Hawaii – ein Garten Eden?
Schon der Name weckt Sehnsüchte, Träume von ewigem Frühling in Gefilden voll zauberhaft bunter Blumen und Menschen voll Anmut, Unschuld und Schönheit. Inseln weitab vom Jammertal der übrigen Welt.
Erklingen dann irgendwo die sanften, einschmeichelnden Melodien hawaiianischer Musik, dann wächst das Verlangen nach diesem Paradies inmitten eines riesigen Ozeans ins Gigantische…
Da unser Planet als Raumschiff Erde wunderschön und höchst fruchtbar ausgestattet im Kosmos seine Bahn zieht und als spätes Meisterstück die Spezies Mensch geboren hat, ist kein Punkt vor diesem neugierigen Nimmersatt sicher… auch das Paradies nicht .
Wie die Vögel über das Firmament ziehen, so donnern nunmehr auch Flugzeuge über luftige Höhen und verschlucken die trennenden Entfernungen in ihren Bäuchen. Die Kilometer werden einfach gefressen. Der Garten Eden ist erreichbar geworden!
Für mich findet dieser Griff in die Wundertüte Gottes um 10 Uhr vormittags an einem nebligen Oktobertag des Jahres 1991 statt. Feiner Nieselregen benetzt die Startbahn des Frankfurter Flughafens mit einem grauen Schleier als sich der stählerne Koloss rumpelnd und schüttelnd in die Lüfte zu heben anschickt. Eingepfercht und angeschnallt auf schmalem Sitz gepresst, sind meine Gedanken längst dahin geflogen, wo auch mein schwerfälliger Körper 2 Tage später landen wird… in Hawaii.
Meine Stimmung ist euphorisch, erwartungsgeladen wie ein aufgeblasener Ballon schwebt mein Geist bereits über dem verführerischen Archipel im Pazifik.
Die unmittelbare Umgebung in dem vollbesetzten Stahlvogel der United Airlines dämpft allerdings leider bald mit höchst prosaischen Manieren den entrückten Gedankenflug.
Mein Sitznachbar, ein dunkelhäutiger „Irgendwer“ nascht zwischen Schlafphasen immer wieder etwas Knackiges aus einer Mac Donald-Box. In der Mittelreihe rechter Hand hat sich ein Ehepaar mit einem Kleinkind in die Sitze gequetscht. Nicht ahnend was das ungewohnte Spektakel soll, schreit der Winzling vehement… am heftigsten dann, wenn ein paar Reihen weiter vorne ebenfalls ein Baby brüllt. Dabei ergibt sich sozusagen ein Duett mit Frage- und Antwort-Spiel…
Nach den Turbulenzen der Startzeremonie mit Unterweisungen für Notfälle versuchen die wie Heringe in einer Dose aneinander gereihten Passagiere, ihre Gliedmaßen in den schmalen Bereich der Sitze einzupassen, auf denen sie die folgenden Stunden wie Gefangene werden ausharren müssen. Und es sind viele Stunde, die träge und langsam ihren sonst oft so rasanten Lauf bremsen.
Schnell verschwindet alles Land unter dem von Menschen gebastelten Riesenvogel. Wie verloren treibt er über dem schier endlosen Wasserbecken des Atlantik tief unter seinen Flügeln und erinnert daran, dass unser Planet zu über 70 % aus diesem Element besteht.
Wie zerschlissene Papierfetzen ziehen Wolken von Zeit zu Zeit als skurrile Fantasiegebilde
Über die einförmige Fläche; ein andermal klumpen sie weiß wie Schnee zu Gebirgszügen zusammen oder aber sie öffnen ihre Formation zu einem Fenster, aus dem plötzlich ein Stück Meer aufleuchtet.
Unbeeindruckt von der Szenerie, die außer- und unterhalb der Maschine abläuft, schieben die Stewardessen für Lunch und Dinner das Proviantwägelchen durch die Gänge zwischen den Reihen, um auf Mini-Klapptischchen den Reisenden eine mehr oder weniger schmackhafte Verpflegung vor die Nase zu setzen. Perfekter Service, genau kalkuliert und organisiert – Massenkomfort auf kleinstem Raum!
In Abständen strahlen kleine Fernsehapparate Filme aus der Erdenwelt per Kopfhörer in Ohr und Auge der Passagiere…
Es ist fast 10 Uhr abends und vollkommen dunkel, als die American Airlines am hell erleuchteten Airport von Chikago landet. Wieder treibt die Zeit ihr verwirrendes Spiel mit uns, denn natürlich waren wir nicht 12 Stunden unterwegs, auch wenn es uns paradoxerweise viel länger vorkam. Zum Nachdenken darüber bleibt keine Zeit, denn das Erwachen aus dösiger Schläfrigkeit im Flugzeug wird vehement von hektischer Geschäftigkeit weggeblasen.
Die Formalitäten für die Einreise in die USA stehen mit Pass- und Zollkontrolle an. Koffer vom laufenden Band hieven und nach schneller Abfertigung zu Terminus 1 – Gate B hasten, was auf dem großen Gelände und zahlreichen Hallen einem schweißtreibenden Wettrennen gleicht.
Und dann… 3 Stunden Wartezeit für den Weiterflug nach San Francisco,
wobei das strapazierte Gemüt wieder auf Normaltemperatur abkühlen kann. Jetzt erst wird man sich der Tatsache bewusst, nun ordnungsgemäß und legal in Amerika zu sein. Und auch, dass das ersehnte Südsee-Idyll Hawaii seit 1959 als Nummer 50 im Verein der Bundesstaaten Amerikas sein Dasein führt. In Ermangelung eines eigenen Paradieses von den USA gekapert, stellt sich die Frage ob erwünscht und freiwillig oder mittels diplomatischer Ränke… ? Jedenfalls ganz ohne Krieg!
Nochmals 4 Stunden Flug, diesmal über Land, wobei desöfteren die Silhouetten von bewohntem Terrain als Spielzeugminiaturen an den Bullaugen des Airlines vorüberziehen, um langsam wieder in Finsternis zu versinken, bis plötzlich millionenfach flimmernde Lichter die Metropole San Francisco verkünden. Unter uns beginnt es zu leuchten und blitzen, als hätte der Himmel seine Sternenarmee über die Stadt ausgestreut.
Die Flughafenuhr am Airport San Francisco, auf dem ebenfalls Menschen wie in einem Ameisenhaufen mit Kofferwägelchen herumeilen, zeigt 20,15 Uhr. Mein Zeitmesser am Handgelenk meldet dagegen 5 Uhr morgens…
Auch der viel gerühmten Perle Kaliforniens und ganz USA gilt diesmal nur ein kurzer Zwischenstopp auf dem langen Weg ins „Paradies.“
Ein anderer Blechvogel überwindet die 3800 km von San Francisco nach der Insel Oahu und seiner Hauptstadt Honolulu innerhalb von 5 Stunden.
Endlich wird er sichtbar, als von der Sonne beschienenes, blaues Band ohne Ende – der Pazifik, der größer ist als alles Land der Erde und rund die Hälfte allen Wassers auf unserem Planeten in seinem Mega-Becken vereint.
Auf seiner Oberfläche treiben 3000 Inseln, zählt man die vielen Mickrigen und als Felsen aufgetauchten dazu, käme man auf über 10.000.
Dieses“ Südmeer“ wie der erste Europäer – ein Spanier – es sichtete und benannte erfuhr schließlich die Unterteilung in: Polynesien (die vielen Inseln), Mikronesien (die kleinen Inseln) und Melanesien (die schwarzen Inseln).
Mein Traumziel Hawaii gehört mit seinen 7 bewohnten und einer Unzahl kleiner bis winziger Eilande zum großen „Dreieck“ Polynesien.
Während die Maschine ruhig über der weiten, durch nichts unterbrochenen, an die Unendlichkeit gemahnende Fläche ihre Bahn zieht, drängen sich Fragen in meine Gedanken, die versuchen das Wie und Warum der Existenz dieser Inseln und ihrer Bewohner zu rekonstruieren. Generationen von Wissenschaftlern haben darüber mühevoll Antworten zusammengetragen und weitergegeben.
Hawaiis Inseln entstammen dem Ozean, der sich so friedvoll gibt, als könne er kein Wässerchen trüben. In seinen Tiefen aber toben gewaltige, für Menschen unvorstellbare Kräfte. Das Inferno, das auf unterirdischen Bühnen abläuft steckt noch voller Rätsel…
Dass der Archipel, zu dem ich gerade unterwegs bin, vor etwa 18 Millionen Jahren mittels einer Explosion als Land die Wasseroberfläche durchbrach, dann wieder versank, hat man durch versteinerte Fische herausgefunden. Erst später, innerhalb langer Zeiträume tauchten die vulkanischen Lavaberge erneut auf und dehnten sich zu einer 2500 km langen Kette aus. Als Hawaii-Rücken war ein“ Paradies“ geboren! Mit 132 Inseln, wo sich auf Sieben sehr, sehr viel später Menschen ansiedelten, nachdem davor im Verlauf von Jahrmillionen Samen,
Bakterien, Käfer, Vögel etc. an den neuen Eilanden eingetroffen waren.
Die größte unter den Emporkömmlingen und Namenspate, Hawaii, ist mit einer halben Million Jahre zugleich die jüngste und ihren Geschwistern bereits über den Kopf gewachsen… und sie wächst noch immer, da ihr glühendes Lavagestein sich stets ins Meer ergießt und ihre Küste erweitert. Auf den älteren Insel sind die Vulkane längst erloschen.
Die Sage weiß zu berichten, dass erste Menschen um 750 n. Ch. von den schon vor Christi besiedelten Marquesas-Inseln (einer südlichen Inselgruppe Französisch-Polynesiens seit 1885) Hawaii entdeckt hatten. Es soll eine kleinwüchsige dunkelhäutige Rasse, asiatischer Abstammung, namens „Menehune“ gewesen sein. Sie würden – wie scheinbar auch im „Garten Eden“ üblich – etwa im 12.Jhdt. von Polynesiern, wahrscheinlich aus den Gesellschaftsinseln stammend (ebenfalls zu Französisch-Polynesien gehörend) unterworfen worden sein. Diese hoch gewachsenen, schwarzhaarigen Menschen, ein Volk von Seefahrern, Kriegern und Priestern, die anscheinend schon lange vor den Europäern in primitiven Booten über den Pazifik kreuzten, besetzten nun Hawaii. Waren es Fischer, die zuerst, vom Sturm getrieben auf unbekannte Eilande stießen?
Wesentlich undramatischer vollzieht sich meine Ankunft in den ersehnten Gefilden.
Genau wie in San Francisco boomt auch am Airport Honolulu der Betrieb und Menschen aller Rassen wirbeln durch gekühlte Gänge und Hallen. Keine Spur von „Südsee-Romantik“! Oder ein bisschen doch… Ein liebenswürdiger, alter Brauch hat überlebt! Als Willkonmensgruß wird jedem Passagier ein Blütenkranz um den Hals gehängt. Man nennt diese weißen Girlanden „Lei´s“ und die freundliche Geste kann aber auch aus Muscheln, Samen oder Nüssen bestehen.
Inmitten einer Parade von Hochhäusern beziehe ich im 17.Stockwerk des Waikiki-Beach-Hotels Quartier und am winzigen Balkon atme ich begierig den ersten Hauch paradiesischer Atmosphäre ein. Die tropisch warme Luft umschmeichelt mich sanft und die Sonne verklärt die Skyline der himmelwärts strebenden Betonklotze. Zum Trost übertrumpft dicht dahinter der 232 m hohe Vulkankamm des Diamond Head, Wahrzeichen von Waikiki, die hoffärtigen Menschenwerke. Eigentlich hieß er ja Mt. Leahi, aber nachdem britische Seeleute im Lavagestein entdeckte Kristalle für Diamanten hielten, bekam er den neuen Namen. Ein Stück des weltberühmten Strandes, der sich 2 km hinzieht, kann ich von meiner kleinen Enklave ebenfalls wahrnehmen.
Ein Hot Dog-Imbiß vor dem Swimming-Pool betont danach wieder: Ich bin hier in den USA!
Direkt vor dem Hotel verläuft die Kalakaua-Avenue, eine Strandpromenade voll flanierender Fußgänger, voll Buntheit und Geschäften mit oft kuriosen oder gar skurillen Angeboten. Artikel für jeden Bedarf und Wunsch. Jedenfalls ein interessanter Bummel mit sympathischem Flair und freundlichen Leuten, nur… wo sind die Polynesier.
In den folgenden Tagen begebe ich mich auf Spurensuche nach dem alten, echten Hawaii… dem „Garten Eden“.
Honolulu war Sitz der hawaiianischen Regierung für all sieben Inseln… und ist es auch heute, nur ohne König.
Im Stadtteil, der sich Down Town nennt, erinnern der Königspalast und andere historische Bauten an die „gute“ alte Zeit. Drei Missionshäuser, benutzt bis 1896, beweisen, wie eilig es die Jesus-Jünger hatten, jedes neu entdeckte Fleckchen Erde unter ihre Fittiche zu nehmen und den Eingeborenen ihre spärliche Bekleidung abzugewöhnen und sie zu christianisieren und zivilisieren. Dass sie damit Erfolg hatten beweist die traditionsreiche Kawaiahoa-Kirche aus Korallenstein und Holz, vor der eine „heilige“ Quelle plätschert.
Zauberhaft behauptet sich in diesem alten Stadtkern die tropische Natur. Nicht wild wuchernd, sondern in geordneter Schönheit gepflegt. Der Rainbow-Baum erfreut mit weißen Blüten, der Pandanußbaum gebiert Früchte, die der Ananas ähneln und verteilt seine Wurzeln oft fächerförmig über der Erde (Schraubenbaum) und natürlich die imposante überall dominierende Anwesenheit der Palmen. Mit welch´ grandioser Vielfalt hat Flora die aus dem Meer gestiegenen Inseln im Laufe der Jahrmillionen beschenkt!
Die Bronzestatue von König Kamehamea des Ersten musste einen abenteuerlichen Weg zurücklegen, ehe sie vor dem Gerichtsgebäude ihren Platz einnehmen konnte.
Das Ehrenmal für den König, der die Inseln Hawaiis nach Eroberungszügen und recht grausamen Kriegen schließlich vereinigte (er regierte von 1795 – 1819) wurde in Venedig gegossen und per Schiff transportiert. Dieses versank jedoch nahe der Falkland-Inseln. Wenige Monate später fand man die Statue im Wrack und beförderte sie nach Honolulu. Sie sollte jedoch auf der Hauptinsel Hawaii ihren Sitz für die Ewigkeit erhalten… die Metropole Oahus bekam einen Abguss des Originals. Ein zweiter Abguss hat sich den Honoratoren in Washington zugesellt.
An Feiertagen werden beide Denkmäler Kamehameas überreich mit Blütenkränzen behängt, denn die Monarchie lebt weiter in den Herzen der Hawaiianer, obwohl deren Despotismus bedeutend strenger war als auf anderen Inselgruppen. Der ursprüngliche Federmantel des Königs ist auf den Statuen aus Bronze und hawaiianisch, Gesten und Gesicht gleichen eher römischen Imperatoren.
Mit dem Iolani (Himmelsvogel)-Königspalast besitzen nunmehr die USA das einzige Zeugnis monarchischen Lebensstils. Er blieb bis 1969 als Regierungssitz „in Betrieb“ und ist danach authentisch restauriert worden. Nachträgliche Ehrung eines fremden Machtzentrums.
Auf dem von Palmen geschmückten Palastgelände symbolisiert der Königspavillon als achteckiger Bau die 8 Inseln. Es gibt noch weitere Statuen in Honolulu. Die Bronzekopie des Pater Damian erinnert an den Lepra-Helfer auf der Insel Molokai, sie steht auf schwarzem Sockel. Vor allem aber die letzte Königin von Hawaii Liliuokalani, weit gereist und kultiviert, macht mit ihrem Standbild auf das verzweifelte, aber vergebliche Bemühen aufmerksam, dem Volk die Selbstbestimmung wiederzugeben. 1895 war die obere Etage des Palastes zu ihrem Gefängnis geworden, wo sie gezwungenermaßen die Abdankung unterschrieb.
Auch eine Freiheitsglocke, Geschenk der USA 1950 darf sich zu den Denkmälern zählen.
Das 30 millionenschwere Capitol des Bundesstaates Hawaii, ein 5-stöckiger Atriumsentwurf über dessen 600.000 die Meeresfarben wiederholenden Mosaiksteinchen des Innenhofes, das offene kraterförmige Dach den Himmel freigibt, prahlt mit ausgeklügelten Effekten moderner Architektur. Schaut man zu den gewölbten Dachrippen hinauf, so beginnen sie sich scheinbar wie Palmen im Wind zu biegen. Außen spiegeln Teiche, dem Wuchs der Kokospalme nachgebildete Säulen und das Vulkangestein der Mauern.
Wahrzeichen von Down Town ist der 56 m hohe Aloha – Tower, der von der Aussichtsplattform einen herrlichen Blick auf die Hafenanlagen und die Glashochhäuser bietet.
Die Insel Oahu, drittgrößte des Archipels hat rund 1 Million Einwohner, die Hälfte wohnt in Honolulu.
Kamehameha, dem ersten König, der über die Inseln herrschte, folgten sieben weitere Monarchen und seit der Entdeckung des Archipels durch Englands Kapitän James Cook 1778
sickerten immer mehr Vertreter fremder Länder ins Territorium der „glücklichen Inseln“ ein. Zu verlockend schien der „Garten Eden“, nicht nur wegen seiner Schönheit… Europäer, vor allem aber Amerikaner und Asiaten warfen begehrliche Blicke auf ihn. Mit ihnen kamen Krankheiten auf die bis dahin kerngesunden Insulaner zu. Vor Cook könnten im 16.Jhdt. 2 Spanier auf die Eilande gestoßen sein, was für diese jedoch ohne Folgen blieb.
Der vorletzte König Kalakaua, ein genussfreudiger Regierungschef mit manch´ kuriosen Allüren war besessen von der Idee eines „Empire of Polynesia“… natürlich unter seiner Herrschaft, was aus vielerlei Gründen nicht zustande kam. Viel zu reichlich war die weiße und gelbe Welt schon im Pazifik präsent.
Eine bemerkenswerte 10-monatige Reise in die Machtzentren des Planeten gönnte sich der Inselmonarch immerhin und wurde von allen Repräsentanten derselben höchst ehrenvoll empfangen. Der Kaiser von Japan, die Königin von England und in Wien, wo er sich beispielsweise beim „Heurigen“ köstlich amüsierte, war er Gast Kaiser Franz Josephs in der Hofburg. Natürlich machte er auch Deutschland seine Aufwartung, zumal schon seit der Zeit seines herrschaftlichen Vorgängers ein preußischer Kapellmeister in Hawaii musikalisch für Stimmung sorgte. Die Ursache dafür war die österreichische Fregatte „Donau“, die wegen einer notwendigen Reparatur im Hafen von Honolulu vor Anker lag und mit Wiener Melodien die Bevölkerung so begeisterte, dass sie ihren damaligen König Kamehameha III. drängten, eine ähnliche Kapelle in Hawaii zu gründen. Da das nicht gelang, wandte sich dieser an Kaiser Wilhelm I. um Rat und der schickte ihm den stellvertretenden Kapellmeister seines Leibgardisten Henri Berger. Die „ Royal Hawaiin Band „ spiele fortan bei allen Anlässen, bei Schiffs-Ankunft und –Abfahrten und feierte Triumphe. Henri Berger blieb und war so begeistert von den Klängen der naturbegabten Polynesier, dass er die alten Lieder sammelte und neu vertonte. Nach den Worten Königs Kalakaua komponierte er „Hawaii Panoi“, das zur Nationalhymne wurde.
Als Krönung dieser Sammlung entstand das berühmte „Aloha Oe“, das bis heute sehnsüchtige Träume nach diesem Eiland weckt. Geschrieben hat es Liliuokalani, die Schwester und mit über 50 Jahren Nachfolgerin Kalakauas… die letzte Königin von Hawaii.
Inzwischen hatten sich die Jahrzehnte andauernden mehr oder weniger spürbaren Konkurrenz-Geplänkel und das Verwirrspiel zugespitzt, bis schließlich Amerika den Kampf um den Archipel gewann. Und Likliuokalani war die Galionsfigur, die die dramatischen Geschehnisse um ihre Heimat auszutragen hatte. Eine von einer weißen Minderheit angezettelte Revolte 1893 machte sie zur Gefangenen im eigenen Palast. Durch allerlei Schachzüge, die sogar manch´ einen amerikanischen Politiker beschämten, wurde sie als Sündenbock im Tauziehen um die Macht auf einem der schönsten Flecken der Erde skrupellos benutzt.
Durch Verträge mit Amerika gebunden, war Hawaii bereits Teil des mächtigen Imperiums, aber erst 1959 wurde es gleichberechtigtes fünfzigstes Mitglied innerhalb seiner vereinigten Staaten. Da war Liliuokalani längst tot. Als 1917 bei einem Staatsbegräbnis ihr Katafalk im Garten des königlichen Mausoleums einfuhr, kippte die Krone auf ihrem Sarg um und fiel auf die Erde. Ihr Lied Aloha Oe aber bleibt ihre eigentliche Nationalhymne.
Nach meinem ausgiebigen Altstadtbummel gerate ich abseits vom Zentrum per Bus in das Shopping-Center Ala Moana und da schwappt der „American way of life“ über mich hinweg, als hätte es das alte Hawaii nie gegeben.
Gegenüber von dem vielstöckigen Gebäudekomplex lädt ein Strand zu einem Meeresbad ein, aber nach den vielen neuen Eindrücken, suche ich nur nach einer preiswerten Möglichkeit für einen stärkenden Imbiss. Und die gibt es als Selbstbedienungslokale hier ringsherum im Erdgeschoß in verwirrend großer Zahl. Der herrschende Betrieb in diesem Irrgarten kann allerdings Ängste wecken. Habe ich endlich nach längerem Anstehen mein Mahl auf dem Pappteller, beginnt die Suche nach einem Sitzplätzchen mit Mini-Tisch vor der jeweiligen Ausgabetheke. Zwischen Chinesen, Japanern, etc. herumjonglierend gelingt mir schließlich dieses Kunststück nach einer Weile. Zwar schmecken die Spaghetti mit Fleischbällchen gut, aber die turbulente Atmosphäre dämpft den Appetit arg. Bier ist an einem Extra-Stand im Stehkonvent als Durstlöscher zu erledigen.
Um sich in diesem Center mit 155 Kaufhäusern, Läden, Restaurants auch nur einigermaßen zu orientieren muss man viel Zeit mitbringen. Ich begnüge mich mit einem Blick in die erste Etage und bin überrascht! Eine elegante Einkaufarkade mit exklusiven Geschäften und ebensolchen Preisen führen hier in Versuchung.
So erlebe ich schon am ersten Tag meines Aufenthalts ein wenig von den zwei Seiten des „Paradieses“. Um noch ein wenig Meer zu schnuppern, wage ich als Abschluss den kurzen Weg zum weltberühmten Waikiki-Strand, der sich vor meinem Hotel entlangzieht.
Kein von der Brandung gepeitschter Ozean erschreckt hier die Badenden. Auf breitem Sandstreifen, der sanft in ein kaum bewegtes Meer ausläuft, tummeln sich gleich Marionetten eine Menge Gestalten, planschen im seichten Wasser oder schaukeln als Pünktchen in weiterer Entfernung auf schwankender Oberfläche.
Wie riesige Kerzen überragen die schlanken Stämme vereinzelter Palmen am Straßenrand und der Promenade das bunte Gewimmel darunter. Dichtes grünes Blattgefieder krönt die imposanten Wächter. Erst 1 km weiter draußen, für mich nicht sichtbar, verhilft ein Korallenriff, das die Wucht der Wellen bricht, Surf-Fanatikern zu ihren ehrgeizigen, sportlichen Aktivitäten.
Als spektakulärer Höhepunkt eines ereignisreichen Tages erwartet mich auf meinem kleinen Hotel-Balkon ein Sonnenuntergang von solch´ dramatischer Glut, wie ihn nur ein Tropenparadies hervorbringen kann, in dem alles noch so hochstrebende Menschenwerk bedeutungslos wird!
Eine direkte Begegnung mit dem alten Hawaii beschert mir der nächste Tag. Im Museum…
Untergebracht in einem altehrwürdigen Gebäude mit Galerie inmitten einer stimmungsvollen Anlage, entführt es in jene andere Welt, die man sonst auf Hawaii vergebens sucht, Eine überaus freundliche Dame als lebender Beweis, dass es sie doch noch, wenn auch eher vereinzelt gibt – die „echten“ Hawaiianer – begrüßt sie, einen Blumenkranz im Haar, die Interessenten. Auffallend an ihrer Erscheinung überrascht die Körperfülle, die die Herzlichkeit des „Willkommen“ noch unterstreicht.
Gegründet wurde diese Erinnerung an das fast vergangene, liebenswürdige Volk von Charles Read Bishop zum Andenken an seine Frau, eine hawaiianische Prinzessin. Angeschlossen an das Museum ist eine Forschungsanstalt für Archäologie, Ethnologie und Kultur des pazifischen Raumes, sodass diese Stätte Weltruhm erlangt hat.
Zwar ist die Natur auf den Inseln in ihrer überwältigenden Schönheit im Wesentlichen die gleiche geblieben, nicht aber deren Bewohner…
Mit den Hinterlassenschaften wird ihr einstiger Alltag in diesem Museum wieder lebendig. Gewohnheiten und Sitten leuchten aus dem Dunkel des Vergessens auf. Standarten, Umhänge aus Vogelfedern, Werkzeuge, Schmuck, Musikinstrumente, Tapas (geklopftes Tuch aus Baumrinde), Grashütten, etc. erlauben einen Blick in eine unbekannte Gedankenwelt. Wie bei jedem alten Volk gipfelte sie im religiösen Ritus eines Götterhimmels mit zahlreichen Tabus. Der Glaube erschließt das, was dem Wissen der Menschheit nicht zugänglich ist und das Geheimnis des „Nachher“ auf seine Weise.
Seltsame Bräuche und Gepflogenheiten irritieren dabei oft den heutigen Besucher, wie zum Beispiel der Kopf einer Büste des Kriegsgottes Ku, der aus Federn besteht und aus dessen grimmigen Maul die Eckzähne von über 90 Hunden fletschen. Solche Büsten wurden in jeder Schlacht mitgeführt. Nur noch 19 davon sollen weltweit existieren, davon 2 in diesem Museum.
Die Gestalt von König Kamehameha I., des Inseleinigers, ersteht hier in einen prächtigen, gelben Federmantel gehüllt, der alle von ihm begangenen Brutalitäten gnädig zudeckt.
Die Anfertigung dieses Statursymbols, das nur dem Herrscher zustand, dauerte Jahrzehnte. 80.000 Vögel wurden gerupft, ihre winzigen Federchen dann dicht in ein enges, feines Rindenfasernetz eingeknotet. Angeblich wurden jedem Tier nur 7 Federn entnommen, um den Bestand zu erhalten, andere Berichte beschuldigen die Einheimischen, sie rücksichtslos ihrer Bekleidung beraubt zu haben, sodass einige Arten ausstarben.
Besonders die Hawaiianer entwickelten diese Federkunst als „Brokat“ der Südsee zur Perfektion.
Natürlich spielten bei Tänzen, Trommeln die Hauptrolle. Auf die Waden-Gamaschen der
Tanzenden nähte man Hunde-Eckzähne, die den Takt mitklapperten. 20 – 25 Reihen von je 40 – 60 Stück stammten von rd. 300 Hunden.
Keine paradiesischen Zustände für das liebe Vieh…
Schließlich fällt mir in dieser Galerie der Erinnerungen noch ein arm- und beinloser, reich geschmückter „Totensack“ auf, von dessen nicht ausgeformten Kopf lange, schwarze Borsten als Haare abstehen. In einem Nebenraum fasziniert ganz besonders ein Relief der Vulkanzone, die unter Wasser verläuft. Dabei stellen die Hawaii-Inseln die äußerste Gruppe der Zone dar, während die nächsten Rücken der langen Kette (über 2000 km) zwar aus dem Meer emporstiegen, aber durch Erosion schon wieder abgeflacht wurden, sodass nur einige Wissenschaftler oder Militärstationen dort stationiert sind, die aus der Luft versorgt werden.
Der beeindruckende Ausflug in die Welt des alten Hawaii kratzt durch zusätzliche Informationen über manch´ ungewöhnliche Gepflogenheiten ganz schön am Image des „Garten Eden“. So sehr die kunstvollen Schöpfungen ohne modernes Werkzeug Bewunderung hervorrufen, die überschwängliche Lebensfreude der Menschen und eine zauberhafte Natur begeistern, so erschreckt gleichzeitig der Aufbau der Gesellschaftspyramide, die die Polynesier akzeptiert und nach deren Regeln sie gelebt haben: Da existierte zum Beispiel als unterste Schicht der Bevölkerung die „kauwa“, die Unberührbaren an abgesonderten, tabuisierten Orten, auf die man oft bei von der Religion geforderten „Menschenopfern“ zurückgriff. Die Masse des Volkes waren „papa noa“ … Fischer, Handwerker (Haus- und Kanubauer) und vor allem Bauern auf Pachtland, den Häuptlingen dienstverpflichtet. Zwar konnten sie ihren Dienstherren wechseln, aber nie in andere Positionen aufsteigen.
Innerhalb der „Adelsschicht“ verlief die Rangordnung folgendermaßen: Häuptlinge eines Unterdistrikts, aus der sich auch die meisten Priester rekrutierten… Distrikthäuptlinge mit größerer Tabu-Gewalt… und schließlich der Herrscher über eine Insel oder einen Teil davon. Er besaß die größte Tabu-Gewalt und seine Abstammung wurde auf die Götter zurückgeführt. Ihm gehörte alles Land und die Fische im Meer.
Die Gerichtsbarkeit war den Häuptlingen übertragen, die aber, da Recht und Gesetz fest im Volksglauben verankert waren, sich keine „krummen Dinge“ leisten konnten, schließlich war ihr Wohlbefinden von der Bevölkerung abhängig, denn ein stehendes Heer gab es nicht.
Unter den tausenden Göttern, Halbgöttern und Geistern dominierten Vier… Kran, der Gott des Waldes und des Lichts; Lono, der Regen- und Friedensgott; Ku, der vor jeder Schlacht ein Menschenopfer fordernde Kriegsgott und Kanaloa als Schöpfer von Meer und Himmel, aber auch zuständig für das Jenseits. Auch die unberechenbare Feuergöttin Pele genoss große Verehrung. Tausende von Wertgegenständen, Schweinen, manchmal auch Menschen wurden in die Krater gestoßen, um sie zu besänftigen.
Tempelzeremonien und Menschenopfer durften nie von Priestern allein, sondern nur vom Fürst vollzogen werden. Auf ihn, dem alle Macht zustand, durfte kein menschlicher Schatten fallen, auch nicht auf sein Haus, seine Kleidung oder ihm gehörende Gegenstände, da Tod die Folge gewesen wäre… Deshalb warf man sich bei seinem Erscheinen sicherheitshalber gleich auf die Erde.
Hawaiische Könige durften nur ebenbürtige Partnerinnen zur ersten Frau nehmen, am besten die leibliche Schwester. War die Geburt des Thronfolgers gesichert, konnte der Herrscher so viele Frauen niederen Ranges ehelichen, wie er wollte. Offensichtlich missratene Kinder wurden sofort getötet. Schon bei den ersten Schwangerschaftsanzeichen der Prinzenmutter nahm das Volk am Schicksal seines Herrschers Anteil, feierte ihn mit traditionellem Brauchtum wie Preislieder, Hula-Tänzen…
Verhinderten weder Tempelbau noch Menschenopfer den Tod eines Herrschers, dann fahndete der Priester nach den Schuldigen. Getreue Gefolgsleute folgten dem Verstorbenen. Menschenopfer, lautes Wehklagen, auch Selbstverstümmelungen fanden statt, bis schließlich das Volk in zügellose Anarchie verfiel. Plünderung, Zerstörungen, Gewalt und Mord herrschten… bis nach 10 Tagen der Nachfolger, der sich dieser skrupellosen Periode fern vom Geschehen gehalten hatte, die Macht übernahm und die alte Ordnung wieder auferstand.
Eine mehr als dämonische Reaktion nach dem Fürstentod… worauf? Vielleicht Furcht, aufgestaute Widerstandsgefühle gegen die absolute Herrschaft, die harten Tributforderungen, Menschenopfer… Als Entschädigung für ihr strenges Regiment gönnten allerdings die Könige ihren getreuen Vasallen eine Menge an Festen und Spielen – mehr als beispielsweise im alten Rom. Allein das Erntefest währte von November bis Ende Februar!
Soweit das recht seltsame Vokabular unschuldsvoller Insulaner, bevor Chinesen, Japaner, Amerikaner, Europäer die Inseln überwucherten.
Ein Kontrastprogramm aus jüngerer, dramatischer Vergangenheit beschert mir ein paar Tage später die Fahrt nach Pearl Harbor, dem großen Hafenbecken von Oahu – der Name geht auf die Perlenaustern zurück, die hier einmal gefunden wurden.
Schon 1900 fanden sich in den Militärarchiven aller Großmächte Geheimberichte über die strategische Bedeutung der Inselkette. Ihre geographische Lage gewährte die Kontrolle über den halben Pazifik.
1873 kamen zwei amerikanische Generäle zum Wandern und Fischen – als Späher – in die Nähe von Pearl Harbor, aber erst 1885 kam im Zuge eines Vertrages über die von Hawaii gewünschte Aufhebung der Zuckerzölle, dieses Hafenbecken in amerikanischen Besitz und 1898 begann der aufwendige Ausbau des riesigen Areals, dessen Einfahrt von einem Korallenriff blockiert wurde.
Nach der feierlichen Einweihung des Trockendocks 1911 begannen jedoch erst richtig die Schwierigkeiten des Unternehmens, denn die Amerikaner hatten den Monsterbau ohne die Götter Hawaiis betrieben. Vergeblich und unter Tränen hatte ein alter Fischer vor der Rache des Haigottes, der seine Höhle genau unter dem Dock hatte, gewarnt und gefleht, es an eine andere Stelle zu verlegen. Trotz seinen wöchentlichen Gebeten und Abtauchen in die Felsspalten, um den Gott mit Fischen zu füttern, zerbarst kurz vor Fertigstellung des Docks der Zement in einer donnernden Explosion. Innerhalb von Minuten war alles zerstört. Man musste danach wieder von vorne mit der Arbeit beginnen. Das kostete weitere 4 Jahre Zeit. Und da man nach dem Auspumpen des Wassers in der besagten Höhle ein 4 ½ Meter langes Haiskelett fand, bediente man sich beim zweiten Bau des Segens eines Priesters, worauf das schwierige Werk gelang.
Das 20.Jahrhundert bescherte der Menschheit zwei verheerende Weltkriege. Angezettelt von Deutschland hatte es sich damit selbst aus dem Rennen um neues Territorium hinaus katapultiert.
1918 wurde in Pearl Harbor mit Flugplätzen etc. fleißig weitergebaut.
Die „gelbe Gefahr“ durch den Zuzug von immer mehr Japanern in Hawaii, registrierten die Amerikaner seit Jahrzehnten misstrauisch . Im 2ten Weltkrieg schien sie dann besonders akut, sodass sie einen Grund für das Eingreifen ins Gemetzel suchten. Am 7.12.1941 wurde er ihnen geboten!
Fast die gesamte Pazifikflotte der Amerikaner lag zu der Zeit im Hafen von Pearl Harbor. Zwar wurde von einer Funkstation der drohende Angriffsplan Japans weitergemeldet, doch durch allerlei Zufälle und Unbekümmertheiten erfolgte keine rechtzeitige Reaktion darauf. So traf das geballte japanische, bitterernste Manöver mit 31 Schiffen, Flugzeugträgern, Torpedobombern, Stukas frühmorgens am 7.12. auf ein schlafendes Hawaii!
Das Inferno überfällt den Hafen mit unvorstellbarer Gewalt, die Bucht verwandelt sich in eine flammende Hölle und kostet 2325 Soldaten und 57 Zivilisten das Leben, dazu kommen über 1000 Vermisste oder Verletzte und… eine verlorene Flotte.
Über dem Wrack der „Arizona“ und seinen 1102 darin begrabenen Soldaten errichtete Amerika ein Mahnmal, wo Menschen aus aller Welt nun den Toten eine verspätete Ehre erweisen.
Lebendiges Treiben herrscht im Hafengebäude, von dem ein Schiff die Fahrt zum Wrack unternimmt. Das Informationsbüro erteilt Auskünfte über die Einzelheiten der Tragödie, lautstark unterrichtet ein Film über alle Details. Der Ort des Schreckens ist zum Aufmarschgebiet der Trauer, aber auch der Sensation und Neugierde geworden.
Erst am Schiff, als es sich der Gedenkstätte, 1962 auf 36 Säulen über der Kommandobrücke des Wracks erbaut, zu nähern beginnt, verstummen Betriebsamkeit und Lärm. Passagiere werfen Blumenkränze ins Meer… Das Wrack ruht in 12 m Tiefe und Teile von ihm ragen als rostige Silhouette an die Oberfläche.
Eine beklemmende Atmosphäre… Wie verirrte Lichtlein schaukeln die bunten Köpfchen der Girlanden über das immer noch ölverschmutzte Wasser.
Im 3-teiligen Memorial befinden sich die Schiffsglocke, ein langer schmaler Gang mit immer wieder Blicken auf das versunkene Schiff als Zeremonienraum… und schließlich die Gedächtnisstätte mit den Namen der Toten.
Dass ein halbes Jahr später, im Juni 1942, die Rache der Amerikaner in einer Seeschlacht vor der Insel Midway durch die Versenkung von 4 Trägern, Japan empfindlich traf, ist in Europa gar nicht so richtig registriert worden. Es war zu verstrickt in seinen mörderischen Krieg, herauf beschworen von verblendeten Geistern, deren Verstand getrübt von Gewalt sich in unfassbaren Wahnsinn steigerte…
Die „glücklichen Inseln“ am anderen Ende des Planeten, wo der unsinnige Kampf Mensch gegen Mensch nun auch in ihren Breiten zu toben begonnen hat, bleiben bis 1945 ein Kriegslager mit Stacheldraht an den Stränden, Tarnnetzen, Briefzensur, Verdunkelung, etc. mit Lebensmittelknappheit für Zivilisten.
Die Erinnerung an das zerstörerische Wüten dieses 2. Weltkrieges, aufgerüttelt durch Pearl Harbor verdüstert wie eine Sonnenfinsternis die blühende Inselwelt Hawaii…
Erst bei meinem Ausflug zum Waimea Falls Park beginnt die wunderschöne Landschaft mit ihrer üppigen Vegetation wieder in unbeschwertem Glanz zu leuchten. Eine kleine Bahn durchquert das hügelige Gelände, vermittelt an verschiedenen, attraktiven Haltestellen die notwendigen Informationen dazu und entlässt am Talbeginn die Besucher zu eigenen Exkursionen. Kurz danach stürzt auch gleich ein 15 m hoher Wasserfall in einen Teich und verwegene Jünglinge springen vom hohen Fels in das Auffangbecken. Mit diesem „Cliff-diving“ erwarten und bekommen sie klatschende Anerkennung für ihren Mut- bzw. Übermut.
Den Rückweg zum Parkein- bzw. Ausgang absolviert man am besten zu Fuß, um die herrliche Vielfalt von Bäumen, Sträuchern und Blüten in Ruhe bewundern zu können. Die von soviel Grün gesättigte Luft parfümiert jeden Atemzug mit angenehm erfrischender Kühle und das Auge wandert von einer Blumenkreation zur anderen, von dieser Strauch- und Baumsingularität zur nächsten… Nirgendwo sonst habe ich solch´ unendliche Schöpfungsvarianten der Natur gesehen! Allein von den prächtig blühenden Ingwerpflanzen existieren 100 verschiedene Arten, von denen aber nur eine essbar sein soll.
Dieses 1800 acre umfassende Areal war mehrere hundert Jahre Lebensraum der alten Hawaiianer…
Wie überall, wo Amerika altes, traditionsreiches Erbe in Besitz nimmt, ist es darauf erpicht, die Vergangenheit als originalgetreue Kopie wieder aufleben zu lassen und sie interessierten Besuchern stolz vorzuführen. Eine Scheinwelt, die allen nützt… der Natur, dem zahlenden Publikum und den USA.
So auch hier! In den Felswänden nahe dem Eingang verbergen sich Grabhöhlen und eine alt-hawaiische Tempelstätte fristet unbenutzt ein verlassenes Dasein.
Dafür herrscht auf dem Platz, auf dem die alten Spiele der Insulaner demonstriert werden, ziemlicher Betrieb, denn unter fachlicher Anleitung versuchen die neugierigen Wanderer zwischen den Zeiten, sie zu imitieren. Besonderen Zulauf findet das restaurierte Dorf, wo ein Holzschnitzer seine Arbeit vorführt und in einer Strohhütte recht beleibte „echte“ Hawaiianerinnen kunstvolle Erzeugnisse anfertigen. Verstreut in dem ehemaligen Weiler kann man Hütten fürs Schlafen, Kochen, Essen und Kunsthandwerk entdecken.
Einen Höhepunkt in diesem gut inszenierten Pseudo-Hawaii bietet die täglich zu einer bestimmten Zeit hier stattfindende Vorführung alter, authentischer Hula-Tänze. Inmitten der ringsum wuchernden Naturkulisse sind ansteigend hölzerne Sitzreihen vor einer kleinen Bühne installiert, auf der dem Ritual dieser alten, heute fast vergessenen Tänze und Rhytmen gehuldigt wird.
Baumriesen spannen ihr ausladendes Astwerk über das fremdartige Spiel, das von 3 Frauen und 2 Männern vor einigen wenigen Zuschauern abläuft. Ihre geschmeidigen Bewegungen, das Gelb der kurzen Baströckchen mit dem Rot der Oberteile und Hosen der Männer, die eigenartige Musik fügen dem grünen Dickicht eine spezifische, geheimnisvolle Note hinzu, die sich in seine grandiose Harmonie einblendet, ohne sie zu stören. Das Repertoire der Tänze, längst schon auf ein Minimum zusammengeschmolzen und seine Bedeutung bleibt dem Zuschauer aus fremden Regionen zwar verschlossen, verbreitet aber einen seltsamen Zauber, den Gruß aus einer anderen, fernen Welt. Die Fülle, die die Tänze einst beinhalteten ist auch den verbliebenen heutigen Hawaiianern verloren gegangen. Selbst wenn Hula noch in engstem Kreis zelebriert wird, der Schauer alter Götterfurcht wohnt nicht mehr in ihm.
Bei der Rückfahrt nach Honolulu entlang der Küste überfallen neue Momentaufnahmen das Auge, beeindrucken durch ihr wechselndes Panorama.
Die Sunset Beach bietet besonders im Winter, Wellenreitern ein ideales Revier für sportliche Ambitionen.
Spektakuläre Bergformationen zerfurchen bald danach die Landschaft und Nunanu-Pali, ein 350 m hoher, windgepeitschter Aussichtspunkt als Einbuchtung in der langen Kette der Steilfelsen, weckt die Erinnerung an das Jahr 1795. Hier stürzte Kamehamena I. als Sieger in einer brutalen Schlacht, seine Feinde in die Tiefe. Zwischen den Gipfeln von 600 – 900 m schweift indes der Blick über grüne Felder, Friedhöfe und Golfplätze bis zum Meer hin.
Diesem ersten Treffen mit Hawaiis aus dem Meer emporgestiegenen Eilanden folgt per 25-minütigem Flug, das 115 km entfernte Kauai, wo ich als nächstes Ziel das „Paradies“ erforschen will. Und mein Quartier – das Coconut Palm-Resort-Hotel scheint wahrhaftig dieses Prädikat zu verdienen. Schließlich ist es der älteste und größte Königsgrund, auf dem einst die Königin der Insel, Debora Kapule, in großen strohgedeckten Hütten bis zu ihrem Tod 1853 residierte und Gäste festlich bewirtete.
100 Jahre später wurde dieser einzigartige Royalgrund, auf dem 2500 Kokospalmen als krönendes Dekor den Himmel anpeilen, in eine Herberge für Touristen aus aller Welt verwandelt und wieder eröffnet. Auch die berühmte „Torchlighting“-Zeremonie findet nach alter Tradition jeden Abend statt, bei der die Gäste mit einer großen Seemuschel und brennenden Fackeln zum Dinner gerufen werden.
Im Zentrum der fast runden Insel erhebt sich der erloschene Waiale-Vulkan mit dem 1600 m hohen Kawaikini-Gipfel, der das Land vor 5 ½ Millionen Jahren aus dem Wasser herausgespuckt hat. Die 50.000 Einwohner, davon nur 500 in der Hauptstadt Lihue, die gleichzeitig Verwaltungssitz für das kleine Eiland Niihau ist – werden jährlich von der zehnfachen Menge Touristen bereichert. Nur ein 16 km breiter Kanal trennt die Nachbarn, doch Niihau führt als Privatbesitz ein Dasein a la Steinzeit und kein Fremder darf es betreten.
Ein „Paradies“ also für ein paar Auserwählte… ohne Elektrizität, Autos, Polizei, Gefängnis, Alkohol und Tabak! Dafür Fischfang, Imkerei, Puten- und Schafzucht, reinrassige Rinder und ebensolche Hawaiianer…
Zurück zu Kauai, wo ich ein paar traumhafte Tage auf dem ehemaligen Königsgrund verbringe und außerdem bei einem Helikopter-Flug die atemberaubende Schönheit der Insel erlebe.
Welch` außergewöhnliche Gelegenheit, 50 Minuten über eine Landschaft zu kreisen, die alle Register an Gestaltungskraft zieht!
Die Wildheit der Waimea-Schlucht kontrastiert mit der grünen Üppigkeit tropischer Vegetation. Während ihr Gestein in unendlichen Farbnuancen schillert und die Sinne berauscht, winden sich andernorts Flussläufe durch anmutige Wiesen.
Es scheint als ob die Natur auf diesem Eiland ein Paradebeispiel ihrer Schöpfungsmöglichkeiten präsentieren will.
Im Canon lenkt der Pilot plötzlich für Sekunden das Mini-Luftschiff dicht an die Steilwände heran – jede Schattierung der bunten Skala wird erkennbar – um dann kurz vor dem Zusammenprall blitzschnell die Richtung zu ändern…
Diese Wendigkeit des Steuerns gelingt nur in solch´ kleinen Maschinen, die Freiheit im Flug vorgaukeln. Dabei werden Details sichtbar, ohne dass der Gesamteindruck verloren geht!
Das skurrilste Portrait liefert eine Weile später die Ostküste der Insel. Schroff und beinahe senkrecht stürzt die fast 50 km lange Küstenlinie von Na Pali ins Meer. Fast 1000 m ragt die majestätische Kette in dunklem Grün aus dem Blau des Ozeans; keine Straße führt dahin, niemand bewohnt den lang gezogenen, gezackten, unzugänglichen Höhenrücken. Nur aus der Perspektive von oben zeigen sich seine vielseitigen Bildausschnitte, die sich gleichzeitig zu einem Gesamtpanorama zusammenfügen.
Wie benommen klettere ich aus dem Helikopter, erfüllt von Staunen und Ehrfurcht vor der Natur, die solche Wunder zu schaffen vermochte. Und erfüllt auch von Dankbarkeit, dass ich sie schauen durfte.
Am nächsten Tag widme ich mich zuerst dem riesigen Gelände des ehemaligen Königgrunds mit seinen Palmen, der Lagune und dem Reichtum an Blumen und Gewächsen, den eine gütige Göttin hier verstreut hat. Dabei entdecke ich eine alte Kirche, einen ehemaligen Opferplatz und ein kleines Museum, das die Habseligkeiten der letzten Königin – Bücher, Geschirr, Möbel, etc. – aufbewahrt.
Trotzdem das Gelände groß genug für ein abgeschiedenes, glückliches Dasein bietet, verlasse ich nachmittags das komfortable Ambiente, um mich „draußen“, außerhalb der gepflegten Enklave ein wenig umzusehen… ein wenig am Alltag der Insel herum zu schnüffeln.
Sofort konfrontiert mich die Strasse mit einem dauernd flutenden Verkehr, der zwar recht lautlos, aber stetig vorüber rollt. Menschen zu Fuß sind in USA die große Ausnahme und diese Sitte hat sich offenbar schnell auch hier eingebürgert.
Mich interessiert einiges, was nur ohne „Anhängsel“ Auto in Ruhe betrachtet, seine Geheimnisse preisgibt. So erschien gestern z.B. unter dem Kleinflugzeug ein vom Huleia-Strom abgetrennter Teich, um den sich Legenden ranken, die, wie andere Überbleibsel auf Kauai, den zwergwüchsigen, Pygmäen ähnlichen Menehunes zugeschrieben werden; diese sollen, wie es heißt, den 300 m langen Damm am Fluss für eine Prinzessin und deren Bruder in einer Nacht erbaut haben, unter der Bedingung, dass ihnen kein Sterblicher bei der Arbeit zusehen dürfe. Das Königspaar hielt sich nicht daran und wurde zur Strafe in Steinsäulen verwandelt. Der unfertige Damm wurde tatsächlich erst 1880 von chinesischen Fischzüchtern aufgefüllt und wird immer noch benutzt. Seine Konstruktion weicht jedoch von allem ab, was je in Hawaii entstand. Auch auf 2 kleinen, öden Inseln im Nordwesten fanden sich Terrassenruinen, Steinwerkzeuge und Götterbilder, die nichts Polynesischem gleichen. Die Zwergmenschen haben jedenfalls ihr Schicksal bis heute nicht preisgegeben.
Zwar ist besagter Fischteich viel zu weit für einen Fußmarsch entfernt, doch auch am nahen Wailua-Fluss, der als ziemlich graue, aber imponierende Silhouette unweit vorbeizieht, soll sich Interessantes aus der Vergangenheit befinden. Eine 5 km lange Bootfahrt erschließt ihn für Besucher. Ich möchte heute allerdings nur den Rest eines der 7 Tempeln an seinem Ufer inspizieren und zwar den untersten, der ganz in der Nähe von Coconut Palm-Resort auch für Menschenopfer benützt worden sein soll. Der Name „Wailua“ bedeutet „heiliges Wasser“…
Die 7 Tempel an den Ufern sollen ebenfalls bereits vor der Ankunft der Polynesier vorhanden gewesen sein. Man vermutet weiterhin, dass die ersten Seefahrer auf Kauai gelandet sind!
Leider gelingt es mir trotz intensiver Suche nicht, das angeführte Relikt aufzuspüren und so muss ich schließlich nach einiger Zeit resigniert aufgeben und umkehren. Nach erfolgreicher Überquerung der Straße will ich wenigstens noch den „Hausstrand“ von meinem Domizil begutachten. Er ist menschenleer und von allerlei angeschwemmten Unrat verschmutzt.. Von heftiger Brandung gepeitscht lädt er nicht zum Schwimmen ein.
Obwohl ich bereits aus der Luft die Insel überblicken konnte, möchte ich diesen grandiosen Waimea-Canon auch aus ebener Sicht betrachten… ein Tagesausflug dahin vermittelt dabei neue, interessante Perspektiven.
So erzählen beispielsweise die nicht sehr attraktiven Ruinen des Fort Elisabeth von Ereignissen, die auch Kauai einst bedrohten. 1817 versuchte Russland mit Hilfe eines Festungsbaues die Insel für sich zu gewinnen. Das Vorhaben scheiterte und nach Abzug der Russen benutzten hawaiianische Truppen das Fort bis 1853 als Garnison.
Eine folgenschwere Hauptrolle spielte dagegen die Waimea-Bucht selbst, auf der Bühne des Archipels. An ihrem Strand ankerten 1778 die beiden Schiffe von James Cook, dem berühmte Kartographen und Entdecker, der vom armen Landarbeitersohn als Schiffsjunge auf einem Kohlenschiff, zum Kapitän avancierte. Auf drei Weltreisen vermaß und entdeckte er Neuseeland und 1778 betrat er in dieser Bucht erstmals den Boden Hawaiis. Offenbar hatte er zufällig am 17.1. Oahu gesichtet, 2 Tage später tauchte Kauai auf. Der Anblick seiner beiden Schiffe versetzte die Insulaner in höchste Erregung. Sie hielten ihn für einen Gott und überhäuften ihn mit Ehrenbezeugungen, wie sie nur großen Häuptlingen zuteil wurden.
Cook nannte seine Entdeckung Sandwich-Inseln, nach seinem Gönner, den Earl of Sandwich.
Und dieser schöne Erdenfleck ruft sogleich noch ein anderes Geschehen ins Gedächtnis! Als schemenhafter Umriss zeichnet sich in der Ferne ein Eiland ab, auf dem seltsame Dinge, die wohl einmalig auf der Welt sein dürften, geschehen. Die verbotene Insel Niihau, wo eine Schar von Menschen den „Garten Eden“ praktizieren!
Vor über 100 Jahren tauchte die Kapitänswitwe als Oberhaupt der Familie Robinson, von Neuseeland kommend, mit ihren Schiffen, Kindern, Enkeln, Rindern, Schafen und ihrem Vermögen in Hawaii auf und kaufte 1864 für 10.000 Dollar große Länderein auf Kauai sowie die ganze Insel Niihau.
Im Laufe der Jahrzehnte wurde – wie man erzählt – nur einmal die göttliche Ruhe auf Niihau gestört. Das war, als nach dem Debakel in Pearl Harbor ein abgeschossener, japanischer Jagdflieger vom Himmel auf ihr Terrain fiel. Eine Bruchlandung also! Die vom Weltgeschehen abgeriegelten 200 Bewohner hatten keine Ahnung was außerhalb ihrer Enklave vorging und nahmen dem bewusstlosen Findling seine Kartenunterlagen weg. Wieder erwacht lief der Unglückliche Amok und terrorisierte mit Hilfe zweier auf der Insel lebenden Japaner einige Tage das weltvergessene Idyll, bis ein Hüne von einem Hawaiianer, ehe Truppen zur Rettung eintrafen, den Pilot tötete. Danach verschwand der japanische „Gehilfe“ und der Zweite erledigte sich selbst mit Harakiri. Seither träumt die Insel weiter den Traum von einer heilen Welt!
Im Zentrum des Städtchens Waimea ehrt ein Monument aus Vulkangestein Kapitän Cook, der die Neugier der Welt auf den bis dahin unbekannten Archipel gelenkt hatte. Die Frage ob zum Nutzen oder Schaden der Polynesier, kennt viele und höchst unterschiedliche Antworten.
Sein tragischer Tod über ein Jahr später, im Februar 1779 in der Kealakekua-Bucht auf der Insel Hawaii mag vor allem auf den Zusammenprall einer hoch entwickelten Zivilisation mit der Vorstellungswelt eines urtümlichen Volkes zusammen gehängt haben.
Über 6 Jahre nach diesem Vorfall führte daraufhin die Inselwelt noch einmal ihr eigenes Leben.
1820 nahmen die ersten Missionare in Waimea die „Arbeit“ auf. Ihre Kirche aus Korallen-Sandstein entstand 1853. Ein Prozess war damit in Gang gesetzt worden, der unaufhaltsam Hawaii und sein Volk veränderte… und es rigoros dezimierte!
Im Zentrum von Waimea soll übrigens eine Straße zu jenem 60 cm hohen und 60 m langen Wall aus Urgestein abzweigen, der den sagenhaften Menehunes zugeschrieben wird… ein uralter, noch funktionaler Bewässerungskanal, dessen Wasser im Lavafeld verschwand.
Auf der berühmten Waimea-Canyon-Road beginnt schließlich die Auffahrt, die dann entlang der Schlucht, gespickt mit zahlreichen Aussichtsterrassen, unvergessliche Blicke in die Tiefe vermittelt.
Ein monumentales Naturwunder, an dem Wolken, Wind und Regen sich austobten und weiter meißeln!
Der über das Meer eindringende Nord-Ost-Passat staut sich am erloschenen Vulkan und schüttet jährlich über 12 m Niederschlag vom Himmel – Kauai ist berüchtigt für seinen Regenreichtum… Die Wasserströme wiederum schneiden infolge der Beschaffenheit des Landschaftsportraits während langer Zeiträume Schluchten in dieses und der Fluss gräbt ständig weiter. Mit 870 m ist die des Waimea bisher die tiefste und imposanteste. Er sägt so senkrecht, dass die Talsohle kein Sonnenlicht abbekommt. Auf 23 km Länge liegt tiefer Schatten über rotbraunem Gestein. Darüber aber, wo Sonne und Wolkenschatten an den steilen Wänden ihr neckisches Spiel treiben, verraten die Schichten und Farben die Jahrtausende währende Arbeit der Lavaflüsse und bieten ein buntes, faszinierendes Mosaik Zeitgeschichte, das je nach Beleuchtung wechselt und laufend neue Muster kreiert.
Der letzte Ausguck auf die 20 km lange Na Pali Coast ragt auch aus ebener Sicht als bizzares Wunder aus dem Meer. Ihr gewaltiger Rücken erscheint dabei nicht allumfassend, dafür klaffen seine Kanten und Ecken beängstigend scharf erkennbar aus ihm heraus.
Auf allen Inseln des Archipels schüttet Flora aus ihrem unerschöpflichen Füllhorn verschwenderisch auch die Arten aus, die den Menschen als Nahrung dienen. Taro pflanzten schon die Polynesier an, das Eiland Lanai hat sich auf Ananas spezialisiert, während auf dem größten Landklotz Hawaii, der beliebte Kona-Kaffee üppig gedeiht. Es ist mein nächster Anlaufpunkt und das keineswegs nur wegen des beliebten, schwarzen Genusses.
Ein kurzer Flug nach Honolulu. Eine knappe weitere halbe Stunde Luftsprung und „Big Island“, die Orchideen-Insel ist erreicht.
Aufgebaut auf 5 großen Vulkankratern offeriert sie sogleich ihre Visitenkarte: blühendes Leben in Form prächtiger Blumen auf schwarzer Erde…
Immer noch aktiv – durchschnittlich mehr als einmal im Jahr – verhält sich der Kilauea (1247 m), ein Nebenkrater des Mona Loa (4171 m).
Majestätisch beherrschen die beiden riesigen Schildvulkane Mauna Kea uns Mauna Loa die Insel, von der ein großer Teil vulkanische Wüste darstellt.
Einquartiert im Gebiet von Kona im Westen der Insel, habe ich vor allem drei Ausflüge für meinen Aufenthalt hier eingeplant. Die große Vulcano-Tour… je einen Ausflug in den Norden und den Süden und einen Tauchgang per Boot. Leider muss dabei der Westen mit der Hauptstadt Hilo, die für Blumenfeste und für Kreuzungen von verschiedenen Arten bekannt ist, ausgespart bleiben. Sie gilt übrigens als der eigentliche Schmelztiegel aller menschlicher Rassen, die nach der Entdeckung die Inseln überfallen haben und – welch` Ausnahme – friedlich miteinander umgehen.
Während das Unterwasser-Erlebnis meine Erwartungen nicht ganz erfüllt, entführen die anderen Touren in eine Welt voller Gegensätze mit erschreckenden Manifestationen immensen Kraftpotentials, das unter unseren Füssen tobt.
Das Abtauchen in die Meerestiefe vollzieht sich als recht routinemäßiges Geschäft!
Bezahlung von 7 Dollar im Center des Unternehmens, ein Zubringerboot befördert die Interessenten hinaus zum zivilen Unterseeboot, das gerade am Auftauchen von der vorhergehenden Tour ist. Kaum an der Oberfläche heißt es schnell, schnell die steile Treppe hinab in den Bauch des Schiffes, wo jedem Teilnehmer der Sitz vor einem Bullauge zugewiesen wird. Man hockt in gespannter Erwartung Rücken an Rücken und abwärts gehts bis in ca. 65 Feet Tiefe.
Gespannt starrt man durch die Luke, kann Korallenbänke wahrnehmen, zwischen denen sich ein paar Fischlein tummeln. Es ist recht dunkel hier unten. Plötzlich tauchen zwei leuchtend blaue Dinge auf, die um das Boot wedeln… Es sind die Schwimmflossen eines Tauchers, der den Touristen zuliebe die Meeresbewohner mit Futter anlockt, die dann auch scharenweise am Gefährt vorbeiziehen. Meist sind es gelb gestreifte Arten und angeblich wären auf der gegenüberliegenden Seite gar zwei Haie gesichtet worden.
Damit ist der Spuk auch schon vorbei und das Festland hat uns wieder.
Die große „Vulcanos-Tour“ vermittelt eine vage Ahnung von den Zusammenhängen, wieso es das Eiland überhaupt gibt!
Wunderschöne, blühende Landschaften mit Bäumen und Sträuchern – besonders auffallend die prächtigen, roten Blattsterne des Weihnachtssterns – verwandeln sich in ödes Lavagebiet, je mehr wir uns dem Vulcanos-Nationalpark nähern, der sich nach 155 km ungefähr im Herzen der Insel ausbreitet und in 1210 m Höhe im Kilauea-Visitor-Center per Farbfilm über die bedeutendsten Eruptionen und Geschehnisse während der Lava-Ausbrüche, informiert.
Gleich vor der „Haustür“ sozusagen blickt man dann in einen vergleichsweise kleinen Krater.
Der 18 Kilometer lange Crater-Rim-Drive führt von hier zum Vulcano-Observatory. Die Fahrt dahin, bei der man hautnah die tiefen Wunden erkennt, die unser Planet aus seinem brodelnden Innern der Oberfläche zugefügt hat, wird zu einem gewaltigen Erlebnis.
Der kurze Fußweg zum Ende des Halemaumau-Krater versetzt z.B. in eine Mondlandschaft; bis 1921 war er ein blubbernder Magma-See, bis sich die Lava-Zufuhr in der Tiefe veränderte und das Becken um 230 m einsank. Nun mit abkühlender, schwarzer Lava aufgefüllt und verstopft, hat man trotzdem noch das Gefühl, dass es verhalten aus der Tiefe kocht und brodelt. Für die Hawaiianer war dieser Krater der Wohnsitz der Feuergöttin Pele und als Beweis, dass der alte Glaube noch nicht ganz aus den Herzen der Insulaner verschwunden ist, entdecke ich vor dem Rückweg zum Bus am Kraterrand ein von Irgendwem abgelegtes Geschenkbündel an die mächtige Göttin.
Einem Naturwunder auf diesem „Drive“ begegnet man ein wenig später an der Thurston Lava-Tube, einer 140 m langen und 6 m hohen Röhre, die man durchschreiten kann. Sie versteckt sich in einem feuchten Dschungel baumhoher Farne – dem Farnwald – der einem verzauberten Märchenwald inmitten der so gewalttätigen Umgebung gleicht. Entstanden ist die Röhre in vorgeschichtlicher Zeit, als die Außenkruste eines Lavastroms sich bereits erhärtete, während innen das noch flüssige Ozon davonströmte.
Noch ein kurzer Blick in den Kilauea Iki, den kleinen Nachbar des großen Kilauea, der 1959 126 m mit Lava aufgeschüttet wurde, sodass der Boden 100 – 125 m tiefer als das umliegende Land erscheint… und dann haben wir das Vulcano Observatory, 1911 gegründet, erreicht.
Von hier aus werden alle unterirdischen Aktivitäten registriert, sodass der Kilauea der besterforschte Vulkan der Erde ist. Sein Name bedeutet „aufsteigende Rauchwolken“.
Von der Terrasse des angeschlossenen „Vulcano-Hotel“ mit Selbstbedienung kann man endlich die riesigen Ausmaße dieses Kraters erahnen, sein Boden erstreckt sich über rd. 4 km Länge und 3 km Breite, seine Fläche liegt bei 10,50 Hektar!
Der für alles verantwortliche, aktive Mauna Loa mit 4205 m Höhe, den man während der Fahrt entlang des „Drive“ immer wieder als sanften, lang gestreckten Bergrücken wahrnimmt, entpuppt sich somit als seit Menschengedenken Feuer speiendes Ungeheuer, als Wolf im Schafspelz, wie es der Volksmund auszudrücken pflegt. Immerhin der Gipfel dieses so harmlos wirkenden Mauna Loa misst 5 km in der Länge und 25 km in der Breite und ist damit der Vulkan mit dem größten Durchmesser auf der Welt.
Mein zweiter Trip vom Kona-Gebiet an der Westküste in nördlicher Richtung führt in die Vergangenheit und damit wieder zum einstigen, „echten“ Hawaii. Neben dem Flughafen nahe der Hauptstadt Hilo im Osten, existiert ein solcher auch an der Westküste. Ihn passieren wir bei dieser Tour auf einer Straße, die rechts und links von prächtigen Blütensträuchern gerahmt wird, während bald danach eine Weile nur schwarze Lava die Landschaft beherrscht, die ab und zu von gelben Strohbüscheln ein wenig Farbe erhält. In der Ferne tauchen Berge auf, linker Hand schillert das tiefblaue Meer.
Von der Hololokai-Beach, wo sich eine große Ressort-Anlage befindet, führt ein schmaler Dschungelpfad zwischen zerfledderten Bäumen und Lava zu einem weiten Feld von Felsplatten, die von unzähligen Gravierungen übersät sind: Petroglyphen!
Wann und wer hat diese strichartigen Figürchen hinterlassen?
Eine Frage, die bis heute keine endgültige Antwort anbietet. Da sie auch den aus Polynesien eingewanderten Hawaiianern fremd erscheinen, könnte man an die Menehunes denken, aber auch diese Annahme ist höchst umstritten. Da sie den Zeichnungen einiger nordamerikanischen Indianer ähneln , haben sie vielleicht sogar eine gemeinsame, aber unbekannte Entdeckungsgeschichte. Ein noch nicht entziffertes Rätsel also!
Am in der Nähe befindlichen Puukohola-Heiau, einem alt-hawaiianischen Tempelkomplex, um 1550 aus Lavagestein errichtet, wird man mit der Geschichte von Kamehamea I. konfrontiert. Ursprünglich herrschte dieser Inseleiniger nur über den Nordteil vom „Big Island“, wo er auch geboren wurde. 1791 weihte Kamehamea den Tempel, nach dem Sieg über seinen letzten Rivalen auf der Insel, dem Kriegsgott Kukailimoku.
Renoviert, imponiert dieser „Heiau“ auch ohne die einst vorhandenen Götterbilder. Drei lange, schmale Terrassen mit einer Länge von 68 m und einer Breite von 30 m, zur Meerseite gewendet, dominieren die Landschaft.
Ein kleines Museum zeigt das Aussehen der Weihestätte im Schmuck der göttlichen Holzfiguren, ein zweites Gemälde demonstriert die Ankunft von Kamehameas Gegenspieler aus Hilo in der Bucht unter dem Tempel.
Steigt man hinunter, dann rückt der gewaltige Bau oben ins rechte Licht und verleiht dem größten Heiligtum Hawaiis eine kolossale Wirkung. Makaber dagegen was sich damals an seinen Ufern zutrug:
Nach Fertigstellung der Anlage hatte Kamehamea seinen Rivalen eingeladen und wie auf dem Bild festgehalten, kam dieser auch samt Gefolge in der Bucht an… und wurde erschlagen und aufgegessen, um sich sein „mana“ einzuverleiben. Die Knochen teilten das übliche Los des Vergrabens.
An der Bucht kann man noch einen Holzaufbau für Opfergaben sehen und… auch hier findet sich tatsächlich wieder ein Geschenk für einen Gott als Spende. An einem großen Stein am Ufer, konnten sich die Priester beim Hai-Orakel anlehnen. Dieser Fisch galt als heilig und durfte nicht gegessen werden. Bis 1918 sollen in dem Tempel auch Menschenopfer stattgefunden haben. Die Delinquenten wurden stets erschlagen, denn es durfte kein Blut fließen… Ganz schön raue Sitten und Bräuche, die sich da hinter blendend schöner Fassade abgespielten!
Auch Kamehamea I. der nach und nach mit ähnlichen Methoden, die übrigen Inseln unter seine Herrschaft zwang – außer Kauai, die er sich durch Vertrag sicherte – muss eine höchst doppelgesichtige Persönlichkeit gewesen sein. „Der verschlagene, rücksichtslose Krieger mit den wilden, entschlossenen Gesichtszügen, glänzt gleichermaßen durch athletischen Wuchs und hohe Intelligenz“, urteilen ausländische Zeitgenossen.
Wieder nicht weit entfernt vom Tempel kann man ein alt-hawaiianisches Dorf besuchen, das 600 Jahre lang bewohnt war, von dem aber leider nur die Steinwälle, die die Strohhütten schützten, vorhanden sind. Hier ist nichts nachgestellt und der Platz oberhalb einer steinigen Bucht wirkt ein wenig abseits, aber durchaus anheimelnd. Die niederen Steinwälle tragen Nummern als Beweis, dass dahinter Menschen hausten und an Bäumen baumeln Kalebassen, die daran erinnern, dass die Eingeborenen Naturprodukte zu nutzen wussten, z.B. als Wasserbehälter…
Während der Rückfahrt begegnen wir dem berühmt-berüchtigten Inseleiniger im einst weltfernen, verschlafenen Ort Kappa in Form seiner originalen Ehren-Statue. Deren Odyssee infolge Schiffsuntergang und Bergung aus dem Wrack setzt das letzte „i“-Tüpferl auf ein Leben voll Widersprüche… einem Charakter, in dem sich Klugheit mit Grausamkeit verbündete und Kraft mit Gewalt paarte.
Durch sehr schöne Landschaft, die an Europa denken lässt, trifft man in 800 m Höhe auf die Siedlung Waimea, wo sich mit 50.000 Tieren, eine sich jetzt im Einzelbesitz befindliche Rinderfarm der USA etabliert hat – zurückgehend auf die Backer Ranch. Ein Idyll, wäre da nicht das Übermaß an Geschäften und allen möglichen Einrichtungen, die dem Komfort dienen.
Bald, nachdem sich die Straße wieder auf Meeresniveau hinuntergeschraubt hat, schüttet die Tropenwelt abermals ungebremste Üppigkeit über ihre beidseitigen Ränder. Sie strotzen von Farben und Formen… auch die zu leuchtendem Rot strebenden Kugeln der Kona-Bohnen hängen gebündelt aus dem Blattwerk, scheinen es mit ihrer prallen Fülle sprengen zu wollen.
Und dann… in Blitzes Schnelle verwandelt sich der Himmel in ein beängstigend schwarzes, tiefhängendes Wolkenbett, das sich ebenfalls in kürzester Zeit in einem prasselnden, peitschenden Regenguss entlädt.
Im sicheren Gefährt davor geschützt, lässt es sich als momentane Laune der Natur nach der Tageshitze fast als angenehm einstufen, zumal es von einem ungewöhnlichen, ganz unirdisch anmutendem Phänomen über dem Ozean begleitet wird.
Über den Wellen glüht in sattem Rot die Sonnenkugel am Firmament, scheint sich zu vergrößern, legt immer mehr Farbe zu, spiegelt sich an der Wasseroberfläche in allen Nuancen, bevor sie sich schließlich mit dem feuchten Element vereinigt und in ihm verschwindet.
Ein Sonnenuntergang der besonderen Art und ein Lichtspiel vom fast schwarz zum faszinierenden Gelb zu Rot, untermalt von den Trommeln der Regenkaskaden.
Der Ausflug nach Süden entlang der Westküste des Kona-Gebietes vermengt Hawaiis Vergangenheit mit den für die Insulaner wenig Glück bringenden Einflüssen fremder Kulturen aus so genannten fortschrittlichen Ländern.
Nicht nur die Sehnsucht nach dem Paradies war Triebfeder für die vielen Völkerschaften, die die Hawaiianer mit unbekannter Gegenwart konfrontierten. Handfeste Geschäfte erwarteten und lockten die Ankömmlinge, Neugierde und Lust auf seltsame Güter weckte das Interesse der Einheimischen und die hatten nun mal andere Begriffe zum Beispiel bezüglich Eigentum und Besitz. In ihrem Lebenskreis gehörte alles Allen und Alles wiederum dem Herrscher, ihrem „Gott“.
Noch einmal begegne ich auf dieser dritten und letzten Tour auf „Big Island“ einen weitläufigen heiligen Bezirk. Diesmal handelt es sich um eine Fluchtburg, die wichtigste historische dieser Art: Honaunau. Einst der traditionelle Sitz des Königreichs von Kona, der 1961 als Nationalpark mit einer neuen Rolle betraut wurde.
Seither stolpert statt dem herrschaftlichen Hofstaat, ein durch das Visiter-Center gut informiertes Publikum, einen Lageplan in Händen, staunend und interessiert über die 73 ha, durch Lavaplatten beschwerlich begehbaren Wege, von einer Attraktionsnummer zur anderen.
Vom Palast ist zwar kaum etwa „handfestes“ übrig, dafür bietet der Heiau (Tempel) mit zahlreichen hölzernen Götterfiguren ein ehrwürdiges Schauobjekt. 1650 erbaut ist er nun eingezäunt und bis 1829 lagerten in ihm die Knochen von 23 „heiligen“ Häuptlingen, darunter auch die von Mitgliedern der Kamehameha-Familie. Die mystischen Kräfte des „mana“ der Könige sollten dem Tempel erhalten bleiben.
Ein großer Wall sichert die Zufluchtsstätte von der Landzunge ab. Sie gewährte jedem Verfolgten, egal warum er auf der Flucht war Schutz, wenn… ja, wenn er es schaffte sie zu erreichen und das schien von Land aus so gut wie unmöglich und übers von Haien wimmelnde Meer ebenfalls höchst mühsam.
Wem es gelang, der galt als unschuldig und stand unter strengstem Tabu. In Kriegszeiten fanden auch Frauen und Kinder als Begleitung ihrer kämpfenden Männer hier Aufnahme.
Rekonstruierte Hausmodelle, Fischteiche, angelegt als Landeplatz für die königlichen Kanus, ein Stein für das Konane- ähnlich dem Dame-Spiel – gestalten den Spaziergang recht eindrucksvoll.
Von hier ist es nur eine kurze Strecke auf schmaler, holpriger Straße, gesäumt wie stets von blühender Flora zur Kealakekum-Bay, auf der wegen eines kleinen Sandstrandes lebhafter Betrieb herrscht. Ehe man sie erreicht, rückt die Lava-Konstruktion eines Tempels ins Blickfeld, wo einst sowohl in einer Zeremonie, Cook als Gott Lono gefeiert, als auch die erste Messe beim Begräbnis eines seines Mannschaftsmitglieds zelebriert wurde.
Immer mehr Menschen und Autos verstopfen die schmale Straße, darunter befinden sich auffallend viel Hawaiianer oder deren Mischlinge. Und wie seltsam… Körperfülle ist ihr Markenzeichen! Für diese Merkwürdigkeit bieten schlaue Leute eine plausible Antwort an: nachdem die neuen Ufer per Zufall… ? entdeckt waren, wählte man für das gefährliche Abenteuer auf See zum Zwecke ihrer Inbesitznahme nur die Kräftigsten der Bevölkerung aus, sodass vor allem „Hünen“ mit Kind und Kegel über den Ozean pilgerten.
Da mich das bisschen Sandstrand der Bucht nicht zum Abstieg und Schwimmen verlockt, suche ich mir ein ruhiges Plätzchen, außer Reichweite von Betriebsamkeit, um ein wenig aufs Meer hinaus zu träumen. Gerade noch sichtbar ist der 8 m hohe, weiße Obelisk, der 1874 von den Engländern zum Gedenken an Kapitän Cook aufgestellt wurde. Denn an dieser Stelle, von Land aus kaum zugänglich ereilte ihn der Tod, der einem Abschlachten gleichkam.
Nachdem er bei seiner Ankunft am 17.1.1779 auch auf der Insel Hawaii enthusiastisch gefeiert und mit Geschenken überhäuft wurde, änderte sich während seines Aufenthaltes bis 4.2. aus allerlei Gründen die Stimmung der Einheimischen drastisch, Misstrauen kam auf und erzeugte Verdruss. Cooks Pech war, dass seine Schiffe bei der Heimfahrt an der Nordspitze Hawaiis in einen Sturm gerieten und beschädigt wurden. Zwecks Reparaturen entschloss er sich in die Kealakekum-Bucht zurückzukehren. Ein fataler Fehler, denn diesmal war der Empfang eher feindlich. Schließlich artete am 14.2. die Situation in einer Konfrontation aus, die Cook nicht verhindern konnte. Es gab ein Gemetzel und mit einem Dolch, den er selbst einst als Geschenk mitgebracht hatte, wurde der Kapitän erstochen. Die Insulaner zerteilten seinen Leichnam, um sich durch „Essen“ sein „mana“ einzuverleiben.
Nur durch Bestechung einiger Häuptlinge und mittels Geschenke konnte die Mannschaft die spärlichen Reste – einen Teil des Kopfs, die rechte Hand, abgenagte Knochen, die noch blutig waren, zurückbekommen, die dann in einer feierlichen Totenehrung dem Pazifik übergeben wurden.
13 Jahre später segelten nochmals ein englischer Drei- und Zweimaster über den Ozean und ankerten in der Kealakekum-Bucht. Der Kapitän war George Vancouver, der als junger Offizier die schaurige Szenerie vom 14.2.1779 miterlebt hatte. Noch nicht König über den ganzen Archipel, aber Herrscher in Hawaii, begrüßte Kamehamea den Gast ebenso herzlich und mit voll beladenen Kanus an Geschenken wie einst Cook. Die Engländer brachten Kühe mit und als man sie frei ließ, entstand ein ganz schönes Chaos auf der Insel. Natürlich spekulierte Kamehamea I. bei seinen Freundschaftsbeweisen darauf, England als Schutzmacht für sein Reich zu gewinnen, Waffen oder gar ein Schiff für den Kampf um die noch nicht eroberten Inseln, zu erhalten
Tatsächlich wehte nach einem zweiten Besuch Vancouvers ein Jahr später, der Union Jack, Englands Flagge, über Hawaii.
Ein geschichtsträchtiger Erdenfleck also, diese kleine Bucht, in der ich da in tropischer Atmosphäre, freundliche und makabere Bilder an meinem Geiste vorüberziehen lasse. Dabei vergleiche ich das Milieu und das Portrait ihrer Bewohner von einst, mit dem der Gegenwart. Abgesehen von den hawaiianischen Typen, denen ich heute erstmals in größerer Zahl begegnet bin, kann ich kein Symbiose oder Gemeinsamkeiten zwischen dem Damals und Jetzt feststellen. Europa und Asien haben ganze Arbeit bezüglich Umfunktion geleistet. Das „Paradies“ hat sich in ein Sammelbecken für das bunte Inventar menschlicher Spezien, von Völkern und Rassen gewandelt, die noch dazu ohne Querelen miteinander auskommen… was wiederum doch etwas „paradiesisches“ an sich hat…
Der Aufbruch zum vierten und letzten Eiland, das bei meiner Suche nach dem Garten Eden auf dem Zeitplan verzeichnet ist, wird allzu schnell fällig!
Wie eine arg deformierte liegende „Acht“ schwimmt nach knapp halbstündigem Flug Maui unter mir im Ozean. Während der Kreis des Westteils einigermaßen gerundet auftaucht, bläht sich der Osten hinter dem verbindenden Isthmus wie ein praller Ballon übers Wasser. In seiner Mitte verbirgt sich im 3057 m hohem „Haus der Sonne“ der größte schlafende Krater der Welt, namens Haleakala. 1790 brach der Vulkan zum letzten Mal aus. Er hatte ursprünglich einen spitzen Gipfel, der in Jahrhunderte langer Erosion zu einer riesigen Dalle schrumpfte, sich teilweise durch neuerliche Ausbrüche wieder auffüllte, sodass in dem 14 km langen und 4 km breiten Schlund eine Menge kleiner Kegel als Narben erscheinen.
Meine Unterkunft für ein paar Tage befindet sich im Süden des westlichen Kreises der „Acht“, am Kaanapali-Strand, nahe der historischen Stadt Lahina. Eine 5 km lange, glänzende Sandoase inmitten von Blumenterassen und dem imposanten Felsen „Black Rock“, von dem nach alten Legenden „die Seelen“ springen, sind sein faszinierendes Kennzeichen. So recht geeignet für eine angenehme „Verschnaufpause“ vor dem langen Rückflug ans andere Ende der Welt.
Und welche Wonne, vor meinem Hotel verläuft eine Strasse mit einem breiten Gehsteig, die zum flanieren einlädt. Gesäumt wird sie von Sträuchern, aus deren dichtem Grün fantasievoll modellierte, vielfarbige Blütenköpfe ans Licht drängen und majestätische Palmen den breiten Boulevard zum 32 ha großen Whaler´s –Village begleiten – ein 1970 eröffneter Komplex, der mit unzähligen Geschäften, Restaurants und einem „Walmuseum“ aufwartet. Der Distrikt von Lahina war ein Zentrum für das zweifelhafte Geschäft von Walfängern. 1819 gelangten die ersten Fangschiffe nach Hawaii, 1830 überwinterten 150 vor den Inseln, 1846 fast schon 600. Zwar widersetzten sich die Missionare nicht dem Töten der Tiere, jedoch gegen den daraus resultierenden Verfall der Moral. Manchmal hatten sie mit ihrem Protest gegen die Sittenlosigkeit Erfolg, ein anderes Mal nicht. Auch Honolulu diente als Ankerplatz für Walfänger samt ihrer freiwilligen Meute sinnenfreudiger Hawaiianerinnen. Ein Albtraum der Missionare. Twilei nahe Honolulus Hafen war in der zweiten Jahrhunderthälfte das berüchtigtste Viertel der Ausschweifungen im ganzen Pazifik. Auch ein „Geschenk“ Europas, das Hawaii wirtschaftlichen Aufschwung, aber auch Probleme brachte.
Wie bei den anderen Inseln, versuche ich auch auf Maui wenigstens einen groben Überblick über seine Strukturen und Besonderheiten zu erlangen.
Nicht die Hauptstadt im schmalen Isthmus platziert, interessiert mich, sondern die Fahrt zu dem wuchtigen Ballon der „Acht“ im Osten. Die „Expedition“ dahin zählt zu den aufregendsten und eindruckvollsten Erlebnissen, die Maui zu bieten hat.
Eine sehr schmale Strasse führt an der Nordküste entlang durch dichten Dschungel mit engen Kurven, über Brücken Richtung Ost. Glücklicherweise verläuft der Verkehr in den USA auf Autobahnen und allen Verkehrswegen wesentlich disziplinierter als anderswo und diese liebenswerte Eigenschaft haben sie wohl auch ihrem jüngsten Mitglied Hawaii vermacht. So gestalten sich die immer wieder notwendigen Ausweichmanöver auf runzeligem auf- und absteigenden Niveau durch das Dickicht verhältnismäßig unproblematisch und die Tour gewährt Einblicke in eine wilde und doch äußerst friedvoll wirkende Natur, in der sich noch Ansiedlungen von „Original-Insulanern“ verstecken sollen. Zwar schon dem urtümlichen Lebensstil entrückt, unterscheidet sich ihr bescheidenes Dasein in weltferner Abgeschiedenheit doch wesentlich von den Genüssen und Errungenschaften der Neuzeit. Zwischen Koa-Bäumen, deren hellgrüne Blätter mit der übrigen dunkleren Vegetation kontrastieren, sind ihre kleinen Dörfer inmitten der Bergwelt kaum auszumachen und abseits jeder Gemarkung.
Ab 800 m findet sich das Koa-Gewächs, das bis zu 30 m hoch wachsen kann. Wegen des edlen, besonders schön gemaserten Holzes ihrer Stämme verdienen sie das Prädikat „hawaiianisches Mahagoni“. Der Dschungelpfad wird von zahlreichen Wasserfällen gekühlt und immer wieder blickt man in grüne Täler hinunter. Dann wieder öffnet sich in leuchtendem Azur die Sicht auf den Ozean, auf dem um Klippen und Felsen das schillernde, weiße Band der Brandung tobt.
Im Städtchen Hana, an der nordöstlichen Ecke des ausgebeulten Achterkreises leben 500 Menschen und bei fast allen fließt hawaiianisches Blut in den Adern. Früher war der ganze traditionsreiche Landstrich von Polynesiern bewohnt. Heute weiden um den Ort 7000 bis 8000 Rinder auf der Hana-Ranch – ein grünes, friedliches Idyll! Beim Kliff, das die Bucht eine Festung überragt, haben sich die Heere von Kamehamea I. und dem König von Maui einst mit Steinschleudern und Speeren bekämpft.
Ein Stück weiter, auf dem Weg zu den „Sieben heiligen Teichen“ zeichnet sich die Strasse nicht nur durch Enge und Kurven aus, sondern bietet auch jede Menge Schlaglöcher.
Der große Parkplatz des Haleakala-Nationalparks nimmt alle von der Schönheit der Dschungellandschaft betörten und von dem Weg dahin ramponierten Touristen, huldvoll auf seinem großen Terrain auf. Oberhalb, im Herzen der bauchigen, östlichen „Acht“ schläft ja der mächtige Vulkan, lockt also viele Besucher auf seine Plattform.
Mich erwartet dagegen ein anderes „Highlight“. Nach ein paar Minuten Anstieg zu Fuß erreicht man eine Brücke, von der man ein Paradebeispiel extravaganter Natur beobachten kann. Das aus dem Kipahulu-Tal des Kraters herabströmende Wasser des Oheo-Baches hat in zahlreichen Kaskaden einen Lavastrom durchschnitten und bildet dabei Teiche, die sich wie riesige Stufen bis ins Meer hinunter staffeln. Das Wasser ergießt sich von einem Teich in den anderen und man kann an dieser Stelle seine steilen Kurven von oben nach unten verfolgen. In den unteren Bassins reicht es sogar zum Baden und Schwimmen, was von dieser Aussichtsterrasse beobachtet werden kann.
Noch einmal gewährt die Rückfahrt auf dieser spektakulären Route flüchtige, aber zutiefst im Gedächtnis haften bleibende Blicke auf ein botanisches Schlaraffenland aus Bäumen, Sträuchern und Blumen. Die auf abenteuerlichen, unbekannten Wegen vor Urzeiten hier angekommenen, winzigen Lebenskeime haben sich zu einer vielstimmigen, facettenreichen Symphonie an Formen und Farben entwickelt, die jedes Vorstellungsvermögen übertrifft.
Habe ich am Ende meiner weiten Reise doch noch das Paradies gefunden?
Ein weiterer Tag steht mir auf diesem Eiland zur Verfügung… Ich nutze ihn, um der historischen Stadt Lahina einen Besuch abzustatten. Und zwar mit dem nostalgischen „Lahina-Express“.
Sein Tempo entspricht zwar nicht dem verheißungsvollen Namen – er hält vor jedem Hotel im Whalers-Village – erlaubt aber mit beidseitig offenen Waggons den Genuss der Landschaft. Eine Gruppe Behinderter steigt zu, die von den Pflegern liebevoll betreut wird.
Am Wharf –Cinema-Center in Lahina, einem Komplex mit über 50 Geschäften und Restaurants in 3 Etagen spuckt das Bähnchen seine Fracht aus. Ich befinde mich damit dicht am Hafen. Als „historisches Denkmal“ gewürdigt, erinnert das Städtchen an seine Rolle als Hauptstadt des Königreichs Hawaii von 1802 – 1843.Von 1839 bis 1871 rühmt es sich der bedeutendste Walfängerhafen im Pazifik gewesen zu sein. 1859 lagen 549 Fangboote vor der Küste und Seeleute bestimmten das alltägliche, oft recht lockere Leben der Stadt. Ihre Gegenspieler, die Missionare beherrschten dagegen die geistige Welt.
Ich besichtige das historische Pioneer-Inn von 1901 mit nautischen Dekorationsstücken. An den Wänden der Treppe verewigen Tafeln die damalige Hausordnung und schnell schleichen sich alte Zeiten in die Gegenwart… nur liefern sie statt einem Abbild von Hawaii, eher das von Amerikas wilden Westen. Ganz in der Nähe spiegelt das Old Court House, 1858 aus Korallenstein als Zollgebäude errichtet, ebenfalls die Präsenz der USA wider. Als Symbol der formellen Annexion der Insel wurde auf seinem Dach 1898 die hawaiianische Flagge gegen das Sternenbanner ausgetauscht.
Hinter diesem Markenzeichen weltlichen Machtgeplänkels, breitet ein 18 m hoher Bayan-Baum sein Schatten spendendes Astwerk aus und plädiert als mächtiges Sinnbild des Glaubens für edlere Lebensmotive. Er wurde nämlich im April 1873 zur Feier des 50-jährigen Jubiläums der Gründung der protestantischen Mission gepflanzt. Wer will kann in seinem grandiosen Wachstum ein Zeichen Gottes erblicken! Eine Anzahl Leute, die sich in oft verwegener Haartracht und Kleidung als Künstler ausweisen, sucht unter seinem ausladenden Blattgespinst Anregungen… oder Schutz vor der Tageshitze.
In der Front-Street, der Hauptader der Stadt soll in einer Kirche eine einzigartige hawaiianische Madonna mit Kind aus Kea-Holz zu bewundern sein. Ich pilgere schwitzend dahin und… finde sie verschlossen. Bleibt noch ein Relikt am Hafen, das einen Besuch lohnt.
Vor Anker liegt die Carthaginian II., ein typisch altes Handelsboot der Walfängerzeit, heute als Museum jener Epoche und den Walen gewidmet. Als einzigem Interessenten ist es mir vergönnt allein, ohne Zeitvorgabe in diesem Veteran herum zu strolchen, in die engen Schlafkojen zu blicken, wobei Erklärungen per Video und Bilder die Vergangenheit veranschaulichen. Im Rumpf vertäut ruht auch ein Walfängerboot, das gottlob keinem der imposanten Säuger mehr Schaden zufügen kann.
Dieses von Krupps Schiffswerft in Kiel 1920 erbaute Schiff wurde nach dem Verlust der Carthaginian I, 1972 in Schweden als Frachter „Komet“ entdeckt und lief im Sommer 1973 über den Atlantik und durch den Panama-Kanal mit eigener Kraft 15.000 Seemeilen bis Lahina.
Zurück per „Express“, der stark frequentiert gar nicht alle Wartenden aufnehmen kann, habe ich mich entschlossen im Hotel an einem traditionell hawaiianischen Festmahl teilzunehmen.
Die „Goldküste“ Kaanapali, wo komfortable Hotels die Naturkulisse nutzen, war einst ebenfalls bevorzugter Platz für polynesische Siedler. Später wurde die Sicherheit der Küste durch heftige Kämpfe überschattet. Fast immer ging es dabei um die Kontrolle über Land. Der blutigste fand wohl im frühen 17.Jhdt. statt. Kriege, Invasionen… lange vor fremder Einflussnahme oder Eroberung, erfanden auch die Hawaiianer diese Geiseln der Menschheit auch die Hawaiianer und besudelten ihr zauberhaft schönes Territorium mit Blut. Dagegen erscheint der Überfall durch Touristen direkt als sanfte Variante, obwohl Hotelareale und Golfplätze gerade die schönsten Plätze für sich in Anspruch nehmen.
Die Spezialität des „Luan“, die im Kreise anderer Gäste zum Abschluss meines Traumurlaubs inmitten des tropischen Hotelgartens vor Einbruch der Dämmerung zelebriert und vor aller Augen aus Bananenblättern ausgewickelt und zerlegt wird, entpuppt sich als butterweich zerkochtes Ferkel. Als ob man Eier ausbrüten wollte, in einem Erdofen stundenlang gegart, verlockt es nun auf Tellern samt allerlei bunt gemischten „Assecoires“ als schlappriges Etwas den Gaumen. Zur Unterhaltung wurden vor der Zeremonie alte hawaiianische Spiele vorgeführt und danach gibt Folklore. Das ganze Spektakel einschließlich Essen hat Show-Charakter und bietet als solches amüsante Unterhaltung ohne Tiefgang.
Dagegen empfinde ich das von den am „Luan“ Beteiligten kaum beachtete Schauspiel, das sich draußen am Meer in vollendeter Perfektion abspielt, als wahren Abschiedsgruß von einer Welt voll begeisternder Schönheit und Wunder. Als leuchtender großer Ball vereint sich die Sonne am Horizont langsam mit dem in Dunkel versinkenden Ozean. Noch lange brillieren Farben in sattem Glutrot auf ihrer Scheibe, ehe sie in die Finsternis abtaucht.
Einen Tag danach befinde ich mich im Flugzeug, das mich nach 20 Stunden – Wartezeiten durch Umsteigen in Honolulu und Los Angeles nicht mitgerechnet – in die düstere, graue Spätherbst-Atmorphäre Miiteleuropas zurück befördert. Auch die Relativität der Zeit beweist sich um insgesamt 11 Stunden spürbar, bei der Tag und Nacht ein Verwirrspiel treiben und uns Passagiere narren.
Viel Muse also um nachzudenken und Bilanz zu ziehen, wie Traum und Realität meiner Unternehmung miteinander kommunizieren,
Von vier der sieben bewohnten Inseln des Archipels konnte ich einen Überblick gewinnen, die Fünfte, Niihau hat als Privatbesitz ihr eigenes Image und ist unzugänglich. Bleiben noch Molukkai und das kleine Lanai.
Molukkai gilt als verträumt, beschaulich, mit mehr hawaiianischem als US-Flair. In seinem Geschichtslexikon sind jedoch recht negative Abschnitte verzeichnet. So sollen auf diesem Eiland mehr Menschenopfer gefordert worden sein, als auf den größeren Schwestern. Auch spielten sich auf seiner von einem Riff beherrschten Halbinsel Kalaupapa Szenen tiefster menschlicher Verzweiflung und unendlichen Leides ab. Sie war Schauplatz für die zwangsweise Evakuierung von Lepra-Kranken. Die armen Opfer, die schon zu biblischen Zeiten als „Aussätzige“ verfemt wurden, vegetierten auch auf der Halbinsel interniert dem Tod entgegen und waren aus der Gesellschaft ausgestoßen. Ein Denkmal in Honolulu erinnert an Pater Damian, der sich um die Unglücklichen kümmerte, bis er selbst erkrankte und hier starb. Seit diese Plage behandelt werden kann, darf die Enklave mittels Genehmigung sowohl besucht, wie auch von den Insassen verlassen werden.
Bleibt noch Lanai, das im Mini-Format Panoramen wie die anderen Emporkömmlinge bietet, aber seit 1928 zu 98 % der Dole-Company und damit der größten Ananas-Plantage der Welt gehört. So habe ich mit den 4 ausgesuchten Kanditaten eine passable Auswahl getroffen!
Ist meine Sehnsucht nun gestillt, hat das Paradies seine Pforten für mich geöffnet… ?
Natürlich nicht! Heile Welt… ? Fehlanzeige…
Aber die Suche nach etwas, das es nicht gibt auf unserem Planeten, ist wie das Salz in der Suppe des Lebens, das, was ihr Geschmack und Freude am Verzehr verleiht.
Was wäre ein Mensch ohne Träume? Schon Goethe wusste um die Kraft der Phantasie und tröstete den nüchternen Verstand: „ein Wahn der uns beglückt, ist eine Wahrheit wert, die uns zu Boden drückt!“
Zäh und langsam fügen sich die Minuten zu Stunden, schleichen dahin wie müde Wanderer, unterbrochen nur von gelegentlichen Getränke- und Essens-Angeboten, nachdem die Direktmaschine von Los Angeles nach Frankfurt/Main abgehoben und die Hektik der Flughäfen verstummt… nur noch Langeweile bereithält.
Licht und Dunkelheit wechseln mit der durcheinander geratenen Zeitenuhr…
Irgendwann überwältigt mich der Schlaf… die Nachbarn und das ganze vollbesetzte Flugzeug verschwimmt, verliert seine Konturen. Der leise Luftzug der Air condition verwandelt sich in berauschenden Duft, den exzentrisch gestaltete Blüten verströmen, beschirmt von tausendfach schattiertem Blattwerk… aus dem überall gegenwärtigem Meer steigen Bergriesen empor, es scheint als wollten sie den Himmel umarmen.
Ist sie nicht zauberhaft schön, diese unsere Erde? Bietet sie uns nicht hier und dort den „Garten Eden“ als kostbares Geschenk an?
Plötzlich verklingt auch das monotone Geräusch der Motoren und leise, sehr zart schält sich eine liebliche Melodie heraus, die sich schmeichelnd ins Ohr stiehlt: „Aloha Oe… die Hymne von Liliokalani, der letzten Königin von Hawaii