neuer Staat auf altem Territorium
Im März des Jahres 1987 entschließe ich mich zu einer Rundreise durch das seit 1948 als „Israel“ in die einstige Levante, an der Drehscheibe von Orient und Okzident, eingepasste Gebiet Palästinas.
In biblischen Zeiten in kleine Staatsgebilde wie Samaria, Galiläa, etc. aufgespalten, löste sich eines Tages der Stamm der Juden aus den anderen, nomadischen Völkerschaften, indem er dem Pantheon der heidnischen Götter, einen einzigen Weltenherrscher entgegensetzte und inthronisierte.
Eine Errungenschaft, durch die sich die Mitglieder als „Erwählte“ betrachteten und allen Versuchungen seitens der alten Götzen, erfolgreich abschworen.
Damals begannen die Flammen von Krieg auf diesem Boden aufzuleuchten, die bis heute weiter lodern.
Aber war es wirklich der „Überirdische“, der wieder einmal den Zündstoff für die Gemetzel seiner irdischen Gefolgschaft lieferte?
Immer wieder angegriffen und vertrieben überlebte das Judentum schließlich, verstreut in aller Welt, bis es durch die Ideologie der Nazis an den Rand der Vernichtung getrieben wurde.
Jetzt war die Zeit gekommen, die ewige Sehnsucht nach dem Land der Väter, endgültig zu besiegeln. War es nicht das gute Recht der immer wieder im Laufe der Geschichte Verfolgten, ihre endgültige Bleibe in diesem Distrikt der Ahnen zu etablieren… ?
Doch das Recht des Einen gerät leicht zum Unrecht des Anderen…
So stöhnen nunmehr die auf ein noch kleiner zusammen geschrumpftes Gebiet oder in Nachbarländer getriebenen Palästinenser unter dem neuen Profil der Landkarte und der Brandherd schwelt und schwelt… zumal 1967 in einem 6-Tage-Krieg, Israels Grenzen um ein weiteres Stück in Richtung der arabischen Nachbarn verschoben wurden.
Auf solch‘ ein zwiespältiges Territorium begebe ich mich also Anfang März 1987 und lande am Air-Port in Tel Aviv, der Hauptstadt Israels.
Bange Fragen bedrängen mich: wie wird man mich und unsere Reisegruppe als Angehörige eines Volkes empfangen, das Millionen von ihren Brüdern und Schwestern, in den Tod geschickt hat?
Höflich, korrekt, werden die Grenzformalitäten und die Gepäckkontrolle durchgeführt, Ressentiments sind nicht spürbar… wir gelten als Touristen.
Tel Aviv, die Stadt an den Ufern des Mittelmeeres ist jung, erst 1909 aus der Vereinigung mit dem uralten Jaffa – jetzt Vorstadt – hervorgegangen.
Ein Spaziergang führt mich gemeinsam mit der Gruppe durch dieses neue Zentrum des Staates Israel, wobei wir auch über den Obst- und Gemüsemarkt – den größten des Landes – bummeln.
Attraktiv aufeinander gestapelt, füllen pralle Südfrüchte die Stände.
Da löst sich plötzlich eine pausbackige Orange vom künstlichen Berg und fällt zur Erde. Eine Dame aus unserem Kreis bückt sich, um den Ausreißer, zurück neben die anderen Früchte zu holen.
In diesem Moment passiert etwas Unerwartetes und sehr Bedrückendes:
Ein Mann in schwarzem Kaftan, mit Bart und rundem Hut am Kopf, dem seitlich zwei gedrehte Haarsträhne um die Ohren baumeln, verhindert schimpfend ihr Vorhaben.
Dies wäre der Stand eines Arabers, den brauchte man nicht zu bedienen und zu helfen; einem Juden ja, einem Araber niemals!
So bleibt das unschuldige Stück Obst, dem Verderben am Straßenrand ausgeliefert.
Ein hässliches Beispiel von Glaubens-Fanatismus, wie es ihn in allen Religionen gegeben hat und leider immer noch gibt.
Fanatismus… der Todfeind jeden echten Glaubens, jeder Ideologie und wie beim Nationalismus, Totengräber von Menschlichkeit und Toleranz!
Wenige Tage später werden wir im orthodoxen jüdischen Viertel von Jerusalem, noch einmal mit dieser Abart von Religiosität konfrontiert.
Nur vom Bus aus dürfen wir den Betrieb in diesem Distrikt beobachten. Aussteigen wäre zu gefährlich, erklärt der junge, aufgeschlossene, israelische Reiseleiter.
Schon die einheitliche und typische Kleidung der Männer in dieser Enklave, betont ihre extreme Ablehnung gegenüber der kleinsten Abweichung vom, ihrer Meinung nach einzig richtigen Pfad der Vorväter. Alles muss so bleiben, wie es vor 2 ½ Jahrtausenden verkündet wurde, eine Veränderung wäre Sünde… Frauen sieht man nur selten auf diesen Straßen…
Ein Plakat an einem Kiosk zeigte einmal ein dürftig bekleidetes Mädchen. Die Reaktion der Orthodoxen: Das Kiosk wurde niedergebrannt!
Natürlich handelt es sich bei den Orthodoxen, um eine Minderheit, dennoch bedeutet sie eine Gefahr für die Gesamtheit.
Und wehe, wenn einer aus dieser unbelehrbaren Clique durch irgendwelche Umstände an die Macht gespült würde…
Ehe wir uns von der beeindruckendsten Stadt des Vorderen Orient – vielleicht sogar des ganzen Erdenrunds – JERUSALEM einfangen lassen, werden wir während unseres Aufenthalts in Israel mit einem Wust an Vergangenheits-Bewältigung… mit Kriegen, Siegen, Heldentaten, Erfolgen, Tod und Not konfrontiert.
Historie und Glaube sind in diesem Land so eng miteinander verwoben, dass oft nicht zu unterscheiden ist, wo die Trennungslinie verläuft. Wo beginnt Wissen, in einem Land das im Auf und Ab der Zeiten wieder und wieder zerstört wurde und heute aus den Kultur-Ruinen der Jahrtausende schöpft und darauf neu baut.
Der Stadt Tel Aviv folgen nach 54 km die steinernen Reste von Caesarea, von Herodes 22 vor Chr als römische Hauptstadt Palästinas angelegt, im 3. und 4. Jhdt. Zentrum christlicher Wissenschaften, das während der Kreuzfahrer-Zeit eine zweite Blüte erlebte und von den Moslems 1291 zerstört wurde.
Ein besonders denkwürdiges „Symbol des Kriegs“ stellt Meggido dar, wo zahlreiche – mehr als 20 – Schlachten ausgetragen wurden.
Heute ein gelber Hügel, auf dem seit Jahren archäologisch geforscht wird. Umgeben von Zypressen, Weinplantagen und Eukalyptusbäumen. Auch die Mandelbäume beginnen bereits zu blühen und die Wiesen leuchten in gelb und blau unzähliger Blumen.
Über steile Stufen gelangt man zu einem Tunnel, der zu einer Quelle führt, die nun ausgetrocknet, einst die Festung Meggido mit Wasser versorgte.
Von christlichen Untergangs-Spekulanten wird Meggido als der Ort betrachtet, an dem die letzte und endgültige Schlacht am Ende der Zeiten, geschlagen werden wird.
Israel ist klein, die Entfernungen zur historischen Vergangenheit kurz.
In der Verkündigungskirche vom kleinen Ort Nazareth, wo Jesus angeblich seine Kindheit verbrachte, erwartet uns in den Arkaden vor dem Eingang ein besonders schönes Mosaik.
Unser Nachtquartier am Karmelberg überrascht uns mit einer herrlichen Aussicht auf Israels Haupthafen und schönster Stadt – Haifa. 1099 zerstört begann ihr Aufstieg erst wieder ab dem 19. Jh.
Hier begegnen wir am folgenden Tag einer neuen Variante von Glaubensbrüdern, die sich inmitten der herrlichen Naturkulisse etabliert hat. Zu Füßen des Berges bewahren die „Persischen Gärten“ den Monumentalbau über dem Schrein von Baha‘ i. In Persien 1850 getötet und heimlich hierher überführt, war er der Vorankünder einer neuen Glaubensvariante, der immerhin weltweit 4 Millionen Menschen angehören.
Nie habe ich davon gehört und lese interessiert die Ziele dieses Dogmas, die uns beim Besuch des Mausoleums auf einem Zettel erläutert werden, die dann der eigentlich Gründer Baha-u-llah weiter verbreitete. Auch er wurde aus Persien verbannt und zwar nach Akko bei Haifa.
Die kleine Rundkirche des Karmeliter-Ordens am Berg Karmel und die wieder ausgegrabene Kreuzritterburg in Akko, führen uns zurück zum Christentum und bedauerlicherweise zu einer ihrer dunkelsten Epochen…
Akko liegt auf einer Halbinsel am nördlichen Ende der Bucht von Haifa und hatte ebenfalls als Schauplatz von Krieg, Ruhm, Erfolg bis hin zur Verwüstung, alle Stationen menschlichen Ehrgeizes, angetrieben von Fanatismus, durchzustehen.
Nach soviel geballter, von Gewalt triefender Vergangenheit, erweist sich der Besuch und die Übernachtung im Gästehaus eines Kibbuz in der Nähe des See Genezereth als erholsamer und interessanter Ausflug zu einem Modell für ein Leben von anderer, ungewöhnlicher Art.
Als Aushängeschild für menschenfreundliches Miteinander, wo Jeder für Jeden da ist, wo miteinander für die Gemeinschaft gewirtschaftet wird, Privateigentum entfällt, erinnert es doch irgendwie an den christlichen Herrgott, der Jude war… es führt uns ein Gesellschaftsmodell vor, das ebenso faszinierend, wie in der menschlichen Gesellschaft undurchführbar erscheint.
Die herrliche Vegetation der gepflegten Außenanlagen, der blühende Christdorn lässt Hoffnung aufkeimen…
Wird diese Art der Lebensgestaltung eine Zukunft haben?
Die Anzahl der Kibbuze ist in Israel auf 250 angewachsen, 3 Prozent der Bevölkerung leben in ihnen.
Ebenfalls einem Erholungsplatz gleicht die Atmosphäre an den Jordan-Quellen, zu denen wir am folgenden Tag aufbrechen… bis plötzlich Schüsse aus Maschinengewehren, den Frieden stören.
Am Berg kennzeichnet ein weißer Kegel, dass hier die Grenze zu Libanon und Syrien verläuft. Niemand von den Israelis, kümmert sich um die unschöne Mahnung und Störung der wundervollen Ruhe.
Vor den Ruinen von Kapernaum stauen sich Busse und Menschenmassen.
Manche Forscher vermuten statt Nazareth, diesen Ort als Heimat von Jesus. Hier hat er auch die meisten Wunder gewirkt.
1926 wurde die alte Synagoge im griechisch-römischen Stil freigelegt. Ein Relief der Bundeslade erinnert an dieses verschollene Heiligtum.
In Kapernaum und dem See Genezereth, in dessen Tiefe, die mystischen Geheimnisse um Jesus Christus schlummern, kann auch der große Betrieb, ein Nachdenken und unwillkürliche Andacht, nicht verdrängen.
Und wieder folgen Ruinen, unterwühlt von Historie und Glaube.
Jericho, die vermutlich älteste Stadt der Erde und mit 250 m unter dem Meeresniveau auch deren am tiefsten Gelegene!
Während eine Palmen-Oase mit verstreuten Häusern, den heutigen Zustand der Stadt demonstriert, kündet auf der gegenüberliegenden Seite zerfallenes Mauerwerk und Gestein von uralter menschlicher Besiedlung. Ein ehrfürchtiger Schauer erfasst mich beim Blick in eine Tiefe von 7000 m hinunter, wo sich einst die alten Stadtmauern befunden hätten, die auf Gottes Befehl und das Kriegsgeschrei der Israeliten, am 7.Tag zum Einsturz gebracht worden wären.
Die Forschung meint allerdings, dass dieses Ereignis durch eines der in dieser Gegend häufigen Erdbeben passiert sein könnte.
Wüstenhafte, gelbe Hügel umgeben das riesige Ausgrabungs-Gelände, in dem bereits 7000 v. Chr eine Siedlung bestanden hat. Man kann in der Tiefe, die übereinander liegenden Schichten der verschiedensten Bau-Perioden, erkennen.
Durch das judäische Wüstengebirge nähern wir uns JERUSALEM.
Was für eine Stadt… !
Der Blick vom Ölberg gleicht einer Offenbarung… mir stockt der Atem und ich vergesse die Busse, die Menschenmenge rundum und den Wind, der in 800 m Höhe ordentlich bläst.
Unter uns das Kidron-Tal… vor uns, die von einer 12 m hohen Mauer aus dem 16.Jhdt mit 35 Türmen und 8 Toren umgebene Altstadt von Jerusalem!
Aus dem Gewirr der Häuser leuchtet majestätisch die goldene Kuppel des Felsendoms.
Aber auch hinter uns am Hang des Berges, faszinieren die Zeugen aus Vergangenheit und Gegenwart. Sie entfalten ihre Großartigkeit bei der Abfahrt ins Tal von dem aus man dann auf der anderen Seite, dieses ummauerte Kleinod erreicht.
Hinter der Gethsemane-Kirche am Fuße des Ölbergs, ziehen sich die berühmten Gärten mit Ölbäumen und Zypressen, den Hang hinauf zur Maria Magdalena-Kirche.
Nachdem das Goldene Tor, der Hauptzugang zum Tempelplatz 1530 von den Türken zugemauert wurde – nach jüdischem Glauben wird es sich erst öffnen, wenn der Messias durch dieses Tor erscheint – übernimmt das Dung-Tor die Eintrittsformalitäten zum Zentrum der Altstadt. Wer es nach den Polizeikontrollen betreten darf, wird von einer Fülle von Geschehnissen eingekreist, die sich in all‘ seinen Winkeln und hinter den Mauern uralter Bauten, Himmel stürmend oder Abgrund tief zugetragen haben.
Kampf und Tod sind in seinem Gestein als ewiges Vermächtnis menschlichen Höhenfluges und verwerflicher Niedertracht vereint.
Und alles geschah hier im Namen des Glaubens, dessen Flammenzeichen in allen Richtungen auch heute noch über dieser Stadt leuchten.
Hier übergab der imaginäre Jahwe dem Volk der Juden seine Gesetze und forderte Gehorsam.
Jahrhunderte später berührten die Füße eines anderen Juden die Gassen der Stadt, er forderte statt „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ andere, friedlichere Normen und erlitt dafür die schrecklichste Todesart, die menschliche Gehirne ersinnen können.
Wieder Jahrhunderte später erschien ein neuer Prophet, der ausgerechnet hier eines Nachts den Himmel erstiegen haben soll…
Drei verschiedene Bildnisse, drei verschiedene Inhalte, deren Kerne einander gleichen.
In Jerusalem ist alles Vergangenheit und gleichzeitig Gegenwart.
Durch seine Gassen, seine Häuser, aus jeder Ecke weht dem Besucher der heiße Atem der Jahrtausende ins Antlitz.
Zwar lag die Via Dolorosa, der Schmerzenspfad Christi, einst, ebenso wie das Niveau anderer Plätze, um 10 oder mehr Meter tiefer, aber wie damals künden betriebsame Verkaufsstände von Hoffnung, Freude, Aggression, Hass und Neid, von allen Höhen und Tiefen, deren ein Mensch fähig ist.
Jerusalem – Urusalim – „Stadt des Friedens“ hallt es als Paradoxon durch die ehrwürdigen Mauerwerke, denn ein solcher war der Stadt in ihrer fast 4000-jährigen Geschichte nur selten beschert.
Wie um einen kostbaren Diamanten wurde um sie immer wieder gefeilscht und gerungen.
Das Prädikat „heilig“ macht sie bis heute zum Spielball der Religionen.
Jetzt befindet sich diese, einst von David für die Juden eroberte Stadt, wieder im Besitz der Israeliten und schon rasseln gefährlich und unversöhnlich wieder die Ketten der Kontrahenten.
Vom einstigen Tempel der Juden ist nur die Umfassungsmauer des Herodes übrig geblieben, vor der Andächtige beten und die Vernichtung ihres Tempel 70 n. Ch, beklagen.
Persönliche Wunschzettel werden in die schmalen Ritzen der Mauer versteckt und hier werden Zeremonien für die heranwachsenden Söhne, angesichts der Thora zelebriert.
Nur wenige Schritte entfernt – am alten Tempelplatz erhebt der Felsendom, das Heiligtum des Islam, seine goldene Kuppel – dem Herrscher der Welt zugewandt – gegen das Firmament.
In seiner Mitte mahnt ein Felsen, dass an dieser Stelle Abraham bereit war, seinen Sohn Isaak wunschgemäß dem Gott der Juden zu opfern. In letzter Minute verhinderte dieser jedoch gnädig ein solches Tun. Ein Akt der Barmherzigkeit, kein häufiger Wesenszug jüdischen Glaubens.
Und dann wählte ihn auch Mohammed für seinen Ausflug in den Himmel.
Der Felsendom, ein privilegiertes Heiligtum also… ihm gegenüber vereint die Al Aksa-Moschee die islamischen Schäfchen zu Gebet und Andacht.
Das christliche Zentrum manifestiert sich etwas entfernt davon im Komplex der Grabeskirche, die den Kreuzigungshügel Golgotha mit einschließt, der seinerzeit außerhalb gelegen haben dürfte.
Die Fassade aus der Kreuzritterzeit (12. Jhdt) besteht noch, am Bau selbst wurde immer wieder restauriert und erweitert.
Wie Zellen in einem Gefängnis reihen sich in diesem Gotteshaus die Kapellen der verschiedenen, christlichen Kirchen aneinander. Miteinander verbunden und doch getrennt!
Argwöhnisch, eifersüchtig schielt jeder Vertreter einer christlichen Glaubensrichtung, verstohlen, auf die Aktionen beim Nachbarn. Bei wem versammeln sich die meisten Besucher zu ehrfürchtigem Gebet?
Wie viel Schekel oder andere Währungen klimpern in die Schalen der Konkurrenz?
Wer verkauft die meisten Devotionalien?
Unwillkürlich muss ich bei diesem verborgenen Agieren an die Stände der Händler vor dem Tempel in Jerusalem denken, die Jesus einst, ob ihres unheiligen Betragens, empört niederstieß.
Natürlich gehört auch Betlehem zum Programm unserer Besichtigungen.
Gebückt schlüpfen wir durch den, um Plünderungen zu Pferd zu verhindern, immer niedriger abgesenkten Eingang, in den Kirchenraum, zur Geburtsstätte des Jesuskindes.
Sie soll an der Stelle errichtet sein, wo sich vor 2000 Jahren der Stall befand, in dem die heilige Familie Unterschlupf gefunden haben soll.
Wie in der Grabeskirche staut sich auch hier eine Menschenmenge, die die Heiligkeit des Ortes mit ihren Füssen zertritt, sodass dieser zum Anschauungsobjekt ohne mystischen Effekt herabsinkt.
Wieder im jüdischen Bannkreis, bereitet uns die Gedenkstätte für die Holocaust-Opfer ein schmachvolles Erinnern an jüngste Gräueltaten, die nun die Nachkommen der Täter zu verkraften haben.
In der Knesset, dem jüdischen Parlament, erfahren wir in einem Vortrag die Gepflogenheiten des politischen Heute in dem jungen Staat.
Ein besonderes Erlebnis beschert uns der Gang zum „Schrein des Buches“, mit den in Qumram gefundenen Schriftrollen vom Toten Meer, die im Israel-Museum einen äußerst attraktiven Platz gefunden haben.
Beim Tagesausflug zum Toten Meer, das 400 m unter dem Meeresspiegel driftet und zu dem es vom 800 m hoch gelegenen Jerusalem durch eine wüstenartige Berggegend ständig bergab geht, begegnen uns immer wieder Beduinen, die als Nomaden mit ihren Familien und Tieren in oft zerschlissenen Zelten wohnen.
Je weiter wir fahren, umso kahler werden die Hügel…
Dann erscheint linker Hand die blaue Fläche des Toten Meeres, die rechts von Sandsteinbergen (erodierter Kalkstein) gesäumt wird.
Wir passieren die zerklüftete Sandstein-Felslandschaft von Qumram und sichten in der Ferne die Höhle, in der die berühmten Rollen gefunden wurden. Eine Einöde von wilder Schönheit mit gewundenen Schluchten.
In diesem Milieu, befinden sich auch auf einem 60 m hohen, 800 m langem und 200 m breitem Felsplateau, die Ruinen der Festung Massada, die erst 73 n. Ch, nach 3-jähriger Belagerung von den Römern bezwungen werden konnte. Diese fanden jedoch nur Leichen, denn die etwa 1000 hier ausharrenden jüdischen Freiheitskämpfer, hatten vor der Eroberung durch die Römer, den Freitod gewählt.
Eine Seilbahn führt heute auf diese einstige Festung, deren Besichtigung beklemmende Gefühle erweckt.
Kurz danach ist das Ziel „Totes Meer“ mit Siedlungen, Häusern, Restaurants, Bade-Anstalten erreicht. Einige Leute aus unserer Gruppe baden in diesem 27,5 % salzhaltigen Wasser – reichster und tiefster Einschnitt der Erde – in dem sich Schwimmen als illusorisch erweist.
Das Meer hat keinen Abfluss und verdunstet bei regelmäßig hohen Temperaturen. Es ist bis 400 m tief, etwa in seiner Mitte liegt die Grenze zu Jordanien.
Eine einzige Straße führt an diesem Meer entlang durch eine Landschaft, die mit dem Blau des Wassers einerseits und den bizarren Wüstenbergen andererseits, immer wieder fasziniert.
Es ist das letzte Erlebnis im kleinen Staat Israel für mich.
Welch‘ dramatisches, historisches Panorama entfaltet doch dieser neue Staat, der vom Mittelmeer begrenzt, von Ebenen, Hügeln, bizarren Felsbergen durchzogen, schließlich in der Wüste endet.
Tief beeindruckt kehre ich nach diesem kurzen Blick in die Oase eines strahlenden, aber auch zutiefst zerrissenen Völkerkonglomerates nach Hause zurück und in die Begeisterung über das Erlebte, mischt sich als trüber Wermutstropfen, die bange Frage nach dessen Zukunft.