Kastilien

Das geographische Herz Spaniens

Im Oktober des Jahres 1998, als bereits unser Hausrat, auf dem für mich wieder einmal fälligen Neustart auf der Insel KRETA gelandet ist, statte ich vor dem Weg nach Europas Südosten, auf einer Kurzreise nach Westen…SPANIEN einen Besuch ab.

Der Entschluss, meinen bisherigen Lebensraum – die Mitte Europas – zu verlassen, fällt um so leichter, da sich die seit Jahrhunderten immer wieder bekriegenden Staaten dieses Kontinents, endlich zu einer Union zusammengeschlossen haben. Leider können sich deren Mitglieder allerdings noch lange nicht zum gemeinsamen Handeln und Reagieren, auf eintretende Probleme durchringen.

Europas Außenposten Spanien – seit Urzeiten besiedelt – hat im Laufe der geschichtlichen Zeitläufe Höhen und Tiefen wie kaum eine andere Region erlebt und ihr Zentrum KASTILIEN quillt über vom kulturellen Erbe seiner Vergangenheit.
Trotzdem die Hauptstadt MADRID, verhältnismäßig jung, erst 1561, ein halbes Jahrhundert nach London und Paris – ganz zu schweigen von Athen und Rom – gegründet wurde, kennzeichnet sie eine bestechende Vitalität.

Auf einer Anhöhe des Rio Mazanares von Arabern zwischen 850 und 900 mit einem Festungsturm versehen, wuchs dieser „gesunde Hügel“ im weiter, bis sich aus dem im Mittelalter von Bauern, Schweinehirten und Weinhändlern, nebst jüdisch-moslemischen Minderheiten, die heutige Großstadt formte.

Der Flugplatz in Frankfurt verabschiedet mich zu früher Morgenstunde mit Nieselregen, während eine Weile später der Blick über die zum Teil schon mit Schnee bedeckten Pyrenäen begeistert. Wie stets bei Flügen, heißt es nach Ankunft in Madrid, nicht nur schnell die Klimaänderung, sondern auch den Wechsel des Milieus zu akzeptieren. In diesem Fall: Einzug ins Hotel und „Freizeit“ bis zum Treffpunkt mit der Studienreisegruppe und dem Reiseleiter am Abend, entsprechend zu nützen, denn jede Stunde Urlaub ist im ausgehenden 20. Jahrhundert kostbar geworden. Ich habe mich dafür bereits zu Hause mit einem Stadtplan ausgerüstet, um vorab allein ein wenig Madrider Luft zu schnuppern.

Die Warnung des Hotels vor Taschendieben, hoffe ich durch eine männliche Begleitung zu vermindern, die ich per Zufall von einer vorhergehenden Reise wieder getroffen habe. Mein Privatplan sieht einen Bummel durch den in der Nähe befindlichen Retiro-Park vor – der gerühmt als die „grüne Lunge“ der Stadt uns riesengroß mit Gartenanlagen, Ruhebänken, dem Estanque-See in der Größe eines Fußballfeldes, mit dem Hintergrund einer Art Gloriette, erwartet.
Auf diesem Teich, Überbleibsel des einst königlichen Parks von 1630, in dem einst „Seeschlachten“ inszeniert ein erlauchtes Publikum unterhielten, paddeln heute ein paar Boote und auf der Flaniermeile davor und versuchen sich ein paar Zeitgenossen als Spaßmacher.
Ein wenig müde spazieren wir an der Südseite des vergitterten botanischen Gartens vorbei, zurück zum Hotel. Längs der Straße desselben reihen sich verschlossene Stände aneinander… ein paar Geöffnete lassen vermuten, dass es sich um ein Antiquariat von beachtlicher Größe handelt.

In einem kleinen, für unsere Gruppe reservierten Raum des Hotels findet dann das Abendessen und erste Kontaktaufnahme mit den 18 Teilnehmern und dem Leiter dieser auf Kastilien und seine Kultur konzentrierten Reise, statt.
Eine Kultur, geboren aus Jahrhunderten höchst wechselvoller Geschichte mit grandiosen Blütezeiten, verheerenden Kriegen und Katastrophen.
Unser erstes Engagement am folgenden Morgen widmet sich dieser einzigartigen, paradoxerweise durch negative Ereignisse geprägten Epoche, die als „Sternstunden des Mittelalters“, gesammelt im
weltberühmten Prado-Museum, zu betrachten sind. Zusammen getragen von einem aufgeklärten Monarchen vor und nach weniger respektablen Herrschern, die Spaniens Krone trugen – Carlos III.
(1759 – 1788) – der auf dem Wiesengrund (Prado gleich Wiese) des alten Jeronimos Klosters den Spaten für eine neue, aufgeschlossene, vom katholischen Erzkonservatismus befreite Zukunft. ansetzte.

Nur eine kurze Busfahrt von unserem Hotel entfernt, müssen wir feststellen, dass dieses „Hauptquartier“ der spanischen Malerei, heute Sonntag von Menschenmassen frequentiert wird, die sich vor dem Eingang drängt.
Obwohl bevorzugt und von einem einheimischen Führer betreut, haben wir auch vor dem speziellen Seiteneingang, eine Wartezeit zu akzeptieren.
Um den Andrang zu bewältigen, sind die Führungen auf die Dauer von 1 ½ Stunden begrenzt, dem noch eine halbe Stunde „Bewegungsfreiheit“ angeschlossen ist, aber was bedeutet das für ein Museum mit einer Gemälde-Kollektion von ca. 7000 Werken aus aller Welt…?
Dass davon, zumindest zu dieser Zeit, nur ca. 1000 im Prado hängen und der Rest aus Platzmangel im Keller schmort, daran sollte man beim Besuch nicht denken. Jedenfalls gestaltet sich die Begegnung mit einem, auch nur äußerst geringen Teil der Meisterwerke, zu einem unvergesslichen Kunstgenuss.

Damit wir von der unglaublichen Fülle nicht allzu verwirrt werden, wählt der Führer nur wenige Gemälde für eine intensivere Betrachtung aus.
Von den rund. 50 im Museum vertretenen Bildnissen von Diego Velazquez de Silva sind es die „Las Meninas“ (die Kinder), einem Gemälde, das das Leben am spanischen Königshof zeigt, das mich durch die Leuchtkraft der Farben und die Raumwirkung, besonders fasziniert. Sehr interessant finde ich auch, dass es dem Künstler gelingt, den Darstellungen von kleinwüchsigen Menschen, die sich als Spaßmacher, Schelme, Possenreißer durchs Leben schlagen, trotz aller Verkommenheit, einen Rest von Würde zu verleihen.

Das großformatige Bildwerk der „Spinnerinnen“ und „Die Übergabe von Breda“ sind weitere beeindruckende Meisterleistungen des Malers, der 1599 in Sevilla geboren. 1660 in Madrid starb.
Wir eilen durch die schier endlosen Säle, halten kurz vor einigen Bildern von Murillo, von denen sich die meisten im Keller befinden.
Danach sind es die Räume, die Goyas Genie veranschaulichen, wo wir bei manchem länger zu Verweilen wünschten, ebenso wie uns die vielen einzigartigen Gemälde von El Greco viel zu rasch weiter treiben.

Vor dem Eingang zu einem Saal stauen sich besonders viele Menschen und als wir endlich eintreten können, präsentieren sich uns zwei große, nebeneinander ausgestellte Werke, jedes 266 x 345 cm groß,
die Goya’s Dokumentationen des „Madrider Aufstands vom 2.5.1806 gegen die Mameluken“ mit all‘ dem Kampfgewühl und dem Sterben von Menschen, dramatisch beschreiben.

Als offizieller Schlussakkord über einen winzigen Bruchteil der Sammlungen im Prado, schockieren uns Goyas sogenannte „schwarze Gemälde“ in einem Raum im Erdgeschoss. Sind es Albträume oder Schilderungen einer grausamen Wirklichkeit…einer von Krieg und Elend gepeinigten Gesellschaft? Goya in Saragossa geboren, war baskischer Abstammung, er starb 1828 und der Prado besitzt mit weit über 100 Gemälden die Hauptwerke seiner schöpferischen Tätigkeit.

In meinem Kopf gibt sich das Gesehene ein buntes Stelldichein, sodass ich mit der genehmigten halben Stunde Freizeit, nichts Sinnvolles anfangen kann. Wohin soll man sich auch wenden, in der Flucht von Sälen, die den Italienern wie Tizian, den Niederländern, außerdem den zahlreichen Retables gewidmet sind?
Ich versuche ein paar Werke von Hieronymus Bosch zu finden, doch die Zeit ist so knapp, die Beschriftungen ausschließlich in spanischer Sprache, dass ich mehr oder weniger daran vorbei laufe.

Um 12 Uhr ist Treffpunkt für die Stadtrundfahrt per Bus.
Was für ein lebhaftes, von Vitalität sprühendes Zentrum ist doch aus dem einstigen Marktflecken geworden, der erst 1561 von König Philipp II zur Hauptstadt gekürt wurde. Die einstige arabische Festung und das islamische Viertel Moreria kamen zwar bereits 1083 in kastilische Hände, aber über 400 weitere Jahre dämmerte der Ort danach unbedeutend vor sich hin. Als die entscheidende Wende stattfand, zentralisierte sich Spanien endlich und zog Künstler, Literaten, aber auch Bettler und Hochstapler an.

Die Stadtrundfahrt führt uns prächtige Paseos vor, schöne Viertel, teure Einkaufsgebiete, wundervolle Bauwerke, an dem mir schon bekannten Retiro-Park entlang zum neuen Bahnhof von Atocha, der auf schnellstem Weg Madrid mit Sevilla verbindet, begegnen uns danach aber auch hässlichen Viertel, ein Flohmarkt, Trabantenstädte mit roten Wohnblocks… nur ein flüchtiger Blick fällt auf die Kathedrale und den Königspalast und irgendwann, mitten am Verkehrsgewühl steigen wir schließlich aus. Ein Imbiss in einem kleinen Lokal wird fällig, der uns mit liebevoll servierten Tappa-Häppchen wie gefüllten Champignons, Schinken, Tortillas, Käse, etc., für den bevorstehenden Fußmarsch durch die Altstadt Madrids, stärkt.

Der morgendliche Regen ist einem feucht-warmen, trüben und grauen Wetter-Einerlei gewichen, in dem wir tapfer mit ziemlich müden Füßen zum Platz Espana stapfen, wo uns inmitten von Hochhäusern in einer kleinen Parkanlage das Denkmal des Dichters Cervantes mit seinem Schelm Don Quichotte, Sancho Pancha im Schlepptau, begrüßt.
Bergauf zum königlichen Schloss, das heute nicht mehr als königliche Residenz, sondern als Schauplatz von Festlichkeiten dient, erreichen wir das Denkmal Philipp IV. hoch zu Ross, das als schönste öffentliche Bildhauerarbeit einer vergangenen Ära, gerühmt wird.
Abwärts in die eigentliche Altstadt folgt der malerischen Plaza de Villa das Viertel der einstigen Räuberhöhlen, wo Schmugglerbanden ihren dunklen Geschäften frönten und sich heute teure Lokalitäten eingenistet haben, die keinerlei vergangene Romantik zulassen und auch die gegenüber befindlichen Jugendstil-Häuser zeugen lediglich von nüchterner Gegenwart.

Stufen führen von hier hinauf zur Plaza Major, dem Hauptplatz der Stadt, der im Mittelalter Schauplatz aller möglichen Belustigungen, einschl. Stierkämpfen und Vollstreckung von Inquisitionsurteilen war und als architektonisch schönster Platz der Stadt mit Cafés und Restaurants von einer Schafweide und wichtigstem Marktplatz, im Laufe der Jahrhunderte zur Flaniermeile der Hauptstadt avancierte.
8 Straßen mit Rundbögen münden in dieses prächtige Zentrum, in und um den wir zu gerne länger herum gestreift wären.
Danach treten wir den Rückweg zum Hotel an, spazieren leicht abwärts durch Straßen und Gassen mit Geschäften, in denen riesige Schinken hängen, um an der Porta del Sol, plötzlich geschockt, ein bedrückendes Stadtbild verkraften zu müssen.
Das Tor existiert zwar nicht mehr, aber in dem hier herrschenden enormen Betrieb, erschüttern uns die immer wieder am Straßenrand mit dem Kopf am Pflaster liegenden Gestrandeten der Großstadt. Drogenkranke, Bettler, die einen Becher um Almosen bittend den Vorbeigehenden entgegen recken. Dass es auf diesem Platz des „Sonnentores“ am 2. Mai 1808 zu einem Blutbad gekommen ist, darüber hat uns Goyas Gemälde „Dokumentation des Madrider Aufstands“ heute Vormittag im Museum deutlich informiert.
Ungewollt und erschreckend kehren die Szenen von Tod und Gewalt ins Gedächtnis zurück, werfen einen bitteren, blutigen Schatten auf die letzte Etappe unseres Weges durch die so interessante Stadt, zumal gerade an diesem einstigen Tor im Laufe des 19. Jahrhunderts immer wieder Gewaltakte, Aufstände stattgefunden hatten.
Zehn Straßen münden in die heutige Plaza, als erste erhielt sie elektrisches Licht und 1919 startete von hier, die erste Metro der Metropole.
Müde und verschwitzt peilen wir unser Hotel an, das umso entfernter anmutet, je vielfältiger uns das Gesehene und Erlebte belastet.

Als wir am nächsten Morgen per Bus Madrid verlassen, um Toledo anzusteuern, zeigt sich das Wetter grau in grau und nach Passage der schier endlosen Vororte und Erreichung offener Landschaft raubt uns heftiger Regen die Sicht auf abgeerntete und von der Sommerhitze verbrannte, gelbe Felder, gesprenkelt von eine paar Oliven- und anderen Bäumen. Diffuser, grauer Schleier verschluckt alle Konturen.

TOLEDO – was für ein einzigartiger Brennpunkt schöpferischen Geistes, aber auch menschlicher Tragödien hat sich da auf den Felsen um den Flussbogen des Tajo angesiedelt!!!
Vor ca. 4000 Jahren, hervorgegangen aus einer frühgeschichtlichen Gesellschaft von Bauern und Jägern, der Iberer, denen später Kelten folgten, als Toletum unter Roms Herrschaft, beendete nach 2 ½ Jahrhunderten eine unzufriedene jüdische Minderheit die Blüte der westgotischen Epoche. Sie öffnete den aus Nordafrika andrängenden Arabern die Tore nach Europa. Nach dieser Katastrophe prägten Araber 374 Jahre lang mit ihrem Wissen die Stadt am Tajo und als in Andalusien das Kalifat von Cordoba zusammenbrach, zog Toledo die dortige geistige Elite sofort in ihren Bann.

Als Glücksfall der Geschichte verstanden kluge Könige es, auch als 1085 Toledo wieder christlich wurde, die drei in ihren Mausern vertretenen Religionen – Juden, Christen und Muslime – in einer für alle vorteilhaften, friedlichen Koexistenz zu vereinen.
So wurde von Toledo aus zwar die Rückeroberung Spaniens für das Christentum betrieben, gleichzeitig aber auch die Stadt als Zentrum der Wissenschaft bewahrt und als solche zum Wegbereiter für Wissenschaft im westlichen Europa.
Nur Toledo hatte die Möglichkeit Erkenntnisse der Griechen, Perser und Araber ins Lateinische zu übersetzen und es damit zu verbreiten.
Leider gehören solche Fälle von Verstand und Toleranz in der menschlichen Gesellschaft auf der Ebene der Regierungskreise zu seltenen Ausnahmen und so folgte auch in Toledo der Glorie ein Niedergang in Form von Progromen und Vertreibungen Andersgläubiger aus religiösem Fanatismus.
Nach einem Bürgerkrieg und erst als Karl V. von Toledo als Regierungssitz aus Weltpolitik betrieb, erlebte die Stadt wieder internationalen Rang und zog Künstler, wie beispielsweise El Greco an.
Strömender Regen empfängt uns auf der Aussichtsplattform, die die prächtige Lage Toledos um die Flussschleife offenbart. Er verschlingt alle Farben und Kontraste lässt nur eine vage Vermutung von ihrer wahren Schönheit zu, in einem faszinierenden Panorama, in dem am höchsten Hügel als machtbewusster Koloss, der Alkazar thront.

Auch während der Auffahrt zu dieser vom Tejo-Fluss umschlungenen Stadt-Diva, verhüllt der eintönige graue Schleier ihre vollendeten Formen. Durch ein Tor erblicken wir dann das mächtige Bollwerk, in dessen unmittelbarer Nähe unser heutiges Nachtquartier liegt. Zwar restauriert sind die Blessuren zu ahnen, die dem Alkazar in wechselvoller Geschichte zugefügt wurden. Doch nicht er ist es, der uns heute als intensives Besichtigungsobjekt zugeteilt ist. Nach Ablieferung unseres Reisegepäcks – die Zimmer sind noch nicht bezugsfertig – zieht uns Toledos berühmte Kathedrale in ihren Bann.
Der Sieg des Christentums über den Islam musste schließlich durch den Bau einer riesigen Kathedrale gefeiert werden. So wurde 1226 der Grundstein für einen der prächtigsten Kirchentempel Europas gelegt.

Einst stand an dieser Stelle vermutlich ein römischer Tempel, der von einer frühchristlichen Basilika abgelöst wurde und dem im Wechselspiel der Religionen die Hauptmoschee des Islam folgte. 267 Jahre nach der Grundsteinlegung war das christliche Wunderwerk vollendet. 120m lang, fast 60m breit und im Mittelschiff mehr als 30m hoch.
Über steile Stufen und durch enge Gassen begeben wir uns zu diesem glanzvollen Monument hinunter, das von einem Häusermeer umschlossen ist und sich nur von einem einzigen Platz in der Stadt, einigermaßen aus der Nähe überblicken lässt.
Nach dem verwinkelten Abstieg stehen wir dann plötzlich vor einer Fassade, die sich erst später als Südportal, bzw. Löwentor entpuppt.
Das Gassengewirr, der Trubel um dieses christliche Wahrzeichen bezeugen, dass wir uns in einer einst arabischen Stadt befinden und sich das Zusammenwirken der verschiedenen hier beheimateten Kulturen in ihrem Stadtbild und dem baulichen Nachlass niedergeschlagen hat. Dies wird auch in der überaus üppigen Ausstattung der Kathedrale deutlich, wo Stilformen unterschiedlicher Ethnien ein überaus positives Stelldichein gefunden haben.

Als wir das Gotteshaus betreten, werden wir von der Farbenpracht der Fenster fast geblendet und befinden uns hier im Bereich der Mitte, wo wie überall in Spanien, sich der Chor etabliert hat. Wir wenden uns zunächst seinem äußeren Umgang zu, in dem spanisch-mudejarische Tradition mit gotischen Strukturen verbunden ist.
Der Chor selbst, abgeschirmt durch ein Gitter und nur mit Eintrittskarte betretbar, überfällt uns mit einer Fülle prachtvollen Chorgestühls, das in 2 Reihen gestaffelt, auf Klappstühlen mit Armlehnen eine solche Fülle von Schnitzereien präsentiert, dass es unmöglich ist, sich in kurzer Zeit inmitten einer Menschenmenge, einzelnen, ausdrucksvollen Szenerien zu widmen.
Unweit, ein Stück oberhalb des Chores schlägt dann das Herz der Kathedrale mit der Kapella Major, dem Hauptaltar, der ebenfalls von einem herrlichen vergoldeten, mit Statuetten, etc. geschmückten Eisengitter, dieses Zentrum der Kirche beschützt und nur zu ganz besonderen Anlässen aufgeschlossen wird.
Daher müssen auch wir versuchen, von der unglaublichen Vielfalt, der aus Lärchenholz gegliederten, riesigen Altarwand, die sich in 5 Bahnen und 4 Etagen erstreckt und von mehr als 20 Künstlern von 1500 – 1504 gestaltet wurde, so viel wie möglich durch die Stäbe zu erspähen. Hinter diesen präsentiert sich uns ein überwältigendes Puzzle von Szenen aus der Heilsgeschichte.
Auch die Rückseite von diesem Altarraum, die wir betreten können, brilliert von Marmor, Bronze und aufgetürmten Bildszenen, ein Szenarium das fast den Atem benimmt.
Im Kapitelsaal,ist es nach Durchschreiten des Vorraums, die Artesonado-Decke, die mit ihren wundervollen Mustern fasziniert.
Hölzerne Decken herzustellen war lange Zeit eine Spezialität spanisch-muslimischer Handwerker.
Eintrittspflichtgig, wie dieser Tagungsraum, ist auch der Besuch der an der Nordseite des Chorumgangs positionierten Sakristei.
Neben dem herrlichen Deckenfresko sind in diesem großen, rechteckigen Saal Gemälde von hervorragender Bedeutung zu bewundern, darunter viele Werke von El Greco.
Den Schlusspunkt der Besichtigungen in diesem Kunst-Eldorado bietet uns dann die Schatzkammer der Kathedrale mit einer 2 ½ m hohen und 200 kg schweren Monstranz aus purem Gold und Silber, die zu Fronleichnam durch die Stadt getragen wird. Das Edelmetall für diese 7-jährige Arbeit eines Kölner Meisters 1517- 24, stammt von den Transporten aus der Neuen Welt.
Völlig benommen verlassen wir die Kathedrale und ohne eine Ruhepause bei zum Glück nur leichten Regen geht es zu Fuß weiter zum nächsten Kunstgenuss, der uns in einer Seitenkapelle der geschlossenen Kirche mit dem Turm von Santo Tome, erwartet.
Hier begegnen wir dem größten an Ort und Stelle gemalten Werk von El Greco „Das Begräbnis des Conde Orgaz“ dem die Legende eines Lokalereignisses von 1323 zugrunde liegt, einem Geschehen, das vor über 200 Jahren stattfand.
El Greco, der aus Kreta stammende Grieche verstand es, diesen ungewöhnlichen Auftrag, den er anlässlich der Renovierung der Kapelle erhielt, durch kühne Komposition in ein koloristisch brillantes Bild umzusetzen.
Für unsere Gruppe ist es ein unerhörtes Erlebnis dieses riesige Gemälde zu betrachten, lediglich
das Gedränge der vielköpfig davor versammelten Menschenmenge, gerät zum Trauma.
Und weiter geht es ohne Unterbrechung bergauf, bergab, schier endlos durch schmale Gassen – gern
würde man wenigstens einmal Stehen bleiben, um den Reiz dieses Milieus mit den alten Häusern zu
genießen – aber der Reiseleiter mit seiner Gefolgschaft hastet unbeirrt vorwärts zur ehemaligen
Moschee Cristo de la Luz, die uns allerdings von neuem in eine Atmosphäre vergangener Herrlichkeit
versetzt.
Nun kommt sogar ein wenig die Sonne heraus, sodass wir von der Terrasse des kleinen Gartens, der
sich hinter der Moschee befindet, einen sehr schönen Blick auf die Stadt erleben.
Diese Moschee, hinter dem Valmardon-Tor gelegen stammt aus dem Jahr 999 und ist Vorläufer des
toledanischen Mudejar-Stils.
Reichlich müde treten wir danach den Rückweg zum Hauptplatz und Richtung Hotel an.
Es ist bereits früher Nachmittag, der Rest des Tages steht zur freien Verfügung. Das bedeutet für mich,
kleiner Imbiss in einem Restaurant – indessen geht draußen ein Platzregen nieder – und endlich
Bezug des Zimmers, in dem mich der Blick aus dem Fenster über Dächer auf die Kathedrale und eine
Festungskirche auf einem Hügel sofort begeistert. Nur die Drähte und Masten der Elektrik stören das
malerische Panorama. Als dann noch unerwartet die Sonne hervorkommt, hält mich nichts mehr im
Nachtquartier und ich spaziere los zu neuen Taten.
Nur wenige Schritte sind es hinunter zum Hauptplatz, dem Zocodover, mit zahlreichen Cafés… heute
wichtigstes Zentrum der Stadt, das einst als arabischer Viehmarkt genutzt wurde.
Und da lockt dann auch noch ein Touristenbähnchen zu einer Rundfahrt um Toledo, dem ich nicht
widerstehen kann.
Um nur ja alles genau überblicken zu können, wähle ich einen Sitz an der Seite, wo das Gefährt offene
Fenster hat. Die Bahn rumpelt los und sehr bald wird es dunkel und immer düsterer und
abermals setzt ein heftiger Regenguss ein.
Natürlich spritzt es kräftig durch das offene Fenster und neben mir haben sich 2 Engländer nieder
gelassen, die nicht einen Zentimeter zur Seite oder zusammenrücken, sodass ich Wind und Nässe ganz
schön zu spüren bekomme.
Trotzdem empfinde ich diese einstündige Fahrt einfach als zauberhaft. Wir schaukeln durch enge
Gassen, vorbei am Haupteingang des Alkazar, durch die Tore der Stadt sowie rund um dieses von der
Flusslandschaft umgebene Kleinod. An der Plaza Alyunamiento ist uns auch der einzige Nahblick auf
die Westfassade der Kathedrale vergönnt, ehe dann am Hauptplatz das nasse Erlebnis sein Ende findet.
Zu der Zeit tröpfelt es nur noch und zurück im Hotel scheint auch wieder die Sonne.
Ein Hohn, aber mir reicht es und ich verbringe die Zeit bis zum Abendessen um 8 Uhr mit „süßem
Nichtstun“ …jedenfalls haben mir die 4 Stunden Fußmarsch am Vormittag und das feuchte
Nachmittags-Unternehmen bewiesen, dass Toledo eine wundervolle und höchst interessante Stadt
verkörpert.
Noch ein Vormittag ist uns in diesem Schmelztiegel der Kulturen vergönnt:
Er beginnt mit der Sicht auf das Alltagsleben in dieser Schatzkammer und führt uns in die Markthalle,
an Ständen voll Fisch, Fleisch, Obst, Gemüse, etc. vorbei. Etwas orientalisch wirken dabei die Ziegen-
Schafsköpfe und Rindermäuler, die neben Kaninchen, Tauben, Wachteln alle mit bereits abgezogener
Haut, zum Kauf verlocken.
Zum Glück regnet es nicht mehr, denn wieder geht es bergauf, bergab, durch lange, schier endlose
Gassen zur ehemaligen Synagoge Santa Maria El Blanco, einem Meisterwerk des spanischen 13.
Jahrhunderts. Außen unscheinbar, fast schäbig, zeigt sie sich im Innern voller Harmonie und
Schönheit. 5-schiffig dehnt sich der Raum mit Hufeisenbogen wie eine Moschee aus.
Die Kapitelle der Achteckpfeiler tragen Blattwerk mit Pinienzapfen.
Die jüdische Bevölkerung ließ sich ihr Heiligtum im Zentrum ihres Viertels, vermutlich 1275 bauen.
Tragisch und wechselhaft jedoch war sein Schicksal, zur Zeit als Juden verfolgt wurden. Zu einer
Kirche umfunktioniert, wurde es 1550 Asyl für Bekehrte, Bethaus, Kaserne und Lagerhalle, bis man es
Ende des 19. Jahrhunderts als Kunstdenkmal restaurierte.
Danach steht uns als eine der Hauptsehenswürdigkeiten Toledos, die ganz in der Nähe befindliche
Kirche San Juan de los Reyes bevor, erbaut im Auftrag Isabellas der Katholischen. Mit ihr schuf ein
Bretone sein Meisterwerk und begründete den Stil Isabelino mit fließenden Formen und blühender
Ornamentik – eine Verschmelzung nordischer und orientalischer Formen.
Besonders intensiv widmen wir uns dem Kreuzgang, einem der schönsten in Spanien, der uns
zweigeschossig und sehr stimmungsvoll mit seinen Spitzbögen und Schmuckelementen lange zum
Verweilen verleitet.
In der Kirche fällt die Vielfalt und Pracht über der Vierung besonders auf, die im Kontrast zum
nüchternen Kirchenschiff steht.
Eine kleine Pause in einem hübschen Café, gibt uns Kraft für den weiten Rückweg zum Hotel, wo
wir lediglich unsere Gepäckstücke abholen, denn wir müssen uns von Toledo verabschieden und
winken vom Aussichtspunkt der Stadt ein letztes Lebewohl zu.
Unser heutiges Ziel ist Avila, das 1100 m hoch liegt und damit nicht nur die höchste, sondern auch eine
ganz alte Stadt in Spanien ist. Von der keltiberischen und westgotischen Zeit ist nichts übrig geblieben,

den Arabern war sie zu rau und selbst die nordafrikanischen Berber fanden sie unwirtlich.
Wir überqueren während dieser Fahrt die Hochebene des Zentralmassivs und wechseln von der Süd-
in die Nordmeseta. Rot- und Brauntöne herrschen in diesem weiten Hochplateau vor, alles ist
abgeerntet, die Landschaft wirkt flach. Viele Burgen stehen hier leer, die man zu einem symbolischen
Preis mit der Verpflichtung ihrer Erhaltung, erstehen könnte.
Nach einer Weile tauchen Hügel und Wälder auf …Pinien wurden hier neu aufgeforstet. Wir befinden
uns an der Scheide zwischen Süd und Nord ….auf der Straße herrscht so gut wie kein Verkehr.
In einer Mulde der Hügelkette erscheint der Ort San Martin. Ein bewaldeter Bergkegel ragt
neben der Straße in den blauen, von weißen Wolken bestückten Himmel.
Inmitten der Landschaft findet plötzlich ein Halt statt und wir steigen aus.
Der Grund: wenige Minuten westlich des Dorfes reihen sich hinter einer Steinbarriere 4 Stiere
aus Granit aneinander…sie stammen aus keltiberischer Zeit und sind als „Torros von Guisando“ die
bekanntesten Tierplastiken. Den Ort gibt es nicht mehr, ihre Bedeutung ist unklar. War es
Grenzmarkierung oder Kultort?
Auch in Avila existieren noch Granitstiere aus der Vergangenheit, aber nicht in derartiger Anordnung.
Die Straße steigt an, in Kurven geht es bergan durch eine imposante Landschaft, in Serpentinen
erreichen wir die Passhöhe mit fast 1400 m. Streng und fast baumlos umgibt uns die Ebene, als wir
uns Avila nähern, man sieht unterhalb die roten Vorstädte liegen.
Das eigentliche Erlebnis folgt jedoch danach mit der Fahrt entlang der unglaublich eindrucksvollen
Stadtmauern, die das Zentrum umgeben und in die sogar die Apsis der Kathedrale mit eingebaut
wurde.
12 m hoch und 2 250 m lang mit 88 Halbtürmen und 9 Toren wurden bei diesem Monster auch die
Steinhaufen des einstigen römischen Lagers, in den Jahren von 1090 – 1099, mit verarbeitet.
Avila lag als Grenzmark im breiten Niemandsland zwischen dem Zentralgebirge und den christlichen
Ländern Nordspaniens und war damit Plünderungen, Raubzügen und kurzfristigen Eroberungen
der jeweiligen Glaubensgegner ausgesetzt.
Erst infolge der christlichen Eroberung Toledos 1085 erlangte Avila als kastilische Stadt Bedeutung.
Wir fahren durch eines der Tore des berühmten Mauer-Trapezoids in die Stadt hinein, wo uns sogleich
ein kurzer Fußweg zu unserem heutigen Nachtquartier führt. Es besitzt stilvolle Zimmer und einen
hübschen, überdachten Patio.
Nach nur einem kurzen „Atemholen“ – der Mittagsimbiss ist heute ausgefallen – starten wir
schon etwas spät zur Besichtigung der Stadt.
Direkt schräg gegenüber dem Hotel befindet sich die Kathedrale El Salvador, die älteste unter den rund
30 gotischen Kirchen Spaniens.
Ich bin von dieser Bischofskirche sofort beeindruckt, die Helligkeit des hohen Raumes fällt angenehm
auf, verursacht allerdings durch das Erdbeben in Lissabon, das ihr Fensterglas zerstörte.
Romanisches Denken wird besonders im Chorraum deutlich, das aber bereits von gotischen Formen
inspiriert wird. Das wichtigste Kunstwerk befindet sich auf der Altar-Rückseite – das Alabaster-
Grabmal des Kardinal-Bischof, gestorben 1455, einem Philosoph und Schriftsteller mit scharfem
Verstand.
Nach dem Besuch von Kreuzgang und Sakristei spazieren wir zu Fuß weiter zur Kirche San Vicente,
entstanden um 1100 und gleichfalls hochinteressant, ein Höhepunkt der späten Romantik. Majestätisch
wirkt das Portal der Westfassade und auch hier geben sich Romanik und Gotik ein Stelldichein.
Die Krypta dieser Kirche, die wir ebenfalls aufsuchen, liegt außerhalb der Mauer und von ihrem
Vorplatz schweift unser Blick abermals über einen Teil dieses Wunderwerks.
Zurück in der Altstadt, begegnen wir einem kleineren Exemplar von Granitstier, streifen durch
Altstadtgassen zum nächsten Ziel, der Kirche der Heiligen Teresa von Avila, Spaniens berühmteste
Heilige nach Jakobus.
Sie gründete von 1567 bis 1582 18 Klöster, erinnert mich in ihrer mystischen Veranlagung, ihren
Visionen und dem Bemühen um Bildung der Frauen sehr an die Hildegard von Bingen aus dem
Rheingau.
Nach längerem Fußmarsch bei windigem, kühlen Wetter erreichen wir das Convento de la Santa,
erfreuen uns nochmals am Blick der zinnenbekrönten Stadtmauer, besuchen den Raum wo die
Gründerin des Ordens der „Unbeschuhten Karmeliterinnen“ (sie trugen Sandalen) geboren wurde und
auch das Museum mit allen möglichen Hinterlassenschaften der Heiligen, darunter auch die Reliquie
eines ihrer Finger.
Am Rückweg zum Hotel beginnt es leicht zu regnen, im Patio versuche ich mich mit einem Sandwich
zu stärken, da das Abendessen erst um ½ 9 Uhr stattfindet, leider gibt es zu dieser Zeit keines und so
erfüllt ein Glas Rotwein mit dazu gespendeten Chips denselben Zweck.
Nach einem reichhaltigen Frühstück am nächsten Morgen folgt der nächste Höhepunkt an kastilischen
Stadt-Schönheiten….. Salamanca!
Nicht nur Kunst im Übermaß – Spätgotik, Renaissance und Barock – erwartet uns, auch Urbanität und
nicht zu vergessen die Faszination seiner Bauwerke aus einem Kalkstein in Ocker und Braungold,
der abends Rosenrot leuchtet, werden uns dort begeistern.
Wir steuern es über die Hochebene der Meseta bei Sonnenschein, aber empfindlicher Kälte an und
halten kurz vor der römischen Brücke. Beim Spaziergang über dieses alte Relikt, von dem immerhin
11 Bogen eine verheerende Sturmflut des sonst friedlichen Rio Tormes Anfang des 17. Jahrhunderts

überstanden haben, registrieren wir den ersten, viel versprechenden Eindruck von dieser auf einem
Hügel gelegenen Diva und ihrer Kathedrale, in der 3 Baustile miteinander friedlich und harmonisch
miteinander konkurrieren.
In der Mitte dieser Puente romana zeugt wieder ein Granitstier – oder ist es, wie viele behaupten,
ein zu groß geratener Keiler ? – vom Totemtier der keltiberischen Ureinwohner, die sich lange gegen
Karthago und Rom behaupteten.
Ruck-zuck folgt wie gewohnt dem Panorama, die Fahrt zum Hotel der heutigen Übernachtung, in dem
wir wieder erst einmal unser Gepäck deponieren und zu Fuß zu den Besichtigungen losmarschieren.
Das Quartier befindet sich im Zentrum direkt vor der Plaza Major und durch die Fußgängerzone
erreichen wir die „Neue Kathedrale“, deren Westfassade die ganze Üppigkeit der Isabellinischen Gotik
entfaltet und das Auge blendet.
Der 108 m hohe Turm drohte durch das Erdbeben von Lissabon einzustürzen, konnte aber durch
eine Ummantelung stabilisiert werden. Erst 220 Jahre nach der Grundsteinlegung, konnte sie 1733
eingeweiht werden. Durch den hohen Raum und die wuchtigen Säulen imponiert auch das Innere der
Kirche, doch das eigentliche Erlebnis bietet uns danach die „Alte Kathedrale“, zu der wir anschließend
einen direkten Zugang haben.
Ab etwa 1150 wuchs sie auf dem Boden westgotischer und islamischer Bauwerke empor und war
spätestens 1289 abgeschlossen.
Sehr seltsam empfinde ich, dass man bei ihrem Besuch sehr plötzlich in eine andere Welt versetzt wird.
Die romanische Atmosphäre breitet sich dunkler über das Gebäude, bis man unter der genialen Kuppel
vor dem in Gold getauchten Hochaltar, plötzlich in eine höhere Dimension blickt. Den nächsten
Höhepunkt liefert der Altarraum, wo das muldenförmige Retablo Major, eine 53-teilige Erzählwand mit
der „Virgen de la Vega im Zentrum – Salamancas Schutzpatronin in purem Gold – alle Erwartungen
übertrifft.
Im Kreuzgang, in dem das Erdbeben von Lissabon die meisten Gewölbe und Arkaden zerstört hat,
besuchen wir die Kapelle Santa Barbara mit dem Sarg eines Bischofs, zu dem einst die Prüflinge
der Universität in der Hoffnung auf Inspiration, pilgerten.
Ganz besonders interessant ist hier auch die Kapelle Anaya mit dem Mausoleum des Erzbischofs von
Sevilla.
In unmittelbarer Nähe der Kathedrale steuern wir die nächste Attraktion, Salamancas Alte Universität,
bzw. deren berühmte, platereske Westfassade an, die als bebilderter, steinerner Vorhang vom großen
Platz vor dem Gebäude, zum Schauen und Entziffern ihrer vielen Botschaften verlockt.
Von unbekannten Schöpfern im „Estilo platereske“ – führender Architekturstil Spaniens in der ersten
Hälfte des 16.Jahrhunderts – gestaltet, verkörpert er eine Mischung aus spanisch-muselmanischen,
dekorativen Flächenschmuck.
Ein herrliches Beispiel für die friedliche Vermischung zweier Kulturen, die politisch einander brutal
bekämpften.
Lange bestaunen wir die Fassade, ehe wir uns dieser, die neben Bologna, Paris und Oxford einst
Europas traditionsreichste Universität darstellte, widmen. Ihr Nimbus strahlte bis zu den dunklen
Zeiten der Inquisition und deren Folgen und erst seit 1987, nachdem die UNESCO diese Institution
zum Weltkulturerbe deklarierte, wird sie ihrer Rolle, als Vertreterin von Salamancas Ruhm, wieder
gerecht.
Begonnen hatte alles 1415 mit einem Hauptgebäude und Hörsälen rund um einen Innenhof und wir
machen uns auf den Weg wenigstens einem Teil der ehrwürdigen Hallen und Räume einen Besuch
abzustatten.
Die alten Fakultätssäle, die Aula, ein Blick in die Universitätskapelle, die herrliche Steintreppe zum Obergeschoss, in deren Brüstung ein buntes Treiben von Tänzern, Trommlern usw. gemeißelt ist, versetzt uns ins Milieu der Studenten….der Claustro alto begeistert mit einer Artesonado-Decke und die Alte Bibliothek lässt uns ihren unglaublichen Reichtum durch ein Glasfenster ahnen. Vor der Hauptfassade am Platz Escueles Menores befinden sich weitere Gebäude und Trakte der Universität, die wir kurz registrieren und durch enge Gassen zur Rua Mayor spazieren, um hier das „Muschelhaus“ in Augenschein zu nehmen.
Welch‘ ein Kuriosum, das hier ein Mitglied des Santiago-Ordens in Auftrag gab! Hunderte von Muscheln breiten sich auf seiner Fassade aus und heute dient der seltsame Bau als Kulturzentrum. Den Abschluss des heutigen Vormittagsprogrammes bietet uns die Plaza Mayor, Salamancas Stadtplatz, den Viele für den schönsten in Spanien halten. Da der Nachmittag wieder frei ist, können zunächst die Zimmer bezogen werden.

Ein guter, aber teurer Imbiss in einem kleinen Restaurant stärkt mich für den nachmittäglichen Alleingang durch die hübsche Zamora-Straße entlang mit Straßenlaternen und repräsentativen Gebäuden, Adelspalästen in dem typischen gelb getöntem Gestein über zwei Plätze hinweg und zurück zum Hotel für eine Ruhepause.
Um ½ 6 Uhr treibt es mich dann aber nochmals hinaus und siehe da, jetzt herrscht Leben auf allen Straßen und Plätzen, die davor so leer erschienen. Die Siesta ist vorbei und das Bummeln durch das bunte Treiben gerät zum Vergnügen.
Das gemeinsame Fischessen am Abend, in einem Lokal nahe unseres Hotels bietet uns Spezialitäten, nur sitzt man so eng beisammen, kann sich kaum bewegen, was den Genuss leicht beeinträchtigt. Dass am nächsten, unserem vorletzten Reisetag die Sonne scheint, empfinden wir als besonderes Geschenk.
Unser Ziel ist die Stadt Segovia, aber davor erwartet uns noch die Besichtigung der Burg von Coco, die dann nach einiger Zeit wie ein Märchenschloss aus der Landschaft empor taucht.
Rosarote Mauern, Zierbänder, Zinnen und Bogenfriese lassen sie als orientalischen Fremdling in der Nähe des einstigen, römischen Cuenca erscheinen, der nun als einsame Laune eines Prunk liebenden, extravaganten Erzbischofs des 15. Jahrhunderts vor sich hin träumt. Auf einem Pfad spazieren wir rund um das kolossale Prachtexemplar, dessen Mauern schon Risse aufweisen, herum und werden informiert, dass das verwendete Ziegelmaterial nur Hülle für eine Baumasse aus Schutt und Zementschlamm darstellt.

All‘ der Luxus und Glanz, mit dem einst diese Marotte eines in Geld schwimmenden Kirchenmannes ausgestattet war, ist dem Ausverkauf im 19. Jahrhundert zum Opfer gefallen und heute schaltet und waltet darin eine staatliche Kommission für Wald und Forst. Auch der Wassergraben, der dieses Zeugnis grenzenloser Prahlsucht einst umgab, ist längst ausgetrocknet. Eben und weitläufig, mit abgeernteten Äckern begleitet uns die Landschaft in Richtung Segovia und auch die Sonne ist wieder hinter Wolken verschwunden.

Durch ein Tor der Stadtmauer nähern wir uns dicht unterhalb und entlang des Alkazars mit wunderschönen Blick auf die Kathedrale, unserm heutigen Nachtquartier, dem Hotel „Los Acros“, beziehen die Zimmer und brechen nach kurzer Ruhepause und Imbiss um ½ 4 Uhr zu den Besichtigungen um und in dieser kastilischen Stadt auf. Zuerst steht die romanische Templerkirche Santa Cruz inmitten einer einsamen Landschaft auf dem Plan, die per Bus angesteuert wird. Leider ist es sehr trüb, fast schwarz geworden und der Wind bläst kalt. Wie verloren wirkt dieses im 13. Jahrhundert erbaute Relikt des Templerordens in der einsamen Hügellandschaft, bietet aber einen sehr schönen Blick auf den Alkazar, die Stadtfestung von Segovia. Dass diese fast ein etwas verändertes Duplikat vom bayrischen König Ludwig seinem Neuschwanstein zu sein scheint, verdankt sie dem verheerenden Brand von 1862, nach dem sie im romantischen Geschmack der Zeit, wieder aufgebaut wurde.

Die Kirche, die nach der fragwürdigen Liquidierung des Templerordens, nun den Maltesern gehört finde ich jedenfalls sehr interessant und….um wie jeden Tag die Besichtigungen zu Fuß zu absolvieren, entlässt uns der Bus bei der Rückfahrt am Fuße des Alkazars, wo eine steile Treppe in Kehren auf den 80 m hohen Felsenkliff auf dem sie thront, empor führt. Diese Zumutung empfinde ich als ziemlich anstrengend, obwohl natürlich der Blick von hier oben einerseits auf die Kirche im weiten Feld und andererseits die Kathedrale von Segovia, außerordentlich attraktiv ist. Der Abstieg erfolgt durch eine schmale Straße, vorbei an der Kirche St. Esteban, die wunderbare Säulenkapitelle und einen interessanten Turm besitzt.
Bevor wir uns der Besichtigung der Kathedrale zuwenden, folgt der Besuch eines kleinen Museums, das einem französischen Literaten gewidmet ist, der hier als Professor von 1919 – 1932 lebte und arbeitete.
Es sind einfache Räumlichkeiten, erreichbar über eine Holztreppe und von einem der Fenster bietet sich ein zauberhafter Blick über Ziegeldächer hinweg bis zum Kathedralenturm.
Zurück auf der Straße beginnt es zu regnen, aber nach wenigen Schritten nimmt uns dieses Gotteshaus, das auf dem Boden des einstigen jüdischen Stadtviertels mit der Synagoge 1525 begonnen wurde, unter ihre Fittiche. Es besitzt eine große Ähnlichkeit mit der neuen Kathedrale in Salamanca und wir widmen uns ihm ausgiebig. Es vermittelt pure Architektur und ist fast schmucklos, dafür voll Eleganz in seiner Linienführung.

Von der Plaza Mayor, dem Zentrum Segovias spazieren wir danach gemeinsam hinunter in Richtung des berühmten Aquäduktes und kommen an hübschen Palästen mit aristokratischen Fassaden vorbei. Leider ist in der schmalen Gasse, die zu diesem römischen Prachtrelikt führt, das Straßenpflaster aufgerissen, sodass man sich auf dem Stück verbliebenem Trottoir durch die Menschenmenge zwängen muss. Dabei entdecke ich auch die Casa de los Picos, den auffälligsten aller Adelspaläste.

Unten am Aquädukt wird ebenfalls gehämmert und gebaut und es herrscht ein riesiger Lärm. Aber dieses antike Wunder, das die Straße und weit darüber, überspannt, wirkt atemberaubend gewaltig.
Weltberühmt, spannt sich diese 700 m lange Wasserleitung über die Plaza Azoguejo. Ob unter Augustus oder Trajan entstanden, darüber sind sich die Experten nicht einig. Gebaut aus mörtellos geschichteten Granitquadern mit 166 Bögen, die weit im Osten an der Straße nach Madrid beginnen und zuletzt 28 m hoch, doppelstöckig über die Plaza del Azogujeo laufen, transportierte dieses antike Meisterwerk 1974 noch frisches Quellwasser aus der Sierra nach Segovia.

Warum ein derart aufwendiges Relikt der Römer sich über eine Stadt ausbreitete, in der keine anderen Hinterlassenschaften dieser einstigen Weltmacht, wie z.B. Amphitheater, Zirkus, etc. von ihrer einstigen Präsenz zeugen, darüber kann man nur spekulieren. Segovia ist heute eine lebhafte Stadt, in der die Moslem mit ihrem Souk ebenso vertreten waren, wie die Geschlechtertürme und noblen Häuserfassaden vom Reichtum der Tuchhändler erzählen. An diesem Aquädukt, das einen Höhepunkt der heutigen Besichtigungen darstellt, trennt sich die Gruppe, um je nach Lust und Laune eigene Wege zurück zum Hotel zu absolvieren, auf denen es noch so manches Kleinod nebenbei zu registrieren gibt. Ein längerer Aufenthalt in Segovia hätte sich gelohnt, aber unerbittlich naht am nächsten Morgen mit einer letzten Busfahrt, der Abschied von Kastilien. Und dieses Unternehmen beginnt mit einem grau in grau gefärbten Tag und Regen, zudem ist es kalt wie in nördlichen Breiten.
Schon bald tauchen Berge auf, über einen 1800 m hohen Pass überqueren wir in einem Tunnel die Meseta und gelangen in ihren südlichen Abschnitt.
Auf dem Weg zurück nach Madrid ist vor allem die Begegnung mit dem Escorial Pantheon-Kloster-Königspalast, als sozusagen eigene Residenzstadt, vorgesehen.
Dieser von König Philipp II., Sohn Karl des V. in die spanische Welt gesetzte Komplex wurde von dem erzkatholischen, der Kirche und der Inquisition verpflichteten Monarch 1595 feierlich eingeweiht… zu einer Zeit, da das von seinen Vorgängern – Isabella der Katholischen und Ferdinand von Aragon – zum Weltreich emporgestiegene Spanien mit seinen Kolonien, bereits dem Niedergang entgegensah und den ersten Bankrott anmelden musste.
Die Einweihung des Monsters soll seinerzeit durch zig-tausende Lampen noch im 100 km entfernten Toledo zu sehen gewesen sein.

Als Abschieds-Debüt wird unserer Gruppe dieses El Escorial – Europas kostspieligstes Bauwerk – das ständig 1900 Arbeiter beschäftigt hatte und mit Korridoren und Höfen eine Länge von 150 km in 1000 m Höhe zu bieten hat, an diesem ungemütlich kühlen Tag eingehend vorgeführt. Natürlich stauen sich vor dieser Sehenswürdigkeit ersten Rangen bereits Autobusse und Menschenmassen. Eine einheimische Führerin geleitet uns zu den wichtigsten Gebäudeteilen, in einem Areal, in dem man sich allein verlaufen würde.

Die Räumlichkeiten Philipp II stimmen uns erst einmal auf diesen riesigen Palast ein. Der Monarch verlor sehr jung seine Mutter und auch die 4 Frauen mit denen er verheiratet war, hatte Probleme mit männlichen Nachkommen und zog sich verbittert nach dem Verlust der vierten Ehefrau in seinen Palast als asketischer Mönch zurück. Er litt an Gicht und musste viel liegen. Unser Rundgang führt uns auch in jenes Zimmer, wo er vom Bett aus, durch eine Glastür die Messe im Altarraum verfolgen konnte.

Nach den königlichen Gemächern steigen wir über einen zur Gänze aus Marmor und Bronze bestehenden Treppengang zu den Königsgruften hinunter, wo in einem prächtigen Oktogon übereinander gestaffelt, die diversen spanischen Potentaten ihre letzte Ruhe fanden. Die Königinnen und Infanten ruhen in weniger glanzvollem Rahmen in verschiedenen anderen Räumen, darunter auch der hochbegabte „Bastard“ Don Juan de Austria, der einem Liebesverhältnis Karl V. mit einer Regensburger Bürgerlichen entstammte. Erzogen von einer Prinzessin wurde die Mutter ins Kloster verbannt.
Zurück aus den Totengrüften, wieder im Tageslicht, gelangen wir über einen großen Hof in die sehr interessante Bibliothek und den Schlusspunkt setzt natürlich die Klosterkirche, ein gewaltiger, mit einer Kuppel gekrönter Raum, der mit den Königlichen Gemächern verbunden ist.
Von den Sälen mit Gemälden sehen wir leider nichts, sondern kehren nach Madrid zurück und beziehen dort Zimmer im gleichen Hotel wie bei der Ankunft.

Da der Nachmittag frei ist, entschließe ich mich zum Besuch des Museums Centro de Arte Reina, das Spaniens Königin nach umfassender Renovierung in einem ehemaligen Hospital, gestiftet hat. In der verwirrend großen Ausstellungsfläche suche ich vor allem Picassos Gemälde „Guernica“, das ich 1959 in New York gesehen habe und das erst nach dem Tode Francos nach Spanien zurückkehrte.

Allerdings werde ich sehr enttäuscht, denn in New York füllte das Werk im Museum of Modern Art die ganze Wand eines sehr kleinen Raumes, während es hier zwar in der Mitte, aber umgeben von weiteren Picasso Bildern und den Durchgängen zu anderen Sälen, präsentiert wird. Außer von Salvador Dali’s „Ein Mädchen vor dem Fenster“ bin ich nicht allzu beeindruckt von der Vielzahl der ausgestellten Gemälde der Moderne. Es ist wie Hohn, am Abreisetag, den ein gemütliches Frühstück einleitet, scheint draußen wundervoll die Sonne.

Zwar müssen die Zimmer bis Mittag geräumt sein, das Gepäck wird aber auch bei diesem letzten Akt der Reise in der Rezeption deponiert, sodass bis zur Abholung am Nachmittag, Eigeninitiative gefragt ist. Ich entscheide mich für den Besuch des Museum Thyssen, nahe dem Hotel, das als neueste Attraktion der Hauptstadt gilt, erst vor kurzem eröffnet wurde und in dem völlig modernisierten Palacio de Villahermosa, der früher dem Prado angegliedert war, untergebracht ist. Es beherbergt die Sammlung Thyssen-Bornemisza, eine der größten und wertvollsten Privatsammlungen der Welt.

Durch die Räume mit den Gemälden der „Alten Meister und klassischen Moderne“ spaziere ich über 2 Stunden herum und entdecke viel Interessantes von Malern wie Cezanne, Degas, Manet, Chagall, Franz Macke und auch einen Picasso.

Hochzufrieden kehre ich ins Hotel zurück und beabsichtige mit einem feudalen Essen, mit eigens dafür nochmals umgewechselten Peseten, diese herrliche Kunstreise kulinarisch zu krönen. Leider entspricht das Iberische Fischgericht mit scharf gebratenen Sardinen, Lachstreifen und Tintenfischringen, als teurer Spaß, nicht meinen Vorstellungen.
Auch die endgültige Schlusszeremonie der Abholung unserer Gruppe vom ach so faszinierenden europäischen Westen ist mit aufregenden Turbulenzen gewürzt….2 Damen wurden zu guter Letzt unterwegs, die Handtaschen mit Geld, Pässen und Flugscheinen entrissen.
Bereits gestern wurde der Diebstahl von Geldbörse und Kreditkarte bei einem Ehepaar gemeldet, was einen ersten Schatten auf die sympathischen Spanier warf. Ohne Geld tauchte die Börse immerhin heute wieder auf.

Infolge der fehlenden Tickets der heute Betroffenen gibt es dann Verzögerungen am Flughafen. Kurz vor dem Start erscheint jedoch die Polizei und die beiden Damen erhalten ihre Handtaschen mit den Papieren wieder, natürlich ebenfalls ohne Geld.
Zurück im vor winterlichen Deutschland stehen die folgenden Tage bei mir noch voll im Zeichen der in so unglaublich kurzer Zeit erlebten Vielfalt, die uns Kastilien – das Herz Spaniens – beschert hat. Und erst jetzt in der Nüchternheit des wiedergekehrten Alltags wird mir der Wert und die Bedeutung dieser von verschiedenen Kulturen geprägten, spanischen Kunst, so richtig bewusst. Dabei verfolgt mich jedoch immer wieder der Gedanke: warum gelingt es den Völkern nicht, fremdes Kulturgut zu schätzen und daraus zu lernen?
Nur in Zeiten, in denen ein Potentat, ganz gleich aus welchem Lager, ob aus der Demokratie oder aus Dynastien hervorgegangen, die allzu seltene Gabe von Toleranz und kosmopolitischen Geist mit einbringt, gewinnt die Weltgeschichte zumindest für einige Zeit an Wert und die Aussicht auf eine vernünftige Zukunft!
Leider müssen im allgemeinen Religionen für die menschliche Sucht nach Macht und Herrschaft, die Gier nach Geld und Besitz, herhalten sowie Kriege, Leid und Tod rechtfertigen, die seit Jahrtausenden die menschliche Spezies terrorisieren.
Aber nur wenn es der bisher am weitesten fortgeschrittenen Art auf diesem irdischen Planeten gelingt, ihren Raubtier-Charakter zu zähmen, wird sie im Sphärenkonzert des Kosmos weiter mitspielen können.