Paradies mit Schönheitsflecken
Vor etwa 100.000 Jahren hat wieder einmal unser blauer Planet – wie schon öfters in der Erdgeschichte 2000 km von der afrikanischen Küste und 900 km von Madagaskar entfernt, aus seinem Inneren die Inselgruppe der Mascarenen in die Weiten des indischen Ozeans emporgehoben. Zeugen der unermesslichen Kräfte, die unter seiner Oberfläche toben und diese immer wieder verändern und neu gestalten.
Die zweitgrößte Insel der Gruppe erhielt von den späteren Eroberern den Namen Mauritius oder Ile Maurice.
Ein kleines Juwel von 1870 qkm, in der Form eines etwas angeschlagenen Eies, auf dem sich im Laufe der Zeit Pflanzen und Tiere angesiedelt hatten, wartete viele Jahrhunderte auf seine Entdeckung.
Bis ins 15. Jahrhundert unserer Zeitrechnung hinein führte dieser Tropfen Land im Meer sein eigenes, von Menschen unbeachtetes Dasein. Zwar hatten sich wagemutige Malaien und vor allem Araber schon mal dahin verirrt, aber eine Besiedlung blieb den, nach Kolonien süchtigen Europäern, vorbehalten.
Mit den Portugiesen verlor Mauritius 1510 seine Unschuld, danach siedelten kurzfristig Spanier auf dem Eiland, denen Holländer folgten. Diese veränderten das Gesicht der Landschaft, indem sie den Regenwald abholzten und dafür Zuckerplantagen anlegten.
1710 ging deren Periode zu Ende und England sowie Frankreich warfen ein Auge auf das bereits ziemlich umgestaltete Produkt aus dem Inneren der Erde.
Fast 50 Jahre lang beherrschte Frankreich die Szenerie auf dieser Oase im Meer, bis Revolution und Kriege im eigenen Land, die englische Konkurrenz auf den Plan riefen.
1810 erreichten die Engländer ihr schon lange verfolgtes Ziel und übernahmen die Herrschaft über den schon etwas ramponierten Erdenfleck im indischen Ozean.
Im Pariser Frieden 1814 wurde Mauritius England zugesprochen, dafür durfte über der größeren Schwester La Reunion weiter die Trikolore flattern.
Als im Jahr 1835 der „Schandfleck“ der menschlichen Geschichte, die Sklaverei, abgeschafft wurde und dadurch die menschliche Ware auf den Zuckerplantagen fehlte, wusste man sich zu helfen und lockte Inder als billige Arbeitskräfte auf die Insel. Diesen gefiel es gut auf dem Eiland und sie blieben…. sie machen nun den größten Prozentsatz der Bevölkerung aus. Aber auch die ehemaligen afrikanischen Sklaven fühlten sich inzwischen wohl auf Mauritius und leisten als Kreolen ihren Beitrag zum heutigen Inselporträt.
Dazu mischen sich Chinesen als geborene Händler ins bunte Mosaik der Rassen, die nun alle, mitsamt ihren verschiedenen Religionen, zwar auf unterschiedlichem Niveau, aber höchst friedlich und freundlich das Konterfei von Mauritius prägen.
Warum ich im September 1992 als fast 70-Jährige Lust bekam, diese Insel zu besuchen, liegt an seiner immer wieder propagierten und gepriesenen Unterwasserfauna in Form von Korallenriffen, die zum Tauchen und Schnorcheln animieren.
Während meiner Jugendzeit verhinderte der Krieg weite Reisen und Tauchen war noch nicht als Volkssport gekürt. Man hatte genug zu tun gehabt, das schaurige Desaster zu überleben. Erst viel später kam der Wunsch auf, Versäumtes nachzuholen.
So wollte auch ich, mit einem Schnorchel ausgestattet, wenigstens eine Ahnung von der fantastischen Welt unter dem Meeresspiegel erfahren.
Seit Flugzeuge wie Bienenschwärme den Luftraum über uns beherrschen, schrumpfen die Entfernungen zwischen Ländern und Meeren auf unserem so interessanten Globus und in wenigen Stunden sind Hunderte von Kilometern überwunden.
Immerhin 11 Stunden sind es von Frankfurt bis Mauritius, in der sich die Zeit um 2 Stunden verschiebt.
Für meinen 2-wöchigen Aufenthalt hatte ich mir unter den vielen feudalen Hotelangeboten eine relativ preiswerte Unterkunft gewählt, zu der mich nach einem angenehmen Flug und der Ankunft auf der Insel, ein Kleinbus befördert.
Dass nur wenige Menschen auf diesem Airport zu sehen sind, aber ein Uniformierter sogleich unaufgefordert meinen Koffer ergreift und dann ein „Tip“ für diese Hilfeleistung fordert, irritiert mich zwar etwas, kann aber die Freude über den bevorstehenden Urlaub nicht trüben.
Mein Hotel im Westen der Insel fordert allerdings einen Transfer vom Flughafen im Osten durch die Insel, der 1 ½ Stunden in Anspruch nimmt.
Es ist kurz nach 9 Uhr morgens, quer durch die Insel wird auf höchst uninteressanter Strecke, wo abgeerntete Zuckerrohrfelder die Straße säumen, die Hauptstadt Port Luis, in der ich regen Verkehr registriere, erreicht. Von da ab in südlicher Richtung, gestaltet sich die Fahrt zwar durch Berge eindrucksvoller, dafür aber sorgen Schlaglöcher und Staub für ein ziemlich gerütteltes Vergnügen.
Im winzigen Ort Flic en Flac begrüßt mich dann meine Unterkunft, wenige Meter seitwärts von der Hauptstraße mit einer verschwenderischen Blütenpracht. Direkt am Meer gelegen, wird in dieser wundervollen Anlage ein kleiner 2-stöckiger Bungalow mit Terrasse für 2 Wochen mein Zuhause.
Ich richte mich sofort darin ein und inspiziere den Strand.
Das Meer erscheint seicht wie bei Ebbe und einige Meter weiter draußen, parallel zum Ufer, schäumt weiße Gischt hoch über ein unterseeisches Riff. Eine Barriere, die offenbar starke Strömungen verursacht und zum Schnorcheln nicht verlockt. Im Flachwasser wimmelt es außerdem von See-Igeln und zerbrochenen Korallenstückchen.
Enttäuschend für mein Vorhaben, doch die gepflegte Atmosphäre des ganzen Refugiums tröstet mich erst einmal darüber hinweg.
Da ich, um unabhängig zu sein, dieses Mal nur Übernachtung und Frühstück gebucht habe, wähle ich heute fürs Mittagessen das Hotel-Restaurant.
Gegrillter Fisch mit Salat und Bier schmecken köstlich, das indische Personal bedient höchst aufmerksam und freundlich, allerdings zum stolzen Preis von 338 Rupien ohne Trinkgeld, was etwa DM 32,– entspricht.
Am Nachmittag spaziere ich barfuß am Strand entlang, es weht eine kühle Brise, der September zählt in Mauritius noch zum Winter mit subtropischen Temperaturen, während erst Ende November der tropische Sommer beginnt.
Als ich bereits ¾ Stunde unterwegs bin, tauchen plötzlich hinter dem Strand eine Reihe niederer mit Palmblätter gedeckte Bungalows auf und ein weitläufig mit Palmen geschmücktes Areal verrät mir, dass es sich hier nur um die Hotelanlage Pirogue, ebenfalls zu Flic en Flac gehörend, handeln kann.
Sieht sehr exklusiv aus, auch der Strandbereich verläuft hier tiefer und das Riff liegt weiter entfernt.
Das gesamte Terrain strahlt eine abgeschiedene, nur den Gästen vorbehaltene Atmosphäre aus, eine Enklave für gut situiertes Publikum.
Später erfahre ich, dass um den Touristen das Baden zu erleichtern, der Strand ausgebaggert wurde und auch die Palmen, die heute auf der Insel vielfach gedeihen, ein Privileg an die Besucher sind. Ursprünglich siedelten sich hier Bäume an, die den gefürchteten Zyklonen besser standhalten können.
Zurückgekehrt ins eigene Revier lasse ich den Tag auf meiner Terrasse ausklingen….
Da ertönt auf einmal ein fast Ohren betäubender Vogelchor aus einem riesigen Banyan-Baum. Hunderte der kleinen gefiederten Gesellen schwirren aufgeregt um das dicht belaubte Gewächs, als wollten sie vor Eindringlingen warnen.
Fast scheint es, als würde ein schöner Sonnenuntergang den Abend verzaubern, doch dann verhindern auftauchende, düstere Wolken das sich ankündigende flammende Rot und ein aufkommender, starker Wind treibt mich bald ins Zimmer.
Für die nächsten Tage habe ich drei Ausflüge gebucht, um das 1968 unabhängig gewordene Mauritius, das jedoch als Monarchie, mit Königin Elisabeth II als Staatsoberhaupt, Mitglied im Commonwealth verbleibt, kennen zu lernen.
Davor schaue ich mich aber am nächsten Tag erst einmal in der Umgebung meines Quartiers um….
Eine einzige Straße führt durch den Ort Flic en Flac, an der sich auch die Bank und einige Geschäfte befinden.
Leider ist diese Straße staubig und schlecht, es wird überall gebaut und das Milieu steht im beträchtlichen Gegensatz zu meiner gemütlichen Unterkunft.
Anschließend an dieses wenig verlockende Zentrum schließt sich, dem Meer vorgelagert, ein hübsches, kleines Wäldchen an.
Die Menschen, denen ich auf dieser wenig einladenden Dorfstraße begegne, die in eher ärmlicher Umgebung vielleicht als Plantagen-Arbeiter ihr Leben fristen, zeichnen sich allerdings durch große Freundlichkeit aus, lächeln dem Fremden zu und sind ihnen offensichtlich wohlgesinnt.
Da ich das im Wald befindliche Lokal zwar entdecke, es aber leer und dunkel erscheint, kehre ich um und finde in entgegen gesetzter Richtung, unweit vom Seitenweg zu meiner Herberge, ein Lokal, das sich Leslie nennt und wo ich dann fürs Mittagessen einkehre.
Für 105 Rupies wird mir hier auf der Terrasse ein ganz vorzügliches Essen serviert. Fleisch, Reis und köstliches Gemüse…alles schön fett, gut gewürzt und schmackhaft! Zwar essen die Fliegen am Reis mit, halten sich aber etwas in Richtung eines Soßen-Tellers. Das Lokal ist winzig und der Wirt mit dunkler Hautfarbe offensichtlich Kreole.
Nach diesem einheimischen Genuss geht es mir gleich viel besser, denn seit heute Morgen leide ich unter Schmerzen an der linken Hüfte, was das Gehen beeinträchtigt.
Bei einer von meinem Hotel angebotenen Glasbootfahrt kann ich mich schließlich auch über die Schnorchel-Möglichkeiten informieren.
Zum Riff und darüber hinaus nehme ich an einer solchen Tour gerne teil.
Dabei sitzt man sich auf einer Bank gegenüber, während in der Mitte eine Glasfläche die etwas verschwommene Sicht auf den Meeresgrund und dessen sonst verborgenes Leben, gestattet.
Ich hatte mir leider zu viel davon erhofft, doch man erkennt nur vage die Strukturen, die sich da gebildet haben und die so oft gepriesene Buntheit der Unterwasserwelt kommt hier nicht zur Geltung.
Auch Fische ziehen in Abständen immer wieder vorüber, aber von einer Vielfalt kann zumindest am Riff-Abschnitt in unmittelbarer Nähe des Hotelstrandes keine Rede sein.
Der erste Tagesausflug führt an die Ostküste, zu der hier unmittelbar der Küste vorgelagerten Ile aux Cerfs, einem Stück Land von 1,6 km Länge und 600 m Breite, das als Robinsonade gilt.
Dafür ist wieder die Durchquerung vom Westen in den Osten der Insel notwendig und abgesehen davon, dass die Abholung per Bus statt um ½ 10 wie angekündigt, erst um ¾ 11 Uhr stattfindet, werden wir wenigen Teilnehmer dabei anfangs wieder ziemlich durchgeschüttelt und auch für die stündliche verkehrende Fähre zum Eiland fällt eine Wartezeit an.
Ein, noch auf Mauritius aber unmittelbar vor der Mini-Insel befindliches Nobel-Hotel, hat dieses idyllische Stück Land für seine illustren Gäste als Gratis-Badeinsel ausersehen, sodass uns also endlich auf dem gepriesenen Schmuckstück angekommen, alles andere als Einsamkeit erwartet.
Außer einem Schildkrötenasyl am Strand bietet dieser reizende Winzling eine reiche Flora von Kasuarinen, Palmen und diversen Blütensträuchern, aber ein Picknick-platz und eine Reihe von Ständen, die von Textilien aller Art überquellen, zerstören den Traum vom Alleinsein. Die Händler verzichten immerhin auf Zudringlichkeit, was positiv zu bewerten ist.
Natürlich gibt es auch Möglichkeiten für das Mittagessen und nachdem ich mich ein Weilchen auf dem Idyll umgesehen habe, wähle ich dafür ein romantisches Restaurant auf einem Hügel mit runden Tischen unter Strohdächern, das ein höchst angenehmes Mahl verspricht. Auch hier ist das Service freundlich und ausgezeichnet und wird von in bunten Roben gekleidetem, indischem Personal zelebriert.
Es handelt sich dabei sozusagen um Inder der zweiten Kaste, denn die Elite dieser Zugewanderten hat sich entsprechend ihres religiösen Kastensystem längst in Verwaltung und gehobenen Positionen anderer Ämter etabliert.
Ile aux cerfs – Insel der Hirsche, die wie Schweine, Ziegen, Affen bereits von den Portugiesen aus Europa auf das ferne Eiland gebracht wurden….
Nach einem herrlichen Fischessen spaziere ich noch ein wenig herum, bewundere das unglaublich farbig kolorierte Meer, das eine Türkisfarbe wie im Bilderbuch präsentiert und dessen Strand von Mangrovenbäumen gesäumt wird.
An Baden oder Schnorcheln ist allerdings auch hier nicht zu denken, zumal ein so arger Wind aufgekommen ist, der mich in eine etwas geschützte Bar flüchten lässt. Da eine Bestellung erwartet wird, wähle ich Campari/Soda, der mir zu einem Preis von 110 Rupies, etwa 15/16,– DM doch sehr teuer erscheint. Dagegen empfand ich das Mittagessen mit Bier für 220 Rupies direkt billig.Trotzdem, das Inselchen, um das eine gehobene indische Atmosphäre schwebt, ist schön, auch wenn es bei der Rückfahrt wieder Wartezeit auf die Fähre und vor allem auf den Bus zurück nach Flic en Flac erst nach einigen Telefonaten klappt.
Wieder „daheim“ auf meiner Terrasse muss ich leider registrieren, dass meiner linken Hüfte der Ausflug gar nicht gefallen hat, bin aber entschlossen, mein Programm weiter wie geplant auszuführen.
Da steht als nächstes eine, ausdrücklich als Einkaufsfahrt deklarierte Tour ins Hochland an, die mich interessiert, da ich ein hübsches Geschenk suche. Außer mir nehmen nur 4 Engländer an diesem halbtägigem Extra-Ausflug teil. Ziel ist die Stadt Curepipe in 540 m Höhe, die durch eine verheerende Malaria-Epidemie in den Jahren 1866 – 1868 entstand, als viele wohlhabende Leute aus den verseuchten, tropischen Gebieten hinauf in die Berge flüchteten. In diesem kühleren Klima entstanden Häuser im Kolonialstil, Schulen wurden gebaut, elegante Geschäfte etablierten sich nach und nach… eine Stadt war geboren worden.
Das Wetter ist schön, endlich scheint die Sonne, sie verklärt die bizarren, kahlen Berge, die nach einer Weile erscheinen und zeichnet ein eindrucksvolles, kontrastreiches Landschaftsporträt das durch die davor leuchtenden grünen Wälder geprägt wird.
Beim ersten Halt unterwegs besteht noch keinerlei Kauflust und es geht weiter…
Der Besuch einer Juwelen-Erzeugnisstätte mit wunderschönen, in einer Vitrine zum Erwerb ausgestelltem Schmuck, verlockt mich sofort, aber es dauert eine Weile, bis ich mich zum Kauf eines sehr schönen, kleinen Armbandes entschließe.
Damit beginnen umständliche Formalitäten, die ganz offiziell einen zollfreien Empfang des goldenen mit Smaragden verzierten Stückes, ermöglichen. Formulare sind auszufüllen, Pass und Reiseticket vorzulegen, dann wird das Geschenk sorgfältig mit allen nötigen Angaben verpackt und zum Flughafen befördert. Ich erhalte nach Bezahlung einen blauen Zettel mit dem ich bei der Heimreise das Präsent vor Abflug in Empfang nehmen kann und hoffe, dass dieser Handel auch funktioniert.
Leider mussten die 4 Engländer bei der ganzen Prozedur als nicht am Einkauf Interessierte wegen mir, eine Stunde auf die Weiterfahrt warten.
Noch einmal steigen wir, ehe die Hauptstadt des Hochlandes erreicht ist, aus, um das Trou aux Cerfs, das „Hirschloch“ zu besichtigen.
Dabei handelt es sich um ein 650 m tiefes Kraterloch und an anderer Stelle um einen 80 m tiefen Kessel, von dem aber entlang des vorbeiführenden Weges nichts zu sehen ist. Dicht bewachsen von Kiefern, wird diese Erinnerung an die Entstehung der Insel verdeckt.
Ein herrlicher Blick auf den Norden und Südwesten Mauritius und vor allem auf Curepipe entschädigt für die Sicht auf das Fenster in die Vergangenheit.
Als Einkaufsstadt bekannt, wird uns anschließend im Zentrum der Stadt ein einstündiger Aufenthalt zugestanden, leider zu kurz für Besichtigungen, sodass ich auch lediglich ein paar Kleinigkeiten in einem chinesischen Geschäft erstehe. Die Kathedrale aus schwarzem Lavagestein kann ich von weitem wahrnehmen. Auch für die berühmte Statue von „Paul und Virgine“ vor dem Rathaus reicht die Zeit nicht. Diese bekannte Dichtung der französischen Literatur erzählt die rührende Geschichte einer Kinderliebe und das tragische Ende des unzertrennlichen Paares nach einem Schiffbruch, bei der Virgine das Leben verliert und Paul danach an gebrochenem Herzen stirbt.
Als Vorlage diente ein solches Unglück 1744 bei den Klippen vor der Hauptstadt St. Louis.
Da es bei meiner dritten gebuchten Fahrt nochmals einen längeren Aufenthalt in Curepipe geben soll, hebe ich mir das nähere Kennenlernen der Stadt dafür auf. Heute bläst auch ein kräftiger Wind und ich bin froh, dass es nun direkt zurück nach Flic en Flac geht und ich im Hotel meiner schmerzenden Hüfte Erholung bieten kann.
Den eigentlichen Zweck meiner Reise, das Schnorcheln, habe ich längst als illusorisch abgeschrieben, nicht nur der dafür ungeeignete Strand und meine Beschwerden verhindern es, auch der oft unangenehm kühle Wind lassen die Gelüste auf ein Badevergnügen verstummen.
Der zweite Tagesausflug bietet mir außer dem prächtigen botanischen Garten in Pampelmousses auch einen Aufenthalt in dem nicht so weit entfernten Port Louis, von dem damaligen, französischen Gouverneur 1740 als Hauptstadt erkoren und nach König Ludwig XIV benannt. Sie erlebte einen raschen Aufschwung bis das ungesunde Klima und die Malaria viele Leute der Oberschicht ins Hochland vertrieben..
Diesmal ist der Bus voll besetzt und ich erhalte einen Platz vorne beim Fahrer, was sehr angenehm ist.
Richtung Norden über Bambous an Zuckerrohrfeldern vorbei – aus der Ebene erhebt sich das charakteristische Montagne Bambous – fahren wir zunächst an der Hauptstadt vorbei Richtung Pampelmousses, dessen Name an die von den Holländern aus Java eingeführten Zitrusfrüchte, die hier gut gedeihen, erinnert. Durch die hübsche, von Bergen eingerahmte Landschaft, begleiten die Straße immer wieder abgeerntete Zuckerrohrfelder mit aufgetürmten Basalt, der für den Bau von Kirchen, etc. verwendet wird.
Wir kommen auch an einem chinesischen Friedhof mit den typischen kleinen Häuschen als Grabsteine vorbei, da viele hier lebende Chinesen katholisch sind.
Ein Fotostopp ermöglicht uns kurz die Bergkette mit dem 823 m hohen Pieter Both zu bewundern, benannt diesmal nach einem holländischen Admiral, der 2 spitze „Finger“ neben einem unweit platzierten, abgerundeten Berg, dem „Daumen“ zur Schau stellt.
Im Ort Pampelmousses befindet sich die älteste katholische Kirche von 1756 und um das Dorf gruppierte sich einst auch ein bedeutender Sklavenmarkt.
Ein pompöses, neu geweißtes, schmiedeeisernes Tor grenzt den Park, in dem es sehr ruhig ist und nur wenige Menschen zu sehen sind, ab.
Seltene Bäume und Gewächse und eine unglaubliche Vielfalt an Pflanzen überfallen hier den Besucher, so dass ich dankbar für die Erklärungen unserer sehr netten, jungen Reiseleiterin bin, ohne die man alle hier vorhandenen Raritäten nicht identifizieren könnte. Allein die vielen Palmenarten sind verwirrend…
Den Duft eines Weihrauchbaums erfährt man durch Riechen am Stamm. Von den zwei Muskatbäumen trägt nur der männliche Früchte und ist durch einen Zaun geschützt.
Riesige Gummibäume mit übermäßig dicker Wurzelverzweigung, wie ich sie in Südthailand im Dschungelkloster bewundert habe und die Dschungelriesen genannt wurden, könnten zumindest verwandt mit den hiesigen sein.
Wir begegnen Papageienbäumen und Krokodilpalmen (aus Brasilien), Affenbrotbäumen, Mahagonibäumen, echten Ebenholzbäumen und dem lustigen Sau-sage-Tree.
Herrlich auch der Seerosen-Teich, darunter die vom Amazonas stammende Viktoria Regia, die nur 2 Tage blüht, weiß am ersten, lila am zweiten, wenn sie verblüht. Seerosen aus Indien und Lotosblumen zieren ebenfalls dieses Gewässer.
Im ehemaligen Kolonialhaus hat die Parkverwaltung ihren Sitz und in einem Gehege leben Schildkröten aus Madagaskar, die mauretanische Art dieser Spezies ist indessen wie der Vogel Dodo längst ausgestorben.
Von der Artenvielfalt und Schönheit dieses Gartens benommen, fahren wir danach die 13 Meilen zurück zur Hauptstadt Port Luis und werden wieder im Zentrum für eigene Initiativen für 1 ½ Stunden aus dem Bus entlassen. Da ich mir, bzw. meiner Hüfte keine längeren Wege zumuten kann, bummle ich gemächlich in dieser geschäftigen, lebhaften, interessanten, aber nicht besonders schönen Stadt herum.
Eine kurze, breite Straße führt zum Markt hinauf…. da es in den Hallen dunkel und glitschig sein soll, vermeide ich deren Besichtigung. Auf den Straßen vor diesem Anziehungspunkt tut sich auch allerhand. Der Verkehr in der Stadt ist groß und das bunte Völkergemisch, das die Insel prägt wird hier überall sichtbar. Inderinnen in Saris ziehen vorüber, auf engstem Raum treffen sich Hindus, Tamilen, Kreolen, Chinesen und Araber… Hübsch wirkt die kurze Palmenallee, die zum Regierungsviertel führt.
Kurz vor unserer Abholung und Fahrt hinauf zur Zitadelle, beginnt es leider zu regnen, sodass wir den wirklich schönen Blick von hier auf die Stadt, den Hafen und die Berge nur in einheitlichem Grauton wahrnehmen können.
Ende des 19.Jahrhunderts wurde des ehemalige hübsche Kolonialstädtchen durch einen Zyklon und darauf folgenden Brand total zerstört.
Die Zitadelle, 1834 als Fort Adelaide von den Engländern erbaut, liegt auf einem Hügel, während die anglikanische St. James Kathedrale, der wir bei der Auffahrt begegneten auf den Mauern eines französischen Pulverlagers ihren Platz fand.
In der Absicht auch den dritten Ausflug – sicher den Interessantesten – in den Süden der Insel – zu bewältigen, stehe ich zeitgerecht auf und will mich gerade im Bad fertig machen…. da ein Stich und ich kann gerade noch das Bett erreichen, aber keine Bewegung ist ohne rasende Schmerzen möglich. Was tun? Wer soll mich hier finden? Ich rufe, aber niemand hört mich…. Meine Hoffnung ist das Telefon, das aber am anderen Ende des Doppelbettes, zunächst für mich nicht zu fassen ist.
Als es wegen meiner Abwesenheit zur vereinbarten Zeit einmal läutet, versuche ich unter großer Anstrengung den Hörer abzuheben, vergeblich…. Es wird mir klar, ich benötige einen Arzt und schiebe mich mit äußerster Anstrengung so weit vor, dass ich die Muschel greifen und in der Rezeption um einen Doktor bitten kann. Nach einer telefonischen Rückfrage kommt er auch, schlägt 2 Tage Krankenhausaufenthalt vor, der in Mauritius auch für Fremde kostenlos wäre, den ich aber absolut nicht will. Daraufhin übernimmt er die Behandlung, die jeden Tag bis zur Abfahrt, eine Spritze erfordert. Da ich keine Wahl habe, willige ich ein und nach geraumer Zeit, kann ich endlich die ersten Schritte wagen. Der indische Arzt ordnet auch an, dass ein Brett unter die Matratze gelegt werden müsse und obwohl ich bezweifelte, dass dies das Hotel befolgen würde, wird ein solches noch am selben Tag montiert.
Dass mit diesem Missgeschick die zweite Hälfte des Urlaubs einen anderen Verlauf als geplant nimmt, wird mir sofort klar.
Nun bin ich dazu verdammt, im Umfeld einer gepflegten Anlage die Tage untätig auf der Liege vor dem Swimmingpool zu verbringen, was sicherlich für viele Menschen ohnehin Sinn und Zweck eines Urlaubs darstellt.
Ich wollte mehr, wollte neben meinen sportlichen Ambitionen die Insel und seine Menschen kennen lernen, statt in der Enklave des abgeschirmten Touristenmilieus dem süßen Nichtstun zu frönen.
Nirgendwo sonst habe ich bisher die Ghetto artige Isolation und betont exklusive Betreuung von Gästen so deutlich wahrgenommen, wie auf Mauritius.
Ein Eldorado für Leute, die finanziell entsprechend ausgestattet, in zu diesem Zeitpunkt 29 Nobelherbergen mit jedem Komfort und allen sportlichen Einrichtungen versehen, in märchenhafter Umgebung, Abstand zur eigenen und fremden Wirklichkeit zu finden.
Von dem wahren Charakter und der eigenen Identität dieses Eilands im indischen Ozean konnte ich wenigstens bei 2 Tagesfahrten und einer Einkaufstour etwas ahnen und bin sehr dankbar dafür.
Nach einer täglichen Spritze an den sieben verbleibenden Tagen meines Urlaubs und einer recht saftigen Rechnung dafür – zum Glück hatte ich eine Reiseversicherung abgeschlossen – kann ich einigermaßen beweglich und zum Gehen fähig, die Heimreise antreten und auch das am Flughafen deponierte Geschenk in Empfang nehmen.
Als positives Erlebnis von dieser weiten Reise mit persönlichen Schwierigkeiten, nehme ich immerhin eine Zukunftshoffnung mit nach Hause:
In einer winzigen Oase inmitten des weiten Ozeans, die niemand gehörte, haben es verschiedene europäische Staaten, bei allem Eigennutz verstanden, ein buntes Gemisch von Völkern zu einem freundlichen und friedlichen Miteinander, trotz unterschiedlichem Lebensniveau und Glauben, zu vereinen.