aufgehoben, diente sogar bis 1863 als gefürchtete Strafanstalt, bis es der Denkmalschutz als Kulturgut ersten Ranges wieder auferstehen ließ und 1922 renoviert in Betrieb nahm, wo dann auch die Benediktiner zurückkehrten.
Wir steigen also durch dieses kleine Dorf empor….in den alten Häusern aus Granit haben sich dicht an dicht Souvenirläden und Lokale eingerichtet und es herrscht ein Rummel, den unsere Reiseleiterin treffend mit dem Touristenboom in der Rüdesheimer „Drosselgasse“ vergleicht. Wie im deutschen Eldorado, bewegt sich auch hier eine ähnlich große Zahl von Besuchern durch die pittoresken Gässchen bergauf.
Da um ¼ nach 10 Uhr eine deutsche Führung stattfinden soll, ist Eile geboten und wir spurten anschließend die steilen Treppen hoch, bis der Atem ausgeht. Oben angekommen, stellt sich heraus, dass die Wanderung durch den Klosterkomplex erst eine halbe Stunde später beginnt.
Ich wage mich während der Wartezeit auf die große Terrasse hinaus, um einen Blick aufs Wattenmeer zu riskieren, da bläst mir der Wind sogleich durch alle Poren. Zwar trage ich Wetterjacke, aber die Wollweste liegt im Bus.
Außer unserer Gruppe nehmen dann an der deutschsprachigen Führung eine große Anzahl anderer Leute teil, sodass mir Angst und Bange wird, doch die Leitperson bringt die Massen irgendwie unter einen Hut und erklärt nicht nur gut, sondern führt auch sehr zielsicher durch den verschachtelten Komplex, der unglaublich beeindruckt.
Allerdings geht durch die vielen Menschen und dem großen Erklärungsprogramm innerhalb einer Stunde manches verloren und nicht alles wird fassbar.
Das Auf und Ab durch gotische und romanische Säle, über Treppen und durch Wandelgänge, mehr geschoben als gegangen, macht sich sehr ablenkend bemerkbar hinsichtlich der überragenden Bedeutung des Komplexes.
Nach dieser Stunde sind wir zwar höchst beeindruckt, aber doch froh, aus dem Massenbetrieb ins Freie entlassen zu werden.
Die Kirche wird von einem Turm überragt, dessen Spitze eine Statue des Erzengels Michael krönt, die 2,50 m hoch ist. Sein Schwert dient zugleich als Blitzableiter.
Der Abstieg durch die St.Micheler „Drosselgasse“ gestaltet sich dann zu einer langwierigen Angelegenheit mit vielen, teilweise massiven Staus. Dabei sollten wir längst am Bus sein…
Mit dem geht es dann auch sofort weiter und zwar zurück in die Bretagne nach St.Malo, das sich an einer der vielen Buchten, der stark gegliederten, nordbretonischen Küste, befindet.
Da dort eine dreistündige, individuelle Besichtigungstour vorgesehen ist, empfiehlt die Reiseleiterin sich mit entsprechender Kleidung, vor dem oft heftigen Wind zu schützen.
Ausgerüstet mit Regenschirm, warmer Jacke starte ich gemeinsam mit dem jungen Mädchen zu einem Rundgang, nachdem uns der Bus vor den Toren der Festungsmauern zur Altstadt dieses geschichtsträchtigen Ortes, abgesetzt hat.
Und welcher Hohn, plötzlich scheint die Sonne… romantisch verklärt sie das düstere Gestein der Häuser innerhalb der Umwallung, die diese „geschlossene Stadt“ rundum, auf kleinster Fläche, umschließt.
Was sich heute als großes, geschlossenes Stadtgebiet präsentiert, war in gallo-römischer Zeit bereits mit der Ansiedlung Aleth, dem heutigen Stadtteil Saint Servan vertreten, wo der Einsiedler Malo im 6. Jahrhundert lebte, der später zum Bischof ernannt und sogar heilig gesprochen wurde.
Infolge der Normannen-Einfälle flohen viele Menschen aus Aleth auf den benachbarten Felskegel – der heutigen Altstadt von Malo – die im Laufe der Jahrhunderte zur Festung ausgebaut wurde. Eine Notwendigkeit hinsichtlich der dauernden Scharmützel im hundertjährigen Krieg gegen die Engländer. Seit dem 16.Jahrhundert verteidigte Saint Malo seine Selbständigkeit meist erfolgreich und die Seeleute des Ortes übten Korsarentätigkeit aus, waren auch an der Entdeckung der Neuen Welt beteiligt.
Im 2. Weltkrieg wurde St.Malo in das deutsche Festungssystem mit einbezogen und bei der Landung der Alliierten zu 80 % zerstört. Originalgetreu neu aufgebaut, lockt es heute Touristen und Künstler in großer Zahl an.
So empfängt mich und meine Begleitung auf der Parallelstraße zum Wehrgang auch an diesem Tag ein lebhafter Betrieb von Leuten von überall her. Restaurants, Läden und Touristen schaffen zwischen dem Granitgestein der Häuser ein buntes Kolorit.
Wir stärken uns in einem kleinen Lokal mit Krabbensalat, spazieren durch Gassen zu einer Bank, denn für Morgen ist ein Schiffsausflug zu den Kanalinseln angesagt und dafür müssen wir Geld umwechseln.
Wir entdecken auf diese Weise manchen malerischen Winkel und auch die Kathedrale, die zwar modern wirkt, aber wundervolle, in warmen Farben gemalte Glasfenster besitzt und sehr interessant ist.
Dem folgt ein Spaziergang auf der Ringmauer und das herrliche Wetter verhilft uns zu einem besonders schönen Blick auf das Wattenmeer auf der gegenüber liegenden Seite der Altstadt – ein Erlebnis!
Inselchen ragen aus dem Watt, felsig und verstreut, zu einer davon führen eine Straße und Stufen hinauf, die wie jetzt bei Ebbe begehbar sind und auf der sich das Grab des Staatsmannes und Schriftstellers Chateaubriand befindet, der aus St.Malo stammt. Wir schauen herum, ein Blick ist schöner als der andere….
Von der Naturerscheinung, die hier stattfinden soll, ist bei Ebbe natürlich nichts zu bemerken, aber da die vom Atlantik her in den Ärmelkanal eindringende Flutwelle von den englischen Kanalinseln und der Halbinsel Cotentin aufgehalten wird, kommt es im Golf von St. Malo infolge des Rückstaus, zu einer Flutwelle wie nirgends sonst auf der Erde.
Wir wenden uns wieder der Stadt zu, erreichen den Platz Chateaubriand, an dessen Ostseite sich die aus dem 15. Jahrhundert stammende Burg erhebt. Darunter am Platz bieten Künstler ihre Erzeugnisse an und die Atmosphäre erinnert an Montmartre in Paris und an ein Leben a la Bohemien.
Auf der vom Wind geschützten Seite des Wehrgangs genießen wir noch den Blick auf den Yachthafen und die Sonne, bis es Zeit fürs Treffen am Bus um wird.
Bei der Rückfahrt zum Hotel in Combourg gibt es noch eine Unterbrechung im Austerndorf Cancale.
Wieder haben wir das Wattenmeer vor uns, Boote liegen im Sand…zwar scheint die Flut bald einzutreffen, aber es dürfte noch eine Weile dauern.
An der Straßenseite reihen sich Stände mit Austern in verschiedener Größe aneinander.
Meine Begleiterin ist neugierig, bleibt stehen und schon kommt eine junge Frau und erkundigt sich, wie viel und von welcher Sorte wir kaufen wollen.
Ich bedeute ihr, dass ich nicht wüsste wie diese verkrusteten Dinger zu öffnen wären. Sie zeigt es mir und wir verspeisen sogleich eine. Vor ihrem Stand stehen ein paar Tische und ich bestelle 5 weitere Exemplare, die sie uns freundlicherweise ebenfalls zubereitet – es wird ein köstlicher Imbiss im Freien.
Zurück im Hotel ist dann das Abendessen ebenfalls außergewöhnlich gut. Als Hauptspeise gibt es Salm. Wir leben also wirklich wie Gott in Frankreich!!!
Nächsten Morgen klingeln um 5 Uhr früh Telefon und Wecker und gleich nach dem Frühstück findet der Aufbruch statt. Es ist kalt, aber klar….
Unsere Reiseleiterin fehlt… sie hat mit Freunden in St.Malo gefeiert, kam um 2 Uhr zurück ins Hotel, aber ohne Zimmerschlüssel… daher musste unser Fahrer frühmorgens schnell ein paar Klamotten aus dem Quartier in Combourg zusammensuchen, die sie für den Tagesausflug benötigt. Wir amüsieren uns köstlich, als sie in letzter Minute, aber rechtzeitig am Hafen von St.Malo in einem giftgrünen
Mantel über der lila farbigen Abenddress angewedelt kommt.
Es erfolgt die Einschiffung und eine 2 ½ stündige Schifffahrt mit prächtigem Rückblick auf den Jachthafen von St. Malo.
Als wir auf der größten, der englischen Kanalinseln, Jersey, in deren Hauptstadt St. Helier landen, scheint die Sonne.
Die Inseln sind autonom und unterstehen nicht dem englischen Parlament, sondern direkt der Königin.
Ehe wir das zollfreie Eiland betreten dürfen, heißt es Anstehen für einen Stempel der englischen Zollkontrolle.
Die 13 km lange und 9 km breite Insel, die seit der Altsteinzeit bewohnt ist und vermutlich bis zur Bronzezeit mit dem Festland verbunden war, strahlt eine Mischung aus französischem und englischem Flair aus… gesprochen wird meist französisch.
Im 11. Jahrhundert eroberten sie die Normannen, 1204 blieb sie mit den übrigen Kanalinseln als Rest des Herzogtums Normandie, im Besitz des englischen Königs.
Ein Bus bringt uns ins Zentrum der Stadt, wo sich in der Fußgängerzone Laden an Laden reiht.
Nach dem Mittagessen in einem Hotel-Restaurant erschließt uns eine höchst interessante Bus-Rundreise mit diversen Stopps, die gesamte Insel.
Dabei gibt es zwar keine Sehenswürdigkeiten, aber die vielfach noch unberührte Natur mit Buchten, niederen Häusern, engen, von Bäumen überdachten Straßen – Hauseigentümer müssen auf die richtige Höhe achten – und nicht zuletzt auf den Plateaus über dem Meer, blühende Heidekraut-Teppiche, gestalten die Fahrt zu einem herrlichen Erlebnis. Besonders an der Nordküste überziehen diese Matten, das Gelände.
In der Bucht von St.Aubin herrscht lebhaftes Bade-Treiben… zwischen Blumenrabatten promenieren Gäste, während andere sich auf Bänken sonnen.
Infolge des günstigen Steuersystems beherbergt Jersey viele reiche Leute.
Nur in der Hauptstadt sah man einige hässliche Hochhäuser, überall sonst achtet das Gouvernement streng darauf, dass die Natur erhalten und diese Insel ein Kleinod bleibt.
Auf den Weiden tummeln sich große Rinderherden, wunderschöne, braune Tiere mit langen Wimpern – behauptet der Fahrer, – der gleichzeitig als Reiseleiter fungiert.
Das Baden in den Buchten wäre wegen der Strömung gefährlich, klärt er uns auf. Momentan ist Ebbe und Leute wandern durchs Watt.
Am Leuchtturm, wo wir kurz anhalten, ragen Klippen aus dem Wasser, eine Bauruine, von der niemand weiß, welchem Zweck sie dient, verunziert den Strand. Vielleicht um Seeräuber, die hier einst zahlreich agierten, von der Landung abzuhalten.
Entlang der Westküste erreichen wir das Grochez-Castle an der Nordwestspitze, ein wundervoller Platz mit abermals Klippen im Meer, während an Land die Erika-Büsche ganz besonders attraktiv blühen.
Jersey war ein großes Austern-Fanggebiet, das von den Engländern ausgebeutet und ruiniert wurde. Jetzt versucht man es wieder mit Austern zu beleben.
Hortensiensträucher, weiß, lila und rosa blühend, formen sich anderen Orts zu einer paar Meter langen, zusammen gewachsenen prächtigen Kette…
Es folgt die Abfahrt nach Osten zur Royal Bay of Grouville, einer Bucht, über der sich das mächtige Mount Argueil Castle mit einem schmucken, kleinen Ort erhebt, der mit malerischen Häusern, Restaurants und Hotels zum Verweilen einlädt und sich auf eine Meile bis ins Meer hinaus erstreckt.
Boote und kleine Jachten leuchten verführerisch in der Nachmittagssonne.
Ein kurzer Halt vor diesem Schloss beschert uns einen wundervollen Abschied von der Insel, denn danach folgt die Rückfahrt mit der Fähre, auf der nach der Wartezeit fürs Einchecken, unsere Gruppe ein vorzügliches Abendessen im Schiffsrestaurant erwartet.
Gegen Mitternacht sind wir voll wundervoller Eindrücke, für eine letzte Nacht zurück im Hotel in Combourg.
Der nächste Tag begrüßt uns leider grau und trübe. Sehr schade, denn über Saint Malo entlang, dem hier „Smaragdküste“ genannten Abschnitt, Richtung West zum Kap Frehel, das 70 m über dem Meer in den Atlantik ragt, dürfte uns die sprichwörtlich herrliche Sicht diesen Tag versagt bleiben.
Durch eine blühende Heidelandschaft, in der seltene Vögel nisten und die daher unter Schutz steht, erreichen wir es…
Die Ruine des alten Leuchtturms und sein neuer Ersatz mit einer Reichweite von 100 m zeigen sich heute als graue Wahrzeichen ohne Konturen. Kalt bläst der Wind um das Kap mit dem Plateau voller Erikablüten, sodass wir rasch zurück in den Bus flüchten.
Es folgen kleine Badeorte mit schönem, gelben Strand…. es darf nichts verbaut werden und die Straße bietet freien Blick auf den Ozean.
Besonders beeindruckt das Seebad Sables d’Or les Pins mit Häusern im alten Stil und dem „goldenen Strand“ wirkt es anheimelnd und bezaubernd.
Bald biegen wir auf die reguläre Strecke nach St.Brieuc ab und steuern danach, wieder an der Küste, das Touristenzentrum Paimbol an, in dem uns die Mittagspause bevorsteht.
Mildes Klima und eine reiche Vegetation zeichnen den Ort aus, der uns leider wegen des strömenden Regens, außer einem flüchtigen Blick in die malerische Fußgängerzone, näheres Kennenlernen, verwehrt.
Beliebt bei Künstlern und Schriftstellern bietet er uns zumindest ein köstliches Essen in einer urigen Creperie mit Wendeltreppe und Familienatmosphäre. Noch nie habe ich so exzellent zubereitete Muscheln gegessen und hätte zu gern das Rezept für den schmackhaften Sud erfahren.
Danach können wir, da der Regen aufgehört hat, wenigstens noch den Hafen und die hübschen Granithäuser in Seitengassen bewundern.
Die Küstenstraße zur Stadt Morlaix mündet in einen, als Rosengranit-Strecke bezeichneten Teilabschnitt, der als schönster der Bretagne gerühmt wird, da hier die vom Wind und Wetter ausgewaschenen Granitfelsen rosafarben erscheinen. Infolge ihrer bizarren Strukturen tragen sie Namen wie „Hexe“ etc.
Diese merkwürdigen Gebilde befinden sich nicht, wie ich vermutete im Meer, sondern liegen als runde Blöcke an Land, zwischen Wäldern usw. Um ihre Farbe würdigen zu können, brauchte man allerdings Sonne. Im Ort Tregastel häufen sie sich seit Tausenden von Jahren am Strand, wo man sie bei Ebbe deutlich erkennt, während sie die Flut natürlich verdeckt.
Wieder begleiten uns auf dieser Fahrt dichte Hortensiensträucher in leuchtenden Farben von tiefem und mittleren blau, rosa und weiß.
Ein dreiviertelstündiger Aufenthalt gibt uns die Möglichkeit die Stadt Morlaix zwar ohne Regen, aber bei grauer Trübnis, flüchtig zu erleben.
Sie präsentiert sich hübsch, alt und typisch französisch.
Als Besonderheit überstülpt ein 59 m hohes Eisenbahn-Aquädukt von 1861 das Tal, in dem der Ort eingebettet, vor sich hin träumt.
Eine kleine Straße führt an der Kirche vorbei, empor zur Fußgängerzone, wo wir uns in einer, in einem alten Haus untergebrachten Bar für die Weiterfahrt stärken.
Noch ein paar Blicke zwecks Preisvergleich in Schaufenster sind uns in dieser, nur von Einheimischen frequentierten Stadt vergönnt und wieder im Bus, verdrängen andere Szenerien und Panoramen das eben Gesehene.
Wir haben uns von der Küste ins Innere des Landes – der Basse Bretagne – gewandt und überqueren das 400 m hohe Gebirge des Mont d’Aree und die Montagnes Noires.
Eine eigenartige, karge Landschaft umgibt uns – leer, kein Haus ist zu sehen, kahle Felsspitzen klaffen aus einer Heidelandschaft ohne viel Heidekraut und dazu regnet es auch schon wieder.
Für Amüsement sorgt immer wieder unsere lustige Reiseleiterin. Ihre aufmunternde Kleidung, heute in Rose, passt so richtig zu ihrer Art. Sie ist Lehrerin, verheiratet, hat 3 Kinder und 3 Hunde.
Ein Abstecher führt uns durch einen Nationalpark zum Städtchen Pleyben, in dem sich einer der bedeutendsten, für die Bretagne so typischen Kalvarienberge, befindet.
Der Kalvarienberg – Calvair – erinnert mit Figurengruppen an das Leben Christi – ist aber vor allem in der Basse, der unteren Bretagne als Pfarrbezirk gestaltet, der neben Kirche und Glockenturm auch das Beinhaus und meist sogar den Friedhof mit einbezieht.
Ende des 14. Jahrhunderts begann dort die Bauperiode dieser komplexen Anlage und war während der folgenden 300 Jahre hier üblich.
Der Kalvarienberg von Pleyben stammt aus dem 16. Jahrhundert und stellt ein imposantes Ensemble dar. Leider regnet es und der Himmel verdunkelt zusätzlich die düsteren Gestalten über dem Triumphbogen. Die Besichtigung der Kirche mit dem wunderschönen Glockenturm, den herrlichen Glasfenstern im Innern, dem ansprechenden Marienaltar und der Decke, die in blauen Spitzbögen endet, vermittelt eine fast mystische Atmosphäre, zumal von irgendwoher leise Musik ertönt. Zu kurz
ist die Viertelstunde Aufenthalt, um sich ihr hinzugeben.
Auch bei der Weiterfahrt regnet es ohne Unterlass…
Zur Übernachtung beziehen wir ein komfortables Hotel in Lorient, einer Stadt, die im 2.Weltkrieg bombardiert und total zerstört wurde, da die deutsche Besatzung hier eine Festung erbaut hatte. Neu aufgebaut, wirkt sie modern. Das Abendessen ist wie immer vorzüglich, aber um 9 Uhr werden im Speisesaal die Stühle auf die Tische gestellt, ein Zeichen von „Rausschmiss“, und auch als sich ein paar Leute in der Hotelhalle zu einer Plauderei zusammenfinden, scheint man darüber wenig erfreut zu sein.
Ausgerechnet in dieser Stadt ist uns ein Programm freier Vormittag beschieden, den ich mit meiner jungen Reisebegleiterin für einen Spaziergang in die angeblich sehr hübsche Fußgängerzone nutze.
Nach ein paar Mal fragen, entdecken wir sie, aber auch sie enttäuscht.
Noch dazu beginnt es zu regnen, sodass wir in ein kleines Café flüchten und ehe es um 2 Uhr nachmittags endlich wieder auf Fahrt geht, stärken wir uns in der Nähe des Hotels in einer Pizzeria mit „Meeresfrüchten“.
Die Halbinsel Quiberon steht auf dem Programm und wird bis zur letzten Spitze, wo das Festland in den Atlantik hinein ragt, durchquert.
Noch herrscht Ebbe, aber das Wasser bewegt sich bereits auf die Küste zu.
Muschelsucher bemühen sich unter düsterem Himmel zwischen den Steinen um eine nahrhafte Ausbeute.
Obwohl heilklimatischer Kurort, wirken das kleine Dorf und seine Umgebung völlig unberührt.
Die Stunde Aufenthalt wird durch einen Regenschauer verkürzt, der uns in den Bus zurück treibt.
Während der Rückfahrt lacht uns dann allerdings plötzlich die Sonne.
Es herrscht viel Verkehr, denn heute Freitag nachmittags beginnt für die Franzosen das Wochenende und in dem Heidegebiet, das wir durchqueren, befinden sich viele Campingplätze, es werden aber oft die Zelte im freien Gelände aufgerichtet.
Nach einer Weile zweigen wir nach Carnak ab, das eine besondere Attraktion direkt neben der Straße zu bieten hat: Vorgeschichtliche Megalithen, die in der Zeit zwischen 1500 und 2500 vor Christi entstanden sein dürften und über die man leider wenig weiß. Welches Volk hat sie errichtet, welchem Zweck dienten sie?
Vermutlich handelte es sich um Kultstätten, die auch mit der Sonnenwende zu tun haben könnten….
Direkt neben der Straße geben sich diese Steinreihen – es sollen noch weitere in der Gegend existieren – ein aus überlebensgroßen Blöcken bestehendes Stelldichein.
Eine Menge Menschen spazieren zwischen diesen Zeugen der Vergangenheit herum, Kinder klettern auf die Tonnen schweren Kolosse, von denen man nicht weiß, wie sie hierher geschafft worden sind.
Ein seltsamer, fast ernüchternder Anblick…. eine alte Kultstätte, nun nach Jahrtausenden als Kinderspielplatz zweckentfremdet!
13 km entfernt, soll sich ein Ort mit ebenfalls sehr bedeutenden, großen Megalithen befinden…
Das eigentliche Seebad Carnak,wimmelt von Menschen, in den niederen Häusern sind Restaurants und Geschäfte untergebracht und wie erfreulich, auch hier fehlen Hochhäuser.
Die Rückfahrt nach Lorient für eine zweite Übernachtung, führt über die sehr hübsche Stadt Aurey, einem berühmten Wallfahrtsort der Bretagne.
Am nächsten Morgen zeigt sich das Wetter freundlicher….
Nach dem Frühstück starten wir zur letzten Etappe unserer Reise in der Bretagne und werden mit der Fahrt durch das Tal der Loire, das als eine Art Grenzregion zwischen Nord- und Südfrankreich gilt, ein ganz besonders liebliches Antlitz unseres Nachbarn erkunden.
Zunächst aber noch in der Bretagne, statten wir der Stadt Vannes einen Besuch ab, bei dem uns der eineinhalb stündige Aufenthalt ein lückenhaftes Portrait liefert.
Die einst führende Völkerschaft der Veneter soll ihr den Namen verliehen haben.
Im Mittelalter entwickelte sie sich zur wichtigen Festung mit Stadtmauern und Türmen.
Vom Hafenbecken spazieren wir durch ein Tor in die sympathische, alte Stadt, wo heute Samstag der Markt stattfindet. Romantische, schiefe Fachwerkhäuser umschließen ihn und eine schmale Gasse führt zur Kathedrale. Imposant erhebt die sich inmitten der Wohngebäude und im Innern weckt wieder leise Kirchenmusik vom Tonband, mystische Gefühle.
Herrliche Fenster, massive Säulen, ein anheimelndes Gotteshaus verdiente Andacht statt Besichtigung.
Aber die Zeit ist zu schnell um… bei der Ausfahrt erblicken wir flüchtig einen sehr gut erhaltenen Teil der Stadtmauer mit Türmen.
Das reizende und typisch bretonische Dorf Rochefort-en-Terre überrascht uns als blühender Abschiedsgruß mit Blumen, die farbenfroh die Steinhäuser beleben und der Kalvarienberg ohne Triumphpforte vor der Kirche weist auf die geringe Einwohnerzahl dieses Schmuckkästchens hin.
Das Jahr 1125 wird für den romanischen Kirchenbau genannt, der mit seinen Bögen, dem hölzernen Chorgestühl und wunderschönen Fenstern, eine feierliche Atmosphäre ausstrahlt.
Nach dem Erlebnis dieses „ersten Blumendorfes Frankreichs“ nähern wir uns über La Baule – auch hier findet ein längerer Aufenthalt statt, begeistert ein Blumenrabatt am Bahnhof. Am langen Sandstrand mit Hotels und Häuserreihen zwingt uns ein starker Wind in ein Café, dem die Fahrt zum heutigen Übernachtungsziel in St. Nazaire folgt. In Form einer gigantischen Brücke grüßt uns hier aus der Ferne, der Fluss Loire, den dieses 3.356 m lange Bauwerk, das größte Frankreichs, überspannt. 1975 erschaffen, ist es zugleich eines der größten Europas!
Wir wohnen etwas außerhalb der Stadt, deren 90-prozentige Zerstörung im Jahr 1945 wieder einmal vom unsinnigen menschlichen Handeln zeugt und einen Schatten auf die Morgen bevorstehende Fahrt entlang des Loire – Flusses wirft.
Wie Lorient bietet auch das wieder errichtete St. Nazaire nicht viel, war aber eine wichtige Hafenstadt und Zentrum des französischen Schiffsbaues. Funde beim Hafenausbau lassen vermuten, dass hier auch in gallo-römischer Zeit ein Hafen bestand.
Die Loire, mit 1012 km Frankreichs längster Fluss ist mit ihren vielen Sandbänken ungeeignet für die Schifffahrt und durfte daher ihren natürlichen Lauf behalten. Eine Seltenheit, für die sie mit einer bezaubernden Landschaft dankt.
Wälder, mit Bäumen oft noch aus dem Mittelalter, Heide und Wacholder säumen im Tal der Loire von Orleans bis zur Mündung in den Atlantik bei St. Nazaire, ihren sanft wispernden Lauf.
Mehrere kleine Flüsse leisten ihren Beitrag als Wasserspender für den von vielen Fischen bewohnten, nun breiten Strom. Auf Sandbänken und Inseln nisten Vögel in einer intakten, unverfälschten Natur
Durch Funde konnte bewiesen werden, dass bereits in der Altsteinzeit um 10.000 vor Christi, Menschen im Tal der Loire siedelten. Ab 4.000 vor Christi finden sich in diesem Gebiet, wie in der Bretagne auch Dolmen und Menhire, allerdings unbearbeitet.
Bereichert wurde dieser „französische Garten“ im Mittelalter noch mit romantischen Schlössern, die die Elite der Grande Nation an Flussufern errichten und mit prächtigen Parkanlagen ausstatten ließ. Der Geist der italienischen Renaissance erfasste auch das Nachbarland trotz der oft genug erfolgten kriegerischen Scharmützel und die befestigten Herrschaftssitze wandelten sich im Tal zu exklusiven Wohnschlössern. Die Architektur der Renaissance feierte Triumphe, die vor allem Künstler magisch anzog.
Unsere Bustour durch dieses viel gepriesene Tal beginnt bei kaltem, aber sonnigen Wetter und führt uns über Angers, der Hauptstadt des Departements, von der wir entlang der Vororte nur eine entfernte Sicht auf die Kathedrale und das Schloss registrieren, nach Samur. Auch in dieser, für seine Reitschule berühmten Stadt ist kein Aufenthalt fällig. Das auf früheren Festungsresten erbaute Schlossgebäude leuchtet uns von einem Hügel entgegen und ein Blick in die Straßen lässt vermuten, dass es sich um eine schöne Stadt handelt.
Entlang der Loire geht es weiter… vorbei an Höhlenwohnungen, an grünen Auen, durch eine Landschaft, die tatsächlich Ruhe und Frieden ausstrahlt und ihre Wirkung wohl auch auf die bäuerliche Bevölkerung übertragen hat, nicht aber die Machtgelüste der Herrscherclique zu bremsen vermochte.
Erst in Chinon winkt uns eine längere Pause einschließlich Mittagessen.
Dieses Städtchen am Fluss Vienne ist nicht nur ein mittelalterliches Kleinod, sondern auch berühmt für seinen Wein. Unser Halt am gegenüber liegenden Flussufer offenbart uns einen prächtigen Blick auf die Altstadt und vor allem die riesige Festungsruine auf dem Hügel.
In einer urigen Creperie stärken wir uns mit einem „Galotte complete“ und probieren natürlich auch den ausgezeichneten Wein, danach spazieren wir hinauf zur Festung, die eigentlich aus 3 Burgruinen besteht und eine herrliche Sicht auf die Stadt mit ihren Fachwerkhäusern, den engen Gassen bietet.
Wieder einmal reicht die Zeit nicht für ein Durchstreifen des weitläufigen Geländes.
Chinon erinnert auch an Jeanne d’Arc, die von hier aus ihren Feldzug gegen die Engländer begann.
Vom neuen Stadtteil, der an die Altstadt grenzt, sehen wir wenig, eilen vielmehr über die Vienne-Brücke zurück zum Bus für weitere Unternehmungen.
Es ist das Schloss Azay le Rideau, das uns mit einer ausgiebigen Besichtigung den Zauber der Loire-Bauwerke vermitteln soll.
Auf einer Insel des Indre-Flusses wurde es Anfang des 16. Jahrhunderts erbaut und besticht durch seine Lage in einem großen Park.
Unserer Gruppe beschert es allerdings durch viel Betrieb einiges Unbehagen…
Nach dem Anstehen für die Eintrittskarten blockiert eine französische Reisegesellschaft vor uns die einzelnen Räume so ausgiebig, dass es immer wieder zu Stauungen und Wartezeiten kommt.
Kostbare Gegenstände wie Schränkchen und Bildnisse von Adelspersonen werden lange und ausführlich erklärt, schöne, aber verblichene Wandteppiche, abgetretene Bretter der Fußböden, die einfachen Holzbalken der Decken, passen nicht so recht zu den Vorstellungen einstiger Pracht.
Der halbstündige Spaziergang außerhalb entschädigt jedoch reichlich für alles Ungemach. Der Bau begeistert in seiner harmonischen Renaissance-Architektur, strahlt Eleganz aus, entfaltet seine Perfektion innerhalb einer außergewöhnlichen Gartenanlage.
In Tour reicht die halbe Stunde Aufenthalt gerade nur für einen Bummel durch die Fußgängerzone bis zum Rathaus… schade, denn diese Stadt, die römischen Ursprungs ist, hätte mit ihren Bauten und der lebhaften Atmosphäre einen längeren Aufenthalt verdient. Durch die vielen Wunder am Grabe des heiligen Martin, ihrem Schutzpatron, ist sie auch berühmtes Wallfahrtszentrum.
Inzwischen ist es Zeit, unser Nachtquartier im Ort Onzain anzusteuern.Wir überqueren die Loire und müssen bald feststellen, dass sich beides irgendwo im abseits, wo sich die Füchse gute Nacht sagen, befindet. Plötzlich erscheint mitten im Wald ein Hotel mit einem großen Parkplatz voller Autos.
„Ein 4-Sterne-Haus“, jubelt unsere Reiseleiterin… doch leider stellt sich heraus, es ist nicht das für uns Reservierte. Also zurück und weiter suchen…
Irgendwie finden wir dann die für uns vorgesehen Unterkunft, die sich höchst idyllisch, ebenfalls inmitten des Waldes befindet. Aber nur ein Teil der Gesellschaft – darunter auch ich – erhält ein Zimmer im Haupthaus. Die übrigen Teilnehmer müssen mitsamt ihrem Gepäcks zu Fuß in die jeweiligen, unter Bäumen versteckten Holzhäuschen wandern und sind darüber nicht erfreut.
Dieses angeblich ehemalige Schloss scheint durch Umwandlung, vor dem Verfall bewahrt worden, zu sein.
Das exzellente, reichliche Abendessen und die freundliche Bedienung beruhigen immerhin die Nörgler.
Trotzdem wird für mich die Nacht wenig erholsam. Das Bett scheint noch aus der Zeit der Schlossbesitzer zu stammen und im Nebenzimmer poltert mein Nachbar herum und beginnt gegen Mitternacht zu duschen.
Nach dem ebenfalls vorzüglichen Frühstücksbuffet kehren wir zur Loire zurück, wo uns der Blick auf das Schloss Chambord einen viel versprechenden Morgengruß spendet… noch ist es aber nicht an der Reihe… nach Überquerung einer Brücke führt unser Weg erst einmal am Schloss Amboise vorbei, dessen Silhouette wie ein mittelalterliches Traumbild an uns vorbei schwebt. Bereits gestern konnten wir sein Portrait vom anderen Ufer aus über der Stadt, wie ein verwunschenes Märchen wahrnehmen.
Die Stadt darunter wirkt ziemlich groß, präsentiert, wie so häufig in Frankreich, originelle Blumenrabatte und hat außer der prächtigen Schloss-Fassade, oberhalb eine alte Kirche zu bieten, die uns ebenfalls nur im Vorbeifahren begegnet.
Mit Amboise verbindet sich auch der Name des bedeutendsten Universal-Genies im Mittelalter: Leonardo da Vinci, er lebte und arbeitete im Schloss und soll auch da begraben sein.
Der Weg zu unserer ersten Besichtigung, dem Schloss Chenonceaux am Fluss Cher, führt danach durch dichten Wald, der einst ein berühmtes Jagdgebiet für den Adel darstellte, während man in den Schlössern, rauschende Feste feierte. Dafür war Chenonceau, umgeben von einem prächtigen Park, besonders berühmt. Heute gehört es einem Schokolade-Fabrikanten.
Inspiriert von seiner italienischen Reise, ließ der Obersteuer-Einnehmer von Charles VIII, einer der Vorbesitzer, das alte Gebäude bis auf den Turm abtragen – ursprünglich war es sogar ein Mühlenbau –
und erweckte es als Renaissance-Kunstwerk zu neuem Leben. Nach seinem Tode fiel es an die Krone und erlebte in seinen Sälen, das besonders für diese Elite typische Schicksal von Leidenschaften und Tragödien.
Henri II schenkte es nämlich offiziell seiner Geliebten, die den Fluss mit einer Brücke versehen und einen wunderschönen Garten hinzufügen ließ. Nach der Ermordung des Hausherrn wurde die Mätresse von der Ehefrau Catherina de Medici verbannt…
Unser Besuch und Gang durch die Räumlichkeiten gleicht einer Demonstration von Luxus und Pracht, die selbst kühnste Träume übertrifft. In der Bibliothek der Hausherrin existiert zum Beispiel eine Zimmerdecke von1521 als ältester Plafond des Schlosses.
Ein italienisches Möbelstück aus dem 15. Jahrhundert entzückt durch seine Einlegearbeiten aus Perlmutt und Elfenbein, Gravuren, die mit der Feder aufgetragen wurden. Unbeschreiblich wie viele Kostbarkeiten noch an uns in dieser über eine Stunde währenden Besichtigung an uns vorüberziehen.
Das Erlebnis der Begegnung mit einer feudalen Vergangenheit begleitet uns bei der Weiterfahrt über
Montrichard – der Partnerstadt von Eltville – zum Schloss Cheverny. Hier steigen wir nur kurz aus, denn es ist Privatbesitz und der Öffentlichkeit nicht zugänglich.
Ein flüchtiger Blick durch den Garten beweist uns aber, dass dieser Bau tatsächlich eine stilechte Renaissance-Fassade zur Schau stellt.
Durch eine lange Allee inmitten eines ausgedehnten Waldes, steuern wir schließlich direkt das Schloss Chambord an, das unbestritten den Höhepunkt aller Schlossherrlichkeit darstellt.
Hier hatte 1670 Moliers „Der Bürger als Edelmann“ Premiere und später war kein Geringerer als Ludwig XIV häufiger Gast bei der Jagd und extravaganten, rauschenden Festen.
Die überdurchschnittliche Größe des Parks wird deutlich, als wir ihn auf dem Weg zum Eingang des Prachtbaus queren… bis sich endlich die 128 m lange Fassade eines Baukomplexes mit unzählbaren Türmen, Schornsteinen, Dachluken, Kaminen und anderen Aufbauten am Horizont abzeichnet, als wollte sie ihn durch irdische Macht bezwingen.
Dieser, von Franz I – einem leidenschaftlichen Jäger 1519 in Auftrag gegebene Bau, benötigte bis zu seiner Vollendung 30 Jahre und angeblich sollen dafür Kirchenschätze geplündert und Silber der Untertanen eingeschmolzen worden sein.
Der durch einen umgeleiteten Fluss, von Gräben durchzogene Traumpalast, empfängt im Innern seine Besucher mit einer doppelläufigen Wendeltreppe, die so konstruiert ist, dass hinauf- und hinunter steigende Personen einander nicht begegnen. Eines von vielen Meisterwerken, das Leonardo da Vinci, dem Genie von Amboise zugeschrieben wird.
Die 440 Räume des Bauwerks sind während und nach der französischen Revolution geplündert worden, sodass man ihre gähnende Leere nach und nach mit erlesenen historischen Hinterlassenschaften füllen musste. So hinterlässt der Gang durch dieses Museum auch heute noch einen unvergesslichen und überwältigenden Eindruck als lebendiges Schaustück einer verflossenen Epoche.
Besonders die Terrasse mit ihren Himmel stürmenden Giebeln, Türmchen und Aufbauten aller Art, bildeten eine ideale Kulisse für die galanten Komödien, die hier ein paar Jahrhunderte lang von den Herrschenden und der Elite ihrer Zeit, aufgeführt wurden und zu denen das Volk keine Eintrittskarten erhielt.
Nach diesem Ausflug in die Welt des Feudalismus erholen wir uns in einem kleinen Café innerhalb des Parks, aber in Parkplatznähe von dem Erlebnis dieser Besichtigung, denn es steht uns als Schlussstrich der „Wunder an der Loire“ noch das Schloss Blois bevor, das sich stolz und imposant über der gleichnamigen Stadt erhebt. Blois, die Königsstadt, in der von 1440 bis 1589 die französischen Könige residierten. Leider fehlt uns die Zeit, sie zu besichtigen, wir stürzen uns vielmehr sofort auf dieses letzte Objekt vor der für Morgen geplanten Rückfahrt.
Im Innenhof begegnen wir gleich einer Attraktion, der spiralförmig angelegten Treppe, die bei Festen ihre Hauptrolle spielte. Der gesamte Bau stellt ein faszinierendes Nebeneinander von verschiedenen Baustilen dar. Mit Blois sind immerhin wichtige Ereignisse der französischen Geschichte verbunden.
Es war die für Herzog Charles d’Orleans die bevorzugte Residenz, der 25 Jahre in englischer Gefangenschaft gelebt hatte. Als bedeutender Dichter, berief er Künstler und Gelehrte in seine Residenz.
Sein Sohn erhob Blois zur königlichen Residenz und nahm damit praktisch das spätere Versailles vorweg.
Ein höchst dramatisches Ereignis erlebte Blois, von dem wir nur eine alte Brücke und ein paar Häuser an der Loire zu sehen bekommen, während der Zeit der Religionskriege. Um die eigene Existenz zu retten, ließ Henri III 1588 den Führer der katholischen Liga im Schloss ermorden, der die vollständige Unterdrückung der protestantischen Lehre und die Absetzung des Königs gefordert hatte.
Bei unserer Tour durch die vielen Räume – viel zu viele, um sie nach diesem Tag noch verkraften zu können – werden uns auch das Zimmer, wo die Ermordung des Duc stattfand und die Treppe, über die seine 45 Mörder kamen, vorgeführt.
Immerhin ein Paradebeispiel für die Schattenseiten höfischen Lebensstils, der sicher auch anderswo mit Intrigen und Mord gewürzt war.
Alles mögliche wertvolle Eigentum der verschiedenen Besitzer zieht an uns vorüber, auch das kleine Kabinett der Catharina de Medici – jener Dame die als Herrin im Schloss Chenonceau ihre Rivalin vertrieb und später vom eigenen Sohn nach Blois verbannt wurde – ist besonders interessant. Holzgetäfelt aus 237 Platten, besitzt es Geheimfächer für Schmuck und…. Gift, munkelt man.
Jedenfalls konnte sich die Dame, trotz ihres beträchtlichen Leibesumfanges, eines Tages per Strickleiter aus dem ungeliebten Gefängnis befreien, königliche Familiengeschichten eben!!!
Als wir nach diesem Tag zwecks Übernachtung zu unserem Quartier in Onzain zurückkehren, spaziere ich vor dem Abendessen mit meiner jungen Begleiterin zur „Entlüftung“ der vielen Eindrücke durch das weitläufige Waldgelände um das Hotel. Ein Deich, viel Wald und die kleinen, rundum verstreuten Holzhütten bieten das richtige Milieu, um ein wenig Abstand von den allzu vielen Rückblicken in die Szenarien der Vergangenheit zu gewinnen.
Wir werfen dabei auch einen Blick in eines der Hütten und können nicht begreifen, dass viele unserer Reiseteilnehmer diese Unterkunft als unzumutbar einstufen.
Um ½ 6 Uhr morgens, läutet am folgenden Tag der Wecker. Draußen regnet und stürmt es, im Flur klappert ununterbrochen ein Fenster.
Nach dem wieder hervorragenden Frühstücksbuffet findet das Ende dieser Reise mit einer langen, sehr weiten Rückfahrt in die deutsche Heimat statt.
Am Bahnhof von Orleans müssen wir uns von der liebenswürdigen französischen Reiseleiterin, unserem „Schmetterling“ trennen, ohne der die Rückfahrt nach Hause recht nüchtern verlaufen dürfte.
Von der Stadt selbst sehen wir kaum etwas. Es regnet in Strömen und flüchtig erinnert irgendwo das mächtige Standbild der Jeanne d’Arc an die Heldentaten dieses Bauernmädchens.
Dörfer mit Blumenrabatten am Straßenrand bringen vorübergehend ein wenig Farbe in den tristen Tag.In Troyes findet eine Pause von einer dreiviertel Stunde statt, denn der Busfahrer darf nicht länger als 4 Stunden am Stück, am Steuer sitzen und die Zeit ist ohnedies bereits ein wenig überschritten worden.
Nancy lassen wir rechts liegen und steuern auf der Autobahn die Stadt Metz an.
Wir verlassen unser schönes Nachbarland und nach einer zweiten kleinen Pause in einer Autobahn-Raststätte wird ohne Aufenthalt das Ziel Wiesbaden erreicht, von dem aus jeder Teilnehmer für den Weg nach seinem Zuhause, selbst verantwortlich ist.
Damit geht auch für mich ein sehr kurze, aber außerordentlich eindrucksvolle Reise zu Ende während und nach der, meine Gedanken immer wieder, in dem Wunsch gipfeln, dass dieses, unser gemeinsames Europa trotz aller Mentalitäts-Unterschiede ihrer Völkerschaften zu einer „echten“ Einheit verschmelzen möge.
Ihre Kriege gegeneinander haben Europas Nationalstaaten immer von neuem entzweit und aufgerieben und doch haben sie alle ihren Beitrag für den Kontinent Europa geleistet.
Allen voran Griechenland, dem der Begriff „Demokratie zu verdanken ist und das mit seinen Philosophen und antiken Kunstwerken noch heute fasziniert. Rom hat die Zivilisation perfektioniert und bis an die Grenze zum Atlantik blühten Weltreiche…. genau wie andere Nationen im Norden, vor allem England der Industrie zu ihrer Blüte verhalf und Holland den Handel mit entfernten
Gebieten der Erde aufblühen ließ.
Damit hat Europa grandiose Leistungen vollbracht, denen allerdings auch gravierende Fehler, vor allem durch die Konkurrenz um Macht und Eroberungen während der Kolonialzeit anzulasten sind.
Nach dieser kurzen Reise ist mir eines klar geworden:
Frankreich und Deutschland als die Zentrums-Staaten unseres Kontinents können und müssen dafür Sorge tragen, dass das alte und immer noch junge Europa vereint neben den neu entstandenen Machtzentren auf unserem Globus, weiterhin seine Kultur und Kraft voll ins veränderte Weltgefüge einbringen kann.