Die letzten Mosaiksteinchen im Inselchaos sind der Ägäis gewidmet und als ersten Kandidaten werde ich das größte Eiland im östlichen Mittelmeer RHODOS, als der Dodekanes-Gruppe zugehöriges Mitglied, vorstellen.
Dodekanes bedeutet auf gut deutsch Zwölf, was allerdings nicht ganz stimmt, denn es sind 13 oder gar 14 Eilande, die ihr Haupt in diesem Bereich aus dem Wasser recken.
Wohlgeformt, mit einer Länge von 78 km und 38 km breit treibt Rhodos nur 17,5 km von der türkischen Küste entfernt im Meer und weist damit die geringste Entfernung zu Kleinasien auf.
Im Juni des Jahres 1989 mache ich mich auf den Weg zu diesem, als Roseninsel gerühmten „Diamant“ im Mittelmeer, der um diese Zeit von Floras Blütenkorb geradezu überschüttet wird.
Bewusst habe ich dafür ein Garni-Hotel inmitten von Rhodos-Stadt gewählt, um direkt am zentralen Herz der Insel zu wohnen, das sich hier allerdings nicht in der Mitte, sondern am nordöstlichen Ende des „Edelsteins“befindet.
Die Forschung klärt uns darüber auf, dass die gesamte Dodekanes-Gruppe, die höchste Erhebung einer versunkenen Landbrücke gewesen und durch ein Seebeben in vorgeschichtlicher Zeit hochgehoben worden wäre. Viel netter hört sich allerdings die legendäre Geburt an:
„Nachdem Vater Zeus bei der Aufteilung der Erde unter seinen Kindern, Helios zu beschenken vergaß, wünschte der sich nachträglich das so schön geformte Gebilde, das er jeden Morgen von seinem Himmelswagen aus unter der Wasseroberfläche treiben sah… prompt hob es Göttervater Zeus aus den Fluten. Helios, nunmehr Herr und Gebieter der Insel, überschüttete sie mit Rosenbäumen und seine ebenfalls aus dem Meer geborene Schwester Aphrodite wurde Patin.
Dass in dieser romantischen Entstehungsgeschichte die Rosenbäume, dem ebenfalls prächtig blühenden Hibiscus gleichgesetzt werden, tut der Schönheit keinerlei Abbruch.
Seit Menschen auf der Erde schalten und walten, wandern sie auch… suchen nach den besten Möglichkeiten für ihr kurzes Dasein.
So begann es auch auf Rhodos mit Jägern und Sammlern im Neolithikum, denen in der Bronzezeit feste Siedlungen folgten. Im 16.Jhdt vor Chr ließen sich Minoer aus Kreta, im 15. Jhdt vor Chr. Mykener auf der Insel nieder. Ab dem 11. Jhdt vor Chr kamen dann die griechischen Dorer und mit ihnen begann eine erste Blütezeit. 408 vor Chr gründeten die Dorer ihre gleichnamige Hauptstadt, in der heute aber vor allem das Antlitz des Mittelalters sichtbar ist. Der Ritterorden der Johanniter, hervorgegangen aus den sich nur der Krankenpflege widmenden Hospitalern, hatte 1309 die Insel zu ihrem Sitz erwählt und eine zweite Blütezeit eingeleitet. Zu jener Zeit gehörte Rhodos zum oströmischen Reich, war aber weitgehend in der Hand von Piraten.
Wie die adeligen Ritter es schafften, mit durchaus weltlichen Mitteln unter Mitwirkung der Kirchenmänner einschließlich Absegnung durch den Papst, stellt eine Meisterleistung, gemixt aus Interessengemeinschaft und Hilfsbereitschaft, dar. Bis zur Vertreibung durch die Türken 1529 waren sie die uneingeschränkten Herren der Insel und in Rhodos-Stadt.
Gleich am ersten Tag nach Ankunft auf dem blühenden Eiland starte ich zu Fuß die kurze Strecke von meinem sehr hübschen Hotel unter Bäumen in der Neustadt, den kurzen Weg zum Zentrum und stehe plötzlich vor den mächtigen Stadtmauern, die 4 km lang, halbkreisförmig die Altstadt umgürten, vor denen sich zusätzlich noch ein breiter Graben ausbreitet. Trotz Stadtplan finde ich keinen Durch- bzw. Eingang zu dem, von den Italienern restaurierten mittelalterlichen Juwel.
Erst beim zweiten Anlauf gelingt es mir, den von einer Brücke mit drei Bögen überspannten Graben samt Mauerfestung durch das Amboise-Tor zu überwinden. Danach wird sofort durch Souvenirstände klar, dass der Tourismus auch vom Mittelalter Besitz ergriffen hat. Glücklicherweise verteilen sich die Massen in dem doch recht weitläufigen Areal von Ritter-und Handelsstadt, die zusammen die Altstadt verkörpern und gottlob bleibt zumindest erstere von ihrem Andrang verschont.
Ziel- und planlos streife ich umher, zunächst im engeren Terrain der alten Ritter, wo der weithin sichtbare Großmeisterpalast, eine zusätzliche, eigene Festungsanlage, sofort ins Auge springt.
Pompös und mächtig thront er über Gassen und Dächer leuchtend, zieht die Aufmerksamkeit auf sich, obwohl seine originale Instandsetzung – eine Pulverexplosion hatte ihn zerstört – in alter Herrlichkeit auch oft kritisch gesehen wird.
Den vollkommenen Genuss verschafft mir jedenfalls der Streifzug durch die exakt renovierte Rittergasse, die bergab zum Hafen führt. Ohne moderne Zugeständnisse an den Tourismus, wie Läden, bietet sie ein genaues Abbild mittelalterlicher Gebäudestruktur, entführt in eine Vergangenheit, die allzu oft romantisiert, nur die Sonnenseiten gelten lassen will. Hier verkörpert sie die Wohnstätten des Adels, wo sich in Häusern mit hohen Torbögen beiderseits der Gasse, die Herbergen, also „Zungen“, der verschiedenen , nationalen Rittergruppen befanden.
Ein Eliteviertel also, das während der über vierhundertjährigen türkischen Besatzung auf Rhodos zu einem Elendsquartier verkommen war.
Lange spaziere ich hier auf und ab, atme den Duft einer längst entschwundenen Epoche, ehe ich mich durch die Sokratesgasse, in die von Andenkenläden strotzende Handelsstadt wage.
Verwirrend überfallen mich sogleich das Gewirr der Gassen, der laute Betrieb in unzähligen Restaurants, herum schlendernde Menschen, zahllose Autos, die so manche orientalische Hinterlassenschaft, wie Brunnen oder die Kuppeldächer einiger Moscheen, überwuchern – wie zum Beispiel den entzückenden Seepferdchen-Brunnen, der als eines der Wahrzeichen der Stadt gilt. Das Brunnenbecken ist mit glasierten Kacheln geschmückt auf denen sich Meerestiere präsentieren, während sich darüber zwei bronzene Seepferdchen erheben.
Übertüncht vom Tourismus vermengen sich in diesem Teil der Altstadt Orient und Okzident als Vermächtnis verschiedener Zeitphasen.
Durch das Eleftheria-, das Freiheitstor, das erst von den Italiener 1924 aus dem Mauerring herausgebrochen wurde, nähere ich mich der Neustadt und dem Hafengelände, das vom schmalbrüstigen Mandraki- und dem großen Becken des Emborio-Hafens sowie als dritten Anlegeplatz für Fischerboote und Tankschiffe, der Andraki-Bucht im Südosten, gesäumt wird.
Die Einfahrt zieren als Wahrzeichen der Insel, auf hohen Säulen drapiert, ein Bronzehirsch und eine Hirschkuh . Trotzdem diese Tiere nicht auf der Insel vorkommen, werden einige Exemplare im Graben gehalten, da sie einst mitgeholfen hatten, die Insel von Schlangen zu befreien.
Das große Emborio-Becken war einst Kriegshafen der Ordensritter, auf seiner schmalen, weit ins Meer auslaufenden Mole grüßen drei Windmühlen und an seiner Spitze beschützt ein Festungsbau das Gelände.
Über die Frage, wo denn einst das siebente Weltwunder – der Koloss von Rhodos- stand, streiten sich die Gelehrten. Vermutlich nicht da, wo die heutigen, tierischen Wahrzeichen die Ankommenden begrüßen, möglicherweise beim Kastell. Dieses 292 vor Chr fertiggestellte, 30 m hohe Bronzedenkmal des Sonnengottes Helios, stürzte bereits etwa 60 Jahre später durch ein Erdbeben ein, seine Trümmer landeten, nachdem das Orakel in Delphi vor einem Wiederaufbau gewarnt hatte, bei einem Schrotthändler, der zur Beförderung eine Kolonne Kamele benötigte. Immerhin diente sein kurzes Dasein als Vorbild für die Freiheitsstatue in New York, das nur 7 m höher gegen den Himmel ragt.
Reichlich müde, trete ich langsam den Rückweg zum Hotel an, will aber gleich hinter dem Freiheitstor noch einen Blick in den Neuen Markt, die Agora werfen, der direkt unter den Hängen des Terrassengartens vom Großmeisterpalast seine weiße Bausubstanz zur Schau stellt. Errichtet wieder von Italienern täuscht er einen orientalischen Charakter vor, also präsentiert sich im maurischen Stil. Die weißen Marktgebäude gruppieren sich um einen siebeneckigen Hof mit Bäumen, Brunnen, Restaurants während die beiden Haupteingänge Kuppeln tragen. Die Fischhalle in der Mitte sorgt besonders frühmorgens für Betrieb und das gesamte Ambiente erhöht die Freude am Einkaufen. Einige neu-türkische Wohnhäuser in der Nähe sorgen mit ihren typischen Holzbalkonen für exotisches Flair.
An der Bank von Griechenland, der orthodoxen Bischofskirche sowie dem kuriosen Gouverneurspalast vorbei, wende ich mich dem Gebiet der eigentlichen Neustadt mit ihren modernem Ambiente zu. Kurios wirkt der Gouverneurspalast vor allem deshalb, weil er in seinem typisch venezianischem Design a la Dogenpalast nicht so recht in das rhodisch-türkische Antlitz der Stadt passt.
Das war also mein erster Erkundungsgang durch eine Stadt, die hauptsächlich von drei Perioden geprägt worden ist. Das antike Erbe der Griechen, von dem nur Ruinen die Zeiten überdauert haben, werde ich ein anderes Mal besuchen. Annähernd 100.000 Menschen wohnten einst in dieser Keimzelle der Insel, die eine breite Ausdehnung hatte.
Die Epoche der Kreuzritter prägte ebenfalls entscheidend Stadt und Insel. Zwar stand die Bevölkerung in ihren Diensten, war aber durch hohe Abgaben belastet, was der Liebe zu den Herren abträglich war, sodass die Ritter nur zu Zweit und per Pferd ihren Distrikt verlassen durften.
Der Orden verwaltete die Insel nach strengem Reglement.
Bewaffnete Ritter aus den vornehmsten Familien Europas bildeten die Kernzelle, gefolgt von den eigentlichen Kirchenmännern, die für religiöse Zucht und Ordnung und die Krankenpflege zuständig waren und die dritte Instanz setzte sich aus Dienenden aller Art zusammen, Schildknappen der Ritter, Quacksalber, etc.
Unvergleichlich drastischer wirkte sich die Jahrhunderte lange Präsenz der Türken aus. Von 1523 – 1912 war Rhodos das am längsten von den Osmanen besetzte, griechische Territorium überhaupt.
In dieser Zeit veränderte sich das Stadtbild… Kirchen wurden in Moscheen verwandelt, trotzdem muss betont werden, dass die Besatzer die Bausubstanz ihrer Vorgänger achteten.
Die Bevölkerung durfte in der heutigen Altstadt zwar Handel treiben, aber nicht darin wohnen. Wer nach Sonnenuntergang darin verblieb, wurde sofort hingerichtet.
So entstanden um den umwallten Kern, die ersten Wohnsiedlungen der Rhodier außerhalb, die dann nach der Besetzung durch Italien von italienischen Architekten zur Neustadt ausgebaut wurden. Eine erneute Fremdherrschaft, denn erst 1947 kehrte Rhodos heim ins griechische Mutterland. Trotz aller Bemühungen vor allem der Türken, die zuletzt sogar so etwas ähnliches wie Selbstverwaltung zugestehen wollten, blieb Rhodos seinen griechischen Wurzeln treu. Viele Zeugnisse der langen Besatzung wurden zerstört, Menschen ausgewiesen. Trotzdem werde ich auch den verbliebenen Moscheen und anderen Einrichtungen in den nächsten Tagen Beachtung schenken.
Um die ersten Eindrücke abklingen zu lassen, fahre ich sozusagen zur Erholung per Bus zum öffentlichen Faliraki-Strand, an dem auch sich auch einige große Hotels befinden. Sofort erschreckt mich der massenhafte Betrieb. Ich miete eine Liege, um nicht alle Kleidungsstücke im Sand zu deponieren und probiere kurz auch das Schwimmen im Meer aus. Dann flüchte ich so schnell ich kann aus dem Trubel der von Tausenden, nebeneinander sich sonnenden, im Sand spielenden Massen und kehre reumütig in mein Hotel zurück, das mir als bescheidenen Ersatz immerhin ein kaum frequentiertes Schwimmbecken bietet.
Die echte Erholung wird mir dann an einem weiteren Tag im 3 km entfernten Rodini-Tal beschert, das ich ebenfalls zu Fuß durch die sehr verkehrsreiche Neustadt erreiche. Eine herrliche Natur wird hier zu einer Art Paradies unweit der betriebsamen Stadt geadelt…
Von den Italienern zu einem Parkgelände mit üppiger Vegetation gestaltet, hofiert gleich hinter dem Eingang ein Pfau seine herumstolzierenden Gefährtinnen mit einem riesigen Rad und tänzelt dabei als Galan im Kreis herum. Sogleich schließen sich zwei weitere Hähne als Konkurrenten seinem Gehabe, mit machtvoll gespreizten Gefieder an.
Eine wahrhaft spektakuläre Begrüßung, nach der ich mich am fast leeren Restaurant vorbei hinunter zu einem Flüsschen, an dem ein lauschiger Pfad entlangführt, begebe. Fast menschenleer umgibt mich eine göttliche Ruhe… nur das Schnattern der an diesem Bächlein versammelten Enten und die bizarren Schreie der Pfauenmänner, die in dem engen Tal widerhallen, begleiten mich auf diesem Spaziergang.
Holzbrücken führen über das leise murmelnde Gewässer und über Steintreppen eröffnen sich immer neue idyllische Perspektiven. Da sind z.B. in großen Käfigen Bergziegen mit mächtigen Hörnern beheimatet und über allem triumphiert eine Pflanzenvielfalt von Bäumen und Blumen… Oleander, Pinien, Lorbeerbäume, Platanen, Zypressen, etc.
Nach Jahrhunderten der Vernachlässigung wurde aus einer wild wuchernden Natur ein erlesenes Schmuckstück von italienischen Gärtnern während der Besetzung geschaffen.
An der Stelle, wo das Flüsschen gestaut wird, tummelt sich eine Schar von geschwätzigen Enten, in deren Mitte unbeweglich und majestätisch ein rosa Pelikan verharrt. Wie ein König scheint er die Ovationen der Untergebenen zu genießen.
Dieses Tal hat aber ebenfalls seine spezielle Geschichte… 335 vor Ch war hier von dem Griechen Aischines die berühmte Rednerschule von Rhodos gegründet worden, in der später auch bekannte Römer wie Cicero, etc. in der Kunst der Rhetorik unterwiesen wurden.
Ein Schild „Ptolemäer-Grab“ weist mir den Weg aufwärts zu einer schmalen Straße und durch ein Gittertor gelange ich zwischen Zypressen und Agaven auf ein Plateau, auf dem Höhlen und Grabnischen und auch ein steinerner Hügel zu sehen sind. War dieser es, in dem die Funde aus der Zeit der reichen, ägyptischen Ptolemäer-Dynastie entdeckt wurden? Eine Frage, die ich nicht zu klären vermag… Zwar wurden keine Ptolemäer in besagtem Grab bestattet, doch gehörten weite Teile dieses Parks in der Antike zur Nekropole von Rhodos, wo eine ganze Reihe prunkvoll ausgestatteter Totenhäuser ausgegraben wurden.
Noch einmal erfreue ich mich beim Rückweg an der so herrlichen Naturkulisse des Rodini-Tals, nehme dann aber, um nicht das schöne Erlebnis durch Straßenlärm und Verkehr zu stören, den Bus zu Stadt und Hotel.
Im ehemaligen großen Ordensritterspital, einem imposanten Bau, in dem sich der große Krankensaal im Obergeschoss als besonders eindrucksvoll erweist, ist das archäologische Museum untergebracht. Um all die vielen Fundstücke der Antike, darunter Meisterwerke aus Rhodos, Statuen, Vasen, Goldmünzen etc. ihrer hohen Qualität entsprechend zu würdigen, reicht ein Tag nicht aus.
Schon das Gebäude mit gotisch-romanischen Stilelementen, verdient mit seinen von Säulen geschmückten Ehrenhof und der mit Arkaden versehenen Galerie in der oberen Etage besondere Beachtung und schafft einen faszinierenden Rahmen für die Meisterstücke einer vergangenen Zeit.
Auch die von rhodischen Bildhauern um 50 vor Chr geschaffene, berühmte Lakoongruppe ist in diesem Museum in einer vom Papst gestifteten Gipskopie zu bewundern. 1506 wurde das Original in Rom wiedergefunden und bereichert nun das Vatikanische Museum als besondere Attraktion.
Sehr rasch kann ich auch von meiner zentralen Herberge in der Neustadt das antike Rhodos, bzw. das, was von ihm übrig ist, zu Fuß erreichen. Hier begegne ich zuerst dem Odeon, vor dem bereits zahlreiche Busse geparkt stehen… einst breitete sich die antike Stadt vom Stefanusberg, der heute Monte Smith heißt, bis zur jetzigen Neustadt aus. Ebenfalls von den Italienern rekonstruiert zeigt sich das Theater, das ziemlich klein und daher in der Antike eher wohl ein Auditorium der berühmten Rednerschule von Rhodos war. Von hier sieht man bereits ein paar wiederhergestellte Säulen des Apollo-Tempels.
Ich spaziere den Monte Smith hoch und bin beeindruckt von der herrlichen Lage dieser einstigen Stadt. Man blickt aufs Meer und das ganze Gelände der Akropolis wirkt, auch wenn vom Tempel des Zeus und der Athene außer verstreuten Steinen nichts mehr vorhanden ist, unglaublich schön.
Die wenig befahrene Straße führt immer weiter bergauf und ich bin und ich bin entzückt von den Ausblicken über das Meer bis hin zur kleinasiatischen Küste. Genussreich gestaltet sich auch der Serpentinenweg abwärts zur Neustadt, wo dann leider der Strand mit den vielen, neuen und großen Hotels, die enttäuschende Gegenwart zeigt.
Da ich nach diesen Wanderungen die alte und neue Stadt Rhodos einigermaßen zu Fuß erforschen konnte – der Rest mit Türkenviertel, etc. folgt noch – buche ich einen Ausflug nach Lindos, der wichtigsten unter den drei Städten, die unter den dorischen Griechen, vor der Stadtgründung von Rhodos, Zentren der Insel waren.
Von diesen antiken Drei – Ialyssos. Kamiros, Lindos – ist letzteres auch heute noch besiedelt und steht unter Denkmalschutz. Das bedeutet, es dürfen keine großen, neuen Hotels gebaut werden.
Eigentlich wollte ich dieses von Touristenscharen überlaufene Center auf einem ins Meer hinausragenden Felsplateau in der Mitte der Ostküste von Rhodos, per Linienbus anfahren, aber da unterwegs vielleicht viel Interessantes zu sehen und hören sein würde, wähle ich schließlich die viel teurere organisierte Tour dahin.
Die Straße ist erst vor 20 Jahren für den Tourismus gebaut worden und lockt bereits am Straßenrand mit Keramikartikel, die im Ort Archeangelos erzeugt werden. Man fährt daran vorbei, ebenso wie an Kolimbia und einem Kloster am Tsambika-Berg. Vor Lindos öffnet sich die Bucht „schöne Helena“ und bald begeistert der herrliche Blick auf Lindos mit der Akropolis.
Die Häuser des heutigen Dorfes sind alle weiß getüncht und schmiegen sich terrassenförmig an den Akropolis-Hügel. Lindos besitzt den einzigen Naturhafen der Insel, was der Ritterorden zu nutzen wusste und die Akropolis zur Festung ausbaute.
Wie alle Busse und Privatautos halten auch wir auf dem Parkplatz vor dem malerischen Dorf und steigen dann durch enge, saubere Gassen langsam bergauf.
Wahrlich ein zauberhafter Anstieg durch einen Ort, der durch die Johanniter auch noch durch eine Spur des Mittelalters bereichert wurde.
Würden da nur nicht Textilien aller Art zum Zwecke des Verkaufs an die Touristen, die von den Bussen massenhaft ausgespuckt werden, an den Hauswänden baumeln. Ein ganzer Tross pilgert daran vorbei zur Akropolis hinauf.
So registriert man viel zu flüchtig die momentan geschlossene Kirche und die wunderbar dekorierten Kapitänshäuser, ehe es über Treppen zur Festung hochgeht. Für Fußkranke oder faule Touristen warten am Ende dieses Dorfes bereits einige Eselchen zur Beförderung auf die Höhe.
Auch an den Treppenrändern sitzen Frauen und bieten kunstvoll gefertigte Handarbeiten an. Kommerz, wo nur irgend möglich…
In die steil aufragende Felswand der Akropolis ist ein Schiff eingemeißelt, rechts davon befinden sich die steilen Stufen aus der Ritterzeit zur Festung, daneben schmal und weniger glatt behauen die antike Treppe.
Wir erklimmen die Festung, wandeln durch dunkle, vielfach mit Steinbrocken verstellte Räume der Johanniter, eine Stunde lang bis zum höchsten Punkt.
Nur einige Säulen des Tempels der Athena Lindia zeugen von den einstigen Prachtbauten, die auf dieser Akropolis standen.
Lindos war lange vor der Gründung von Rhodos-Stadt der bedeutendste der drei Stadtstaaten und hatte seine Blütezeit im 6.Jhdt. vor Chr. Es trieb Handel mit allen Ländern des Mittelmeeres, von Ägypten bis Spanien. Das Heiligtum von Lindos war berühmt in der ganzen Welt.
Unter den Römern an Bedeutung verloren, verhalfen ihr die Johanniter zu neuem Ruhm… mit Paulus, der 51 nach Chr auf seiner dritten Missionsreise in diesem einzigen Naturhafen an Land ging und predigte, hielt das Christentum Einzug, die erste Gemeinde der neuen Religion entstand auf Rhodos.
Mit dem Einzug der Türken verlor die Akropolis von Rhodos endgültig ihre Bedeutung. Die Bevölkerung jedoch blieb im Dorf und lebte weiter nach griechischem Brauchtum, bis es der Tourismus für sich beanspruchte.
Sehr nachdenklich und vorsichtig steige ich allein die vielen Stufen von der Akropolis hinunter und bergab die schmalen Gassen des Dorfes, auf denen so viel Originelles an und in den Häusern zu beachten wäre.
Im Hof eines Kapitänshauses, in dem sich eine Bar etabliert hat, stärke ich mich mit Bier und bewundere die herrliche innere Portalseite. Gemeinsam mit der Gruppe wird dann mitten im Dorf, die von den Johannitern errichtete Marienkirche besichtigt, die stimmungsvoll und rundum mit Fresken ausgeschmückt, eine prächtige, geschnitzte Ikonostase besitzt und zu einer kurzen Atempause vom Touristenrummel verhilft.
Ein Stop in einer Keramikfabrik in Archangelos beschließt den Ausflug in die Antike.
Natürlich interessieren mich auch die beiden anderen dorischen Zentren der frühen rhodischen Geschichte und im Verlauf einer Halbtagestour lerne ich zuerst die Nummer Zwei kennen.
An der Westküste nach Süden durch eine fruchtbare, grüne Landschaft mit Feigenbäumen taucht nach 34 km an bewaldeten Hängen, in einer Mulde 120 m über dem Meer, das antike Kamires auf. Gleich einem Amphitheater schmiegen sich die Ruinen der Stadt, dem weit ansteigenden Gelände nach Osten hin an. Als kleinstes antikes Inselimperium war es einst sehr berühmt und wurde sogar von Homer besungen. Der Außenhandel mit anderen Inseln und Griechenland blühte, verlor aber schon bald, vor allem nach Gründung von Rhodos-Stadt, an Bedeutung. Nach einem Erdbeben von 227 vor Chr zwar wieder aufgebaut, wurde es nach einer abermaligen solchen Attacke, 142 vor Chr verlassen.
Dieses sagenhafte, vom Treibsand verwehte Zentrum wurde erst 1859 wiederentdeckt.
Die Geschichte von Kamires geht auf eine minoische Siedlung zurück, die die Mykener fortsetzten.
Unser Spaziergang zur Agora führt zwischen Mauern ehemaliger Mauerreste, Plätze und Straßen vorbei, alles Fundamente aus dem 2. Jhdt vor Chr, bei denen es schwer fällt sich ein Bild von jenem einst blühenden Territorium zu konstruieren.
Auf schmalem Pfad am Waldesrand, hinter den ehemaligen Häuserzeilen, erklimmen wir im Gänsemarsch die Akropolis, von der leider nichts mehr vorhanden ist. Lediglich der Blick auf die freigelegte Stadt und das Meer einerseits und in die Berge mit dem Profitis Ilias (798 m), dem dritthöchsten Bergmassiv andererseits, sind großartig. Höchstes Massiv auf Rhodos ist der Gipfel des Ataviros mit 1215 m im Westen.
Es folgt nach kurzer Fahrt landeinwärts in nördlicher Richtung, ein etwas strapaziöser Spaziergang über Stufen und Holzstiegen durch die enge Schlucht Petaloudes – das Schmetterlingstal. Fast 2 km lang und dicht bewaldet macht hier der „Harlekin“, ein seltener Schmetterling, von Ende Juni bis Mitte September eine Stipvisite. Die Tiere paaren sich im August, ehe sie wieder zu ihren unbekannten Brutstätten zurückfliegen.
Natürlich zieht auch dieser gepunktete Nachtfalter, Heerscharen von Touristen an, so auch heute, obwohl erst wenige Akteure eingetroffen sind und gut getarnt in den Bäumen – darunter auch Honig produzierende Ambergewächse – schwer auszumachen sind. Durch den Massenbetrieb, oft sogar unvernünftiges Händeklatschen, zum „aufwachen“ provoziert, da sie dann rot leuchten, hätte sich ihre Population bereits leider verringert.
Jetzt fehlt nur noch das dritte Glied – Iallyssos – in der antiken Runde. Ihm begegnen wir im heutigen Trianda mit lediglich einer Reihe ausgebuddelter Grabstätten. Auch 30 Häuser der Johanniter waren einmal hier angesiedelt.
Wir sind jetzt nur noch 4 km von Rhodos-Stadt entfernt und zweigen auf eine Straße mit herrlichen Laubwäldern ab, die nach 1 km am Filerimoshügel endet, auf dem sich die einstige Akropolis von Ialyssos, dem dritten dorischen Zentrum befand.
Statt der antiken, erwarten uns hier Sehenswürdigkeiten aus den verschiedensten Zeiten, wie z.B. die gotische Kapelle der Ordensritter. Lediglich einige spärliche Reste vom Athena-Tempel vor dem Ritterheiligtum, gemahnen an die Dorer.
Filerimos bedeutet Einsamkeit und in byzantinischer Zeit war auf dem Hügel ein großes Mönchskloster etabliert.
Die Anfänge einer Besiedlung reichen ebenfalls bis in die minoisch-kretische Zeit zurück.
Ialyssos, das im 5. Jhdt vor Chr seine höchste Blüte erreichte, ist die bisher am wenigsten erforschte dorische Stadt und wurde ebenfalls durch die neue Metropole Rhodos-Stadt ins Abseits gedrängt. Von ihrer einstigen Akropolis öffnen sich ebenfalls prächtige Blick hinunter auf die noch unter der Erde schlummernde Stadt.
Zu einem ganz besonderen Höhepunkt meines Aufenthaltes in Rhodos wird schließlich der geführte Rundgang auf dem Mauerring, den die Johanniter anlegen ließen und von dem aus die todesmutige Verteidigung der Stadt bei der Belagerung durch die Türken stattfand.
Die Führung beginnt nachmittags am Großmeisterpalast und ich benutze die Zeit davor für einen Besuch der Innenräume des Palastes, von dem aus das Imperium des Ordens dirigiert wurde. Obwohl das Gebäude nach der Pulverexplosion soweit wie möglich nach alten Plänen von der italienischen Besatzungsmacht rekonstruiert und aufgebaut wurde, konnten seine Innenräume natürlich nicht mit Originalgegenständen ausgestattet werden.
Über eine Freitreppe gelangt man vom riesigen Innenhof in die obere Etage, in der 18 Räume zur Besichtigung freigegeben sind.
Mit Holzgestühl versehen bieten diese Gemächer ein Labyrinth, in dem ich mich fast verirrt hätte und zeigen eine Fülle von allerlei Raritäten, wobei mich die Fußbodenmosaiken, sowohl römischen wie auch byzantinischen Ursprungs, am meisten interessieren. Sie stammen hauptsächlich von der nahen Insel Kos, von der sie die Italiener nach Rhodos holten.
Während das Inventar des Großmeister-Palastes Museums-Charakter trägt, vermittelt der anschließende Spaziergang auf dem mittelalterlichen Wehrgang über den Dächern der Altstadt eine Atmosphäre, die die Ritterzeit und ihre Verteidigungsstrategien sichtbar und spürbar werden lässt. Von Blumen überwuchert versetzt dieser 4 km lange, gewaltigste Festungswall des Abendlandes, der so erhalten ist, wie ihn die Ritter nach heroischem Kampf 1523 verlassen mussten, jeden Besucher zurück in eine düstere Vergangenheit.
Die unausweichliche Kapitulation gegenüber einem haushoch überlegenen Belagerer, der mit 400 Schiffen und 200.000 Soldaten, die Streitmacht der Johanniter mir nur insgesamt 5600 Mann, darunter eine Vielzahl unausgebildeter Zivilisten, weit übertraf, gewährte den Rittern freien Abzug; die nicht mit den Johannitern geflüchteten rhodischen Bürger zahlten, da sie die Verteidiger unterstützten, den hohen
Blutzoll eines ungleichen Gemetzels. Aber auch die Osmanen beklagten den Verlust von 100.000 Mann.
Unwillkürlich wandern die Gedanken auf diesem von duftenden Blumen und dem Grün der umgebenden Wiesen dekorierten Weg, vorbei an Türmen und Toren, zurück in jene Zeit des Schreckens, wie sie immer wieder und zu allen Epochen durch Machtgier und Fanatismus der Menschheit angetan wurden und werden.
Einen freundlichen Abschluss meines Besuches in Rhodos verschafft mir die Schifffahrt zur Insel Simi, nordwestlich von Rhodos und wie Kos, damit im Grenzbereich der Türkei. Ein Felseneiland in dem der wundertätige Erzengel Michael verehrt wird.
Schon die Anfahrt führt an einer Menge von Felsgebilden vorbei, die bizarr aus kobaltblauem Wasser aufragen, wo die Türkei buchstäblich auf Rufweite das griechische Meeresterritorium streift.
Bereits nach 2 Stunden legt das Touristenschiff in Panormitis, dem zweiten Hauptort der Insel an, der nur aus dem schon von weitem sichtbaren Kloster des heiligen Michael und ein paar wenigen Häusern besteht.
Schon die Klosterkirche beeindruckt außerordentlich und der Blick von den diversen Galerien des Klostergebäudes bietet herrliche Blicke auf den Hafen, die wenigen Fischerboote und den Kirchturm.
Sodann folgt der gleichnamige Hauptort der Insel Simi, auf dem sich die weißen Wohnhäuser auf dem kahlen Felsen empor staffeln.
Eine Weile bummle ich nach der Landung im Hafengelände herum, wo an unzähligen Ständen Naturschwämme angeboten werden, denn Simi ist bekannt und berühmt als Schwammtaucher- Dorf.
Die steilen Stufen zur am Berg befindlichen Kirche erspare ich mir und bewundere die Menschen, die auf diesem Eiland ihre Behausungen nur auf weiß getünchten, ungesicherten Treppen erreichen können.
Die Insel Simi war in der Antike sehr wichtig, Homer erwähnt es im Zusammenhang mit dem trojanischen Krieg, an dem der König des Eilands teilgenommen haben soll.
Heute leben die ca. 3000 Einwohner vom Tourismus.
R h o d o s – Insel der Schönheit und der Rosen… dem Sonnengott Helios sei Dank, dass er sich diesen schillernden „Diamant“ vom Göttervater als Geschenk erbeten hat.
Ein Geschenk war es auch für mich, ihn bewundern zu können.
Trotz der Touristenströme – die Rhodos sehr wohl zu nutzen versteht – hat es nicht das glitzernde Antlitz des Juwels mit Monster-Hotelburgen zur Maske verstümmelt… im Gegenteil, nicht nur Rosen sind das Symbol ihrer Schönheit… der ganze blühende Garten Eden scheint sich in ihren Zügen widerzuspiegeln.