– ein Kettenglied im Balkan-Halsband
Der Balkan präsentiert viele Gesichter. Während einer Reise im Juli 1994, wenige Jahre nach dem Zerfall des Kommunismus in Ost-Europa, versuche ich einen Eindruck von den Verhältnissen in diesem bisher isolierten Land zu gewinnen. Schon der Flug von Frankfurt dahin verrät mir, dass es sich dabei um ein Ziel außerhalb des allgemeinen Touristen-Interesses handelt.
Das für die kleine Maschine vorgesehen Gate in der oberen Etage kaum aufgespürt, erfordert zum Einstieg einen Abstieg über mehrere Stockwerke und eine Busfahrt, denn der für dieses „abseitige“ Land vorgesehene Flieger Jahrhunderts einsam, auf einer Art Abstellgleis vor sich hin.
Während des zweistündigen Fluges bläst die Klimaanlage extra kalt aus allen Düsen und zum Ausgleich dafür, herrschen bei der Ankunft in der Hauptstadt Sofia, im Flughafengebäude Saunatemperaturen.
Die Fahrt zum Hotel im Stadtzentrum durch die Vororte, bestätigt durch seine Einheits-Platten-Häuser-Reihen, den Gleichheitsenthusiasmus kommunistischer Weltanschauung, die dem Freiheitsdrang des Westens so abwegig fremd anmutet.
Dass die Stadt Sofia im Zentrum großzügig aufgelockert, mit breiten Straßen, grünen Alleen und Parkanlagen einen angenehmen Eindruck vermittelt, wird ihrer Vergangenheit gutgeschrieben. Dass manche Gebäude zwar nicht ungepflegt, aber reperaturbedürftig wirken, ist ebenfalls dem Zahn der Zeit anzulasten.
Denn die Stadt ist, wie auch die Geschichte des Landes weit, sehr weit in die Vergangenheit zurück zu datieren. Höhlen und die Funde darin sind Zeugen, dass Bulgarien schon in der Altsteinzeit, vor 100.000 – 50.000 Jahren von Jägern und Sammlern besiedelt war.
Die sofioter Ebene, einst ein Süßwassersee, war bereits, so heißt es, seit 5000 Jahren von Menschen bewohnt und die Gegend um die heutige Stadt zählt zu den ältesten Siedlungsgebieten des Landes. Im 5. Jahrhundert vor Chr. sei dann Sofia, als Serdica im heutigen Zentrumsbereich, von dem thrakischen Stamm der Serden gegründet worden.
Wer diese Thraker waren, weiß man allerdings nicht so genau. Eine schriftlose Gesellschaft, deren Ursprung weit in die Frühzeit zurückreicht jedenfalls, die in Wehrsiedlungen lebte. Eine Mixtur verschiedener Völkergruppen, vermutlich indogermanischer Abstammung, die damals den Balkanraum bewohnte.
Von den Römern ausgebaut, erlebte Sofia eine große Blüte. Es folgten die Byzantiner, die das Christentum verbreiteten. Aber wie der gesamte Balkan wurde auch Bulgarien nach Goten und Hunnen von slawischen Völkern überrannt und 809 die Stadt Sofia dem ersten bulgarischen Reich einverleibt. Erneut kamen die Byzantiner.
Zerstörungen und Plünderungen blieben der Stadt nicht erspart, denn Serben, Ungarn, die Kreuzritter unter Kaiser Barbarossa, all‘ das hatte sie im Laufe der Jahrhunderte zu ertragen und zu verkraften. Seit dem 14. Jahrhundert „Sofia“ genannt, folgte schließlich eine 500-jährige Herrschaft der Osmanen, unter denen sie nach einer gewissen Zeit zwar wieder aufblühte, aber diese Epoche stets als Joch empfand.
Kein Wunder, dass Sofia unter diesen Turbulenzen eine malerische Altstadt fehlt, wie ich am folgenden Tag nach einem mehrstündigen Spaziergang enttäuscht feststellen muss. Die Türkenviertel wurden nach der Befreiung von den Osmanen alle restlos zerstört.
Mein Quartier für eine Nacht befindet sich in einem riesigen Hotel im Zentrum und ich beziehe dort ein ebenfalls großes Zimmer im 15. Stock.
Beim reichlichem und gutem Abendessen läuft in einem der ebenfalls großzügig gestalteten Nebenräume der Fernseher, denn ausgerechnet heute findet das Fußballspiel Bulgarien gegen Deutschland, übertragen aus New York, statt. Dabei geht es um das Halbfinale der Weltmeisterschaft.
In einem weiteren Saal findet eine Zigeunerhochzeit statt. Entsprechend laut gestaltet sich der Lärmpegel.
Ich ziehe mich daher sehr bald von der kleinen Studienreisegesellschaft, der ich mich, Bulgarien zu entdecken, angeschlossen habe, zurück entdecke neben dem Frühstücksraum einen Getränkestand und darin eine Flasche bulgarischen Wein für umgerechnet 2 DM. Mit ihm will ich einen beschaulichen Abend auf meinem Zimmer genießen, der allerdings von den immer wieder aufflammenden Gekreische der Fernsehzuschauer, das bis in die 15. Etage hoch flutet, gestört wird. Und dann scheint plötzlich unten auf der Straße die Hölle los zu sein. Offenbar haben die Bulgaren das Spiel gewonnen, Autos hupen, Raketen steigen hoch. König Fußball beherrscht jubelnd die Stadt!
Eine halbtägige Besichtigung am nächsten Tag soll uns ein Urteil über die Metropole Bulgariens ermöglichen, die zwangsläufig lückenhaft sein wird. Wider Erwarten empfängt uns mitten im Sommer vor dem Hotel eine kühle Brise und als sich der Bus zur Rundtour in Bewegung setzt, beginnt ein leichter Regen.
Der geplante 3-Stunden-Fußmarsch findet trotz dem inzwischen zum kräftigen Dauerregen angewachsenem Nass, eben unter Regenschirmen statt. Es wird uns vom versierten deutschen Reiseleiter und 2 begleitenden Bulgaren eine Palette von geschichtlichen Ereignissen samt Jahreszahlen vor prägnanten Relikten und sorgfältig gesammelten Altertümern serviert, die zwar hochinteressant, aber in 3 Stunden im Regen nur schwer zu verkraften ist und daher ebenfalls weggeschwemmt zu werden droht…..
Die Kirche Sveti Georgi aus dem 4. Jahrhunderts, als ältestes Gebäude der Stadt, fast rund und aus einer römischen Kultstätte hervor gegangen, steht am Beginn der Erläuterungen. Immer wieder umgebaut und verändert, wurde sie Anfang des 16. Jahrhunderts zur Moschee erhoben. Ihre Außenansicht gibt beredtes Zeugnis vom Mächtespiel auf Bulgariens relativ kleinem Territorium.
Unterhalb der Kirche – im Trockenen – erzählen 5 stark beschädigte Malschichten – die älteste aus dem 6. Jahrhundert – ebenfalls vom turbulenten Schicksal des Gebäudes. In einer Unterführung neben der Kirche begegnen uns dann auch noch Ausgrabungen aus verschiedenen Zeitabschnitten.
Wieder im Regen, absolvieren wir weitere wichtige Zeugen der Vergangenheit und hören brav unter Regenschirmen, den Ausführungen unseres Reiseleiters über deren Bedeutung, zu.
Auch dem ehemaligen Mausoleum des 1949 verstorbenen Kommunistenführers Dimitrov, das in 6 Tagen und 6 Nächten errichtet wurde und nun, nach dem Zerfall des Sowjetreichs bunt bekritzelt, leer steht, wird ein Besuch abgestattet. Der einbalsamierte Leichnam unter Glas ruht seit 1991 auf dem Zentralfriedhof.
Sehr beeindruckend ist immerhin auch die vom berühmten türkischen Baumeister Sinan errichtete Moschee Banja Boschi, eines der wenigen erhaltenen Zeugnisse aus jener verpönten Geschichte Bulgariens.
Am Zarenpalast vorbei, wird schnell noch die Post aufgesucht, da es dort derzeit Briefmarken gibt, die einige unserer Gruppe durch langes Anstehen für ihre Ansichtskarten benötigen. Für uns andere, wenigstens eine kleine Erholung vom Regen.
Langes Verweilen folgt danach vor dem Nationaltheater und etwas kürzer vor der gegenüber befindlichen, prunkvollen Fassade der Sveti Nicolai-Kirche.
Als Höhepunkt eröffnet sich uns schließlich auf Sofias größtem Platz der Blick auf seine berühmte Kathedrale! Sie ist dem russischen Großfürst und Heerführer Alexander Nevski gewidmet, der im 13. Jahrhunderts die Schweden geschlagen und damit den Sieg des Christentums brachte, wofür er im 16.Jahrhunderts heilig gesprochen wurde.
Dieses großartige Bauwerk entstand als Denkmal der Dankbarkeit an das russische Volk für die Befreiung von den Osmanen im russisch-türkischen Krieg 1877/78. Keine Frage, es ist ein Wunderwerk, an dem 30 Jahre gearbeitet wurde. Es nimmt den höchsten Punkt der Stadt ein und ist von einer freien Fläche umgeben. An ihrer Großartigkeit waren zahlreiche europäische Künstler nach den Plänen russischer Architekten beteiligt. Eingehend wird sie von uns unter die Lupe genommen. Leider wird die Schönheit ihrer Ikonen und Fresken durch die in ihrem Innern herrschende Dunkelheit nur etwas schemenhaft vermittelt und der Formen- und Farbenreichtum kann sich nicht voll entfalten. 5000 Menschen finden in diesem pompösen, orthodoxen Glaubenstempel Platz. Im Untergeschoss der Kathedrale, das ursprünglich als Krypta dienen sollte, fasziniert eine Ausstellung mittelalterlicher Kunst.
So, vom Regen einerseits und fremder, zum Teil Jahrtausende alter Kulturelemente andererseits durchtränkt, wird die Mittagspause im noblen Grande-Hotel in exklusiver Atmosphäre mit unserer kleinen Gruppe als fast einzigen Gästen, dankbar begrüßt. Das Essen erfreut nicht nur durch gute Qualität, sondern auch mit spottbilligen Preisen. Es wird von einer 2-Mann-Kapelle (Klavier und Flöte) dezent und angenehm mit Musik untermalt.
Damit endet unser Gang durch die Hauptstadt und es geht weiter in nordöstlicher Richtung in die 240 km entfernte Stadt Lovetsch.
Meine Gedanken, unterwegs durch das Balkangebirge mit dichten Wäldern auf den Berghängen, die sich rechts und links der Straße erheben und heute leider Wolken verhangen sind, kreisen um die 3-stündige Stippvisite durch die Metropole Sofia…. Gleicht sie nicht einer in der Zeit verlorenen, mühsam nach schwerer Vergangenheit, einen neuen Weg suchenden, fremdartigen Schönheit? Noch kann sie die neue Richtung nicht verkraften, kann das von so vielen Einflüssen geschneiderte Gewand nicht ganz ablegen, um unbeschwert in die Zukunft zu marschieren. Wird Bulgarien nach Monarchie und Kommunismus, 1990 als demokratische Union deklariert, seine Identität finden? Welche Rolle spielt eigentlich und überhaupt das Volk der Bulgaren im bunten Völker-Kaleidoskop, das den Balkan als Heimat erkoren hat?
Von einem „Volk“ der Bulgaren kann doch eigentlich erst seit dem Beginn des 10. Jahrhunderts die Rede sein. Aus 3 Wurzeln heraus kristallisiert – der hellenisierten, bzw. romanisierten thrakischen Urbevölkerung, verschiedenen eingedrungenen, slawischen Stämmen und den Protobulgaren, einer eingewanderten Stammesgesellschaft aus dem zentral-asiatischen Raum, kämpft es immer von neuem um diese, seine Identität. Und nun, nach dem Zusammenbruch des Sowjetreichs, das Jahrzehnte lang, die Richtung vorgab, suchen wieder eine Stadt, ein Land nach dem Weg zur Bewältigung der Gegenwart und Zukunft. Nur kurze Zeit, einmal 681 im 1. Bulgarischen Reich und ein zweites Mal im 13. Jahrhundert im 2. Bulgarischen Reich durften sie dieses Selbstgefühl empfinden.
Meine Überlegungen werden unterbrochen durch die Besichtigung des Klosters Trojan, das sich uns auf einem Abzweig nach Süden sehr ehrwürdig als drittgrößtes Kloster Bulgariens präsentiert. Ende des 16. Jahrhunderts erbaut, hält die dreischiffige Kreuzkuppelkirche, im heutigen Zustand von 1835, die von Sachari Sograf in nur 2 Jahren gemalten ca. 2000 Szenen und Figuren, die die Innenwände und Vorhalle bedecken, als eigentliche und außergewöhnliche Sehenswürdigkeit für uns bereit. Bemerkenswert ist dabei vor allem, dass der Künstler sich von der Darstellungsart der griechisch-orthodoxen Vorbilder trennt und eigene Wege einschlägt, was auch durch Portraits slawischer Heiliger betont wird. Sehr eindrucksvoll auch die kunstvoll geschnitzte Altarwand.
Die Befreiung von der osmanischen Herrschaft gilt in Bulgarien als „Wiedergeburtszeit“ und viele Künstler aus dieser Epoche haben bei der Ausgestaltung der Kirche mitgewirkt.
Die beiden stillen, mit Kopfsteinen gepflasterten Höfe, rundum von Holzbalkonen gesäumt, die zur Kirche führen, stimmen würdig auf das zu erwartende Erlebnis ein.
Eine Ikonostase, geschlossene Altarwand, war in der frühen orthodoxen Kirche nicht üblich und hatte sich erst im Mittelalter durch die Abbildung verdienter Persönlichkeiten herausgebildet und da diese ausgestellten Portraits immer mehr wurden, entstand eine ganze Wand vor dem, nur dem Priester zugänglichen, allerheiligsten Bezirk. Die Ikonenmalerei wiederum, die in der orthodoxen Kirche eine so überragende Rolle spielt und von den Gläubigen ehrfürchtig geküsst wird, uns Außenstehende oft seltsam fremd anmutet, ist streng an Regeln gebunden, in denen Jahrhunderts Einzelheit vorgegeben wird. In ihr präsentiert sich die göttliche Gegenwart, die der Maler als Mittler transzendenter Kraft, weiterzugeben hat.
Nicht nur in der „Wiedergeburtszeit“ und während der zwei bulgarischen Reiche waren Menschen bestrebt, sich von den Fesseln der jeweiligen Obrigkeit zu befreien und Bulgarien als eigene Einheit im Konglomerat der Balkanvölker zu präsentieren.
Ein Beispiel dafür sind die Brüder Kyrill und Method, denen wir flüchtig in Sofia vor der ihnen gewidmeten Kunstgalerie, begegnet sind. Im 9. Jahrhundert in Thessaloniki geboren, widmeten sie sich, in der Zeit als Konstantinopel den Balkan fest im Griff hatte, als Mönche, der Entwicklung der slawischen Schrift. Kyrill schuf die Grundlage für das kyrillische Alphabet. 862 predigten sie in mehreren Kirchen in slawischer Sprache, wofür sie sich in Rom zu verantworten hatten. Nach Kyrills Tod übersetzte Method die gesamte Bibel ins altbulgarische und bald wurden in Bulgarien die Predigten nicht mehr in griechisch, sondern altbulgarisch gehalten.
Die Stadt Lovetsch am Ufer des Flusses Ossam hat nicht nur prähistorisch-thrakische Siedlungsspuren und die Ruine einer römischen Festung aufzuweisen, sie erfreut mit einer hübschen Altstadt und einer über den Fluss gespannten Ladenbrücke, einzigartig in Bulgarien, den Besucher. Eine Passage über dieses ebenfalls mit Geschäften aller Art gespickte Schmuckstück a la Florenz bietet uns der Fußweg zum Abendessen, das auf einem „Holzbalkon“ in der Altstadt angesagt ist – allerdings bei Regen. Aber der Herrgott hat Erbarmen mit uns, denn gerade beim 10-minütigen Spaziergang und Aufstieg zum „typisch bulgarischen Restaurant“ legt er eine Pause ein und nur die attraktive Landschaftskulisse verschwimmt im einheitlichen Grau.
Der Balkon erwartet uns danach breit und überdacht, in viel Grün versteckt, aus dem die windschiefen Ziegeldächer der Umgebung hervorlugen. Das Essen im traditionellen Keramik-Geschirr serviert, wird nur durch die mit Überlautstärke unter dem Balkon agierende Musikkapelle, etwas beeinträchtigt.
Bulgarien, das eine Länge von West nach Ost von 520 km und eine Breite von 330 km aufweist, wird durch Verästelungen unregelmäßig gegliedert, im Norden von Rumänien, im Westen von den nun wieder selbständigen jugoslawischen Staaten Serbien, Montenegro und Mazedonien und im Süden von Griechenland und der Türkei gerahmt. Nur der Osten verschafft ihm mit dem Schwarzen Meer Freiheit von anderen Völkerschaften. In seinem Zentrum teilt es das Balkangebirge in Nord und Süd, was gleichzeitig eine Wetterscheide bedeutet.
Da wir uns am folgenden Tag auf dem Weg zur alten Hauptstadt Veliko Tarnovo immer noch im nördlichen Teil bewegen, erschreckt uns am Morgen abermals strömender Regen. Sehr schade, denn die Landschaft, durch die die Straße führt wirkt hübsch und 4 km vor Erreichen dieser Zentrale des 2. Bulgarischen Reiches (1185 – 1187) stoßen wir auf den Ort Arbanassi, der halb Museum, halb gegenwartsnah, ein höchst spektakuläres und kurioses Besichtigungsobjekt darstellt.
Schon die Entstehungsgeschichte hört sich verworren und mysteriös an und spekuliert über die ersten Bewohner mit der Annahme von Kaufleuten aus Albanien, auch könnten nach der osmanischen Eroberung rebellische, bulgarische Bojaren hier Zuflucht gefunden haben oder womöglich war das Dorf gar ein Geschenk an den Schwiegersohn des Sultans im 16. Jahrhundert… Seine Blütezeit mit der einzigartigen Architektur von befestigten Wohnhäusern dauerte immerhin vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Regem Handel folgten Plünderungen und Zerstörungen, sodass von den einst tausend Wohnhäusern nur noch hundert denkmalartige Gebäude sowie fünf Kirchen und zwei Klöster übrig sind. Eins ist heute Museum und wird von uns, ebenso wie die Christi-Geburts-Kirche, besichtigt. Letztere beeindruckt vor allem durch den überreichen Freskenschmuck, der einen farbenprächtigen Bilderbogen mit ca. 3500 Figuren und Szenen an allen Wänden und Decken darbietet.
In einem der alten Häuser ist auch ein Restaurant untergebracht, wo uns in einem ebenerdigen Kellergewölbe ein vorzügliches Mittagessen serviert wird.
Den ersten Eindruck von der alten Hauptstadt Veliko Tarnova erhalten wir vom „heiligen Berg“, der einst religiöser und kultureller Mittelpunkt war.
Übernachtet wird in dieser Stadt in einem riesengroßen Hotel, dessen Zimmer eine herrliche Aussicht auf die Stadt und die Flussschleife des Jantra, einem Nebenfluss der Donau bietet und ein wenig für das schlechte Wetter entschädigt.
Auf den gemeinsamen Spaziergang hinauf zum Hügel, auf dem während des 200-jährigen Bestands des 2. bulgarischen Reiches, der Zarenpalast und die Patriarchenkirche standen, verzichte ich, um allein die „Königin der Städte“, die im 13. und 14. Jahrhundert Mittelpunkt des Landes war und durch die osmanischen Truppen zum Großteil zerstört wurde, bei nachlassendem Regen allein zu durchstreifen…. dies passiert nach einer Weile tatsächlich.
Da das Hotel sehr zentral liegt, spaziere ich ziel- und planlos von da ab, begegne einem Denkmal für die Aufständischen und bummle eine Straße mit vielen Geschäften für Kleidung und Schuhe, entlang, die allerdings einen sehr dürftigen Eindruck vermitteln. Nirgendwo herrscht Betrieb.In diesen Minuten wird mir plötzlich klar, dass dieses Land noch nichts Rechtes mit sich anzufangen weiß mit der neu errungen Freiheit. Auch die Menschen, vor allem die Älteren, die mir begegnen, betrachten mich vorbei schlendernden Fremdling eher misstrauisch als freundlich und ich gewinne den Eindruck, dass Bulgarien noch unter sehr viel Armut und Ungereimtheiten zu leiden hat.
Dass hier für mich alles so billig erscheint, dürfte mit allzu niedrigen Löhnen der Bevölkerung gekoppelt sein….
Der Fluss Jantra hat sich hier bis zu 250 m tief ins Balkangebirge gegraben und durch seine Windungen Hügel entstehen lassen, die die Stadt tragen. An den Flussufern spiegeln sich die roten Dächer der Häuser im Wasser und vermitteln immerhin einen Hauch von Romantik im Grau des Tages und den deprimierenden Erfahrungen während meines Spaziergangs.
Auch nach der Zerstörung durch die Osmanen blieb Veliko Tarnovo bis ins 19. Jahrhundert hinein bedeutsam für Handel und Handwerk und wurde dadurch wohlhabend. Nach der Befreiung durch russische Soldaten erhielt die Stadt sogar eine fortschrittliche Verfassung und wurde zur Industrie-Metropole.
Dank ihrer schönen Lage bleibt zu hoffen, dass die Stadt – wie auch das gesamte Land – die Geburtswehen der gewonnenen Freiheit auch mit Hilfe des Tourismus überwinden kann. 1913 hat ein schweres Erdbeben, die wenigen erhaltenen alten Bauten noch weiter reduziert.
Den Blick von der Festung am Carevez-Hügel, wo einst der Zarenpalast stand, habe ich zwar verpasst, aber beim gemeinsamen Abendessen in einem Restaurant, dessen Terrasse einen prachtvollen Blick auf die bewaldeten Berge sowie diesen Haupthügel mit der neu erbauten Patriarchenkirche, erhalte ich immerhin eine Entschädigung dafür.
In ganzer Länge mit einer Art Wiesenblumen geschmückt, muss es hier an lauen Sommerabenden wunderschön zu sitzen sein, wird aber an diesem trüben Tag auf dem zwar überdachten, aber nach außen offenen Terrain, sehr bald feucht und kühl. Daher findet auch die geplante „Lichtschau“ diesen Abend nicht statt.
In der folgenden Nacht gießt es dann wie üblich wieder in Strömen und die Weiterfahrt gestaltet sich, zwar ohne Regen, aber Grau in Grau ein wenig triste.
Erste Besichtigungs-Station ist das Drjanova-Kloster, malerisch an einem Fluss gelegen und von hohen Felswänden umgeben. Da der Vorgängerbau aus dem 12. Jahrhundert im russisch-türkischen Krieg total zerstört wurde, wirkt es relativ neu. Der Aufstand gegen die Osmanen hatte blutigen Zoll gefordert. Die hier verschanzten Aufständischen trotzten 9 Tage lang der Übermacht, bis sie dem türkischen „Rachefeldzug“ erlagen.
Das Kloster ist noch von Mönchen bewohnt und der alte Patriarch freut sich sichtlich über unseren Besuch….
Bald beginnt es abermals zu regnen, sodass der Besuch des Freilichtmuseums Etar, zu einem äußerst nassen Abenteuer zu werden droht. Einige Leute und auch ich, verweigern daher die Teilnahme und ziehen es vor im Bus auf die Rückkehr der mutigen Museums-Dorf-Pilger zu warten.
Kurz vor Erreichen der Schipka-Passhöhe mit 1326 m bietet uns ein kleines Restaurant einen ausgezeichneten und äußerst billigen Mittags-Imbiss.
Dauerregen und dichter Nebel begleitete die Auffahrt, während die Abfahrt ins Dorf Schipka endlich Besserung verspricht. Die Gedächtniskirche im russischen Stil dort, vermittelt einen Eindruck über den erbitterten Widerstand der zahlenmäßig unterlegenen Russen und Bulgaren gegen die vom Süden angreifenden Türken. Mit 5 vergoldeten Kuppeln Jahrhunderts diese Kirche die Gefallenen des Gemetzels. In der Krypta ruhen die Gebeine der Toten in Marmorsarkophagen.
Unser Ziel ist Plovdiv, wo in einem Hotel am westlichen Stadtrand Zimmer bezogen werden. Beim anschließenden Altstadt-Bummel durch die mit Kopfstein gepflasterten Gässchen erschließen sich uns bergauf und bergab, viele hübsche Motive, wobei wir auch der Architektur der „Wiedergeburtszeit“ begegnen. 156 km von Sofia entfernt, erstreckt sich diese zweitgrößte Stadt auf mehreren Hügeln zu beiden Seiten des Mariza-Flusses.
Plovdiv zählt zu den ältesten Städten der Balkan-Halbinsel. Schon seit dem 2.Jahrtausend vor Chr. bestand hier eine Siedlung. Thraker, Makedonier, Römer nahmen sie in Besitz. Den Zerstörungen folgte Wiederaufbau. 1206 wurde sie vom bulgarischen Zar befreit und fiel nach wiederum mehrmaligem Besitzerwechsel 1365 in türkische Hände. 1878 kamen die Russen. Durch Handel erfolgte im 18. und 19. Jahrhunderts der wirtschaftliche Aufschwung. Dieser schlug sich in der Architektur durch eine repräsentative Bauform nieder mit verzierten Fassaden, Schnitzereien, etc. Daher steht die Altstadt auch unter Denkmalschutz. Als kulturelles und Wirtschaftszentrum bietet Plovdiv zahlreiche Veranstaltungen.
Am römischen Theater vorbei, gefällt uns der Bummel durch die Fußgängerzone mit der Moschee an ihrem Beginn und den Resten eines antiken Stadions mit einigen Reihen erhaltener Sitzplätze sehr und verschafft uns einen flüchtigen Überblick über dieses Juwel in der thrakischen Ebene, nur 20 km vom Rhodopen-Gebirge entfernt.
Ein prima Abendessen in einem stilvollen Kellerlokal, bei einfühlsamer, von 2 Damen mit Geige und Keyboard dargebotener Musik, bedeutet das Ende eines abwechselnd von Regen und Aufklaren geprägten Tages.
Auch am nächsten Morgen bleibt uns die Sonne treu. Vom Hotelfenster grüßen zum Abschied die drei Hügel der Altstadt, wobei man im Hintergrund die Bergketten der Rhodopen erkennen kann. Als größter Gebirgszug des Landes setzen sie sich im Süden bis auf griechisches Territorium fort. Sie sind schwach besiedelt, das Leben konzentriert sich auf die Städte.
1/6 der Einwohner Bulgariens gehört ethnischen oder religiösen Minderheiten an. Größte Minderheit bilden die Türken. Manches hat sich im alten, ländlichen Bulgarien inzwischen verändert, aber die patriarchalische Struktur schlägt auch in der Neuzeit immer noch durch. Die meisten Bulgaren bekennen sich zur orthodoxen, christlichen Kirche. Musik spielt im Land eine große Rolle, schließlich ist es die Heimat von Orpheus.
Uns führt der Weg an diesem endlich sonnigen Morgen zum Backovo-Kloster, das sehenswerteste nach dem Rila-Kloster, 31 km von Plovdiv entfernt. Eingebettet in eine herrliche Landschaftskulisse strahlt es eine friedvolle Ruhe aus. Zwar reihen sich Souvenirstände am Parkplatz aneinander, sind aber großteils geschlossen.
Dieses zweitgrößte Kloster des Landes wurde von 2 georgischen Brüdern 1083 gegründet und entwickelte sich im 11. und 12. Jahrhundert zu einem Zentrum georgischer Kultur im Ausland. Der Klosterhof, von 2-stöckigen, hölzernen Galerien gerahmt, wirkt anheimelnd, Kopfsteinpflaster wird von Grasflächen, Blumen, Büschen durchbrochen. Auch alte Bäume sind vorhanden. Sehr interessant zeigt sich die Klosterküche mit einem riesigen Kessel und Gerätschaften zur Versorgung der Mönchs-Gemeinde und der Pilger.
Das Refektorium, der Speisesaal ist mit Fresken ausgeschmückt. Darstellungen von bekannten Persönlichkeiten und aus der römischen Geschichte gelten dabei als Novum für Toleranz! Die Hauptkirche aus dem 17. Jahrhunderts wirkt monumental und im Narthex – der offenen Vorhalle – beeindrucken über 1000 Figuren. Heilige in Bojarenkleidung und Szenen aus der ersten Christenverfolgung. Im südlichen Teil des Klosterhofes zählt das „große Klosterpanorama“ aus dem 19.Jahrhunderts zu den größten Wandmalereien der Balkan-Halbinsel. Im 2. Klosterhof befindet sich die älteste Kirche St. Nikolaus, die wir jedoch nicht besuchen.
Die Weiterfahrt beschert uns die prächtige von Wäldern beherrschte Rhodopen-Landschaft und führt in Kurven bergan zur etwas über 1000 m hoch gelegenen Stadt Smoljan.
Auf diesem Weg erzählt uns der einheimische Reiseführer etwas über die gegenwärtigen Zustände im Land und bestätigt damit meine Eindrücke, die ich bei meinem Spaziergang bereits so deprimierend empfunden hatte. Seit der Wende 1989 wären die Zeiten schlechter geworden und die Bulgaren würden dafür die Demokratie verantwortlich machen obwohl die Wurzeln woanders lägen. Arbeitslosigkeit, Kriminalität wären Folgen eines Zusammenbruch des Sozialwesens, das unter den Kommunisten sehr gut sortiert gewesen wäre. Alles würde sich im Umbruch befinden und viele Leute sind der Meinung, dass Bulgarien in eine politische Sackgasse geraten wäre. Man vertraue den politischen Parteien nicht, hoffe nun auf Hilfe des Auslandes.
Genau diesen Eindruck gewann auch ich, wobei die depressive Stimmung noch vom vielen Regen aufgeheizt wurde und der an sich sehr interessanten Reise ihren Stempel aufdrückte.
Je höher wir ansteigen, umso grandioser präsentiert sich die Landschaft. Dichte Nadelwälder bedecken die Hänge, dazwischen leuchten hellgrüne Abschnitte.
Die Stadt Smoljan besteht aus 3 Siedlungen. Nach der Legende konnte der Thraker Orpheus, der tief in den Rhodopen lebte, mit Musik und Pflanzen, Krankheiten heilen…. Die von Bergen umrahmte Stadt hat ihren Namen von den einst hier ansässigen, slawischen Smolenen. Mit dem höchsten Gipfel von 2191 m bietet sie ein großartiges, landschaftliches Panorama. Der Stadtteil, in dem unser Mittagessen stattfindet, wird allerdings von Betonhäusern im kommunistischen Stil beherrscht.
Das ethnologische Museum innerhalb eines modernen Komplexes oberhalb der Hauptstraße, zu dem wir anschließend hinauf fahren, bietet, liebevoll gestaltet, einen Überblick über die Lebensweise früherer Generationen im Gebiet der Rhodopen.
Über Pamporovo, dem größten Wintersportort Bulgariens in 1650 m Höhe gelangen wir zunächst abermals in eine Gegend mit dichtem Nadelwald. Hier soll Orpheus seine Eurydike durch sein Flötenspiel aus der Unterwelt zurückgeholt haben. Ein Denkmal ihm und auch ihr zu Ehren erinnert an die tragische Geschichte.
In Pamporovo findet dann auch die Übernachtung in einem Hotel statt, das erst vor 10 Jahren erbaut worden war, aber bereits ein wenig „angekratzt“, also vernachlässigt, wirkt.
Das Rhodopen-Gebirge – 240 km lang und 100 km breit – schon von Ovid besungen, soll noch sehr ursprünglich in seiner Tier- und Pflanzenwelt sein, viele Volkstrachten würden hier noch getragen und der Volksgesang spiele eine große Rolle.
Der nächste Morgen befördert uns in südliche Richtung, wo sich nahebei die griechische Grenze befindet. Im Ort Schiroko Laka, 29 km nordwestlich von Smoljan, in einem engen Rhodopental findet der erste Halt statt. Hier sind noch alte Bauformen zu sehen, die erhalten werden sollen. Er gilt als relativ wohlhabend. Eine Musikschule pflegt Dudelsack und bulgarische Flöte. Die Häuser schmiegen sich an die steilen Hänge und das Dorf stellt eine Art Freilichtmuseum für Volksarchitektur dar. Weite Teile stehen unter Denkmalschutz.
Anschließend durchqueren wir ein Gebiet, in dem viele Pomaken leben, das sind Moslems, die während der Türken-Zeit zwangsweise oder freiwillig islamisiert wurden, somit aber als Bulgaren gelten. Ihre Zahl soll über eine Million Menschen umfassen. Darunter könnten aber auch Nomaden sein, die von den Türken hier angesiedelt worden sind. Eine neue Moschee beweist, dass die Pomaken-Dörfer sehr von der Türkei unterstützt werden.
An diesem Tag findet der Mittagsimbiss in Form eines Picknicks an einer Quelle inmitten dieser hübschen Landschaft statt und wird als herrlicher Ersatz für irgendein Restaurant von uns empfunden.
Wie erzählt wird, hatten allerdings unsere Reiseleiter einige Mühe in kleinen Geschäften alles Nötige für verwöhnte Mitteleuropäer zu besorgen. Vor allem Wein war wegen der gerade stattfindenden Fußballspiele vielfach ausverkauft.
Nach dem köstlichen Mahl genießen wir bei der Abfahrt einen Blick auf das Pirin-Gebirge, das sich mit hohen Gipfeln vor uns aufbaut, aber schwer zugänglich wäre.
In ununterbrochenen Kurven geraten wir in diesen Gebirgszug hinein, der ein anderes Panorama als die Rhodopen mit seinen herrlichen Tannenwäldern aufweist. Immer noch Grün, liefern die Laubbäume und Sträucher ein unterschiedliches Gebirgsportrait.
Hinauf zum Pfaffen-Pass und in halsbrecherischen Kehren hinunter nach Melnik, der kleinsten Stadt Bulgariens mit nur 800 Einwohnern, überfällt uns wieder einmal strömender Regen. Dabei ist kurz vor Erreichen des Tageszieles auf einem Abstecher noch der Besuch des Kloster Rojanski geplant, in dem nur noch ein Mönch wohnt. Der Entschluss, den Aufstieg zum Kloster im Regen zu riskieren oder die eingeplante Zeit für die Besichtigung im Bus zu verbringen, fällt schwer. Das Café im Ort ist geschlossen, wie so vieles im Land aufgeben werden musste.
Schweren Herzens verzichte ich auf den Weg dahin und warte und mit einigen anderen geduldig auf die Rückkehr der Wagemutigen.
In der Landschaft um Melnik, das von bizarren Sandstein-Pyramiden flankiert wird, befinden wir uns dicht an der Grenze zu Griechenland und das Kloster war durch seine Lage oft Plünderungen ausgesetzt, aber diente auch als Zufluchtsstätte.
Nass aber zufrieden kehrt nach 2 Stunden der restliche Teil der Gruppe zurück und die Weiterfahrt nach Melnik, das unter Denkmalschutz steht, kann stattfinden. Zum Glück hat es inzwischen aufgehört zu regnen, denn in dieser interessanten Stadt spazieren wir die Hauptstraße aufwärts. Einst staffelten sich hier die Häuser in mehreren Reihen übereinander am Berg, sodass in den Gassen kaum 2 Esel aneinander vorbeikamen. 72 Kirchen mit reichem Innenschmuck sorgten für das Seelenheil der Bewohner.
Heute künden immerhin noch über 100 schön renovierte Gebäude von vergangenem Glanz.
Schon von den Römern besiedelt, lebten im 6. und 7. Jahrhunderts slawische Stämme auf dem Terrain und im 18. und 19. Jahrhunderts, entsandten ansässige Händler, Pferde- und Kamel-Karawanen in die europäischen Städte. Neben Tabak und Seide war der Wein das berühmteste und begehrteste Export-Gut. Viele Häuser im Rhodopen-Stil und vor allem die typischen Kelleranlagen beeindrucken uns ebenso wie die einzigartige Landschaft mit den umliegenden Sandsteinfelsen, die vom Wind ausgewaschen, teilweise 100 m hohe Pyramiden formen.
Nach dem Abendessen in einem dieser Lokale bringt uns der Bus zur Übernachtung in einer halbstündigen Fahrt in den Luftkurort Sadanski, von dem wir am folgenden Morgen zum Höhepunkt dieser Bulgarienreise – dem Rila-Kloster – aufbrechen werden.
Und welch‘ ein Glück, die Sonne scheint….
Auf der von Bergen gesäumten Hauptstraße erreichen wir das Tal der Struma und befinden uns nunmehr in Bulgarisch-Mazedonien.
Das im 10. Jahrhunderts gegründete Rila-Kloster befindet sich in prächtiger Lage in einer Höhe von 1147 m innerhalb der höchsten Bergwelt Bulgariens. Nur noch 5 Mönche und der Abt leben in diesem riesigen Areal. Durch ein Tor betreten wir den Klosterhof und sind sofort fasziniert von der, von hölzernen Galerien umgebenen Anlage, in deren Mitte sich das eigentliche Klostergebäude erhebt. Ein wahrhaft Atem beraubender Anblick!
Ein Vortrag stimmt uns auf die Besichtigung ein und Jahrhunderts der besuchten Räumlichkeiten wird zum überwältigenden Erlebnis…. angefangen vom Klostermuseum, das unter vielem anderen ein in zwölf Jahren von einem Mönch geschnitztes Kreuz, in das mit Nadeln 1000 winzige Figuren ins Holz gekerbt wurden. Fotos an den Wänden des Raumes vergrößern und verdeutlichen die Szenen.
Gegründet von dem Einsiedler Ivan Rilski (876 – 946) erhielt das Rila-Kloster nach Zerstörungen und Wiederaufbau im19. Jahrhundert seine heutige Gestalt und wuchs zu einem mächtigen Zentrum bulgarischer Malerei und Literatur heran, in einem Tal 20 km östlich der kleinen Stadt Rila, das ziemlich steil zu den Bergen empor steigt. Es ist zum Wallfahrtsort für Einheimische und Touristen geworden.
Eine originale Mönchszelle mit einer wunderschönen Holzdecke, die ehemalige Küche, wo der Abzug für den Rauch, der sich 22 m hoch durch alle Stockwerke zieht und ein Originalkessel, der 3 Ochsen verarbeiten konnte, versetzen uns in Staunen, ehe wir im offenen Narthex, der Vorhalle von den herrlichen, Farben prächtigen Malereien vollends in Begeisterung geraten. Auch in der Kirche, die ein wenig dunkel wirkt, sind alle Wände szenisch bemalt. Äußerst prunkvoll präsentiert sich die aus Nussbaum-Holz geschnitzte und mit 7 kg Gold veredelte Ikonostase.
Auf der Terrasse eines hübschen, kleines Holzhauses erholen wir uns bei einem typisch bulgarischen Mittagsmahl von dem großen Erlebnis, ehe wir die Rückfahrt nach Sofia antreten und im gleichen Hotel wie zu Beginn der Reise einquartiert werden.
Das gemeinsame Abend- und Abschiedsessen findet in einem Restaurant im Vitoscha-Gebirge, einem Naherholungsgebiet der Metropole, mit anschließendem Folklore-Programm und lauter Musik statt und beschließt die letzte Etappe der Reise.
Am nächsten Tag findet dann mit dem Besuch des historischen Museums -1984 eröffnet und eines der größten in Bulgarien – auch das organisierte Gruppenprogramm sein Ende. Dabei liefert uns vor allem der Saal der Thraker mit viel Gold und interessanten, kunstvoll gestalteten Gegenstände, Einblicke in das Leben der Vergangenheit.
Die Zeit bis zur Abholung zum Rückflug um ca. 6 Uhr ist gekennzeichnet von zwiespältigen Gefühlen und Gedanken über eine Reise, bei der die oft überschwängliche Urlaubseuphorie ausgeblieben ist.
Trotz einer herrlichen, urwüchsigen Landschaft und einem Kulturgut, das keinem anderen Land nachsteht, sehenswerten Städten mit schönen Gebäuden, hat eine seltsame Fremdheit diese Tour belastet.
Bulgarien, diesem Randstück Balkan, war es nicht vergönnt, seine eigene Identität auszubauen, ist immer wieder von anderen Nationalitäten beeinflusst, erobert worden und tut sich schwer mit der Suche nach dem ihm gebührenden Platz, in der erst vor kurzer Zeit zusammen gefundenen, europäischen Gemeinschaft.