Flandern

– das flämische Herz Belgiens

Belgica – nannte Cäsar den Landstrich, der seit 1830 als Belgien in der Mitte Europas seinen Platz gefunden hat und inzwischen zum wichtigsten Zentrum des Kontinents avancierte.

Drei Volksgruppen sind also seit dem 19. Jahrhundert in seinem verhältnismäßig kleinen Territorium zusammen gefasst und leider selten einer Meinung. Seit dem Mittelalter von verschiedenen Fürstenhäusern beherrscht, vor allem den von Burgund und Habsburg, tut Belgien sich schwer, sich nun als Einheit zu fühlen. Ein Spiegelbild für Europa gewissermaßen, das ebenfalls zersplittert, Jahrhunderte lang von den Interessen rivalisierender Dynastien geleitet wurde.

Flandern, wo Flämisch gesprochen wird und das bis 1830 zu den Niederlanden gehörte, ist eines der drei Ethnien. Im Süden dagegen dominiert das französische Element der Wallonen mit Sprache und Lebensart der Grande Nation. 30 % stellt es, im Vergleich zu den 60 % Flamen im Norden. Die restlichen 10 % steuern Deutsche bei. Daher sind auch drei Sprachen offiziell im Land und Parlament vertreten.

Meine einwöchige Visite im Juli 1993 gilt dem nördlichen Flandern und seinen außerordentlichen Kunstschöpfungen, besonders in der Malerei. Per Bahn von Mainz über Köln führt mich dabei der Weg nach Brügge, vor dessen Bahnhofs-Gebäude die kleine Gruppe der Teilnehmer, von einer speziell für Kunstreisen zuständigen Flämin erwartet und zu Fuß in das Hotel – einem ehemaligen, sehr noblen Klosterbau – geleitet wird.

Um das Kulturpensum in einer derart reich damit gesegneten Stadt in der kurzen Zeit zu bewältigen, geht es nach dem Abendessen per Fußmarsch sogleich los, wobei sich Brügge sehr bald als höchst malerische, alte Stadt entpuppt. Ziel heute ist dabei allerdings ein sehr Profanes, nämlich die älteste Kneipe „s’betij“, die ca. 60 verschiedene Biersorten braut und ein urig-gemütliches Ambiente zu bieten hat. 2000 solcher Lokalitäten soll es in Brügge, der Stadt des Bieres geben, die aufzuspüren und zu probieren, reicht leider die Woche nicht.

Doch das schmackhafte, anregende Gebräu schafft sofort Sympathie unter der bisher fremden und ein wenig zurückhaltenden Gruppe, als die wir danach im Regen zu unserem Quartier zurück marschieren.

Am zweiten Tag erschließt uns ebenfalls ein siebenstündiger Marsch zu Fuß, zum Glück bei kühlen, aber sonnigen Temperaturen ohne Regen, diese geschichtsträchtige alte Stadt, die bereits 892 im Zusammenhang mit einer Burg des Grafen von Flandern urkundlich genannt wird.

Damals war, wo sich heute Äcker ausbreiten eine Meeresbucht und weit ins Land reichten die Meeresarme, ehe Brügge immer mehr ins Hinterland driftete.

„Im 11. – 14. Jahrhundert war Brügge unvergleichlich, selbst im beginnenden Verfall, noch erstaunlich“, heißt es „und Damme ein Vorort von Brügge, der Welthafen schlechthin!“
„Die See hat Brügge gegründet, die See hat sie durch Verlandung der Meeresbucht genommen,“ lautet eine Hommage an die Stadt.

Nun…wir kämpfen uns an diesem einen für Brügge vorgesehenen Tag, tapfer durch die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, die sie uns aus ihrer größten Epoche unter Karl dem Kühen und seiner Tochter Maria, wo sie als europäische Großmacht galt, sowie die künstlerischen Schöpfungen der folgenden Jahrhunderte.

So erwarten uns auch in der an sich schon großartigen Liebfrauenkirche, als bedeutendster Schatz, die Burgunder-Gräber vom Kaiser und seiner durch einen Reitunfall umgekommenen Tochter, womit die glorreiche Epoche Burgunds beendet war, deren Erbe der höchst unbeliebte Gatte, der Habsburger Maximilian von Österreich, antrat.
Im ältesten Krankenhaus, dem St. Johannes-Spital ist das Memling-Museum untergebracht, in dem das berühmte Triptychon „die mystische Verklärung der hl. Katharina“, die Züge der Maria von Burgund trägt. Memling war Zeitgenosse.
Nach der Besichtigung der alten Apotheke, die zum Spital gehörte, spazieren wir über ein malerisches, altes Brückerl und durch ein Tor aus dem 13. Jhdt zum Groening-Museum, das die vollständige Sammlung der alten und modernen flämischen Malerei dieses großen Meisters der Brügger Malkunst, zeigt.

Es folgen Jan von Eyck und andere Kunstgenüsse, ehe wir zu einer halbstündigen Grachten-Rundfahrt antreten und empfinden das Gleiten durch dieses „Venedig des Nordens“ als erholsame Entspannung. Vorbei an alten Patrizierhäusern, malerischen, Blumen geschmückten Wohnbauten, durch Brücken hindurch, bieten sich uns immer neue Blicke und zauberhafte Motive mit Kirchtürmen und Backsteinhäusern. Die Sonne durchbricht immer wieder die ziehenden Wolkengebilde und steuert eine abwechslungsreiche Himmelsszenerie, zur mittelalterlichen Kulisse bei.

Nach einem Mittagessen geht der Fußmarsch durch diese mit Schönheit gesegnete Stadt, dessen altes Zentrum später zum Weltkulturerbe der UNESCO gekürt worden ist, weiter.
Der Burgplatz mit den spärlichen Resten der einstigen Anlage, kann mit keinen Bauwerken der burgundischen Herren dienen, außer einem…der Heiligblut-Kapelle, in der ein Teil des hl. Blutes Jesus, dem am Kreuzzug teilnehmenden Dietrich von Elsass überlassen wurde. Er brachte die Reliquie 1150 nach Brügge, die nun jedes Jahr einmal in einer feierlichen, Farben prächtigen Prozession in Kostümen und Szenen-Wagen die Geschichte nacherzählt. Die Kleidung der Darsteller wird eigens dafür, aus edelsten Stoffen, von Benediktinerinnen angefertigt.

Seitlich von der Kapelle glänzt dann das gotische, majestätische Rathaus und eine Straße führt weiter zum Großen Markt mit der Lakenhalle, aus deren Unterbau, als einer der schönsten Türme der Welt, der, mit einem Glockenspiel versehene „Belfried“, heraus wächst.

Viele Häuser auf der Westseite des Großen Marktes haben Geschichte geschrieben und zeugen von der Wohlhabenheit der Bürger dieser einstigen Hanse-Stadt.
Anschließend spazieren wir über die „Armenhäuser“ zum Bezirk des „Beginenhof zum Weingarten“, der 1245 errichtet wurde, wo die Beginen unter der Leitung der „großen Jungfrau“ lebten und arbeiteten. Später richteten sich Benediktinerinnen hier ein und wahrten damit den religiösen Charakter des Beginenhof.

Außerhalb, aber direkt neben diesem Kloster, verleitet das „Minewater“ – der alte Hafen von Brügge – jetzt ein kleiner, lauschiger See mit Schwänen, zum Verweilen, was in unserem Programm leider nicht vorgesehen ist.

Mit sehr müden Füssen schlendern wir vielmehr durch die umliegenden Gässchen mit Restaurants, Cafes und vielen Geschäften, die zum Kaufen locken, in einer mit in Kästen drapierten, blühenden Geranien angereicherten Atmosphäre.

In einem dieser Geschäfte wird geklöppelt und wir werden beim Zusehen fast schwindlig infolge der Geschwindigkeit, mit der die Finger der Spitzen-Klöpplerinnen in rasend schnellem Spiel die hauchdünnen Fäden um die Klöppel wirbeln.

Danach geht es durch eine von Menschen überfüllte Hauptgeschäfts-Straße zurück ins Hotel, in dem der Wunsch nach „Sitzen“ endlich erfüllt wird.

Der zweite Tag dieser besonderen Reise zur Kultur Europas, bringt uns per Bus ins etwa 40 Kilometer entfernte Gent, das durch den Tuchhandel im Mittelalter zu einer der größten Städte Europas herangewachsen war.

Aus keltischen Ansiedlungen am Zusammenfluss von Schelde und Leie entstanden, reicht deren Spur zurück bis in die Jahre 450 – 500 zurück. Allerdings zeugen Funde von Faustkeilen, dass in diesem Raum sich bereits vor 70.000 Jahren Menschen aufgehalten haben. Danach klafft die riesige Lücke bis in die Jahrhunderte nach Christi.

Im 9. Jhdt plünderten und verwüsteten die Wikinger die Stadt.

Im 11. Jhdt entwickelte sich Gent zur Metropole der Textilindustrie und war bis 1550 die größte Stadt der Niederlande. Hier wurde auch der spätere Kaiser Karl der 5te geboren.
Noch bevor wir das Zentrum der alten Stadt ansteuern, besuchen wir das Biljoke-Museum an seinem Südrand, das ein Zisterzienser-Kloster war und ist, denn es werden immer noch Kranke von den Schwestern des hl. Bernhard, in den Gebäuden gepflegt.
Viel gibt es zu sehen im Museumstrakt…von den Zunft-Stangen mit kunstvoll gearbeiteten Motiven, bis zu Vitrinen, voll von Kostbarkeiten sowie Zimmer mit alten Einrichtungen. Vom Innenhof genießt man einen wunderbaren Blick auf die gotische Backstein-Fassade mit ihren Rundbögen, Rosetten und Blendnischen.

Das Zentrum von Gent brilliert dann mit einer Anzahl prächtiger Bauwerke!
Gegenüber der Kathedrale erhebt sich der mächtige Belfried mit der Tuchhalle und dahinter die Kirche der Kaufherren St. Niklas in Schelde-Gotik. Überhaupt trägt das Antlitz dieser flämischten aller flandrischen Städte, vielfach die strengen Züge der Gotik.
Am Belfried, dem Glockenturm aus dem 14. Jhdt hat man immer wieder herum gebaut, bis der hölzerne Glockenstuhl 1913 endlich seine eiserne Spitze erhielt, die als Wahrzeichen einen Drachen mit 3,50 aufgesetzt bekam, der von unten recht mickrig wirkt. Bei allen feierlichen Anlässen spie er Feuer!

Die obere Glockenstube ist mit 45 kleinen Glocken voll gepackt, die untere hat noch weitere sieben. Damit wird das Genter Glockenspiel stets zu einem echten Erlebnis.
Ein weiteres, spezifisches Merkmal der Stadt, liefern die vielen künstlichen Blumen, die aus den Fenstern der Häuser den Frühling vortäuschen und überall die steinerne Pracht der Gebäude mildern.

Natürlich zu Fuß spazieren wir von den drei dicht beieinander liegenden Glanzpunkten: Kathedrale, Belfried, Kirche… zum Rathaus, das ebenfalls sozusagen um die Ecke angesiedelt ist. Trotz herrlicher Architektur wirkt es allerdings ziemlich verschmutzt und verwahrlost.

Umwelt und Tauben setzen den Ensembles arg zu, dass man mit dem restaurieren kaum nachkommt.

Wieder nur ein kurzer Weg führt uns zu den berühmten Gilde- und Zunft-Häusern an der Leie, deren Anblick vom gegenüber liegenden Ufer, wahrlich bezaubert.
Über Brücken mit Sicht auf diese alten Gildehäuser, erreicht man den Gravensteen, das einstige Grafen-Schloss, das auf alten Fundamenten im 12. Jhdt entstand.
Eine düstere Stätte mit düsterer Geschichte, von der sich die späteren Grafen bald verabschiedeten und im Nordwesten den „Prichsenhof“ als Quartier wählten – ein Komplex mit 300 Zimmern. Da er seit 1649 stückweise verkauft wurde, ist nichts mehr von ihm übrig, aber im Februar 1500 erblickte dort Karl der 5te das Licht der Welt, gegen den später die Genter wegen zu hohen Abgaben revoltierten. Der Herrscher schlug den Aufstand nieder und rächte sich, indem er die Anführer im Grevensteen schmachten ließ.
Trotz aller Düsternis der alten Burg begeistern mich auf dem Platz wiederum die herrlichen Gildehäuser auf der gegenüberliegenden Seite…vor allem das „Haus der Fischer“, auf dessen Giebel die vergoldete Riesenstatue des Neptun thront.
Auf dem Weg zum Freitagsmarkt ist es das mit Skulpturen gespickte Haus einer einstigen Herberge für Fremde, das den Blick auf sich zieht.

Viele Häuser in Gent sind eng mit der Geschichte des 15. Jhdts, der Zeit der burgundischen Herzöge verknüpft.

Der Freitagsmarkt empfängt uns als großer Platz mit dem Denkmal eines Genter Stadthauptmanns…hier spielte sich im Mittelalter das gesamte öffentliche Leben der Stadt ab.

Das war unser Vormittag in Gent, dem sich nach einem Imbiss in einer alten Bäckerei, die Besichtigung der Kathedrale mit dem berühmten „Genter Altar“ anschließt.
Das hohe, gemauerte Kreuzgewölbe mit den hellen Rippen dieses Gotteshauses wirkt pompös, die mächtige Kanzel aus Marmor und Eiche sehr imposant. Nach dem „Vorspiel“ eines Rundgangs durch das Gotteshaus, wenden wir uns dem Kunstgenuss zu, dessentwegen viele Menschen nach Gent pilgern.

Er befindet sich in einer der Kapellen des Chorumgangs und ist durch eine Glaswand und Absperrung, von den Besuchern geschützt. Viele Menschen drängen sich um dieses Werk der Brüder van Eyck, das jedoch dem Genie Jan von Eyck zugeschrieben werden muss, der 6 Jahre daran gearbeitet hat und den Flügelaltar 1432 vollendete. Erst nach einer abenteuerlichen Odyssee durch die Jahrhunderte, fand er seinen endgültigen Platz in dieser Kathedrale St.Bravo wieder.

Die Luft in dem Raum ist stickig, erst nach einer Weile lockert sich die drangvolle Enge etwas und es gelingt unserer Gruppe, bis zur Absperrung vorzudringen, um auch die Einzelheiten dieses Wunderwerks zu betrachten.

Eine Unzahl von Personen sind in dieser Bildsymphonie „Die Anbetung des mystischen Lamms“ versammelt und unglaublich entfaltet sich dabei die Präzision, mit der jedes kleinste Detail in der Vielfalt der Szenerie, ausgeführt ist.

Jedes Buch, das die Gläubigen in Händen halten, jede Falte ihrer Kleidung, jeder Palmwedel und jede Haarfrisur zeigt peinliche Genauigkeit. Käme man nahe genug an das Bildnis heran, könnte man vielleicht sogar die Zeilen in den Büchern lesen.
Bei aller Faszination muss leider der Wunsch, den Altar nach allen Perspektiven, mit geschlossenen Flügeln und offen, ohne Menschenmenge betrachten zu dürfen, unerfüllt bleiben….dennoch haftet sein Anblick noch lange während der Rückfahrt im Regen nach Brügge, in meinem Gedächtnis.

Der folgende Tag ist eher durch Fahrten mit dem Bus als dem „zu Fuß gehen“, gekennzeichnet und dient vorwiegend der Erinnerung jener irrsinnigen Jahre, in denen sich Deutsche und Franzosen im 1. Weltkrieg auf belgischem Boden gegenseitig so sinnlos niedermetzelten.

Es ist ein sehr kühler Morgen, als wir am Heldenfriedhof in Vladslo mit den unzählbaren, eingelassenen Bodenplatten vorübergehen…jede mit mehreren Namen. Namen, Namen und immer wieder Namen…Deprimiert, fröstelnd, schweigend, wandern wir durch diese von Bäumen und Wald umgebene Gedenkstätte an das Grauen. 5 Rabatte mit je 5000 Namen, 25.000 Opfer.

Am Ende dann die Skulptur von Käthe Kollwitz: Ein trauerndes Elternpaar, die Frau kniend, das Haupt in ohnmächtigem Schmerz gesenkt…der Mann aufrecht kniend, mit einem Blick, der nicht zu begreifen scheint….

Käthe Kollwitz hat diese Plastik für ihren Sohn Peter geschaffen, der im Krieg fiel und auf diesem Friedhof verlegt wurde.

Während der Weiterfahrt liest uns die Reiseleiterin aus dem Tagebuch von Käthe Kollwitz vor…aber ich, die ich den noch grausamer, noch länger andauernden, nur ein paar Jahrzehnte späteren zweiten Weltkrieg miterlebt habe, will nichts mehr hören von Heldenmut und Ehre und Tod fürs Vaterland…ich kann und will auch nicht die Begeisterung verstehen, mit der singend und siegessicher die Jugend im 1. Weltkrieg auf die Schlachtfelder zog…kann sie einfach nicht nachvollziehen…“Kinderregimenter“ nannte man die Jugendlichen die sich direkt von der Schulbank oder der Lehre, nach der Kriegserklärung an Frankreich, freiwillig zum Kampf drängten und sich notdürftig ausgebildet und ausgerüstet, jubelnd gegen den „Feind“ warfen, um verstümmelt oder nie mehr zurückzukehren. Wütende Vaterlands-Fanatiker auf beiden Seiten, die sich gegenseitig abschlachteten und das an sich neutrale, flandrische Gebiet Belgiens an der Grenze zu Frankreich verwüsteten. Hier versuchten die Deutschen den Durchgang zu Frankreich…

Vladslo ist nicht der einzige Friedhof in diesem Gebiet, sodass meine Gedanken bei dessen Durchquerung, zwangsläufig immer wieder um dieses 80 Jahre zurückliegende Geschehen kreisen, das rund 20 Jahre danach zu einem noch schrecklicherem Tötungs-Massaker ausartete.

Das Städtchen Diksmuide, dessen hübscher Marktplatz zerstört war, begegnet uns bei der Durchfahrt, als im alten Stil völlig neu aufgebaut bei der Fahrt nach Ypern, das dann näher betrachtet wird.

Die durch den Tuchhandel reich gewordene und blühende Stadt aus dem 14. Jahrhundert wurde ebenfalls im 1. Weltkrieg dem Erdboden gleich gemacht und präsentiert nun wieder erstandenes Mittelalter, fast nicht vom Original unterscheidbar.

Das Zentrum der Stadt, bietet mit der 125 m langen „Lakenhalle“, aus deren Mitte der prächtige „Belfried“ herauswächst, eine Augenweide und beweist, dass das jetzt zur Kleinstadt herabgesunkene Ypern, einst Metropole war….doch der Blick in eine der offenen Hallen verdeutlicht – es herrscht öde Leere darin – dass wir in diesem hübschen Ensemble, Vergangenheit bewundern, die von der Kathedrale aus dem 14. Jhdt vervollkommnet wird.

Unzerstörtes Mittelalter begegnet uns dann in Veurne mit einem wunderschönen Marktplatz mit 3 Renaissance-Fassaden und dem Rathaus. Dicht an der französischen Grenze entlang, wird schließlich Ostende angesteuert. Von diesem Welt bekannten Seebad bin zumindest ich, nicht begeistert.

Schon Kilometer weit davor zeigt sich die Küste mit hohen Häusern verbaut und die wenigen auf der See-Seite verbliebenen Dünen, sind mit Stacheldraht abgegrenzt.
Auch in der Stadt begrüßen uns Gesichts lose Häuserzeilen.

Ihnen gegenüber verlockt mich auch die breite Albert-Promenade nicht zu einem Spaziergang darauf.

Dagegen hätte ich gern das Museum im Neuen Rathaus besucht, wo in einem Raum, Gemälde des Malers James Ensor untergebracht sind, der 1926 bei der Bienale in Venedig Weltruhm erlangte. Aber das ist nicht im Programm verzeichnet und für einen Alleingang reicht die halbe Stunde Freizeit nicht aus.

Der „Albrecht-Promenade“ folgt die Weiterfahrt über Zeebrügge zum Naturreservat Het Zwin, direkt an der holländischen Grenze.

Von einem Damm aus überblickt man hier die letzten Reste des Zwin und ein von Deichen und Gräben durchzogenes Feld voller Wassertümpel und Gräser, mooriges Brachland, in dem ein schmaler Bach als armseliges Überbleibsel, den einstigen Zwin markiert. Mickriger Rest einstigen stolzen Seehandels, in dessen Umfeld große Schiffe ankerten und reiche Städte blühten.

Noch ein kurzer Aufenthalt im Vogelschutzpark, der ebenfalls im Naturpark-Gelände sein Plätzchen gefunden hat und zurück geht die Fahrt nach Brügge.

Als sehr interessant erweist sich dann am fünften Tag der Tagesausflug auf der Autobahn nach Antwerpen, der Hauptstadt Flanderns, die wir in einer Fahrtstunde erreichen.
Im alten Hansa-Viertel im Norden, findet im „Hessenhaus“ gerade eine Ausstellung statt, deren Besichtigung wir nach einem gemeinsamen Übereinkommen, gegen die vorgesehen Hafenrundfahrt tauschen, zumal dafür auch das Wetter nicht verlockend wäre.

So können wir Kunstwerke aus verschiedenen Museen über das Kunstschaffen des 16/17.. Jhdts in aller Ruhe genießen. Außerdem veranschaulicht uns ein Stadtplan das Aussehen Antwerpens zu jener Zeit, sodass wir vorab schon ein wenig Kontakt zu dem nachfolgenden Besuch der Stadt aufbauen können.

Am „alten Hafen“ verlassen wir den Bus und es beginnt der obligate Fußmarsch, der uns zunächst zum Steen, der alten Burg empor führt, die unmittelbar am Schelde-Fluss hoch ragt und in der heute ein Schifffahrts-Museum untergebracht ist.

Ein herrlicher Blick auf die Trabanten-Stadt am anderen Ufer belohnt den Anstieg, die wir danach vom alten Hafen aus anpeilen.

Wieder begeistern die schönen Gildehäuser am Grote Markt im Zentrum der Altstadt und das Rathaus im Renaissance-Stil. Ein Belfried fehlt allerdings in Antwerpen.
Zwar ins Binnenland vorgeschoben, besitzt die Stadt hinsichtlich des Güterumschlags den zweitgrößten Hafen Europas. Erstmals 726 erwähnt, wurde sie nach der Zerstörung durch die Normannen wieder aufgebaut und fiel 1430 an das Herzogtum Burgund. Damit verlor Brügge, nachdem der Zwin versandet war, seine Vormachtstellung.

Bedeutendstes Gebäude und größte Kirche Belgiens ist die gotische Kathedrale, in der momentan gerade eine sehr interessante Ausstellung von Retablen – Altaraufsätzen – in den Seitenschiffen des Gotteshauses stattfindet. Im Chor begegnet uns dann erstmals auch Peter Paul Rubens, der großen Sohn der Stadt in Form von drei riesigen Gemälden.
Ein Bummel durch das „Herz der Altstadt“ mit ihren entzückenden schmalen, krummen oder geschwungenen Gässchen, beschließt den Vormittag und dirigiert uns zum Mittagessen in ein ehemaliges Kloster, wo Käse-Spezialitäten und selbst gebrautes Bier kredenzt wird.

Durch eine sehr malerische Gasse mit unzähligen Restaurants wird danach gemeinsam zur Jesuiten-Kirche, die eine Barockfassade zu bieten hat, gewandert und die sehr ansprechende Börse unter die Lupe genommen, denn sie hat durch Aufsetzen von Glas und Eisen auf den Originalbau, an Licht gewonnen und damit später zur Entwicklung des Jugendstils beigetragen.

Das Hauptziel dieses Nachmittags gilt jedoch der Kunst, denn Antwerpen verkörpert das Zentrum der flämischen Malerei schlechthin. Man denke nur an Namen wie Hieronymus Bosch, Bieter Breughel und vor allem natürlich an Rubens.

Zu seinem Haus marschieren wir durch die Hauptgeschäfts-Straße, die als Fußgänger-Straße eine angenehme Atmosphäre verströmt.

Dass der begnadete Künstler ausgerechnet in Siegen in Westfalen geboren wurde, verdankt er seinem Vater, dem Advokat Jan Rubens, der aus politisch/religiösen Gründen mit seiner Frau 1568 nach Deutschland zog. Infolge einer Liaison mit einer Hochadeligen, zu lebenslanger Haft verdammt, konnte er durch den Einsatz der Betrogenen befreit werden und 2 Kinder lieferten den Beweis für die Versöhnung. Nachdem Jan Rubens verstorben war, zog die Witwe mit den Kindern zurück nach Antwerpen.

Mit 15 Jahren trat Peter Paul eine Maler-Lehre an und ging später nach Italien. Als auch die Mutter starb, kehrte er in die Heimat zurück, wurde Hofmaler und feierte bald Triumphe.
Sein Haus, das wir besuchen ließ er im Laufe der Jahre zum Palast ausbauen.

Wir besichtigen es ausgiebig.

Rubens Werkstatt war das Zentrum eines künstlerischen Großbetriebs. Vom Atelier führen Stufen in die einzelnen Zimmer, dabei begrüßen uns überall an den Wänden Gemälde, Gemälde….Es ist schwer, sich in dieser Welt zurecht zu finden, alles wirkt pompös, allzu pompös.

Auch der Garten sieht noch wie zu Rubens Zeiten aus. An der rückwärtigen Seite in einem Pavillon, der wie ein Tempel aussieht, sammelte Rubens seine fertigen Bilder….
Auf dem Rückweg zum Bus und nach Brügge folgt noch als kulturelle Zugabe der Besuch des Skulpturenparks Middelheim in einer herrlichen Parkanlage. Während die Teilnehmer bei einzelnen Objekten stehen und Informationen darüber erhalten, ziehe ich es vor, allein durch das Gelände zu streifen, in dem die modernen Gebilde verstreut angeordnet, stehen. Manche von ihnen finde ich eindrucksvoll, während ich mit anderen nichts anzufangen weiß.

Eine überlebensgroße Skulptur von Rodin gefällt mir am besonders.

Zurück in Brügge dominiert bei den meisten von uns, nur noch der Wunsch auf einen ruhigen Ausklang dieses ebenso faszinierenden, wie anstrengenden Tages.
Der nächste Morgen enttäuscht uns durch Regen und einheitlich grauen Himmel.
Dabei steht dafür die heutige Hauptstadt Belgiens – Brüssel – auf dem Programm und wird auch planmäßig auf der Autobahn ohne Zwischenstopp angefahren.
Begrüßt werden wir vom 102 m hohen Wahrzeichen, dem Atomium, das zur Weltausstellung 1958 errichtet, die 165 Milliarden-fache Vergrößerung eines Eisenmetall-Moleküls darstellt. Durch 9 stählerne Kugeln von je 18 m Durchmesser, verbunden durch Rolltreppen, konnten hier die Besucher das „Innere eines Atoms“ mit Ausstellungen über Atom und Technik, studieren.

Es folgt der Vorort Laeken mit der königlichen Residenz, inmitten eins großen Waldparks, wo einst eine Ritterburg stand und heute die rote Fahne darauf signalisiert, dass das Königspaar anwesend ist.

Wie Rom ist auch Brüssel auf sieben Hügeln erbaut, die allerdings wesentlich niedriger sind, als die der Ewigen Stadt.

Ebenfalls zweisprachig – französisch und niederländisch – flämisch entspricht einer Variante des Französischen, hofft man bis heute – leider vielfach vergeblich – auf ein wirklich friedliches Miteinander der beiden Volksgruppen von Flamen und Wallonen.
Auf dem Weg zum Zentrum streifen wir das Rundfunk- und Fernseh-Viertel….Belgien ist verkabelt…registrieren im EG-Center die großspurigen Neubauten für die Verwaltungsgebäude der Regierung, für die alte Adelshäuser geopfert werden mussten und steigen schließlich am Stadtpark aus dem Bus, um zu Fuß den eindrucksvollen Gebäudekomplex des „Museums der schönen Künste“ anzulaufen.

Was uns hier an Kunst erwartet, ist so vielfältig und großartig, dass auch ich nicht anders kann, als in der begrenzten Zeit mich mit der Gruppe, auf die von der Reiseleiterin in der antiken Abteilung – auf mehrere Etagen verteilt – ausgewählten Exponate zu konzentrieren.
So reichhaltig, wie auch diese noch sind, gibt das Museum Zeugnis, von der, vor allem malerischen Produktivität einer fernen Epoche in dieser relativ kleinen Region Europas. Noch dazu, wenn man bedenkt, dass eine große Zahl von Gemälden aus jener empirischen Schaffensperiode, in viele Museen der Welt verteilt, Liebhaber der Malkunst erfreuen.

Nach den wenigen, uns zur intensiven Betrachtung vorgeführten Kunstwerken, die Namen wie Roger von Weyden, Hieronymus Bosch, Pieter Breughel d. Ältere und Jüngere und natürlich Rubens zum Leuchten bringen – kleine Auswahl aus einem riesigen Museum – spazieren wir im Nieselregen zur Brüsseler Altstadt, vorbei am Palast der Habsburger, von dem Stiegen durch eine große Parkanlage zu ihr hinunter führen.

Ein Stück „altes Brüssel“ begegnet uns in einem stillen Hof…ein architektonisches „Wunder“ der Stadt in der Hubertus-Galerie, der ersten überdachten Einkaufsgalerie der Welt, die damit älter als die von Mailand ist.

Die Appetit anregende und äußerst pittoreske „Fressgasse“ mit bunt und kunstvoll dekorierten Köstlichkeiten wie Hummer, etc. führt dann direkt zum Grote Markt, einem der schönsten Marktplätze in Europa.

Tatsächlich wirken auch bei tristem Wetter und Regen, das prachtvolle Rathaus und die üppig verzierten Zunfthäuser im italienischen Barockstil, sehr imposant. 48 Gilden hatten ihren Sitz in Brüssel.

Der 91 m hohe Rathausturm trägt eine 5 m hohe Wetterfahne aus vergoldetem Kupferblech.

Und nicht fehlen darf natürlich ein Besuch beim „Mennecken Pis“, zu dem wir als nächstes, begleitet von einem Touristenstrom, pilgern.

Als ich den „Kleinen“ in Kleider gehüllt sehe, bin ich erst einmal enttäuscht, denn von einem vorhergehenden Besuch, war er mir als „nacktes“ Bübchen in Erinnerung, das da in einen Brunnen pinkelt.

Damals wusste ich eben nicht, dass der in Bronze glänzende Schelm tatsächlich 345 Kleider besitzt, die ihm von Prominenten geschenkt worden sind – auch Erich Honecker befand sich unter den Spendern.

Passend zum Heiligen des Tages oder hohem ausländischen Besuch wird er von seinem Hofkämmerer diskret in aller Frühe angekleidet, denn bereits um ½ 8 Uhr geben sich schon massenhaft Touristen mit Fotoapparaten, vor ihm ein Stelldichein.

Anfang des 17.Jhdts modelliert, als Ersatz für eine ähnliche Brunnenfigur, wurde er 1817 – da ein Jahr davor geraubt – neu gegossen. Seine Garderobe befindet sich im Stadtmuseum.

In der Galerie, wo ich Schutz vor dem inzwischen strömenden Regen suche und zu Mittag esse, unterhalten 2 Gaukler mit einem kurzen Gastspiel die Anwesenden und auch auf dem Weg zurück zum Bus und der Fahrt nach Brügge, ist Regen unser treuer Begleiter.
Da es auch den letzten Tag der Reise, an dem eine Ausflugsfahrt nach Damme, einschließlich Wanderung und Bootsfahrt stattfindet und es schon wieder, bzw. immer noch regnet, verzichte ich auf die nasse Unternehmung und spaziere lediglich ins Stadtzentrum von Brügge für Einkauf und Besichtigung des Rathauses, dessen großer Saal eine berühmte Holzdecke aufweist. Es handelt sich schließlich um das älteste der monumentalen Rathäuser Belgiens und die Decke des Saales, stellt eine Sehenswürdigkeit dar.

Auch den für abends geplanten Marsch zu einem typischen Lokal, schwänze ich….nach den vielen grandiosen Eindrücken während dieser Kunstreise ist für mich das Maß voll……
Wie die Anfahrt, erfolgt auch der Rücktransfer per Bahn, in eigener Regie.

Dabei lässt die Melodie der rollenden Räder noch einmal die Gedankenwelt einer fremden Welt erklingen, die begnadete Künstler vor rund 500 Jahren auf Leinwand gebannt haben.
Sie zeugen auch von der großen Rolle, die ein kleines Stück Europa eine kurze Zeit lang auf dem Kontinent…und der damaligen Welt gespielt hat.