Im Süden des schmalen, zwischen Land gepressten Adria-Abschnitts auf Höhe des italienischen Stiefel-Absatzes, einem Becken, das als Ionisches Meer bezeichnet wird, schaukeln weitere Inseln in den Wogen, deren größte KORFU oder KERKYRA benannt ist.
Sehr weit nordwestlich vom Mutterland und dem griechischen Insel-Tohuwabohu, die immerhin 20 Prozent von Griechenlands Volumen darstellen und alle recht dicht beieinander liegen, präsentiert sich Korfu als ein etwas eigenwilliges Exemplar, abgesondert, aber dazu gehörend.
Während die meisten Inseln der Ägäis, Fortsetzungen von auf dem griechischen Festland auftretenden, geologischen Einheiten darstellen und noch im Eozän großteils zum Mutterland gehörten und erst später wieder vom Meer bedeckt wurden, vermutet man bei Korfu, dass es durch das Ansteigen des Meeresspiegels vor ca. 9000 Jahren, zur Insel wurde.
Sammler und Jäger sollen schon im Neolithikum und in der Bronzezeit hier gelebt haben.
Im 8. Jahrhundert vor Christi gründeten griechische Siedler aus Eretria auf Korfu eine Kolonie. Also handelt es sich bei ihr um einen „echten“ Hellas-Sprößling, was auch die Mythologie dokumentiert, auch wenn das heutige Antlitz, vor allem von Korfu-Stadt, in eine andere Richtung weist.
Die geologischen Aktivitäten und Schwankungen, bzw. Senkungs-Phasen des Meeresspiegel, haben dagegen besonders in der Ägäis verankerte Eilande, mal verschluckt, mal empor gehoben..
Das Mittelmeer ist eben kein friedvolles, stabiles Gewässer und leistet sich, wenn auch in für menschliche Maßstäbe riesigen Zeiträumen, ganz schön kuriose Abenteuer.
An seinem südlichen Ende, an dem Kreta, die größte aller ans Licht katapultierten Inseln dieses, die Veränderung liebenden Meeres treibt, besitzt es auch durch das nahe Santorin eine tektonisch aktive Zone, wie ein verheerender Vulkanausbruch vor zirka 2500 Jahren bewiesen hat.
Kreta selbst fungiert als 650 km lange Inselbrücke, die die süd-pelaponnesischen Gebirgszüge mit dem türkischen Taurus-Gebirge verbindet.
Aber zurück zu Korfu oder griechisch Kerkyra, das in der Mythologie auch als Scheria erscheint und vor Süditaliens Küste 61 km lang und 9 km breit aus dem Meer ragt.
Im September 1995 versuche ich von einem großen Hotel, nahe dem Zentrum Korfu-Stadt aus, mir durch Ausflüge in alle Richtungen ein möglichst umfassendes Bild von dem als wohlhabend geltenden Eiland zu verschaffen.
Und wie für alle Inseln, die sich in diesem Wasser- Land- Konglomerat herumtreiben, gilt auch für Korfu die banger Frage …wer kennt die Namen, die Völker, die sich seit Urzeiten hier verewigten… die kamen, eroberten, siegten, vertrieben wurden, Bündnisse schlossen, sich bekriegten, sich vermischten oder untergingen und verschwanden, denn wie die Fluten des Meeres schwankte auch das Geschick der Bewohner. Auch Korfu durchlief Phasen der Besetzung durch Völkerscharen, die im Auf und Ab die Region beherrschten, nur von den auf Kreta operierenden Minoern findet sich keine Spur auf diesem Eiland.
Der Blütezeit als korinthische Kolonie 734 vor Chr. – nach Eretria folgten Rom, die Byzantiner, die Normannen, schließlich Araber, osmanische Türken – bis die Insel 1864 endlich wieder Griechenland einverleibt wurde. Eine besondere und prägende Rolle spielte, die vor allem in Korfu-Stadt sichtbare Epoche der über 400 Jahre währenden Zugehörigkeit der Insel – von 1386 – 1797 – zur Seemacht Venedig!
Während von der antiken Hauptstadt Kerkyra nur ein verwirrender und verstreuter Haufen von Ruinen im Süden der heutigen Korfu-Stadt zu sichten ist, überrascht die Metropole mit typisch italienischem Dekor und Flair.
Sie ist es auch, die ich zuerst inspiziere, zumal ein kostenloser Bus-Service des Hotels die kurze Strecke dahin, mehrmals am Tag anfährt.
Mein Quartier, bestens ausgestattet und mit großem Swimmingpool über dem Strand, bietet zwar alle Annehmlichkeiten, ist aber viel zu groß und unpersönlich, um heimelige Atmosphäre zu vermitteln.
Bezaubernd allerdings ist die Aussicht auf die von Bergen eingefasste Bucht, zu der ein Aufzug hinunter fährt, aber bei direkter Begegnung leider enttäuscht. Der steinige Strand wirkt ungepflegt, an seinem Ende werben 2 Tavernen zudringlich um Gäste. Auf dem Hang um das Haupthaus verbirgt grüne Bepflanzung den hässlichen Beton der Bungalows.
Das nächste Dorf ist 2 km entfernt, also bleibt als Alternative zur Hotelenklave, Korfu-Stadt, zumal auch das Schwimmen im Meer durch Quallen kein verlockendes Vergnügen darstellt.
Das Hotel-Salzwasser-Becken ist immerhin 4 m tief und sehr sauber. Animateure unterhalten davor das Publikum mit allerlei „Spielchen“. Alles in allem eigentlich nicht mein Traumhotel, das ich nur mangels anderer Möglichkeiten gebucht habe.
Über Korfu-Stadt erheben sich zwei Hügel mit dem byzantinisch/venezianischen Festungsbau. Auf dem niedrigen, östlichen, die alte Befestigung, die 730 entstand und von der nur noch die mächtigen Mauerfundamente erhalten sind. 1576 – 1588 übertrumpfte auf dem höheren Gipfel der neue, venezianische, Bau mit Bastionen den Vorgänger. Auch von diesem Bauwerk ist kaum noch etwas vorhanden. Besonders für die erste Festung wurde die Ruinenstätte der antiken Hauptstadt Kerkyra als Lieferant des Baumaterials missbraucht.
Da die Endstation des Hotelbusses am Fuße dieser Hügel liegt, steige ich sogleich um einen Überblick zu gewinnen bei drückender Hitze an diesen geschichtsträchtigen, verbliebenen Mauerresten empor und werde mit einem wunderbaren Panorama über das Stadtzentrum und das Meer belohnt. Die lebhafte Inselmetropole erstreckt sich höchst attraktiv auf einer Halbinsel in die blaue Weite hinaus, was am besten der zweite, 65 m hohe Gipfel veranschaulicht.
Zurück vom ersten Eindruck bringt mich eine neue steinerne, statt der alten Zugbrücke über einen schmalen Kanal direkt in den Mittelpunkt der Stadt – die Esplanade! Als riesiger, grün bepflanzter Freiraum, tut sich dieses Zentrum vor dem Hintergrund des Häusergewirrs der Altstadt auf und verlockt zu allerlei Aktivitäten. Um das Flanieren, Operieren und Diskutieren in dieser großzügigen Anlage noch charmanter zu gestalten, schließen Arkaden die Westseite, zur Aktstadt hin ,dieses Herz der Stadt harmonisch ab – Schmuck- und architektonisches Glanzstück zugleich…
Die Straße zwischen Esplanade und Arkaden ist für Auto tabu, was sowohl das Sitzen in einem der zahlreichen Restaurants, wie auch das Lustwandeln unter geschwungenen Bögen, zum reinen Genuss werden lässt.
Hinter diesem Eldorado des Vergnügens duckt sich verwinkelt, wie einander beschützend, das Häusermeer der Altstadt. Hier schlägt das zweite, einfache und weniger vornehme Herz Korfus. Hier ragt die Kirche des Schutzheiligen Spyridon über die Dächer gegen den Himmel…270 auf Zypern geboren, kamen seine Gebeine als Reliquien erst 1453 aus Konstantinopel auf die Insel. Immer wieder errettete er die Korfioten von Plagen wie Pest, Hungersnot und half gegen die Türkenbelagerungen.
Zu seinen 5 Festen pilgern Griechen aus der ganzen Welt nach Korfu. Selbst während der katholischen Herrschaft von Venedig, musste diese den Kult und die Prozessionen um diesen Heiligen der Orthodoxen Kirche, schließlich genehmigen.
Das Rathaus der Stadt hat sich in der ehemaligen venezianischen Loggia einquartiert und präsentiert an der Südfassade das Stadtwappen Korfus – das versteinerte Phäakenschiff – von dem Homer in seiner Odyssee berichtet. Danach wäre der Held bei seiner Irrfahrt zuletzt auf der Insel Scharia gestrandet und vom König Alkinoos des Volkes der Phäaken gastfreundlich aufgenommen worden. Nach drei Tagen startete er mit dessen Zauberschiff zu einer glücklichen Heimfahrt. Poseidon jedoch war empört über die Rettung und versteinerte zornig das zurückgekehrte Schiff, kurz vor der Einfahrt in den Hafen Scherias.
Natürlich suchte man dieses versteinerte Indiz auf der Insel und meint, das Geisterschiff an zwei pittoresk geformten Felsen an der Küste, diagnostizieren zu können.
Der Mythos des versteinerten Schiffes lebt tief verwurzelt im Glauben der Bevölkerung, obwohl weder Scheria als Korfu nachgewiesen, noch trotz intensiver Suche der Palast von König Alkinoos bis jetzt gefunden werden konnte. So spukt die Antike in einem kleinen Medaillon aus Stein auf einem venezianischen Musterbau, durch die Gegenwart. In dieser hat sich inzwischen das Heute mit schmalen Einkaufsgassen für Schmuck, Lederwaren, etc. etabliert und lässt Zeitläufe und Epochen ineinander fließen, wie dieses sich immer wieder verändernde Mittelmeer, die verschiedenen Völker an seinen Küsten trennt und gleichzeitig verbindet.
Ein Tagesausflug per Bus in den Süden der Insel, die sich wie ein deformierter Stiefelschaft ab der Mitte des Inselkörpers ständig verschmälert, zeigt mir ihr ursprüngliches zweites Gesicht.
Bald nach Verlassen des Stadtbereichs begegnet man in Gharitsa bzw. Anemomylos den spärlichen Resten des vielfach noch unter der Erde schlummernden Kerkyra und es gibt also kaum etwas zu besichtigen.
Lediglich der Spaziergang durch ein paar enge Gassen zur Kirche Jason und Sosipatros als schönstes Beispiel byzantinischer Sakralarchitektur, verleitet zu einem Besuch.
Obwohl ohne jeglichen Zusammenhang führt der Name des heiligen Jason unwillkürlich abermals die Gedanken zurück zur Mythologie. Wieder sollen Korfu und sein legenderer König Alkinoos ihre sprichwörtliche Gastfreundschaft laut Argonautensage, dem geflüchtetem Jason auf der Suche nach dem Goldenen Vlies und seiner Geliebten Medea erwiesen haben. In einer Grotte auf dieser, dieses Mal Drepane genannten Insel, soll die Hochzeit der Beiden stattgefunden haben. Aber auch die Höhle dieser mystischen Zeremonie konnte bisher nicht lokalisiert werden.
Durch eine Landschaft, gesegnet mit üppiger Vegetation – Zypressen, verstreut auf Hügeln und Mandelbäumen erreichen wir den anheimelnd und verschlafen wirkenden Ort Kato Garonna, in dem bereitgestellte Weinfässer an die bevorstehende Lese dieses „Göttertrankes“ erinnern.
Eine winkelige Gasse führt an Häusern mit winzigen Höfen vorbei. Neugierig, aber freundlich grüßend, treten zwei Frauen aus einer Tür, vor der ein Waschbrett an Großmutters Zeiten erinnert. Der Blick ins Wohnzimmer kündet von Sauberkeit und an den kleinen Fenstern hängen von Hand gearbeitete Spitzendeckchen als Vorhänge. Ein Kranz aus vertrockneten Blumen baumelt an der Tür. Er stammt vom 1. Mai, wird nicht entfernt und symbolisiert das Blühen und Verwelken.
Der Aberglaube des „bösen Blickes“, der aus der Antike stammt, spielt auch heute noch in vielen Dörfern eine große Rolle.
Die Sitte des Einmauerns einer Flasche auf dem Dach, zwecks guter Ernte, wird dagegen nur im Süden angewendet.
Bei Ajios Matheos in etwa der Mitte des hier sehr schmalen Stiefelschafts wurden bei Ausgrabungen Funde aus der Altsteinzeit, 40.000 – 70.000 Jahre vor unserer Zeit entdeckt, die sich im archäologischen Museum befinden.
Hinter diesem Ort beginnt dann der eigentliche Süden mit Hainen von Olivenbäumen, die teilweise sehr alt sind. Ölbäume gab es schon in der Antike, durch die Venezianer wurden sie in riesigen Mengen gepflanzt.
Auf kurviger Straße entzückt das sehr schöne Gebirgsdorf Hlomos mit seiner Kirche über den gut erhaltenen Häusern aus dem 18./19. Jhdt und einer prächtigen Aussicht über rote Ziegeldächer, bis hin zur Stadt Korfu, zum griechischen Festland und der Südspitze der Insel. Es liegt an der schmalsten Stelle, deren „Schaft“ von 3,5 bis 9,5 km Breite, zwischen Ost- und Westküste schwankt.
Auf dem Weg vom Ort Maräthias zur Westküste erkennt man das tiefblaue Wasser des Korission-Sees, der 5,4 km lang und etwa 1 km breit, parallel zum Meer verläuft. Er hat jedoch keine Verbindung zu diesem und trocknet im Sommer mitunter aus.
Schließlich erfolgt die Rückfahrt entlang dem Strand der Ostküste mit einer Reihe von Hotelbauten und den Ort Benites, der 12 km südlich von Korfu-Stadt, bereits vom Tourismus geprägt wird.
In seiner Nähe beginnt bereits ein Territorium des antiken Kerkyra, das archäologisch noch nicht erforscht ist.
Bei Perama bietet sich dann von einem Terrassencafe aus, die faszinierende Sicht auf eine zauberhafte Landschaft, die leider nicht nur durch lebhaften Tourismus, sondern auch vielfach vom Lärm des Flugplatzes der Insel, gestört wird.
An der Südspitze der Halbinsel Analipsis erkennt man, die durch einen Steg mit ihr verbundene Oase des Frauenklosters Wlacherna, wo noch 2 Nonnen leben und auch etwas entfernt das winzige Eiland Pondikonissi, auf dem sich inmitten grüner Vegetation ein Männerkloster verbirgt.
Auch um diese bildschöne Bucht von Perama einschließlich Flughafengelände dürfte sich noch unzählige Reste von Kerkyra verstecken.
Und in Perama deutet man auch einen Felsen, der die Einfahrt flankiert als jenes versteinerte Schiff, das Odysseus dereinst nach Ithaka zurück brachte.
Ein Pflichtbesuch in Korfu-Stadt gebührt natürlich dem archäologischen Museum, wo mich vor allem im Gorgo-Saal der Westgiebel des ans Tageslicht geholten Artemis-Tempel, um 590 vor Chr beeindruckt.
Als richtiger Rummelplatz präsentiert sich mir an einem anderen Tag das Achilleion, ein Traumschloss, das sich die extravagante Kaiserin Elisabeth, genannt „Sissi“ südlich von Perama bauen ließ.
Busse drängen sich auf der schmalen Straße, die vor dem Eingang von Souvenirläden belagert ist.
Auch im Schloss stauen sich die Touristengruppen, die dann nach entsprechenden Wartezeiten durch „Sissis“ Speise- und Schlafzimmer, die Schlo,sskapelle und den Raum Wilhelm II geschleusst werden.
Für den Bau musste eine Villa abgerissen werden, als er 1892 fertiggestellt war, verlor die Kaiserin bald danach das Interesse daran, der sündteure Palast stand 9 Jahre leer, ehe ihn der deutsche Kaiser Wilhelm II zu einem „Schleuderpreis“ 1907 erwarb.
Nach diversen politischen Schwierigkeiten durch 2 Weltkriege, übernahm 1983 die griechische Fremdenverkehrszentrale die Verwaltung und Leitung dieses sentimentalen Produktes einer melancholischen Aristokratin, das auch außer als Lazarett, als Casino für Glücksritter diente.
Das schönste an diesem Märchenschloss liefert eindeutig der herrliche Park, der allerdings nur teilweise besichtigt werden kann.
Skulpturen von Achill, dem Lieblingsheld der Kaiserin und antike Säulen, im Gelände verstreut, bezeugen „Sissis“ Liebe zur griechischen Kultur.
An Fundamentresten von Kerkyra vorbei, bietet mir dieser Tag noch einmal eine Aussicht auf Pondikonissi, auch „Mäuseinsel“ genannt und das Frauenkloster Wlacherna davor. Diesmal ohne Fluglärm, aber im Schlepptau einer Touristenmenge.
Bei meinem Ausflug in den Nordteil der Insel, die sich nach dem südlichen, schmalen „Schaft“, wie ein aufgespannter Regenschirm verbreitert, plagt mich das Missgeschick eines am Vortag verstauchten Fußes.
Vorbei an der „Neuen Festung“, die den Hafen der Stadt beschützt, wo große Schiffe und Fähren vor Anker liegen, zweigen wir in Richtung Paleokastritsa ab, passieren ein Gebiet mit einer Reihe von Skelettbäumen, die Zeugnis von der Kraft und verheerenden Wirkung von Feuer geben. Glücklicherweise folgen bald wieder Oliven-, Zypressen- und anderer Baumbestand auf den Hängen.
Angeblich sind auf Korfu von den 4 Millionen Olivenbäumen, 80% um die 400 und 10% 700 Jahre alt.
Die Straßenränder säumen jetzt blühende Oleander-Sträucher und als einer der Höhepunkte auf diesem Ausflug begeistert bald der Blick auf die zerklüftete Küste von Paleokastritsa, der natürlich wie auch das Panajia Theotokos-Kloster samt dem dazugehörigen Museum, eine Unzahl von Touristenbussen anlockt.
In der Bucht von Paleokastritsa an der Westküste, offenbart sich dann eine Landschaft von unglaublicher Schönheit, die zum Verweilen animiert, aber durch den geschäftigen Trubel leider erheblich gestört wird. Direkt unterhalb der stark frequentierten Straße aalen sich eine Menge Leute, unbeeindruckt von Lärm und Rummel am Strand.
Eine atemberaubende Szenerie wird eben, wie in Capri und anderen außergewöhnlichen Höhepunkten erfinderischen Naturgeistes, vom Massenansturm der Urlauber überfallen.
Eine halbstündige Bootsfahrt entlang der Felsküste, vorbei an Grotten, aus denen es blau oder grün schimmert und immer wieder kleinen Buchten, entschädigt kurze Zeit für das Gedränge an Land.
Bergauf, durch das Dorf Lakones in 450 m Höhe mit steilen Gässchen zum Aussichtspunkt „Bella Vista“, verstopfen Busse und LKW die Auffahrt.
Endlich angekommen, überwältigt allerdings der Blick auf Paleokastritsa und die byzantinische Festung Angelokastro von Neuem. 300 m hoch ragt die Bergfeste auf dem Felskegel wie ein gebieterischer Zeigefinger zum Himmel. Erstmals als Kastell 1272 erwähnt, war sie für die Venezianer neben der Inselhauptstadt bis zum 18. Jhdt die wichtigste Festung.
Auf dem Weg noch ein Stück weiter zum Dorf Krini begleitet uns die prächtige Sicht auf die Küste mit ihren Buchten und auf Angelokastro. Danach folgt der Richtungswechsel nach Norden durch die breiteste Ausdehnung der Insel und eine Landschaft mit Weinbergen – hier wächst Muskateller – Zypressen…kleine Dörfer in die Berglandschaft gebettet, träumen auf Hängen…eine Strecke, in der die Hektik und der Betrieb von Paläokastro von einer Atmosphäre der Stille abgelöst wird.
Vom Trombeta-Pass mit 650 m führt die Straße abwärts und mündet schließlich am nördlichsten Ostende Korfus in die ruhige Bucht von Kassiopi, wo in nur 2 km Entfernung, die albanische Küste deutlich sichtbar wird.
Während der römischen Zeit scheint Kassiopi die wichtigste Stadt auf der Insel gewesen zu sein.
Als die Normannen von Sizilien aus weite Gebiete der Adria und auch einige Jahre Korfu beherrschten, gab es 1084 eine heftige Seeschlacht bei Kassiopi, bei der die Venezianer die Normannen besiegten.
Für uns hält Kassiopi aus Zeitmangel nur das Mittagessen und einen Spaziergang auf der Hafenpromenade bereit. Auf die Besichtigung der Ausgrabungen aus der Römerzeit und das von den Anjou des Königreichs Neapel errichteten Kastell, müssen wir verzichten.
Die Ostküste entlang Richtung Süden bietet dann immer wieder Blicke aufs Meer und führt durch Wälder. Das Wetter ist trüb geworden und bald beginnt es zu regnen.
Plötzlich sehen wir einen von der Straße abgerutschten PKW im Graben und die im Bus anwesenden Männer helfen sofort tatkräftig, das Fahrzeug eines Engländers, wieder auf den Asphalt zu hieven. Danach bestätigt die Hilfsmannschaft, dass die Straße spiegelglatt gewesen sei und der Fahrer erklärt, dass bei der letzten Olivenernte Öl auf die Fahrbahn getropft sei, die dann bei Regen in eine Rutschbahn verwandelt würde.
Die folgenden beiden Tage verbringe ich nicht nur wegen meines schmerzenden Fußes, dem die Tour in den Norden nicht gut bekommen war, im großen Hotelareal, sondern auch, da Regen und Sturm selbst in südlichen Gefilden, auf den nahenden Herbst vorbereitet und zwar in weit heftigerer Variante als in Mitteleuropa.
Als Entschädigung dafür beschenkt mich das Wetter am letzten Tag vor Abflug, mit Sonne und einer wie rein gewaschenen Landschaft. Das viele Grün dieser Insel leuchtet vollgesogen mit neuer Energie von den Berghängen, die ihre Umrisse scharf gezeichnet zur Schau stellen.
Um meinen Fuß zu schonen, begebe ich mich in Korfu-Stadt sogleich in eines der Lokale auf der Esplanade gegenüber den Arkaden und lasse den Aufenthalt auf diesem schönen Eiland in Gedanken noch einmal vorüberziehen.
Ein wenig aus der Reihe gegenüber den Geschwistern in der Ägäis, tanzt Korfu schon…nicht nur das Portrait der gleichnamigen Stadt trägt eigenwillige Züge, auch manche Sitten und Bräuche muten seltsam an.
Dass das Weihnachtsfest als obligatorischen Baum eine Zypresse verwendet, versteht sich sehr wohl, da sich auf der Insel weder Tannen noch Fichten finden. Dass aber ausgerechnet ein geschmücktes Schiff dieses Fest symbolisiert, erstaunt ein wenig.
Noch merkwürdiger verhält sich der Sittenkodex bei der größten Feier der Orthodoxie – dem Ostergeschehen.
Da leuchten am Karfreitag alle Lampen an den Gebäuden der Stadt in dunklem Lila und in den Cafes und Restaurants erhellen Kerzen die Innenräume.
Dafür verleitet die Freude über die Auferstehung Christi am Karsamstag Mitternacht, zu einem Gepolter ungewöhnlicher Art: an der Ecke zur Altstadt, unweit von da, wo ich gerade sitze und meinen gedanklichen Memoiren nachhänge, werden Keramikgefäße auf die Straße geworfen, die dann lautstark zerbersten und jeder der gerade hier unterwegs ist, muss sich vor den Wurfgeschossen in Sicherheit bringen…
Während ich genüsslich den geharzten Retsina schlürfe, kehren meine Erinnerungen auch in den Süden der Insel zurück, kreuzen ein wenig durch die Dörfer, wo noch Jahrhunderte alte Bräuche lebendig sind und himmlische Ruhe und Gelassenheit die Zeit vergessen lassen.
Im Gegensatz dazu wird das Profil makelloser Naturschönheit vor allem an der Westküste oberhalb der Mitte von einer nimmer satten Gesellschaft der Gegenwart entstellt.
Was für Extreme auf einem relativ kleinen Fleck Erde, inmitten des großen Meeres.
Viele unterschiedliche Seiten eines fremden Terrains durfte ich zwei Wochen lang kennenlernen, sie werden in meinen Gedächtnis verankert bleiben, wie das versteinerte Schiff des Odysseus nach seiner Heimkehr nach Ithaka.