Nepal

Hindu-Königreich am „Dach der Welt“

Nachdem ich in Indien wenigstens flüchtig den äußerlichen Merkmalen des Hinduismus begegnet bin, verführt mich das im Norden angrenzende Nepal am Fuße des Himalaya, nicht nur aus religiösen Gründen, sondern vor allem auch der landschaftlichen Einmaligkeit, zu einem Besuch.

Natürlich habe ich nicht die Absicht, an einer spektakulären Trekking-Tour teilzunehmen, doch auch der Blick von der unteren Etage auf dieses höchste „Dach“ unseres Globus muss überwältigend sein.

Mein Start dahin, gestaltet sich Ende Februar 1995, passend zu einer außergewöhnlichen Reise, entsprechend abenteuerlich.

Nicht nur, dass die für November angebotene Route wegen Ausbruch von Pest-Fällen in Indien, verschoben werden musste, wird sie auch später, nach bereits erteiltem Visum ganz abgesagt, sodass ich mit einem anderen Reise-Veranstalter auf eine nur auf die Königs-Städte und das Kathmandu-Tal begrenzte Tour, umsteigen muss.

4 Tage vor Abfahrt, verhindert auch noch eine bei mir aufgetretene Allergie, die empfohlenen Impfungen… aber es gibt kein Zurück und am 25.2. geht es mit einer Lufthansa-Maschine von Frankfurt ab in ein sehr fernes, unbekanntes Land, wo ich dessen grandiose Schönheit erleben will und die Sitten und Bräuche seiner Bewohner, in mein Weltbild einzuordnen, versuchen werde.

Die Zwischenlandung in Karacci/Pakistan, bei der wir nicht aus dem Flugzeug aussteigen dürfen, dauert lange, über dem Flughafen in Kathmandu, der Hauptstadt Nepals, soll dichter Nebel liegen. Die Sicht auf die pakistanische Stadt mit den niederen Häuseransammlungen, wirkt wenig Vertrauen erweckend…

Nach einem vergeblichen Landanflug auf Nepals Metropole, muss der Versuch abgebrochen werden und wir kreisen eine Stunde lang weiter über das Gebiet… der Flughafen der Stadt besitzt kein Radar-Gerät, sodass der Kapitän von Hand, sein Ziel ansteuern muss. Daher hat auch nur die Lufthansa, einige dafür ausgebildete Piloten zur Verfügung.

Für uns Passagiere bedeutet dies ein unvergleichliches Geschenk… denn im Glanz der aufgehenden Morgensonne, scheint es als wollten sich die Schnee bedeckten Gipfel des Himalaya-Massivs mit dem Firmament vereinen! Ein grandioses Relief von Spitzen und Kuppen, zieht immer wieder neu geformt, unter uns vorbei. Ein fantastischer Empfang vor der Landung!

Wieder festen Boden unter den Füssen, enttäuscht das Antlitz der nepalesischen Hauptstadt zunächst.

Schmutz und Gestank von uralten Autos ausgestoßen… wenig Grün an Bäumen und Sträuchern, großer Verkehr… keine schöne Visitenkarte für eine Königs-Stadt!

Doch das gilt nur für das Konterfei der Neustadt, in dem unser Hotel, hübsch auf einem Hügel liegt und groß und bequem auf uns 12 Studien-Reisende, mit bereits vorbereiteten Zimmern, wartet.

Noch das Himmel stürmende Berg-Panorama im Kopf, überfällt uns bereits am Nachmittag ein Spektakulum ungeahnten Ausmaßes.

Im 4 km entfernten Tempel-Bezirk von Pashupatinath, der sich beiderseits des Bagmati-Flusses ausdehnt und den Hindus als heiligster Ort von ganz Nepal gilt, findet Morgen das Shiva-Ratri-Fest statt und entsprechend turbulent geht es hier bereits heute zu… ein unglaubliches Erlebnis für uns, erst vor wenigen Stunden aus Europa Eingeflogenen.

Selbst aus Indien pilgern Menschen zu dieser uralten Gedenkstätte des Gottes Shiva, die nach der Legende auf ein erstes Heiligtum im Jahr 365 zurückgehen soll.

Als „Herren der Tiere“ wird hier dem Gott geopfert… sein Horn zersplitterte einst, als er sich in Gestalt einer Gazelle mit seiner Frau Paravati am Flussufer vergnügte und wurde in einen Lingam verwandelt – dem Symbol für die Zeugungskraft!

Der Spaziergang durch Gassen hinunter zum Eingang des Haupttempels, den wir allerdings nicht betreten dürfen, überschwemmt uns mit Szenen, deren Realität wir kaum zu fassen vermögen und die uns wie verwegene Träume anmuten.

Inmitten von Menschenmassen beschwören weiß bemalte Sadhus aus Indien, halb oder ganz nackt, die Geister ihres Kosmos… Händler, Kinder, seltsame Gestalten umzingeln den Haupttempel…

Wir kommen an den Verbrennungs-Gates für die Armen vorbei – die der Wohlhabenden sind unzugänglich – und überqueren den Fluss.

Auf der anderen Seite führen steile Stufen zu den Lingam-Schreinen. In deren Mauernischen befinden sich oft schöne Reliefs.

Überall sitzen und liegen Pilger herum.

Gläubige brutzeln in, von allen Seiten offenen, überdachten Stein-Verschlägen, unter inbrünstigen Gebeten ihre Mahlzeiten… andere haben ihre Lagerstätte auf den Steinstufen, die zum Tempel führen, gewählt.

Unbeeindruckt von dem Gewühl ringsum, verrichtet ein Asket, der sich angeblich nur von Milch ernährt, in einem Holzverschlag seine Andacht.

Und zwischen all‘ dem bewegen sich Kühe, Hühner, Hunde und Affen, die von einer Seite zur anderen turnen.

Wir erreichen ein Aussichtsplateau, das einen schönen Blick über den Fluss bietet, der hier in Nepal die gleiche heilige Funktion hat, wie der Ganges in Indien.

Offene Pilger-Herbergen säumen seine Ufer, die jetzt vor dem Fest von Gläubigen überquellen, sonst aber auch armen Familien als Bleibe dienen.

An Festtagen wird von der Regierung Holz zur Verfügung gestellt, das in Bündeln zum Kochen und auch für ein Lagerfeuer, herum geschleppt wird.

Hindu-Götter spielen die Hauptrolle auf der Bühne des Lebens in diesem bis 1950 total von der Außenwelt abgeschirmten Himalaya-Staat. Nirgendwo sonst gibt es so viele Tempel und Heiligtümer wie in den drei Königsstädten und dem von Schnee bedeckten Bergketten eingeschlossenen, Kathmandu-Tal.

Und welch‘ ein seltenes Phänomen… auch und vor allem tibetische Buddhisten, haben hier nicht nur ihre Pagoden und Schreine, die Menschen feiern auch die jeweiligen Feste der anderen Religion, eifrig und voll Inbrunst mit.

Schließlich wurde Buddha im Süden Nepals, dicht an der Grenze zu Indien geboren. Auch weisen die beiden Glaubenslehren so manche Gemeinsamkeit auf.

Zu einer so selbstverständlichen Toleranz, hat es das Christentum mit seinen diversen Varietäten leider bis heute nicht gebracht.

Das Kathmandu-Tal, das in geologischer Vorzeit von einem See gefüllt war und von herabstürzenden Bergwassern gespeist wurde und irgendwann „trocken fiel“ gilt als außerordentlich fruchtbar.

Mehrere Flüsse vereinigen sich im Bagmati, der das Tal durchzieht. Es ist der am dichtesten besiedelte Teil des Königreiches Nepal, in dem mit 55 % die Volksgruppe der Newars die Kultur des Tales bestimmen.

Das Abendessen in unserem Hotel wird dann, nach diesem unglaublich eindrucksvollen Tag noch mit Informationen vom deutschen Reiseleiter, der mit einer Nepalesin verheiratet ist, gewürzt. Er betont vor allem, dass sich der Staat durch den ungebremsten Zuzug vom übervölkerten Indien, sehr verändert hätte. Die Nepalesen selbst wären nicht aggressiv und würden sich selbst im größten Verkehr mit hoffnungslos verdreckten Bussen, auf verstopften Straßen, ohne Hektik irgendwie hindurch zwängen. Zwar würde viel gebettelt und zum Kauf der verschiedensten Dinge animiert, aber die Kriminalität wäre minimal, lediglich Taschendiebe aus Indien wären mitunter am Werk.

Am folgenden Morgen ist es empfindlich kühl, aber bald kämpft sich die Sonne durch den Nebel.

Wieder gilt die erste Besichtigungs-Tour einem berühmten, religiösen Pilgerziel, diesmal dem Hauptheiligtum der Buddhisten, dem Tempelkomplex von Swayambutnath.

Einige Kilometer von Kathmandu entfernt, erreichen wir ihn per Bus auf der Ring Road, der Hauptstraße, die ringsum ohne Planung, wild bebaut ist. Plötzlich versperrt uns eine Schar lachender Kinder mit Spagat-Schnüren die Weiterfahrt und verlangt Wege-Zoll. Wegen des Feiertages ist schulfrei – es besteht ohnehin keine Schulpflicht – und so wird diese „Sitte“ toleriert.

Am Straßenrand parken unzählige, bunt bemalte Lastwagen, die Waren aller Art aus Indien nach Nepal befördern, denn von hier zweigt die Verbindungsstraße dahin ab.

400 Stufen führen auf das Heiligtum hinauf… uns bleibt dieser Anstieg erspart, wir peilen es sozusagen von hinten herum an und stehen nach kurzem Aufweg und Bummel durch eine belebte Straße mit Souvenir-Läden, vor dem Koloss.

Ein herrlicher Anblick bietet sich uns… majestätisch erhebt sich dieser riesige buddhistische Tempelbau halbkreisförmig, als Symbol des Welteies bzw. des Weltberges Meru, auf einem 1400 m hohen Hügel.

Er soll von selbst aus einem Lotos herausgewachsen sein.

Ins Reale übersetzt, dürfte er wohl zu Beginn des 7.Jhdts errichtet und nach der Zerstörung durch die Moslems, wieder aufgebaut worden sein.

Vom vergoldeten, quadratischen Aufsatz, blicken die alles sehenden Augen des Buddha in die 4 Himmelsrichtungen, während seine Turmspitze hoch hinauf, dem Firmament entgegen ragt.

Anmutig wehen Gebetsfahnen im Wind und unbekümmert um die Heiligkeit des Ortes, führen Äffchen auf den Bäumen der Umgebung, ihre akrobatischen Sprünge vor.

Die in die Wände der Stupa eingelassenen Schreine und religiösen Symbole, dürfen von den Pilgern nur im Uhrzeigersinn umkreist werden.

Das gesamte, ausgedehnte Areal ist mit Stupa’s, Nischen, kleineren Tempeln angefüllt und zwischen allem wandeln Gläubige, die immer wieder in Andacht versunken, vor diesem oder jenem Schrein ihrem Gott oder dem Ensembles der Hindu-Götter huldigen und so zu diesem Fest, die Anbetung gewissermaßen eines gemeinsamen, allen Menschen zugehörigen Universums, demonstrieren.

Diese tiefe Religiosität, gleichgültig welcher Prägung, ist es auch, die Jeden bewegt und buchstäblich auch den Gast aus fernen Kontinenten infiziert und Zweifel oder Kritik ersticken.

Nach diesem ebenfalls einzigartigen Erlebnis, erfolgt der Abstieg über die 400 steilen, schmalen, rutschigen und ausgetretenen Stufen, der die Oberschenkel arg beansprucht und uns so ein wenig von den Strapazen, die frommen Pilgern zugemutet werden, spüren lässt.

Danach steht endlich die Altstadt von Kathmandu auf dem Programm.

Wie sehr auch dieses Zentrum von der Religion durchdrungen ist, beweisen die goldenen Dächer von heiligen Stätten, die neben dem monumentalen Königspalast, das urbane Milieu, geradezu überwuchern.

Kurz vor der Stadt verlassen wir den Bus und spazieren zu Fuß durch eine Art Marktgasse zum Durbar-Platz hoch. Dabei überqueren wir den Bagmati und müssen feststellen, dass die steinernen Baracken am Flussufer sehr an Slums erinnern und das „heilige Wasser“ keineswegs sauber wirkt.

Der Platz, Zentrum der Altstadt empfängt uns mit einem Gewühl von Menschen, Fahr- und Motorräder, auch Autos sind darunter… und eine Ohren betäubende, die Sinne verwirrende Geräuschkulisse ergießt sich über Pagoden-Dächer, Holz verzierte Häuser und bunt gekleidete Menschen…

Wo zuerst hinschauen… ? Alles ist ungeordneter, lebendiger Trubel…

Einen erholsamen Kontrast zu diesem chaotischen Tumult, beschert uns erst der stimmungsvolle Innenhof des Hauses, in dem die „Kumari“ residiert.

Dieses kleine, erst kürzlich gewählte Mädchen mit dem reich verziertem Kopfschmuck, blickt von einem der Fenster des 3-stöckigen Gebäudes würdevoll auf uns herunter, nachdem der Reiseleiter um diese kurze Audienz gebeten hatte.

Im 18.Jhdt vom letzten Malla-König eingeführt, gehört der „Kumari-Kult“, wohl zu dem seltsamsten Brauch der Welt.

Das 3-4-jährige Kind thront abgeschlossen von außen, als Personifikation der Staatsgöttin Taleju in ihrem „Palast“ bis zu einer ersten Blutung durch Verletzung oder Pubertät.

Danach kehrt sie mit einer reichen Abfindung, ins normale Leben zurück.

Nur einmal im Jahr, zum „Shiva-Ratri-Fest“ wird die „Göttin“ im Prozessions-Wagen durch die Stadt gefahren und drückt dem König als Bestätigung seiner Herrschaft für ein weiteres Jahr, den roten Fleck „Tika“ auf die Stirn.

32 Körpermerkmale und eine nächtliche Furchtlosigkeits-Prüfung muss jede neue, aus der Goldschmiede-Kaste auserkorene „Kumari“ aufweisen, bzw. bestehen.

Das Alter von Kathmandu lässt sich nicht genau feststellen. Alte Chroniken schreiben seine Gründung, einem legendären Herrscher im Jahre 723 zu.

Leider erschüttern in letzter Zeit auch politische Unruhen das Königreich – zuletzt 1990 -doch bis jetzt konnte der Gott gleiche König seine Macht retten und behalten.

Den eigentlichen Mittelpunkt von Kathmandu bildet daher auch der ehemalige Palastbezirk der Malla-Herrscher, auch wenn der König nunmehr an anderem Ort, residiert.

Die Gebäude sind dabei eng mit den Tempeln verflochten und die Orientierung in dem riesigen Komplex, fällt schwer.

Während in den beiden anderen Königsstädten Patan und Bhaktapur, die Residenzen seit langem nicht genutzt werden, war der von Kathmandu bis ins 20. Jahrhundert hinein bewohnt.

Vor dem Palast auf einer Plattform aalen sich heilige Kühe und ein Kälbchen.

Überragt werden die verwirrend vielen Tempel, Schreine und Pagoden auf dem Durbar-Platz vom mächtigen, auf einer Stufenplattform gegen den Himmel ragenden Taleju-Tempel, als Zentral-Heiligtum.

Danach wälzt sich unsere Gruppe gemeinsam mit der übrigen Menschenmenge, durch Gassen, in denen Händler, in halb offenen Unterständen ihre Geschäfte tätigen und nebenbei, inmitten der Geschäftigkeit, andächtig beten.

In diesen Bazar-Gassen wimmelt es von allen erdenklichen Waren…

da hocken Handwerker unter einem provisorischen Dach und davor am Boden, arbeiten Gesellen an den zu fertigenden Gegenständen.

Auf einem großen Platz, in dessen Mitte sich ein buddhistischer Tempel befindet, liegen Töpferwaren aufeinander gestapelt und gleich daneben, werden Matratzen hergestellt.

Nach diesem Trip sind wir müde und haben uns ein Mittagessen redlich verdient. Da sich unser Bus nicht an der vereinbarten Stelle einfindet, schlagen wir vor, zu je 2 Personen mit den hier üblichen Dreirädern, den „Tempo’s“ zum auserwählten Lokal gebracht zu werden.

Und so holpern wir dann mit diesen vorsintflutlichen Gefährten hin und her geschubst, zu einem ehemaligen Palast, der zu einem Hotel umfunktioniert, uns im prächtigen Garten ein ausgezeichnetes Essen und Erholung von den vielen Erlebnissen bietet.

Wieder einen Tag später starten wir zu einem weiteren Pilgerziel, 20 km südlich von Kathmandu, das der Hindu-Göttin Kali in Dakshinkali gewidmet ist und ebenfalls zu den wichtigsten Kultstätten des Kathmandu-Tales zählt.

Blutig offenbaren sich hier die Riten zu ihrer Verehrung.

Die letzte Etappe des Weges dahin führt durch eine Straße, in der dicht an dicht Stände mit lebenden Tieren – vor allem Hühner und Ziegen – zum Verkauf angeboten werden.

Von düsteren Wäldern umrahmt, führt sie in eine Schlucht hinab.

Als „Abwehrposten“ gegen böse Einflüsse von „außen“ bringt man hier unten, der nach Blut lechzenden Kali – der grausamen Erscheinungsform der großen Göttin Durga – Opfer dar.

Das Eingangstor mit dem Bildnis der Kali wird von Schlangenleibern umrahmt und der Hof des dahinter befindlichen Gevierts am Zusammenfluss zweier Bäche, trieft von Blut.

Das makabre Schauspiel – ewiges Drama vom Töten fürs Überleben unserer Spezies, das sich sonst im Verborgenen, aber sicher nicht weniger grausam abspielt – wird hier durch einen feierlichen Ritus veredelt.

Bevor der Priester dem Delinquenten, blitzschnell den Kopf vom Rumpf trennt, bittet er ihn um sein Einverständnis.

Um die über sie gesprengten Wassertropfen loszuwerden, bestätigten die ahnungslosen Kreaturen, sich schüttelnd, ihr trauriges Los.

Das Blut der getöteten Tiere wird von den Priestern auf das Portrait der Göttin gespritzt.

Nach der Ausweidung und Waschung im Bach, wird das Fleisch auf offenem Feuer gebraten und auf einem der Picknick-Plätze, von den Familien und Freunden verzehrt. Also Blutritual und Gastmal in einem.

Etwas benommen von den für Europäer recht düster anmutenden Bräuchen, wird vom Reiseleiter eine Bergwanderung vorgeschlagen, die allerdings ziemlich anstrengend sein soll. Ich verzichte darauf und beobachte dafür am vereinbarten Bus-Treffpunkt – vor einem buddhistischen Quell-Heiligtum – den Alltag der hier vorbeikommenden Menschen.

Unterhalb der Straße befindet sich ein Waschplatz, der stark frequentiert wird. Gelegentlich werde ich auch angebettelt. Ein altes, barfüßiges Weiblein bittet mich um Essen… leider ich habe nichts.

Außerdem wurden wir vor Geldspenden gewarnt, da damit die Bettelei gefördert würde.

Nach 2 12 Stunden Wartezeit, geht es zurück nach Kathmandu und um das „Schwänzen“ der Wanderung auszugleichen, fahre ich mit dem Bus mit einigen anderen Reise-Teilnehmern in die Stadt, zum Touristen-Viertel Thamel, was ich aber sogleich bereue.

Nicht nur der Betrieb hier – man wird ständig von klingelnden Fahrrädern, Autos, etc. zur Seite gedrängt – nervt arg, auch die Orientierung in diesen von Souvenir-Läden und Menschen wimmelnden Tohuwabohu fällt schwer.

Irgendwie landen ich und die anderen plötzlich am Durbar-Platz zwischen den heiligen Stätten, die ebenso frequentiert sind.

Da es bereits dunkel wird, taucht noch dazu das Problem auf: wie zurück ins Hotel kommen!

Kein Taxi ist zu orten und auch die Tempo’s sind wie vom Erdboten verschwunden.

Dass die Rückkehr dennoch gelingt, grenzt an ein Wunder, doch der Bedarf an eigenen Unternehmungen hier, ist damit für mich, für die nächsten Tage gedeckt.

Die zweite Königsstadt – Patan – 4 km südlich von Kathmadu wird ebenfalls ausführlich ins Visier genommen. Auch hier stellt der Durbar-Platz mit dem unbewohnten Königspalast, den vielen Menschen, klingelnden Radfahrern und schlechten Straßen, das Hindernis für die so interessanten Besichtigungen dar.

Die Gründung dieser Stadt wird sogar dem indischen Kaiser Ashoka (200 vor Ch) zugeschrieben, wofür jedoch Beweise fehlen.

Im 14. Jhdt hielt der Hinduismus in dem alten buddhistischen Heiligtum der Stadt Einzug. Heute ist Patan ebenfalls von Palästen und Kultstätten durchdrungen.

Den Tempeln, Anlagen, etc. folgt hier die sehr direkte Begegnung mit den Bewohnern in schmalen Gassen und auf kleinen Plätzen, die den unverfälschten Alltag vorführt.

Lachende Kinder, freundliche Menschen, die wiederum keine Scheu haben, auch zu betteln.

Besonders eindrucksvoll zeigt sich zum Schluss der „Goldene Tempel“, der als älteste heilige Stätte zum Kloster Kwa Bahal gehört, das einst den Tibet-Handel beherrschte. Seine unzähligen, mit Figuren geschmückten Dächer leuchten golden im Schein der Sonne.

Zwar habe ich mich bereits zu Hause gut auf diese Reise vorbereitet, doch die Wirklichkeit mit ihren fremden Riten und Gebräuchen zweier Welt-Religionen ist so verwirrend, dass man sich kaum darin zurechtfinden kann.

Ein sehr praktisches Problem bei den vielen Besichtigungen stellt sich vor allem bei der Suche, nach den fallweise notwendigen „stillen“ Örtchen, von denen es in Nepal so gut wie keine gibt, sodass wir nach dem Besuch von Patan dafür ins Hotel in Kathmandu kurz zurückkehren, ehe wir uns beim Mittagessen stärken und nachmittags das Vishnu-Heiligtum Budhanilkanta etwas außerhalb der Stadt anfahren.

Sehr nachdenklich stimmt einen Tag später die Fahrt zur 7 km nordöstlich von Kathmandu gelegenen Stupa von Bodnath, einem rein tibetisch-buddhistischen Heiligtum, wo sich nach der Inbesitznahme von Tibet durch China, viele Flüchtlinge eingefunden haben.

Die weiße Halbkugel der Stupa ruht auf einer stufenartigen Plattform und ist eine Manifestation friedlicher Gläubigkeit, sowie eindrucksvolles Zeugnis tibetischer Frömmigkeit. Der Ort Bodnath lag einst an der wichtigsten Handelsstraße zu dem jetzt konfiszierten Tibet.

108 Nischen am Sockel, Gebetsmühlen und Gebetsfahnen, sowie buddhistische Klöster in der Umgebung drücken dem Städtchen trotz der vielen Souvenir-Läden und Menschen, den Stempel echter Heiligkeit auf.

Während Thailand, Burma, Ceylon und Vietnam – die südliche Richtung des Buddhismus praktizieren, wird in Nepal, China, Tibet, die nördliche Form zelebriert. Äußerlich sind die jeweiligen Mönche an der Farbe ihrer Kutten kenntlich. Safrangelb gilt für den Süden, Weinrot im Norden.

Wir haben genügend Zeit, dieses größte und für die Tibeter wichtigste Heiligtum in Nepal und seiner spezifischen Atmosphäre nachzuspüren, die Stufen zu den verschiedenen Terrassen hoch zu steigen und für einen Rundgang zu benutzen. In einem winzigen Raum im Sockel der Stupa wird von den Gläubigen eine überdimensionale Gebetsmühle gedreht. Vor diesem Raum hocken Wandermönche und rezitieren monoton ihre Gebete. Unzählige Menschen umrunden den Sockel der Stupa und bewegen die dort befindlichen Mühlen.

Vom oberen Stock eines kleinen Kaffees hat man einen ausgezeichneten Blick auf das religiöse Treiben um die Stupa, wo in der Nähe, eine kleine Gruppe Künstler, religiöse Tänze vorführt… lediglich das servierte Getränk in diesem Ausguck ist ungenießbar.

Nach diesen Erlebnissen in und um Kathmandu, ist es Zeit die Koffer zu packen, denn als landschaftliche Krönung folgt die Fahrt durchs Kathmandu-Tal zum 32 km entfernten Dhulikel, wo uns in der gleichnamigen Ressort-Lodge in 1650 m Höhe, ein dreitägiger Aufenthalt erwartet.

Dazwischen – unterwegs – winkt aber noch der außerordentlich interessante Besuch der kleinsten der 3 Königsstädte – Bhaktapur.

Ihre Gründung dürfte ebenfalls durch Handelswege erfolgt sein.

Heute eine reine Bauernstadt, war sie einst sehr reich.

Belegt ist zumindest, dass 1324 ein lokaler Herrscher aus Bengalen auf der Flucht vor den Moslems, die Indien heimsuchten, sich hier festsetzte und die gesamte Kultur des Tales beeinflusst hat. So gibt es auch von den 30 hinduistischen Klöstern, 12 davon in Bhaktapur und die Bevölkerung praktiziert das hinduistische Glaubensritual.

1933 hat ein Erdbeben leider viele und große Schätze der Stadt zerstört!

Wir spazieren zu Fuß durch schmale Gassen, an kleinen Plätzen vorbei, die das Flair der Vergangenheit ausstrahlen… wo das Mittelalter gegenwärtig grüßt… allerdings auch mit seinem Schmutz und viel zerfallender Bausubstanz!

Auf dem Taumaddhi-, dem ehemaligen Hauptplatz dieses Bezirks stärken wir uns in einem hübschen Kaffee, das in einem historischen Gebäude untergebracht ist,mit köstlichem Tee. Es ist auch das einzige Haus, das seinen Gästen ein Clo bieten kann, die es sonst nirgends gibt.

Alles Leben spielt sich im Freien ab. Werkstätten und Verkaufsstände der Töpfer säumen den Platz.

Hoch aufragend, dominiert hier auch das einzige Heiligtum mit 5 Pagoden-Dächern mit einer Höhe von 30 m.

Der weitläufige Durbar-Platz, zu dem wir anschließend pilgern, wirkt dagegen beinahe leer; viele Tempel fielen dem Erdbeben zum Opfer und wurden danach nicht mehr aufgebaut.

Von den Dutzenden von Höfen, aus denen der ursprüngliche Palastbezirk bestanden haben soll, sind nur noch 3 erhalten.

Weiter im Osten besichtigen wir am Tacapala-Platz, dem Herzstück des gleichnamigen Stadtviertels, den Gebäudekomplex Pujahari Math, eine ehemalige Kloster ähnliche Unterkunft für hinduistische Priester und ein paar Schritte weiter gelangt man zum berühmten „Pfauenfenster“, einem Kleinod der

Holzschnittkunst, die uns bereits davor im ehemaligen Kloster – heute Museum der Holzschnitzkunst -zutiefst beeindruckt hat. Gerade bei dessen Restaurierung hat Deutschlands Aufbau entscheidend geholfen. Das Schnitzwerk, das z.B. die Wände des mittleren Hofes vom Boden bis zum Dach rundum überzieht, gehört zum besten, was newarische Holzschnitzkunst zu bieten hat und eine Verbindung von Pflanzenornamenten mit Tiermotiven und Götterfiguren zeigt.

Unsere Fahrt geht weiter, auf der Straße, die von Chinesen gebaut wurde. Indien, das besonders an Nepal interessiert ist, freut diese immer mehr expandierende Konkurrenz gar nicht und die beiden riesigen asiatischen Reiche versuchen ihre Einflüsse auf Nepal jeder für sich geltend zu machen.

Nepal muss also auf der Hut sein und versuchen nach den Jahrhunderten der Isolation, von beiden zu profitieren. Ein passendes Sprichwort dazu, verrät uns der Reiseleiter: „Nepal ist ein Rettich zwischen 2 Mühlsteinen und muss daher jonglieren!“

Waren es auf der Fahrt bis Bakthapur die saftig grünen Reisterrassen – es gibt 3 Ernten im Jahr – die auffielen, so faszinieren nun vor allem die grandiosen Blicke auf die Schnee bedeckten Bergketten des Himalaya-Massivs vom Anapurna im Westen bis zum Lothse und Makala im Osten mit den darunter sich auf Berghängen ausbreitenden, kunstvoll angelegten Terrassen, den grünen Wiesen und Rapsfeldern. Ein von Gebirgsketten gekröntes Amphietheater!!

Von dem insgesamt 2500 km langen Himalaya-Gebirgszug besitzt Nepal das eigentliche Herzstück mit 8 über 8000 m hohen Gipfeln. Wie gemeißelt leuchten ihre weißen Kuppen aus dem Blau des Firmaments.

Vom Ort Dhulikel bekommen wir nichts zu sehen, die Ressort-Lodge befindet sich 5 km weiter in prächtiger Lage. In den Zimmern ist alles notwendige vorhanden, nur sind sie leider eiskalt. Obwohl auch in dieser Höhenlage die Tage sich sonnig und warm zeigen, nachts wird es kalt. Die Aussichtsterrasse der Lodge bietet uns als „Willkommen“ bei einem Glas heißen Punsch einen unvergesslichen Sonnenuntergang!

Natürlich stehen auch hier Ausflüge am Programm.

Die erste Halbtagestour mache ich mit, trotzdem mich inzwischen der berüchtigte nepalische Durchfall erwischt hat. Per Bus geht es zuerst bis 800 m abwärts, danach in steilen Kurven wieder aufwärts zu einem Heiligtum der Göttin Durga. Die Landschaft des von Schluchten und Tälern zerklüfteten Vorhimalaya mit dem Hintergrund der weißen Gipfel, überwältigt!

Wie die Sprossen einer überdimensionalen Leiter, durchschneiden darunter die Terrassen die Berghänge und wie Spielzeug-Schachteln schmiegen sich menschliche Siedlungen in ein Panorama, das unser Planet nur an wenigen, auserwählten Stellen zu bieten hat.

Verantwortlich für dieses Kunstwerk der Natur sind Geschehnisse, die seit Millionen von Jahrhunderten unter unseren Füßen ablaufen und immer noch nicht abgeschlossen sind.

Der Zusammenprall zweier großer Landmassen – der eurasischen und indo-australischen Platte – die einst durch ein Meer getrennt waren – bewirkten in 3 Phasen die Auffaltung von Erdmassen zu dem mächtigen Portrait, das uns heute so tief beeindruckt.

Wir steigen aus und spazieren zu Fuß durch 2 Dörfer zum Heiligtum. Zwei Ziegenböcke werden gerade hinein gezerrt… Kühe, Ziegen, Kinder treiben sich auf den Straßen herum.

Hier wohnen arme Bauern, die aber ein Haus ihr eigen nennen und in dem unten die Tiere Platz finden.

Während der Rückfahrt halten uns UNO-Soldaten an, sie fahren am Dach des Buses bis zum nächsten Dorf mit.

Von der Rafting-Tour am nächsten Tag distanziere ich und erhole mich lieber auf der Aussichtsterrasse des Ressorts.

Am letzten Tag führt der Weg zu einer Dorfschule, in der 300 Kinder in baufälligen Häusern unterrichtet werden. Die Kosten dafür müssen vom Dorf aufgebracht werden.

In einem der Räume, in den kaum Licht durch die nicht verglasten „Fenster“ fällt, liegt eine Matte auf dem Lehmboden… sonst nichts und… zusammengepfercht, lernen hier 70 Kinder.

Unser Besuch ist eine kleine Sensation für die Schüler und zum Dank beschenken sie uns mit einem Lied, das die Schönheit Nepals preist.

Die Rückfahrt nach Kathmandu findet über den Ort Banepa statt, in dem wir aussteigen, um wieder einen der Göttin Durga – in anderer, lokaler Funktion agierend – geweihten Tempel, am Ortsrand zu besichtigen. Beim Aufweg dahin passieren wir Geschäfte, die zur Straßenseite offen sind. Überall laufen Ziegen herum. Und vor dem Eingang liegt ein totes Zicklein, dessen Kopf bereits abgehackt ist.

In Kathmandu beziehen wir wieder für die letzte Etappe der Reise, Zimmer im Hotel in der Neustadt und hoffen für den kommenden Tag auf schönes Wetter, denn ein Teil der Gruppe – auch ich – haben uns für einen Flug in Kleinflugzeugen über die Himalaya-Gebirgskette, angemeldet. Dazu ist frühes Aufstehen notwendig… doch schade, schade, er muss abgesagt werden. Der Himmel hängt voller Wolken und später beginnt es sogar zu regnen.

Die Einladung unseres Reiseleiters in sein Haus, dass er mit seiner Frau und 2 Kindern bewohnt zu einem Tee, offenbart ein wenig vom Alltag der gut situierten Gesellschaft in Nepal und die Gastgeberin, die aus einem einfachen Bergdorf stammt und ihr Analphabetentum nun eifrig nachzuholen im Begriff ist, macht in ihrer natürlichen, liebenswürdigen Art, einen großen Eindruck auf uns.

Sehr nobel wird es dann am letzten Abend vor dem Rückflug nach Europa.

Wir sind zu einem Abendessen als Gäste im traditionsreichen Hotel Krishnarpan eingeladen.

Fürstlich verläuft dabei bereits der Empfang: im Vorraum müssen die Schuhe ausgezogen werden… alles ist mit weichen Teppichen ausgelegt. Eine große Schüssel steht für Hände waschen bereit, denn obwohl im Speiseraum Besteck aufgelegt ist, wird vielfach mit der rechten Hand gegessen.

Das Dinner nach dem Zeremoniell, auf einem niederen Tisch, umfasst 21Gänge und wird von 3 Mädchen in Trachten serviert. Wir sitzen auf breiten, ebenfalls niederen Hockern mit einer Rolle als Rückenlehne. 9 Vorspeisen in Schüsselchen und Tellern werden in 2 Gängen zusammengefasst, der scharfe, aber köstliche Reis-Schnaps sowie Tee gehören zu diesem feierlich zelebrierten Mahl aus 1000- und einer Nacht ebenfalls dazu… es dehnt sich bis 11 Uhr nachts aus.

Beim Aufbruch am folgenden Morgen wird wieder einmal deutlich, wie unsere moderne Zivilisation in wenigen Stunden zwei Welten sowohl zu verbinden, als auch zu trennen vermag, mit einer Geschwindigkeit, die der Mensch nicht nachzuvollziehen vermag.

Mich hat jedenfalls selten eine Reise wie die zum „Dach der Welt“ auch von der unteren Etage aus, als Kulisse der nepalesischen Lebensbühne, in gleicher Weise fasziniert. Denn ihre Akteure sind wie nirgendwo sonst durchdrungen von den Göttern des Universums, die wie die Natur, in eine höhere Sphäre voll mystischer Geheimnisse entführen.

Kompakter als im hinduistischen Indien, das in seiner Geschichte durch Jahrhunderte vom Islam in der Einheit gespalten, den gleichen Göttern huldigt, scheint im kleinen Königreich unter dem Himalaya, die Sphäre des Überirdischen näher gerückt und verzaubert mit seinem Glanz den oft ärmlichen Alltag… knüpft eine Allianz zum allumfassenden Kosmos.