China

vom Kaiserreich zum Kommunismus

Manche Länder und Staaten von unterschiedlicher Prägung, habe ich in den vergangenen Jahren als wohl organisierter Globetrotter, besucht und flüchtig kennengelernt.

Wenn auch nur fragmentarisch, gewann ich Eindrücke über ihre Vergangenheit und Gegenwart, spekulierte sogar über deren Zukunft.

Ein gewaltiger Stein im Kaleidoskop unserer Erde fehlte dabei …CHINA.

Dies hole ich Ende April des Jahres 1987 nach!

Als ältestes Kulturland unseres Globus, wartet China immerhin mit einer 5000-jährigen Geschichte auf… ein ehrwürdiger Veteran also, im nun neuen Kleid des Kommunismus!

Zwar haben die Methoden des „Großen Vorsitzenden“ Mao, das Reich zu verwalten, in der übrigen Welt, Entsetzen und Empörung ausgelöst… aber der ist ja inzwischen von der politischen Bühne Chinas verschwunden.

Wie sieht es nun im „Reich der Mitte“ aus, nachdem die verheerenden Flammen der „Kulturrevolution“ erloschen sind?

Nach 16 Flugstunden und 7 Stunden Zeitverschiebung, betrete ich in Peking asiatischen Boden.

Davor gewährte mir die Zwischenlandung in Bahrein einen flüchtigen Blick in eines der arabischen Emirate, die durch den „Ölrausch“, zu sagenhaftem Reichtum emporgewachsen sind.

Sogar der Bodenbelag im Wartesaal des Flughafen-Gebäudes glitzerte in blankem Gelb, als wäre er aus purem Gold… und die von wallenden Gewändern umhüllten Gestalten, schlenderten, sich ihrer Macht bewusst, hochmütig an uns Transit-Reisenden vorbei.

Unwillkürlich fühlte man sich in diesem Milieu als ziemlich „armer Schlucker“ und ich war froh, ein weniger von Schmuck starrendes Reiseziel, gewählt zu haben.

In Chinas riesigem Bottich angekommen, wird man sogleich auch in ihn hineingeworfen, wie frisch gefangener Fisch in einen brodelnden Kessel, der alles verschlingt, was sich ihm bietet.

So benimmt mir und vermutlich allen Teilnehmern der Reisegruppe, der ich mich anvertraut habe, der „Platz des himmlischen Friedens“ in Peking mit 400.000 qm, erst einmal den Atem und das Tor zur „Verbotenen Stadt“ – dem ehemaligen Kaiserpalast – lässt ahnen, welch‘ fremdartigem Koloss wir hier begegnen werden.

Sein Haupteingang wird per Bus angesteuert und das weit verzweigte Areal mit Toren, Hallen, Gebäuden, deren unerlaubtes Betreten zu Kaisers Zeiten mit dem Tode bestraft wurde, überfällt mich mit einer unvorstellbaren Pracht, die in 2 ½ Stunden, wie ein Traum an mir vorüber gleitet.

Gewundene Dächer mit Farben frohem Muster – einem riesigen Drachen nachempfunden – überziehen die Gebäude und bronzene Löwen bewachen die einst heiligen Gefilde…

9000 Räume, 6 mächtige Hallen, alles erhöht übereinander auf einer zentralen Nord-Südachse – werden wir aufgeklärt – umgeben von Gärten und Plätzen und abgeschirmt von einer 10 m hohen Mauer mit einem 50 m breiten Wassergraben, das war die Residenz des Kaisers, von der aus er sein Reich beherrschte!

Der heutige Komplex wurde während der Ming-Dynastie zwischen 1403 und 1424 erschaffen, aber die Anlage geht ins 13.Jhdt auf den berüchtigten Mongolen Kublai Khan zurück.

In die Halle der „höchsten Harmonie“, dem Zentrum mit dem „Drachenthron“ auf einer Plattform, dürfen auch heute noch die Besucher lediglich von außen hinein schauen…

Erst knapp 100 Jahre ist es her (1912 dankte der letzte „Kind-Kaiser ab), dass hier kein „Himmelssohn“ mehr sitzt, dem kniend die Eingaben auf rotem Papier überreicht werden mussten und sich die Beamten und Gesandten fremder Völker auf den Boden werfend und 9 mal mit der Stirn die Steinplatte berührend, zu verhalten hatten.

Klangvolle Namen hauchen den verlassenen Gemächern Leben ein…

„Palast der himmlischen Reinheit“, „Pavillon der fließenden Jade“, „Halle der Eintracht“, „Palast der irdischen Ruhe“, „Palast der höchsten Anmut“, usw., usw., lassen längst verblichene Bewohner wieder auferstehen… ca. 10.000!

Allein das Heer der Eunuchen und Konkubinen soll sich auf einige Tausend belaufen haben.

Ebenfalls durch Mauern eingeschlossen, war die „Kaiserstadt“, der Wohnort von Beamten und Ministern. Heute wird sie von den Bonzen der kommunistischen Partei – den Machthabern der Gegenwart – eingenommen.

Die Befestigung ließ Mao-tse-tong nach seiner Inthronisierung 1949 schleifen.

Erst seit dieser dubiosen Periode marschiert China mit Riesenschritten vom tiefsten Mittelalter in die Moderne.

Bis dahin war Peking nur für den Kaiser und seine auserwählte Gefolgschaft ein irdisches Paradies, für das Volk jedoch das Gegenteil eines Garten Eden.

Die 200 km Kanalisation soll nur auf 20 km funktioniert haben, sodass sich Abfälle, Meter hoch türmten und Problem mit Wasser, die Einwohner plagten.

In nur 3 Jahrzehnten sollte sich dann das Antlitz der Stadt positiv verändern.

Äußerst makabere Gefühle erweckt bald nach dem Glanz vergangener Kaiserzeiten, der Spaziergang durch das einstige Wohngebiet der Eunuchen und das, was uns darüber erzählt wird.

Eunuch zu werden, wäre damals für viele in bitterster Armut Lebende, geradezu ein Traumberuf gewesen.

Dabei mussten die erwählten, kastrierten Männer jedes Jahr zur Kontrolle, die in einem Fläschchen aufbewahrten Geschlechtsteile, vorweisen.

Die Operation war vor den Mauern der „verbotenen Stadt“ von einem Chirurgen vorgenommen worden und billig. Es konnte jedoch auch vorkommen, dass dem Bewusstlosen von den Ärzten die Geschlechtsteile gestohlen und diesem nach der Prozedur wieder verkauft worden seien.

3 km südlich des „Ghettos der Vergangenheit“, erwartet unsere Gruppe ein weiteres, gigantisches

Zeugnis kaiserlicher Bauwut: der „Himmelstempel“ mit der „Halle der Erntedanksagung“, ein Wahrzeichen des alten Peking.

Drei Marmorterrassen erheben sich über das gewaltige Rondeau des Tempels mit dreistufigen Dächern, wobei 50.000 blau glasierte Kacheln, den Himmel symbolisieren.

Es muss schon ein überwältigendes Zeremoniell gewesen sein, wenn der Kaiser am Tag der Winter-Sonnenwende in prunkvoller Prozession mit seinem Gefolge vom Palast hierher zog, um den Himmel für eine gute Ernte zu bitten.

Die Zeiten des Kaisers sind nunmehr endgültig vorbei, nur deren Relikte strahlen bunt leuchtend zum

Firmament empor, dessen freundliches Blau jedoch heute mit einem fahlen, diesigen Schleier überzogen, einheitliches Grau bietet.

Fast wie die Menschen in ihrer, dem Gleichheits-Gebot verpflichteten Kleidung… Soll das überall dominierende „Blau“ Regimetreue oder eifrige Betriebsamkeit zur Schau stellen? Universelles Kolorit und einheitlicher Schnitt auch als Alltags-Anzug?

Jedenfalls strahlen die Gesichter der Bevölkerung eine gewisse Zufriedenheit aus; zwar begegnen sie dem verflossenen Glanz mit unverhohlenem Interesse, vielleicht sogar Stolz… ihre Verehrung gilt jedoch dem Befreier aus der Knechtschaft der Vergangenheit, dem Großen Mao!

Dass dieser Magnet, Hunderttausende „ungläubige“ Genossen seiner Religion kaltblütig vernichtete, unersetzbare Kunstschätze zerstören ließ, scheint sie dabei nicht zu stören.

Vor seinem Mausoleum am „Platz des himmlischen Friedens“ stauen sich lange Menschenschlangen,

um an seinem Sarg vorbei defilieren zu können.

Uns bleibt dieses Ritual gottlob erspart, wir dürfen uns vielmehr in einem großen Restaurant, in dem es ebenfalls von „Volksgenossen“ wimmelt, am Essen mit Stäbchen beweisen.

Generalprobe dafür war bereits gestern, beim Abendmahl.

Auf zwei großen, runden Tischen, jeweils für 11 Personen sind eine große Anzahl Teller mit Vorspeisen und Schüsseln mit Hauptgerichten in der Mitte angerichtet, sodass sich ein jeder der Teilnehmer so viel davon er möchte, aus diesem allgemeinen Reservoir, auf sein eigenes kleines Tellerchen per Stäbchen, angeln kann. All zu viel bekommt er ohnedies nicht zwischen die langen Spieße. ..immerhin sind es kleine, aber leckere Köstlichkeiten, die mit Bier als Getränk, eine vorzügliche Mixtur ergeben.

Auch das Hotel, in dem wir für 2 Nächte untergebracht sind, lässt keinen Service-Wunsch offen.

Im Schrank hängt ein weißer Bademantel zur gefälligen Benutzung. Bade-Pantoffeln aus Kunststoff sowie eine Thermosflasche mit heißem Wasser und ein Teebeutel stehen ebenfalls zur Verfügung.

Sollte man einen neuen Bademantel kaufen wollen… kein Problem… Chinesen sind clevere Geschäftsleute!

Zwischen den Zeit raubenden Besichtigungen der Pekinger Attraktionen, bietet sich an diesem ersten Tag auch die Gelegenheit, einen flüchtigen Blick auf den Alltag der Millionen-Metropole, zu werfen.

Uniforme Wohnblocks in den Außenbezirken… ärmliche, niedere Hütten oder schmale Lehmhäuschen verraten, dass nicht nur draußen auf den Straßen auffallendes Gedränge herrscht, sondern auch, drinnen eng an eng, gehaust wir. Die Innenhöfe sind winzig, bieten kaum Platz für die Utensilien der Bewohner.

Überall fehlt Raum, für viel zu viele Menschen.

Wäsche wird zwischen Bäumen am Straßenrand zum Trocknen aufgehängt, baumelt über den Köpfen von Fußgängern und Radfahrern. Der Einzelne verliert sich im allgemeinen Getriebe, wie die Stecknadel im Heuhaufen.

Aber nirgendwo belästigen einem Händler, betteln bemitleidenswerte Krüppel…

Welch‘ ein Kontrast zu den Zentren der Kaiserzeit, wo Prunk und Verschwendung, aber auch höchste Bildung und Weisheit zu Hause waren.

Eigentlich sind wir von den Eindrücken dieses ersten Tages längst überfüttert und rechtschaffen müde, aber China in 4 Wochen auch nur Ausschnitt weise entdecken zu wollen, erfordert eben Ausdauer.

Daher geht es abends in die Peking-Oper, die sich in einem unscheinbaren Gebäude, das wir zu Fuß erreichen, befindet.

Unterwegs reizen verschieden Düfte unsere Nasen, denn in Garküchen wird fleißig gebrutzelt und Menschen stehen Schlange, für die vermutlich recht preiswerten Gerichte.

Im Foyer des Theaters herrscht ein ständiges Kommen und Gehen von Besuchern, die wieder salopp, meist in blauer Einheitskluft, je nach Lust und Laune erscheinen und wieder verschwinden.

Die Aufführung präsentiert sich in einer total konträren Kulisse.

Grelle, bunte Kostüme und Masken verwandeln die Akteure auf der Bühne in Wesen wie von einem anderen Stern.

Vor einem Tisch mit ein paar Stühlen spielt sich ein Gesten reiches, von lauter Musik unter maltes und von Tänzen begleitetes Geplänkel ab, dessen Bedeutung uns rätselhaft bleibt.

Etwas genervt, verlässt unsere Gruppe recht bald den Saal – zur Verwundung des Reiseleiters.

Schließlich handele es sich bei dieser Vorführung doch um ein altes, traditionelles Stück aus der Ming-Zeit, das nach streng bestimmten Regeln aufgeführt wird. Kleidung, Masken, Gesten, Requisiten, alles hätte eine besondere Bedeutung und symbolisiere Charaktereigenschaften: so stünden Masken in Grün, Rot und Schwarz für „schlechte Leute“. Kostüme in Rot charakterisiere loyale, aufrechte und tapfere Personen. Schwarz würde ein kraftvolles, etwas grobes Wesen verdeutlichen… ein langer, schwarzer Bart bestimme einen Mann mittleren Alters und ein kurzer Schnurrbart dagegen einen durchtriebenen Burschen… usw., usw.

Eine Wissenschaft für sich, also!

Während der Kulturrevolution 1966 -1976 wäre alles Traditionelle verpönt gewesen – auch die Peking-Oper.

Jetzt gäbe es wieder Schulen, in denen 10 – 13 – jährige Mädchen und Jungen für den Beruf des Operndarstellers ausgebildet würden.

Und da früher in der Regel auf improvisierten Wanderbühnen, auf Märkten oder in Tempel-Innenhöfen gespielt wurde, musste das Inventar spartanisch und die Musik sehr laut sein.

Nach dieser recht strapaziösen, ersten Begegnung mit der Hauptstadt des riesigen Reiches, kurvt uns am nächsten Morgen der Bus, zu ihren in der Nähe befindlichen Attraktionen, die – wie zu erwarten – wieder die Vergangenheit beschwören.

Während dieser Fahrt, versuche ich neugierig, die Gegenwart einzufangen.

Es ist der 1. Mai… auf den Feldern arbeiten Bauern, denn Feiertage oder Urlaub sind in China – wenn überhaupt genehmigt – äußerst knapp bemessen.

Doch das Volk ist arbeitsam und von alters her gewohnt, sich unter der Knute ihrer Herrscher, zu ducken.

Das Wetter ist warm, fast schwül und sehr diesig; die Sonne hat keine Chance, den Himmel sauber zu fegen.

Bereits nach 40 km überzeugt uns das Areal der „Ming-Gräber“, dass die Totenstätte, der hier innerhalb zweier Jahrhunderte 13 bestatteten, von insgesamt 16 „Himmels-Söhnen“, durchaus mit den Pharaonengräbern in Ägypten zu vergleichen ist. Der „Boden mit einem guten Omen“ dafür, wurde von Geomanten bestimmt! 1409, war dieser von einer Bergkette geschützte Platz nach jahrelanger Suche, ausgewählt worden und alle Gräber, bis auf ein einziges, sind bis jetzt ungeöffnet!

Ein „heiliger Weg“ von 6 km führt zu diesem „Einen“. Da für uns zu mühsam, wählt der Reiseleiter die kürzere „Straße der Tiere“ als Vorspiel zur Besichtigung dieses Musterbeispiels.

Eine Anzahl von überlebensgroßen Steinfiguren, paarweise kniend oder stehend, sowie 12 menschliche Abbilder fungieren als Begleiter der vergöttlichten Verstorbenen!

Nur die vielen, dauernd klingelnden Radfahrer stören die Ruhe der wunderschönen Baumallee, von der wir jedoch trotzdem noch mal den Bus nehmen müssen, um zum Grabeingang zu gelangen.

Vor diesem, stehen wiederum Tore und Pavillons, eingebettet in das dunkle Grün mächtiger Kiefern, Spalier, vor dem eigentlichen Grab.

Ehe wir das unterirdische Verlies dieses 13.Kaisers, der übrigens total unfähig und unberechenbar gewesen sein soll, über zahllose Treppen erreichen, bieten diverse Hallen eine Schau der gefundenen Grabbeigaben, die aber infolge des hier herrschenden Gedränges, kaum zu längerem Studium verleiten.

Tief unten dann, zwar Palast artig groß, aber absolut kahl befindet sich die Ruhestätte des Kaisers inmitten seiner Frauen… in Holzkisten…

Gab es ursprünglich Sarkophage… und wo sind sie?

Keine Antwort…

Enttäuscht eilen wir schleunigst von diesem trostlosen Totenplatz und der bedrückenden Enge zurück ans Tageslicht, wo man in der hübschen Landschaft immer wieder entfernte, ungeöffnete Grabhügel wahrnehmen kann.

Aber was wäre China ohne sein Bravourstück – die „Große Mauer“, unsere nächste Station, ungefähr 60 km von Peking entfernt.

Der uns zur Besichtigung zugeteilte Abschnitt dieses 6000 km langen Wunderwerks liegt um das Fort Badaling in 850 m Höhe.

Während der Auffahrt erkennt man deutlich die Drachenlinie in der sich das Monster durchs Gebirge windet.

Am Parkplatz, von dem aus sich ein Teil des gigantischen Fabelwesens erklimmen lässt, warten Hunderte von Bussen und eine Menschenkarawane von Abertausenden, wälzt sich den Weg zwischen den Mauern hoch.

In der Straße davor, herrscht Jahrmarkt-Stimmung mit Souvenir-Läden, Lärm und Trubel.

Keine würdige Dekoration für solch‘ ehrwürdiges Denkmal an Qin Shi Huangdi, Chinas erstem Kaiser.

Allerdings ist vom Original des „Super-Drachens“ nichts mehr erhalten. Dschingis Kahns Horden, durchbrachen ihn doch an verschiedenen Stellen.

Auch die heutigen Reste – ein Erneuerungswerk während der Ming-Dynastie, die im 15. und 16. Jhdt

das Kommando über China führte – wurden inzwischen vom gefräßigen Schlund der Zeit, großteils zerfressen.

Jenem ersten Kaiser Chinas, der das Reich vereinigte, werden wir später begegnen; eine schillernde Persönlichkeit, die sich nicht nur durch den Bau der großen Mauer verewigt hat, sondern auch andere Reformen, wie die der Schriftzeichen, den Bau von Wegen und Kanälen veranlasste, die aber auch rigorose, despotische Maßnahmen nicht scheute… z.B. die Entmachtung des Adels, erbarmungslose Verfolgung der Opposition und auf Rat seines Kanzlers die Verbrennung bei lebendigem Leib von 460 konfuzianischen Gelehrten. Auch deren Bücher wurden eingesammelt und vernichtet.

Wieder schockiert mich persönlich dabei der irrsinnige Widerspruch zwischen bedeutenden Leistungen, fortschrittlicher Denkungsart und die unvorstellbare Brutalität, für deren Durchsetzung.

Einen köstlichen Abschied beschert uns Peking in Form seiner berühmten „Ente“.

Nach den üblichen Vorspeisen, die sich auf den winzigen Tellern häufen, süßlichem Wein und scheußlich schmeckendem Schnaps, erfüllt dann die nach einem aufwendigen Rezept zubereitete Mastente, jeden kulinarischen Wunschtraum… in Scheiben geschnitten, mit einem grünen Zwiebel-Stengel auf einen dünnen Fladen gewickelt und in eine süß-saure Soße getaucht, wird sie serviert und mit den Fingern gegessen.

Die folgenden 1150 Kilometer zu der 2,8 Millionenstadt Xian absolviert unsere Gruppe per Flug.

Welch‘ ein unterschiedliches Fluidum gegenüber Peking!

Viel Grün an den Straßenrändern keine so ärmlichen, verfallenen Häuser, reges Leben, sind ihr Markenzeichen. Zwischen die einheitlich meist blaue Männerkleidung, mischen sich schon öfter Farben frohe Akzente, weiblichen Schönheitssinnes.

Unser Hotel ist modern, erst ein Jahr alt und staatlich chinesisch, bietet es in Shops bereits interessante Angebote.

Auch das Essen wird hier nicht ganz nach dem Motto „im Magen kommt ohnehin alles zusammen“ auf einmal, sondern nacheinander serviert…

Wie weit Chinas Besiedlung und Kultur zurückreicht – die erste legendäre Dynastie wird ins dritte Jahrtausend vor Chr verlegt – beweisen die Ausgrabungen der Steinzeitsiedlung Banpo, 10 km östlich von Xian. Rund 8000 Jahre alt, gehört sie der Yangshao-Kultur an, wurde 1953 entdeckt. Sie gilt als Wiege der chinesischen Kultur im Tal des „Gelben Flusses“, dem mit 4875 km, zweitlängsten, des Landes.

Nur ein kleiner Teil dieser Urzeit-Siedlung ist ausgegraben… er offenbart, dass Hirse angebaut, Schweine, Ziegen und Hunde domestiziert, Fische gefangen und gejagt wurden.

X I A N ist eine sympathische Stadt, wo noch der Geist des alten Chinas, durch die Gassen der Altstadt spukt!

Wo aus verwinkelten Innenhöfen eine Mixtur von Gerüchen hochsteigt und man manchmal fast einen Blick in die Töpfe werfen kann… wo Männer im Freien Domino spielen und Frauen auf Hockern Gemüse schälen… wo Vögel aus viel zu kleinen Holzkäfigen fröhlich zwitschern und Wasser auf einer langen Stange balanciert, in zwei daran hängenden Eimern gluckst und blubbert… wo auf Bauernmärkten an der Peripherie lebhafter Handel getätigt wird und im Zentrum die Schlachtrufe der neuen Zeit regieren und der Vergangenheit, den Garaus machen.

Zwei sehr alte Relikte – die Große und die Kleine Wildgans-Pagode – aus dem 7. und 8. Jhdt präsentieren sich unserer Gruppe innerhalb einer hübschen Gartenanlage und als besondere Spezialität erweist sich auch das in der Nähe befindliche Provinzmuseum von Shaanxi, untergebracht in einem konfuzianischem Tempel von 1371 aus der Ming-Dynastie, mit seinem berühmten „Stelenwald“. Es handelt sich dabei um einen Schatz von 1095 über Mannsgroßen Steintafeln, die über und über mit dicht an dicht eingeritzten chinesischen Schriftzeichen bedeckt sind.

Die ältesten stammen aus der Han-Periode 206 vor bis 220 nach Christi.

Oben und unten wird diese Stelen-Sammlung durch chinesische Kalligraphie, von Skulpturen und Schildkröten verziert.

Eine Rarität, die bezeugt, wie hoch entwickelt der Ferne Osten an Bildung und Wissen schon zu frühester Zeit war.

Xian ist aber vor allem die Stadt, die der Welt 1974 eine, in ihrer Nähe zufällig von einem pflügendem Bauer entdeckte, Sensation bescherte:

Die TERRAKOTTA-ARMEE von Chinas erstem Kaiser Huangdi, der das Reich einigte!

Dieser Despot, von krankhafter Todesangst besessen , ließ unablässig nach einem Lebens-Elixier suchen, rüstete eine Flotte von Booten aus, um, wie von Wahrsagern verkündet, die Inseln der Seligen zu finden… und starb trotzdem mit49 Jahren.

Auf sein Geheiß entstand jener gewaltige, inzwischen Welt berühmte Militär-Aufmarsch aus Ton, für sein Mausoleum. Dessen Besichtigung gehört fraglos zu den emotionalsten Eindrücken jeder China-Reise.

Vor der, eigens für diese „tönerne Armee“ errichteten Ausstellungshalle, herrscht Massenbetrieb.

Auf großen Tischen preisen die Bäuerinnen der Umgebung lautstark ihre Waren – bunt bestickte Westen, Jacken in grellen Farben und andere Handarbeiten zum Kauf an, stürzen sich gestikulierend auf die Touristen.

Ein Museum zeigt zur Betrachtung aus nächster Nähe, ein paar der Krieger in Glasvitrinen, sowie den renovierten kaiserlichen Wagen mit 4 Pferden. Ein Modell veranschaulicht das Zustandekommen des riesigen Projekts vor Jahrhunderten, durch Sklaven und Handwerker, sowie deren Werkzeuge.

Diese Erläuterungen allein schon lohnen einen Besuch…

Doch der Blick von der Balustrade der Halle, hinunter auf diese Tausende von Ton-Soldaten in Lebensgröße – in Reih‘ und Glied mit ihren Pferden formiert – lässt wahrhaft den Atem stocken.

Ihn frei und nicht durch andere Betrachter verdeckt, zu genießen, ist allerdings nur unter Zuhilfenahme der Ellenbogen möglich, jagt dann aber einen Schauer über den Rücken, der sich unvergesslich und eindringlich ins Gedächtnis prägt.

Viele Gesichter dieser Kolonne, von denen keines dem Nachbar gleicht, scheinen zu lächeln. Starr und doch wie lebendig, waffenlos zwar, gelb grau und von Staub bedeckt, vereint ihr Ausdruck ein geheimes Wissen um alle Varianten menschlicher Gefühle.

Kleider, Frisuren, Mützen und Helme, unterscheiden die einzelnen Chargen – die Soldaten, Offiziere oder Generäle…

Hinter der geschlossenen Heerschau, häuft sich auf weiter Fläche die Erde, auf der noch halb heraus gelöste Körper, einzelne Köpfe ragen – eine Bestätigung, dass die Ausgrabungen noch lange nicht beendet, sondern in vollem Gange sind.

Es heißt, dass die Archäologen neben Werkzeugen auch Skelette gefunden hätten und man vermutet daher, dass der ebenso tüchtige wie grausame Kaiser, zur Wahrung des Geheimnisses, die Erschaffer der Armee, lebendig begraben ließ.

Nach seinem Tod zerbrach die Dynastie, das tönerne Heer wurde geplündert und seiner Waffen – Lanzen, Bögen und Standarten – beraubt, mit denen die ursprünglich blau, rot und gelb bemalte Armee ausgerüstet war.

Etwa 1 km von dieser spektakulären Entdeckung entfernt, hält unser Bus vor einem 47 m hohen Erdhügel, zu dem Stufen hinauf führen, kurz an. Es handelt sich dabei um das ungeöffnete Grab des Kaisers Huangdi!!!

Eine achtstündige Bahnfahrt entführt uns nach dem Erlebnis Xian, nach Luoyang.

Ein Abenteuer von besonderer Art…

Die Atmosphäre auf Bahnhöfen hat immer und überall ein prickelndes, Spannung geladenes Fluidum… hier aber schwappt es über vor Betriebsamkeit. Wie durch einen Ameisenhaufen wird dabei unsere Gruppe zum reservierten Nobelwaggon, wo die bequemen Zweier-Sitze mit Handtüchern belegt sind, jongliert.

Vom Nebengleis nähert sich fauchend, zischend, Ohren betäubenden Lärm verbreitend, ein anderes, dieser rumpelnden Monster.

Endlich angekommen, versprechen Teetassen auf einem Klapptisch, eine Stärkung.

Danach gleitet eine schöne Landschaft mit grünen Hügeln und von Pfaden durchzogenen Bergen, an uns vorüber.

Es wird erholsam, bis… zum Ausstieg an einer Station, zwecks Wechsel in den Speisesaal zum Abendessen. Ein wenig altertümlich und liederlich wirkt er zwar, doch wird uns darin eine schmackhafte Mahlzeit serviert.

Der Rückweg durch die fast 10 Waggons der holpernden, stampfenden Riesenschlange zeigt uns dann allerdings mit brutaler Offenheit, wie das chinesische Volk, normalerweise zu reisen pflegt.

Nämlich dicht an dicht… mit Paketen beladen hocken sie auf den Bänken, in den Gängen, vor den Toiletten und überall, wo es ein paar Zentimeter Raum gibt.

Zum Glück benötigt keiner aus unserer Gruppe dieses gewisse Örtchen, aus Erfahrung in diversen Restaurants weiß man ohnedies bereits, dass dieses meist nicht vor Sauberkeit blitzt. Und erst hier… zimperlich darf man dieser halb in China nicht sein…

Wir zwängen uns mehr schlecht als recht zu unserem Exklusive-Waggon durch und erreichen um 9 Uhr abends die Stadt Luoyang, die ebenfalls 1 Million Einwohner zählt und sehr alt sein soll. Auch hier wären Funde aus grauer Vorzeit ans Tageslicht geholt worden.

Dass in Luoyang viel Industrie den Himmel besonders stark vernebelt, merken wir am folgenden Tag auf dem Weg zum „Drachentor“, zu deutsch, den „Longmen-Grotten“.

Es handelt sich um einen riesigen Felsen, an dem sich ein Pfad aufwärts zieht und in dessen Wand 1353 Grotten, 750 Nischen mit fast 100.000 Statuen und 3608 Inschriften, dazu 39 kleine Pagoden eingemeißelt worden sind.

Ein gigantisches Glaubensbekenntnis des Buddhismus!

Neben Konfuzianismus und Taoismus ist er die große Religion Chinas. Inzwischen besteht in der Volksrepublik Religionsfreiheit, gilt aber als absolute Privatsache.

Unterhalb dieses Pilgerweges mit den Buddha-Bildnissen vom Taschenformat bis zum knapp 17 m hohen Buddha-Shakyamuni, zieht gelb grau, träge, mit versandten Ufern, der Li-Fluss, ein Nebenarm des Gelben Flusses, seine Bahn.

Vor dem Aufgang zum Pilgerweg animieren wieder die energisch-freundlichen „Hallo-Rufe“ die Touristen zum Kauf kulinarischer und allerlei anderer Angebote.

Von wegen, keine Händler… mit der Öffnung des Landes für Fremde, sind die Geschäftemacher wie Würmer nach einem befruchtenden Regen aus der Versenkung hervor gekrochen, um sich am Reichtum der Ausländer, zu laben.

Um 500 begann das Grotten-Meisterwerk am Felshang, an dem in den folgenden Jahrhunderten 800.000 Mönchs-Künstler arbeiteten.

Während der Tang-Dynastie 618-907 war die Zeit der größten Blüte für den Buddhismus, aber zwischen 842 und 845 zerstörten Konfuzianer und Taoisten viele Skulpturen der Longmen-Grotte. Während dieser Zeit fielen auch 4600 Klöster den Fanatikern zum Opfer.

Die größten Schäden an diesem grandiosen, kulturellen Erbe, entstanden aber im letzten und unserem Jahrhundert durch skrupellose Händler, die Buddha-Köpfe abschlugen und an Europäer und Amerikaner verkauften. Verabscheuungswürdig die Händler… aber mehr noch die Käufer… finde ich, denn, ohne Nachfrage kein Angebot!

So müssen sich die heutigen Bewunderer dieser einmaligen Felswand zu einem Großteil mit Torsi ohne Kopf begnügen, die allerdings trotzdem eine grandiose Wirkung ausstrahlen.

Während Konfuzius, der große Weise, geb. 551 v. Chr ein Zeitgenosse Buddhas und Pythagoras war, verliert sich der dritte Begründer chinesischen Glaubens, Laotse, im Mythos. Er wurde etwa im 4.Jhdt vor Chr geboren und bekannte sich im Taoismus zu einer Harmonie, die zwischen Mensch und Kosmos herrsche. Er sah das Tao, als etwas Zeugendes an, das nicht erzeugt wurde, ein sich dauernd Wandelndes, das in sich selbst jedoch unwandelbar war.

Aus diesem Ur-Einen (Tao) würden sich die beiden Urkräfte Yang und Ying, welche die Ursache für den Wechsel aller Dinge seien, lösen… Dabei stelle Yang das männliche, aktive, zeugende Prinzip dar und Ying das weibliche, passive, empfangende. Die beiden Gegenstücke würden sich ergänzen, nicht bekämpfen…

Philosophie… Religion… Lehren von großen Denkern, die die Menschheit bereichern, so lange sie nicht durch den Fanatismus einiger ihrer Anhänger, in einen Fluch verwandelt werden!!

Am Nachmittag widmen wir uns wieder der Gegenwart und haben Gelegenheit, in einem Kindergarten die Erziehungserfolge der heranwachsenden Generation durch das neue China, abzuchecken.

Alles sind „Einzelkinder“, wie sie angesichts der Bevölkerungsexplosion vom Staat vorgeschrieben werden.

Eine Notwendigkeit, wie es scheint, aber kein Wunschbild für Menschen, die bisher, auch infolge fehlender oder äußerst mangelhafter Altersversorgung, sich eine möglichst große Zahl Kinder – vor allem Jungen – für diese letzte Lebensphase, zulegten.

Sauber gekleidet, vergnügen sich Buben und Mädchen im großen Hof, während dahinter, in einem hohen Einheits-Plattenbau mit neben- und übereinander kleinen Balkonen, auf denen Wäschestücke flattern, die Wohnungen der Eltern markieren, die in Fabriken ihr Arbeits-Soll erfüllen.

Die fröhliche Schar erfreut uns schließlich mit perfekt einstudierten, ausdrucksvollen Tänzen, die manch‘ verborgenes Talent verrät.

Die restlichen Stunden bis zum nächsten Programm, gehören bei mir zu einem Streifzug durch die Altstadt von Luoyang, das immerhin 8 mal, bis zur Tang-Zeit, Hauptstadt und ein Kultur- und Wirtschaftszentrum war.

Bäume schmücken beidseitig die Straße, in der sich unzählige Buden mit Stoffen, Kleidern, etc. etabliert haben. Eine Art Bazar, auf chinesisch.

In einer Seitengasse schneiden Frauen auf riesigen Tischen Stoffe zu, dahinter stehen Nähmaschinen bereit. Der Kunde kann sich also die gewählte Ware mit nach Hause nehmen oder gleich hier verarbeiten lassen.

Bei den ein- bis zweistöckigen Häusern führen schmale Gänge zu kleinen Innenhöfen.

Auf niederen Schemeln warten „Schuster“ mit davor aufgestapelten Absätzen, auf Kundschaft.

Alles wirkt recht sauber und nicht verwahrlost.

100 km südlich von Luoyang erreichen wir das Shaolin-Kloster, das in seiner Blütezeit 1000 Mönche beherbergte.

Auf dem Weg dahin, wird in einem kleinen Dorf eine kurze Pause eingelegt.

Ein Ort wie vor Jahrtausenden!

Wie durch ein unsichtbares Nachrichtensystem über den offenbar sensationellen Besuch von Fremden alarmiert, tauchen von überall her, die Bewohner auf, mustern uns wie Wesen aus einer anderen Welt, neugierig, aber freundlich.

In einer Seitengasse torkelt ein schwarz geflecktes Schwein über lehmigen Boden, daneben pumpt eine Frau mühevoll Wasser aus einem verrosteten Brunnen.

Hupend und schaukelnd fahren wir weiter… laut geht es zu auf Chinas Straßen!

Ein Hügel erscheint in der Landschaft – das Grab eines Kaisers und seiner Konkubinen.

Im Umkreis von Dörfern begegnet man immer wieder, den mit Papierblumen geschmückten „Bauerngräbern“.

Der Bus rüttelt uns immer höher in die Berge hinauf und immer eindrucksvoller wird die Gegend um das Songshan-Gebirge, in dem eingebettet, das Shaolin-Kloster liegt.

Kurz davor trainiert eine Elitegruppe junger Leute das „Chang“ (Zen), eine Kriegs- bzw. Kampfkunst, die auf buddhistische Mönche zurückgeht und als deren Entstehungsstätte das Kloster gilt.

Jahrzehnte lang lag es im Dämmerschlaf verlassen in den Hügeln, erst 1982/1983 wurde es restauriert und nun lehren wieder 60 Mönche ca. 500 Schülern gegen einen ziemlich hohen Preis, die Kunst dieses „Sports“.,

Eine ganze Weile beobachtet unsere Gruppe die zackigen, blitzschnellen Bewegungen… das Strecken der Arme… den plötzlichen Tritt nach vorne… Wir können uns vorstellen, wie bedrohlich diese rein „natürliche“ Waffe eingesetzt werden könnte.

Als Verteidigung oder zum Angriff?

Vermutlich hat der indische Mönch Bodhidharma, der im 6.Jhdt den japanischen Zen-Buddhismus einführte, diese Kampfform nach China gebracht… bekannt auch als Kung Fu!

Buddhismus und Gewalt?

Seltsam, wie erfindungsreich es der Mensch versteht, duldsames Wirken umzudeuten und umzufunktionieren…

Im nahen „Pagodenwald“, wo 200 Mönche des Klosters in solch‘ attraktiven Grabmälern bestattet sind, finden sich dann wir überall Menschen dicht gedrängt, versammelt, wobei wie üblich, vom chinesischen Völkchen fleißig auf den Boden gespuckt wird. Eine Unsitte, die die Regierung durch Aufstellung von „Spucknäpfen“ auszurotten, versucht.

Der Tempel selbst, öfters zerstört und wieder aufgebaut, geht auf das Jahr 495 zurück und zeigt auf Wandbildern die harten Mitteln, die zur Ausbildung der Schüler angewendet wurden.

Das bis zu 1440 m hohe Songhsan-Gebirge mit 60 km Länge, zählt nebst 4 anderen, zu den 5 mythischen Bergen Chinas und hat außer dem Kloster auch andere, interessante Kunstdenkmäler zu bieten.

Nach den aus Vergangenheit und Gegenwart gemixten Schauplätzen des nördlichen China befördert uns eine nächtliche Bahnfahrt in die südlichen Distrikte des Riesenreiches, nach Nanjing.

Ebenfalls uralt und von Millionen Menschen bevölkert, sorgt es durch Industrieanlagen an der Peripherie, für einen dauernd verschleierten Himmel und ist ebenfalls unterwegs auf alten Gleisen, zu neuen Wegen.

Trotz dem vielen Grün in Nanjing (Nanking) mit dem bedeutendsten Observatorium auf der Höhe der Purpurberge und dem weitläufigen, hübschen Drachensee-Park, verschwimmt hier das Firmament in diffusem Licht, hinter dem sich die Sonne diskret versteckt.

Achtmal war Nanjing Hauptstadt des chinesischen Kaiserreichs und der Begründer und erste Kaiser der Ming-Dynastie, ruht hier in einem bis heute ungeöffneten Grabhügel. Als buddhistischer Bettelmönch einer verarmten Bauernfamilie entstammend,organisierte er 1368 eine Verteidigungsarmee gegen die seit fast 100 Jahren in China herrschenden Mongolen und rief sich nach dem Sieg selbst zum Kaiser aus.

Der „heilige Weg“, der zu seinem Grab führt, in der auch 38 seiner Konkubinen lebendig begraben wurden, war Vorbild für die folgenden „Himmels-Söhne“ der so erfolgreichen Ming-Dynastie.

Sein Enkel und zweiter Nachfolger erreichte Ruhm, da er nicht nur in Nanjing die größte Seeflotte bauen ließ, die noch vor Columbus Asien und Afrika befuhr, sondern er begann auch 1404 mit dem Bau der monströsen „Verbotenen Stadt“ in Peking, die zur neuen Hauptstadt des Reiches avancierte.

Der Palast jenes ersten Kaisers der Dynastie dagegen verfiel zusehends.

Als Beweis für Chinas Leistungsfähigkeit und sein ganzer Stolz stellt in Nanjing die neue Brücke über den Jangtsekiang mit 1577 m Länge dar – die Zubringer mitgezählt sind es 7 km. Eigentlich sollte sie von den Sowjets gebaut werden, doch die zogen infolge politischer Differenzen mitsamt den Planungsunterlagen 1960 einfach ab.

Dass dieser Ferne Osten an Bildung und Wissen schon sehr früh hoch entwickelt war, zeigten die Steintafeln im Stelenwald. Heute werden noch etwa 7000 -8000 Schriftzeichen im alltäglichen Leben verwendet. Um eine Zeitung lesen zu können, benötigt man mindestens 2000.

Wieder folgt eine Bahnfahrt, die uns nach Wuxi entführt, das uns ein malerisches, anheimelndes Milieu präsentiert. Uralte, niedere, bunt-scheckige Häuser mit ebensolchen Schriftzeichen und gestaffelte Innenhöfe begeistern mich.

Auf den zahlreichen Kanälen kreuzen altertümliche Kähne, denn hier verläuft der wichtigste Teil des 1794 km langen Kaiserkanals, vom südlichen Hangzhou bis Peking. Er ist der älteste und längste je von Menschen geschaffene, künstliche Wasserweg der Welt. Sein erster Vorläufer entstand bereits 500 vor Chr.

Auf diesem von Reisfeldern und viel Wasser gesegnetem Erden Fleck breitet sich auch der 2240 qkm große Taihu-Süßwasser-Binnensee aus, der viermal so groß wie unser Bodensee, diesen als mittelmäßig einstuft.

Per Drachenboot kreuzen wir auf ihm herum, unternehmen dabei auch Landgänge wie den zur „Schildkröteninsel“.

Die Gestade des Sees, umrahmt von Schilfgürteln und üppigem Grün, erinnern irgendwie an die zarten

Konturen chinesischer Tusche-Zeichnungen… sein Wasserspiegel flimmert und zittert in der milden, feuchten Luft und zeichnet ein Portrait der Poesie von höchster Vollendung!

Doch leider, kaum aufgeblitzt, löst sich die Illusion gleich danach auf, als Völkerscharen der Gegenwart, an seinen Ufern erscheinen und sie zertrampeln.

Dasselbe Dilemma stört auch den Besuch eines der für Südchina so berühmten Parkanlagen.

Wie alle anderen, ist auch der „Garten der Ergötzung“, einst privat angelegt, jetzt staatlich und für die Allgemeinheit zugänglich.

Ein Idyll mit Wegen, Brücken, Pavillons, einem Teehaus, konzipiert von den „oberen Zehntausend“ für erholsame Einsamkeit, hallt nun vom Getümmel des Volkes wider. Was Jahrhunderte für nicht Privilegierte tabu war, wird nun von ihnen lautstark in Besitz genommen.

Was durchaus rechtens sein mag, verträgt sich dabei leider nur schlecht mit dem Zauber der Parks, deren unsymmetrische Ecken eine stille Harmonie ausstrahlen.

Die 6 Grundregeln eines chinesischen Gartens lauteten stets: Stille, Kühle, Ehrfurcht, Weite, szenischer Charme und sorgsames Arrangement.

Danach wurde er „gebaut“!

Die Berge darin galten als „Skelett der Erde“ und spielten eine große Rolle, mussten mit Respekt behandelt werden. Blumen waren lediglich als Farbtupfer eingestreut. Wasser und vor allem Zickzack-Wege sollten das Geheimnis wahren, denn der Garten durfte nicht einsehbar sein. Außerdem bot dieses „gehen um die Ecke“ Schutz vor bösen Geistern, da der Teufel nur geradeaus sein gefährliches Spiel treiben kann.

Und über all dieser verwinkelten Vielfalt mit Bedeutung, über Tore und Pavillons schwebt der Drache, als Symbol des Kaisers.

Was die Harmonie der Parks drastisch zu stören vermag, passt dagegen gut, zu der erst in den letzten Jahren wieder der Bevölkerung zugestandenen Einkaufsmöglichkeit in einem „freien Markt“.

Wir besuchen einen solchen in Wuxi, der dem Markenzeichen für Turbulenz und Lärm hier besondere Ehre erweist. Außerdem wird hier auch besonders um Gemüse, Knoblauch-Stangen, Ingwer und Fleisch ausgiebig gehandelt.

In einer Schüssel mit Wasser winden sich in verschlungenem Durcheinander dünne, gelbgrüne Schlangenkörper. Interessiert sich ein Kunde für sie, wird ein Exemplar heraus gefischt und der armen Kreatur, blitzschnell die Haut abgezogen. Ob diese extra verkauft wird und was überhaupt an Essbarem bei der blutigen Prozedur bleibt, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.

Krächzend wehren sich auch eine Anzahl in einen Korb gezwängte Hühner und Gänse vergeblich, gegen ihr zusammen gepresstes Los.

Von Wuxi aus, erleben wir dann auch noch in einer 3 ½ stündigen Fahrt, den Kaiserkanal in allen seinen Facetten! Auf ihm gleiten wir in einem komfortablen, weißen „Touristen-Schwan“ zur Stadt Shouzhou, die mit dem Prädikat „Venedig des Osten“, seine Lage an zahlreichen Kanälen und Brücken betont.

Von dieser gepflegten Empore aus, können wir nicht nur den Verkehr am Fluss, sondern auch die Aktivitäten an den Ufern beobachten. Und die zeigen sich weit weniger luxuriös…

Uralte, von rauchenden Motoren angetriebene Kähne sind unsere Nachbarn. Aus winzigen, verwaschenen Überbauten, winken Leute, Kinder mustern neugierig das noble Gefährt, das sich zwischen den von mit Rudern oder schmutzigen Segeln ausgestatteten Dschunken und allerlei anderen Wasserfahrzeugen, hindurch laboriert.

An den Ufern wird geschaufelt und überall emsig gearbeitet.

Industrieanlagen wechseln mit ärmlichen Behausungen, wo Menschen ihren täglichen, gewohnten Trott absolvieren.

Kohlenschiffe und solche aus Beton, mit den verschiedensten Frachten, tuckern an uns vorbei und unter Brücken hindurch.

Von immer neuen Eindrücken überschwemmt, erreichen wir das für seine Schönheit und seine Gärten gerühmte „chinesische Venedig“.

Von den einst 6000 Kanälen existieren noch 300 und das Netz der Wasserläufe ist mit dem Kaiserkanal verbunden.

Platanen schmücken die Hauptstraße, die von hübschen, alten Häusern und Läden bestückt ist und ihr in der Sonne flimmerndes Grün, verleihen der Stadt ein freundliches Antlitz. Als Fußgängerzone, auch für Fahrräder gesperrt, verführt sie mich zum gemütlichen Flanieren.

Ein Drachentor weist auf einen taoistischen Tempel auf der gegenüberliegenden Seite hin.

In einem Pagoden artigen Eisengestell vor dem Eingang, lodert ein Feuer. Seitlich davon sind, Buden aufgebaut, die als Garküchen fungieren, vor ihnen widmen sich Menschen dem leiblichen Wohl.

Ursprünglich war der Taoismus als eine Spielart des Buddhismus betrachtet worden, im 5. Jhdt traten jedoch die beiden Religionsformen in einen Wettstreit miteinander und die erste Verfolgung des Buddhismus war teilweise von einem Taoisten am Hofe der nördlichen Wei-Dynastie (386 – 534) angeregt worden.

Shouzhou bedeutet übersetzt „Wasser im Überfluss“ und bereits 518 vor Chr wurde hier die Hauptstadt des Königreichs Wu gegründet.

Mit dem Bau des Kaiserkanals 518 bis 618 begann der große Aufschwung und die mehr als 150 Gärten – der älteste entstand 1044 – stellen ein Ruhmesblatt für ihre „Erbauer“ dar… meist hohe Beamte, Gelehrte, Künstler und Dichter.

Dem „Park der machtlosen Amtsperson“, einem der berühmtesten und dem „Garten des Meisters der Fischernetze“, dem kleinsten, statten auch wir einen Besuch ab.

Das Programm läuft weiter…

Der hübschen Stadt Shouzou folgt die im Delta des Jangtsekiang-Flusses gelegene 13-Millionen-Metropole Shanghai. Sie offeriert besonders deutlich, das wieder erwachte Sendungsbewusstsein der Chinesen.

Ein quirliges, übervolles Sammelsurium von Menschen mit einer höchst zwiespältigen Vergangenheit, gibt sich hier ein Stelldichein.

„1842 bei Ende des 2. Opiumkrieges, ein Nest mit knapp 50.000 Einwohner und weit und breit nichts als Schmutz und Elend… “ heißt es in einem zeitgenössischen Roman.

China hatte versucht, die Einfuhr von Opium aus Indien zu stoppen und wurde deshalb von den weit überlegenen, britischen Truppen in Kanton angegriffen und besiegt. Damit war die Periode der Unterwerfung Chinas unter die wirtschaftliche Knute der westlichen Mächte eingeleitet worden.

Shangai entwickelte sich mit knapp 70.000 Ausländern zum Garten Eden der Reichen und zur Hölle der Armen.

Wirtschaft und Politik wurde von Europäern bestimmt. Verbrechersyndikate, Kinderarbeit, Opium-Handel, Prostitution und Korruption erbrachten riesige Gewinne.

Macht, Geld und Einfluss lagen in den ersten Jahrzehnten, bis sich nach und nach eine Schicht von chinesischen Kaufleuten in der Stadt etablierte, ausschließlich in den Händen der Fremden.

Von diesen düsteren Zeiten ist heute nichts mehr zu spüren. Besonders Shanghai marschiert mit großen Sprüngen dem Fortschritt entgegen.

Nicht zum ersten Mal in seiner Geschichte, beginnt sich China nach tiefstem Niedergang wie „Phönix aus der Asche“ empor zu rappeln.

Seine erste frühe Hochkultur vor 4000 Jahren hatte die Epoche der „streitenden Reiche“ zerstört.

Auf den „Welt-Spitzenplatz“ im Mittelalter, folgte der katastrophale Sturz durch die Opiumkriege, deren eigentliche Ursache wohl während der Ming-Dynastie, etwa 1450, durch deren Abschottung und Distanzierung von der übrigen Welt, zu suchen ist. Man dachte sich auf seinen Erfolgs-Lorbeeren ausruhen zu können. Der große Drache verschlief satt, die Zeit.

Nach dem Absinken in Bedeutungslosigkeit und Armut einigte Mao mit roher Gewalt, wie der erste Kaiser Huangdi, das Reich. Aber erst jetzt, über ein Jahrzehnt nach seinem Tod, beginnt der Drache sich wieder zu rekeln und versucht mit energischen Anstrengungen aus dem Sumpf heraus zu kriechen.

Am „Bund“, der berühmten Uferstraße der Stadt, können wir außer den Hochhäusern aus englischer Zeit, den aufblühenden Betrieb des imposanten Hafens studieren, obwohl das Meer noch 100 km entfernt ist. Er wird ständig erweitert und wickelt mehr als 30 % des Seehandels mit 140 Ländern ab.

Auch das Stadtzentrum gibt sich schon ein wenig Welt städtisch und in seinem Gewühle, ist nur mit Mühe, vorwärts zu kommen. Flüchtige Blicke in Seitengassen zeigen allerdings noch eine Menge Schatten und triste Hässlichkeit.

Wir sind im vornehmen Sheraton-Hotel einquartiert, das sich auch dadurch von bisherigen Unterkünften unterscheidet, dass der Boy vom Kofferservice, das Zimmer erst verlässt, nachdem er einen Yuan Trinkgeld erhalten hat… wo doch Trinkgeld-Annahme offiziell verboten und verpönt ist!

Vereinzelt begegnen wir bei unseren Exkursionen durch Shanghai auch dem „Schattenboxen“, jener fast lyrischen Morgengymnastik Chinas, das in Parks und auf freien Plätzen wie in Trance zelebriert wird.

Es findet vor allem in der Morgendämmerung statt und trifft man zufällig Nachzügler dabei an, dann erinnern die seltsamen Bewegungen der Turner – meist ältere Leute – an „entrückte“ Wesen. Sie heben und senken Arme und Beine wie in Meditation versunken und vergessen ihre Umgebung.

Nach chinesischer Philosophie, ist ja der Mensch Teil des Universums und die allem inne wohnende Lebensenergie – also auch die des Leibes – mit dem Tao, dem Weg zur Einheit, in Einklang zu bringen, wird als höchstes Ziel angestrebt.

Schattenboxen wird auch als sanftes „Kung Fu“ betrachtet und läuft ebenfalls nach strengen Regeln ab, die von Jugend an fleißig trainiert werden müssen.

Die Harmonie zwischen Yian und Yang zu finden, ist ihr tiefster Sinn.

Nächstes Ziel ist die 2,1 Millionen-Stadt Huangzou am Westsee.

Bei der abendlichen Fahrt durch das Zentrum überraschen uns die bunten Lichtreklamen, die wir in dieser Intensität, bisher nirgendwo gesehen haben.

„Im Himmel gibt es das Paradies, auf Erden Shouzhou und Hangzhou“, preist ein altes Sprichwort die beiden Städte am Kaiserkanal.

Das bezaubernde Körnchen Wahrheit darin, finde ich am nächsten Tag bei einem kleinen Bummel, im Alleingang, entlang des Westsees, nahe unserem Hotel.

Anmutig wölben sich die bewaldeten Bergrücken in weichen Linien um das 5,6 qkm und 12 km im Umfang, sich ausbreitende Gewässer.

Auf einer Bank am Fuß des „Berges der Einsamkeit“ verträume ich für eine kurze Weile die Zeit.

Das Wasser des Sees, dessen Ufer leider durch Unrat verschmutzt sind, glitzert in der Sonne, als wäre es von goldenen Nadeln gespickt.

Einige Barken, darunter auch ein buntes Drachenboot, gleiten als verwunschene Fabelwesen über die leise glucksende Oberfläche.

Alles ist friedvoll und sanft in dieser Landschaft.

Schemenhaft verbinden in weiter Ferne 6 Bogenbrücken die 4 Inseln des Sees. Ihre Silhouetten ruhen geisterhaft auf dem Wasserspiegel.

Später, bei der gemeinsamen Bootsfahrt zur „Insel der 3 Teiche“ verblasst wieder der Charme von Natur und Kunst durch den Zwang, sich auf gewundenem Holzpfad durch eine Menschenbarriere, kämpfen zu müssen.

Der Stadt selbst ist im Laufe der Jahrhunderte durch die Schwerthiebe der Geschichte, das paradiesische Antlitz zerkratzt worden…

Seit der Tang-Zeit gilt sie immerhin als Stadt der Seide und des Satin.

Das Reich der Mitte war Erfinder der Seidenraupen-Zucht. In einem Grab aus dem 3. Jhdt vor Chr wurden sogar mehr als 20 ausgezeichnet erhaltene Seidenstoffe entdeckt, aber die Technik der Herstellung von Seide, dürfte noch weiter zurückreichen.

Eine andere Spezialität dieses Distrikts ist der „Drachenbrunnen-Tee“ mit einem Anbaugebiet in herrlich grüner Landschaft.

Von Chinas einstigem, religiösen Engagement erzählt der buddhistische Klosterbezirk des Lingyin-Tempels, der 326 n. Chr von einem indischen Mönch gegründet wurde. Zerstört durch die Taiping-Widerstands-Bewegung 1850-64 sind von den einst 75 Hallen nur 2 wieder aufgebaut worden.

Zahlreiche Chinesen pilgern zu diesem „Wallfahrtsort“ in herrlicher Umgebung.

Ein Pfad führt entlang des Tailaifeng-Felsens, in dessen Hang einst 380 Figuren und Grotten gehauen worden sind.

Als besondere Attraktion zeigt sich darunter der „lachende Buddha“, vor dem sich besonders gern die chinesischen Ausflügler, fotografieren lassen. Dieser neuen Leidenschaft des chinesischen Volkes wird überall enthusiastisch gehuldigt. Am liebsten in der Verkleidung als Kaiserpaar, womit der verflossenen Ära eine Auferstehung auf Papier beschieden ist, an der jetzt die Allgemeinheit teilhaben kann.

Die vorletzte Station auf chinesischem Boden gehört der Stadt Guilin, zu der wir per Flug starten.

Welch‘ ein Juwel an Landschaftsimpressionen erwartet uns hier!!

Nur wenige Flecken auf Erden können mit solch‘ traumhafter Schönheit aufwarten!

Schon vom Flugzeug aus registriert man die spektakulären, bizarren Karst-Kegel, die als verführerische „Zuckerhüte“ in die Landschaft gestreut sind… urzeitliche, den Meeren entstiegen Bergkegel am Li – (Liyiang) Fluss.

Es ist feucht warm – von Februar bis Juli herrscht Regenzeit – wie in einem Treibhaus und jede Minute drohen Regenschauer, die die Buckel-Berge in verschleierte Geistergestalten verwandeln… bis ihnen eine kurze sonnige Periode, die Tarnung wieder entreißt und das exotische Image von neuem aufleuchten lässt.

Überall tümpeln Pfützen vor sich hin und sattes, saftiges Grün wuchert wie im Urwald aus allen Ecken.

Sind wir hier noch in China??

Nicht nur das Klima, die aufreizende Landschaftskulisse, auch der geschäftige, scheinbar von allen Regeln der gestrengen Volksrepublik losgelöste Betrieb, lässt daran zweifeln.

Und das in einer „nur“ 300.000 Einwohner-Stadt, deren Gründung in die Zeit der Quin-Dynastie mit ihrem ersten Kaiser Huangdi 221-206 vor Chr zurückgeht.

Dieser, von einem außergewöhnlichen, unwirklichen Profil der Natur, geprägte Aufenthalt in Guilin, steht dem entsprechend ganz im Zeichen ihrer durch unermessliche Gewalten geschaffenen Werke, die zu bewundern, zum erhabenen Erlebnis wird.

Vor etwa 370 Millionen Jahren war die Gegend vom Meer überflutet, eine dicke Kalkschicht setzte sich ab, die vor ca. 260 Millionen Jahren von Bewegungen der Erdkruste emporgehoben wurde.

Wind und Wetter modellierten die Kalksteinschichten im Laufe der Zeit zu wunderlichen Pyramiden und unterirdische Wasserläufe schufen durch Erosion Tausende von Höhlen und Grotten.

Der Star unter ihnen – die schönste und berühmteste, die von uns besucht wird – nennt sich „Schilfrohrflöten-Höhle“ und produziert mittels Stalaktiten und Stagmatiten eine fantastische Zauberwelt.

Ihr huldigt – wie es sich für eine Diva gehört – die menschliche Nachwelt durch künstliche Beleuchtung…

In 240 m Tiefe windet sich ein 800 m langer Gang durch das Märchenreich und als „Palast des Drachenkönigs“ reflektiert in einem großen Gewölbe, ein Kristallleuchter magisch rotes Licht.

Die oberirdischen Zeugen des Waltens immenser Naturkräfte, erleben wir dann bei einer 87 km langen Schifffahrt auf dem Li- (Pfirsich-) Fluss.

„Der Fluss ist wie ein grüner Gaze-Schleier, die Berge wie Haarnadeln aus blauer Jade… “beschreibt ein Dichter der Tang-Zeit die gemächliche Passage durch die sanften Biegungen des Stromes, dessen Wasserlauf die Felskegel wie eine „Armee von Riesen“ in stets neu erfundener Formation erschaffen.

Heute ziehen bei leichtem Regen Wolkenfetzen als wallendes Band über diese „Riesen“ hinweg, verzerren ihre Gestalt ins Groteske, erschaffen jeden Moment, andere, zerklüftete Umrisse.

Spukhafte „Gesichte“ bäumen sich stets von neuem, dicht vor unseren Augen, düster und drohend auf.

Leise wispernd fügen sich dagegen die Ufer, deren Ränder grüne Bambus-Fächer umschmeicheln, in das grandiose Szenarium.

Oft lugt verschämt ein Dörfchen als heller Fleck aus dem Gemälde der Natur und wie ein verlorener

Schatten bewegen sich darin auch ein paar Leute.

Zuweilen schaukelt ein Fischerboot träumerisch vor sich hin oder ein Kormoran reckt im Bewusstsein seiner nächtlichen Aufgabe, stolz die schlanke, schwarze Gestalt, empor.

Nur in der Dunkelheit übt er seinen, ihm zugeordneten Beruf aus, wobei ein Ring oder eine Schnur um seinen Hals verhindert, dass er die zur Strecke gebrachte Beute gleich selber gierig verschlingt.

Ein folgsamer Helfer der Fischer!

Am Nachmittag legt unser komfortables Schiff im Ort Yangshou, dem „leuchtenden Vollmond“ an.

Ein verändertes Bühnenbild begrüßt hier uns Landgänger!

Vor unzählig knall bunten Ständen tönt von allen Seiten eine lautes „Hallo“ als Willkommensgruß, der allerdings der Kaufanimation dient.

Die malerischen Gässchen des Ortes, der wie auf Bestellung plötzlich in strahlenden Sonnenschein getaucht ist, verschlucken uns, gleich dem mächtigen Schlund des überall anwesenden Drachens, während entlang des Flussufers der Kommerz die Touristen wie ein Schwamm ansaugt.

Die Schweiß treibende Hitze unterstützt die redseligen Händler im Kampf um Käufer, die ermattet, jetzt eher zum „Zugreifen“ neigen.

Die Rückfahrt nach Guilin auf schlechter Straße ähnelt einer Schüttelpartie, fasziniert jedoch durch die prächtigen Ausblicke, nicht weniger als die Bootsfahrt.

Auch hier dominieren „Zuckerhütte“ zwischen üppigen Reisfeldern, auf denen Wasserbüffel und Menschen, bis über die Knöchel im Nass, sich um ihre Nahrungsquelle mühen.

Das Lebenselixier „Wasser“ sprudelt zumindest um diese Zeit, überreichlich.

Zurück in der Stadt, quält sich unser Bus durch die „rushhour“ bis zum „Elefantenrüssel-Felsen“ am Li-Fluss, dem Wahrzeichen von Guilin.

Am Hafen tuckern Bambus-Boote im Wasser und Kormorane stehen darauf als Fotomodelle parat… natürlich gemeinsam mit „verkleideten“ und mit neckischen, kleinen Regenschirmchen ausgestatteten, chinesischen Volksgenossen.

Auch in Kanton, wo unser letztes Programm in der Volksrepublik abgespult wird und unsere Gruppe im 14. Stocke des Nobelhotels „White Swan“, direkt am Perlfluss, untergebracht ist, weht uns, noch deutlicher, der Hauch westlichen Luftstroms entgegen.

Dieses schönste und beste Hotel von ganz China, befindet sich im einstigen „Europäer-Viertel“, zu dem damals „Hunde und Chinesen“ keinen Zutritt hatten.

Heute besteht zumindest bei letzteren, eher Überschwemmungsgefahr!

Die einheitliche Mao-Kleidung hat man hier bereits ausgezogen… Peking ist weit und sein Arm reicht nur abgemildert bis zur 5-Millionen-Metropole des Südens.

Das Stadtbild schön zu nennen, wäre eine Übertreibung.

Überall künden Baugerüste von betriebsamer Schaffensfreude und ihr Lärm wird atonal untermalt, von den lautstarken Sprachgewohnheiten der Bewohner.

So hallt und schallt es durch die Gasse, in denen Garküchen zusätzlich für die ihnen eigene Geräuschkulisse sorgen. Es scheint als wäre Kanton ein einziger Basar.

Aber es gibt, wie in allen Städten auch viel Grün und hier auch Feigen- und Kampfer-Bäume.

Eine hübsche Besonderheit sind auch die Arkaden mit Laden an Laden, wohl ein „Geschenk“ der Europäer.

Kantons – chinesisch Guanzhou – Geschichte beginnt 887 vor Chr. Sie erlebte eine erste Blütezeit unter der Song-Dynastie 960.

Und sie war schließlich der erste Hafen, in dem die Europäer – Portugiesen – 1514 landeten, von anderen, vom Handel besessenen Nationen auf dem Fuße gefolgt.

Berühmt geworden ist sie inzwischen für die Raffinesse ihrer Küche.

In der Straße, in der ein großer „freier Markt“ stattfindet, überfallen mich dann auch recht ungewöhnliche Turbulenzen. Er versprüht Gepflogenheiten des chinesischen Alltags, in für Europäer nicht immer nachvollziehbarer Machart.

Bei Gemüse und Fleisch läuft das Handels-Geplänkel noch in allgemein üblicher Spielart ab. Die Angebote unterscheiden sich mitunter, aber der Rahmen bleibt der gleiche.

Doch dann – ein Schock für mich – erkennt man in mit Wasser gefüllten Eimern und Bottichen, krabbelndes und zappelndes Lebendvieh… Aale, Schlangen und vor allem junge Schildkröten versuchen vergeblich, irgendwie zu entkommen.

Gottergeben und apathisch hocken in engen Käfigen, die kaum eine Bewegung zulassen, Katzen und Hunde… sie scheinen zu wissen, dass alles Wehren und Aufbegehren zwecklos ist… Menschen sind die Stärkeren und Hundefleisch gilt als Delikatesse.

Wurzeln, verschiedene Mixturen, die pulverisiert oder undefinierbar zerkleinert, ebenfalls auf Käufer warten, lassen mich glücklicherweise, über ihre Herkunft im Dunklen.

Das Gesehene genügt jedenfalls und erzeugt bei aller fremder Exotik ein flaues Gefühl in der Magengegend.

In der Oase des White Swan-Hotels, dessen Balkon einen zauberhaften Blick über den Fluss und seine Boote bietet und den „freien Markt“ und die Pflicht-mäßigen Besichtigungen wie Ahnentempel, Blumenpagode und das Ziegendenkmal als Wahrzeichen Kantons, in der Tiefe des Wassers versinken lässt, sind wir in Europa zurück, dem wir uns bereits Morgen per Bahn, abschließend zugesellen werden.

Denn die Rückkehr ins Heimatland findet über Hongkong statt!

Dieses Territorium hat sich England, nach dem siegreichen Opiumkrieg sozusagen als „Draufgabe“ unter den Nagel gerissen, aber da es mit dem gewünschten „lebenslänglich“ nicht geklappt hat, wird die strahlende Enklave am Rande des chinesischen Riesenleibes, 1999 an China zurückgegeben.

Als Wirtschaftsimperium beträchtlichen Ausmaßes!!!

Besiedelt war die Region zwar seit 5000 Jahren, aber völlig unbedeutend lebten die Menschen bis zur Besetzung durch die Engländer, von Fischfang und Perlenzucht.

Der Aufschwung, den die englische Kronkolonie seit 1843 und den 99-jährigen Pachtvertrag erfuhr, wurde durch den Sieg und die Besetzung durch Japan im 2. Weltkrieg unterbrochen, der es in einen Trümmerhaufen und ein Armenhaus verwandelte. Doch bereits 1950 begann der große Boom, der Hongkong zu einem der wichtigsten Finanzplätze Asiens empor hievte.

Welch‘ ein Wechselbad an Eindrücken erlebe ich dann auch am nächsten Morgen, trotz aller Fortschritte besonders im Süden des Landes, nach 4 Wochen Aufenthalt in China, beim Ausstieg am Bahnhof von Hongkong!

Zwei verschiedene und doch aneinander gekoppelte Welten, prallen aufeinander…

Mit einer an die imposante Bergkulisse geklatschten, Himmel stürmenden Hochhaus-Demonstration, betont Hongkong seinen Anspruch auf Macht, Reichtum und Universalität.

Seltsamerweise stören die gebündelten, weißen Komplexe nicht das Panorama. Im Gegenteil, wie der Schliff eines edlen Diamanten, verleihen sie ihr erst den funkelnden Glanz.

Diese Welt-Metropole ist eine Schönheit! Europäischer Zuschnitt mit nicht zu verleugnendem asiatischen Kern von 98 % chinesischen Einwohnern.

Ein gelungen Mischung, profitabel für beide Elemente.

Noch hausen im Fischerviertel Aberdeen Chinesen ihr ganzes Leben auf zwar malerischen, aber kaum bequemen Hausbooten… werden den Touristen, die in aufgemöbelten Kähnen an ihnen vorüber gleiten, als Show geboten. Neugierig versuchen diese einen flüchtigen Blick in solch‘ genügsames Leben zu erhaschen… aber schon wachsen am gegenüber liegenden Ufer neue Häuserblocks empor, um die Fischerfamilien von ihrem ärmlichen „Schandflecken-Dasein“ in der Super-Metropole, wegzulocken.

Prächtig dekorierte Restaurant-Schiffe mit ihrem schillernden „Outfit“, versuchen ebenfalls den Geruch von Dürftigkeit zu zerstäuben.

Not und Mangel, da nirgendwo völlig auszurotten, verstecken sich ebenfalls, kaum sichtbar, da und dort hinter manch‘ nobler Kulisse, dieses von Geld dirigierten Terrains.

Doch das Antlitz dieser Stadt weist gen Himmel, zur Sonne, wie seine weißen Hausgiganten.

Leider scheint es nicht immer, dieses Leben spendende Gestirn am Himmel und gerade die zwei Tage, die wir hier verweilen, verwehrt es uns mit Nebel und Wolken den berühmten Rundblick vom Victoria Peak auf ein begnadet schönes Portrait.

Der Traum von Internationalität ist in Hongkong Wahrheit geworden, die Vielfalt der ganzen Welt gibt sich hier ein Stelldichein und steuert auch kulinarisch ein Sammelsurium von Köstlichkeiten aus allen Ländern dieser Erde bei.

Was wird nach 1999 aus Hongkong?

Was wird aus China?

Das sind die Fragen, die mich beim 16-stündigen Heimflug, zurück in mein eigenes, kleines Dasein bringen, immer wieder bewegen.

Stellt das Reich der Mitte, das von glänzenden Epochen in tiefste Finsternis tappte und sich irgendwie wieder hoch gerappelt hat, ein Modell für die Zukunft dar?

Ein Modell der Wandelbarkeit… auch des Kommunismus?