Gran Canaria

Wie relativ moderat Teneriffa fallweise – zumindest im Jahr 1985 – mit den inzwischen für die Kanaren berüchtigten Bettenburgen umgegangen ist, erlebe ich im Vergleich zu der, nach Teneriffa und Fuerteventura, drittgrößten Insel des Archipels – GRAN CANARIA.

Lange habe ich gezögert, dieses vom Hörensagen, für Massentourismus geplante, mit Betonklötzen ausgestattete Eiland, zu besuchen. Erst im Dezember 1997 nach einem sehr ansprechenden Katalog-Foto über ein Fischerdorf im Süden der Insel, das mit Arguigineguin als einzige Ortschaften an der gesamten Küste, einen gewachsenen Ortskern besitzen würden, entschließe ich mich für einen Aufenthalt dort.

So tausche ich vom 3. – 24. 12. 1997 den grauen, deutschen Winter gegen Tage voll Sonne und Wärme inmitten einer blühenden Pflanzenwelt, im 4 Flugstunden entfernten Puerto de Magan, im Hotel Club de Mar und habe Gelegenheit, die Schattenseiten dieser Insel zu verteufeln und manche verborgene Schönheit zu rühmen.

Da, offenbar ein etwas ausgefallenes, weit vom Flughafen in Las Palmas entferntes Ziel, werde ich nicht per Bus, sondern gemeinsam mit einem anderen Passagier in dieses Etablissement transportiert, welches lt. Prospekt, das „stilvollste Hotel“ innerhalb einer Ferienanlage, auf der ganzen Insel, sein soll.

Während ich die Sonne und Wärme als echtes Wunder empfinde – in Frankfurt musste das Flugzeug vor dem Start erst enteist werden, was zur Verspätung führte – enttäuscht zunächst die ausgedörrte, braune Landschaft vom modernen Flughafen Las Palmas, durch den Osten, zum Süden der Insel.

Auf bestens ausgebauter, aber verkehrsreicher Straße passieren wir Puerto Ingles, das mit schier endlosen Hotelsilos die schlimmsten Befürchtungen nährt und sich auch im folgenden Puerto Rico erschreckend fortsetzt und die Natur, hinter eine gestaffelte, riesige Reihe von Wohnblöcken, zurückdrängt.

Danach wird die Gegend zusehends romantischer, fast wild.

In ununterbrochenen Kehren bergauf und bergab, mit Blick auf kleine Buchten zwischen aufragenden Felsen, erklimmt das Taxi einen Felsrücken, an dem ich tief unterhalb, jenes Puerto de Mogan, vermute.

Dort angekommen, heißt es vor einem Schlagbaum Halt und aussteigen.

Unter dichtem Grün verbergen sich Gebäude, darunter auch die Rezeption.

Sofort ahne ich, dass ich das richtige Quartier gewählt habe, denn mein Zimmer rechtfertigt in Ausstattung und Lage, die Bezeichnung „stilvoll“. Auch hier ist Komfort garantiert, aber auch Ruhe und Abgeschiedenheit. Es gibt ein Schwimmbecken und davor einen Cafe-Shop, aber seitlich führt eine Treppe direkt hinunter zum Atlantik, dessen Gewalt in der schmalen, engen Bucht gebremst wird und so vor allzu starker Brandung, schützen dürfte.

Ebenso positive Aussichten vermittelt mir der Spaziergang durch die Anlage, deren gesamter Kern als autofreie Zone zum Bummeln einlädt.

Von der Hafenpromenade zweigen schmale Gassen ab, in denen die Blüten der Bougainvillas, in allen Farben von den Dächern und Balkonen der Häuser herab hängen. Davor wetteifert Hibiskus mit anderen bunten Blumen. Oft überspannen Steinbögen die Häuserzeilen und auch darauf, blüht es.

Dass auch dieser Bilderbuchort sich nicht vollständig aus dem Szenarium des Tourismus heraus moggeln konnte, der immerhin zu 70 % als „Monokultur“ die Insel beherrscht, beweisen die Bars und Souvenirläden, die sich an der Flaniermeile aneinander reihen.

Denn, nicht vergessen sollte man, dass es sich hier um den Hafen von Mogan handelt und das eigentliche, ursprüngliche Dorf sich erhöht am Hang ausbreitet.

Angesichts der Tatsache, dass hier unten am Hafen, der wie in Venedig von Kanälen durchzogen wird, diese malerische Apartmentanlage erst in den 80er Jahren entstand, an dessen Anfang eben mein Club de Mar etabliert ist, kann und darf man der Moderne ein würdiges Kompliment nicht verwehren. Es sollte ein Beispiel und wegweisend werden.

Für Spanien unüblich ist auch, dass das abendliche Buffet bereits ab ½ 7 Uhr eingenommen werden kann. Angerichtet in einen extra Raum, wirkt vor allem der Speisesaal, in dem Palmen und Bäume integriert sind – sie wachsen durch diverse „Löcher“ nach außerhalb – stimmungsvoll und Appetit anregend.

Von meinem Balkon genieße ich danach die Aussicht auf das rot-grün-gelb beleuchtete Swimmingpool und die nun dunkle Berglandschaft und höre dem Plätschern des Wassers zu. Als ein Störenfried des Idylls, drängt sich lediglich ein in die gegenüberliegende Bucht hinein gebauter, monströser Hotelpalast auf, der jetzt ebenfalls hell erleuchtet, besondere Aufmerksamkeit beansprucht..

Während die Vulkane auf Teneriffa, Lanzarote und La Palma den Kontakt mit dem aktiven Magmaherd, der in rd. 100 km Tiefe im Laufe von 20 – 30 Millionen Jahren, die Inseln über Meeresniveau aufbauten, nie ganz verloren haben – die Ausbrüche bezeugen es – hat auf Gran Canaria, so lange Menschen hier leben, keine Erosion stattgefunden.

Trotzdem haben vorgeschichtliche Ausbrüche ihre Visitenkarte auch hier hinterlassen, so zum Beispiel die Felsfinger der Roques als ehemalige Vulkanschlote oder die oft tief eingeschnittenen Schluchten.

Auch tausende von Höhlen, von vorspanischen Bewohnern in den weichen Tuffstein gegraben, sind Zeugen einer bewegten Vergangenheit.

Lange herrschte auch Unklarheit über die Herkunft jener Ureinwohner, die angeblich nicht, wie ursprünglich angenommen, tausende, sondern erst wenige Jahre vor Christus, aus Nordafrika auf Gran Canaria eingewandert sind und Berber waren. Immer noch wenig weiß man um ihre Kultur und nennt sie hier „Altkanarier“, da streng genommen der Name „Guanchen“ nur für die etwas abweichende Kultur der Ureinwohner Teneriffas zutrifft.

Auf der Insel Gran Canaria verteidigten sich die Altkanarier zornig und hartnäckig gegen die spanischen Eindringlinge – denen es um Auslöschung und Versklavung ging – mit Keulen aus hartem Kiefernholz und Speeren.

Regiert wurde die Insel vor den Spaniern, jeweils von einem Fürst aus einem mächtigen Clan und einer Art Hohepriester, mit ebenfalls entsprechenden Privilegien, ausgestattet. Der Adel schottete sich durch Kleidung und lange Haartracht von der Masse ab.

Meine Gegenwart auf dem Eiland bzw. innerhalb des ehemaligen Fischerhafens wird geadelt durch Sonne und Wärme und eine Umgebung voll Blüten und Blumen. Zahllose endemische Pflanzen sind bereichert durch eingeführte Arten. Die Kandelaber-Wolfsmilch habe ich mit Kakteen verwechselt. Sie wird bis zu 2 m hoch und ist nicht ganz ungefährlich, da sie bei geringer Beschädigung, giftigen Saft in die Augen spritzen kann.

An Freitagen findet stets ein Markt am Hafen in Puerto de Mogan statt, den ich natürlich auch ausgiebig mehr zum Schauen, als Kaufen, frequentiere. Auffallend ist dabei die starke Präsenz der Polizei, denn Gran Canaria, als Hochburg des Tourismus, weist die höchste Diebstahlquote der Kanaren auf.

Jeden Tag nehme ich mir auch, anstelle des Pools, das Schwimmen im Meer vor und verliere dann jedes Mal den Mut dazu, wenn Leute mühsam auf glitschiger Treppe das Hotelgelände zu erreichen versuchen… bis ein beherztes junges Paar mich zum gemeinsamen Abtauchen in die Wellen dieses stürmischen Ozeans animieren. Herrlich und angenehm erfrischend, ohne jegliche Hinterhältigkeit , umspült er mich fast sanft.

Bei diversen Spaziergängen gerate ich einmal auch zum Badestrand der kleinen Bucht und schlendere auf einem Weg, der ins Hinterland führt, weiter. Sehr bald verliert er sich in einer Wildnis, in der kein gepflegtes Ambiente mehr die Natur zähmt. Darin verstecken sich ein hübsches, ziemlich großes Haus, aber auch verfallene Gebäude, Opuntien, Fels und plötzlich eine verschlossene, mit wunderschönen Azulejos verzierte Villa… welche Geschichte verbirgt sich wohl in diesem Areal, in dem mich das Ende des staubigen Pfades zum Umkehren zwingt… ?

Sehr interessante Perspektiven bieten mir die Mittagsimbisse in einer Taverne auf der Hafenpromenade vor dem Ankerplatz der Segelschiffe und Jachten.

An einem Tisch vorne an der Straßenfront lässt sich herrlich die bunte Palette der Vorüberziehenden beobachten… Männlein und Weiblein, Dicke und Dünne in den vielfältigsten, oft kuriosen Gewändern, oder sogar halb nackt in Badehose oder Bikini, ergänzt durch ein winziges Höschen… Typen aus aller Herren Länder, lustwandeln stolz und gemächlich, an meinen neugierigen Blicken vorüber.

Natürlich will ich mir, wie überall, durch organisierte Busfahrten einen Überblick auf die gesamte Insel Gran Canaria verschaffen und starte auf diese Weise als erstes, zur Hauptstadt Las Palmas, die in dieser Funktion auch für Lanzarote und Fuerteventura zuständig ist. Mit 12 km Ausdehnung gilt sie allgemein als „lange“ Stadt und da sie am nordöstlichen Ende des Inselkreises, wie mit einem Lineal gezogen, der südwestlich platzierten Ecke Puerto Mogan gegenüberliegt, bringt die Tour dahin auf der Autobahn entlang der Ostküste, keine landschaftlichen Höhepunkte.

Vorbei am Alptraum Puerto Ingles und dem Flughafen zeigt sich die Metropole bei der Einfahrt eher hässlich und öde, mit riesigen Plakaten und Reklameschildern, liefert aber mit ihren Häusern, die sich am Hang hinauf staffeln, ein höchst eindrucksvolles Porträt nach.

Die direkte Begegnung mit ihr im Zentrum der Altstadt Vegueta, verwirrt durch hektischen Betrieb, Verkehr und Lärm, durch den es zu Fuß, ohne die Gruppe zu verlieren, zunächst zur ältesten Markthalle und anschließend zum Kolumbushaus, vorzudringen gilt.

Vor und in diesem berühmten Museum, das mit Ausstellungsstücken, das Zeitalter der Entdeckungen herauf beschwört, drängen sich Menschenmengen, sodass ein Nachempfinden jener Ära unmöglich wird. Lediglich das gotische Portal mit dem Figurenfries und ein Brunnen im Innern fallen besonders auf.

Als schönster Teil der Altstadt, stellt sich die Plaza de Santa Ana mit der gleichnamigen Kathedrale vor, die von Palmen gesäumt, attraktive Gebäude aufweist, wie z.B. das alte Rathaus.

Die Kirche, benannt nach der Schutzpatronin der spanischen Konquistatoren aus dem Ende des 15 Jhdt wurde nach einem holländischen Piratenangriff völlig zerstört und erst Ende des 18. Jhdt begann der Bau des heutigen Gotteshauses.

Ein Kuriosum am unteren Ende des Platzes stellen die Hundestatuen dar, die der Insel angeblich den Namen gaben… Canis bedeutet Hund, der Legende nach sollen diese Tiere von einer frühen Expedition, auf die Insel gelangt sein.

1483 war die Eroberung der Insel durch die Spanier abgeschlossen und die letzten besiegten Ureinwohner hätten sich von einem Felsen in den Tod gestürzt, heißt es.

Zu dieser Zeit war Las Palmas nur eine Ansammlung von Häusern, aber es expandierte schnell und wurde zum Sprungbrett für Entdecker, Eroberer und Siedler der Neuen Welt. Nicht bewiesen, aber sehr wohl möglich wäre, dass Columbus schon 1492 bei der ersten Entdeckungsreise, hier an Land gegangen ist.

Las Palmas spielte auch eine wichtige Rolle auf der Route des Sklavenhandels von Afrika, das neue Projekt Zuckerplantagen verlangte nach Arbeitssklaven auf dem Territorium.

Mit dem Bau eines großen Hafens 1883, der dringend notwendig geworden war, begann der Aufschwung und die Ausdehnung der Stadt. Englische Unternehmer waren dabei führend und Touristen aus dem britischen Imperium waren auch um 1900, die ersten Gäste auf dem Stadtstrand Las Canteras, doch erst 40 Jahre später entstanden Hotels und Apartmenthäuser.

Nachdem unsere Busgruppe zu Fuß von der alten zur neueren Altstadt, durch die Einkaufsstraße und die Fußgängerzone Triana im Gänsemarsch gepilgert ist, dürfen wir hier die Atmosphäre eine Stunde lang allein genießen.

Danach verschafft uns die Fahrt auf der Autobahn direkt am Meer, weitere interessante Blicke aus dem Busfenster und besonders auf die Gartenstadt „Ciudad Jardin“ mit einem Park und wunderschönen Villen, in denen Bäume und Pflanzen ein üppiges Dasein führen. Es handelt sich dabei wohl um die prächtigste Seite der Stadt, die sich zwischen dem alten Zentrum und dem Hafengebiet eingenistet hat.

Mit einem Aussichtspunkt und dem Park Santa Catalina wird das Vormittagsprogramm mit einem ausgezeichneten Mittagessen innerhalb einer betriebsamen Umgebung mit Souvenirläden, Cafes und Bars, abgeschlossen.

Gut gestärkt folgt ein weiterer Fußmarsch zur kilometerlangen Promenade des Stadtstrandes Las Canteras, mit ausreichend Zeit, auch hier das Leben auf dem breiten Sandparkett und in den dahinter befindlichen Bars, Restaurants und Apartmenthäusern zu begutachten. Und das schneidet im Vergleich zum beispielsweise zubetonierten Playa des Ingles und Konsorten, eindeutig positiver ab. Ein vorgelagertes Barriere-Riff schützt vor dem Ansturm des Atlantik.

Den Abschluss der Hauptstadt-Besichtigung bildet die Fahrt zum Hafen, der auf dem einst selbständigen Inselchen Isleta, zugeschüttet nun als Halbinsel, wie ein „Krönchen“ auf dem Inselhalbkreis thront.

Am schier endlosen Hafengelände entlang, erzählen halb verrostete Schiffe, meist russischer Herkunft von den Strapazen auf See… aber auch Fischfangflotten ankern in diesem riesigen Bereich. Erst an seinem Ende steigen wir kurz aus, spazieren ein paar Treppen hoch und sind enttäuscht, dass die Schiffskadaver die Sicht auf die Stadt verunzieren.

Was uns nicht vorgeführt, sondern wohlweislich ausgeklammert wird, fällt unter die Kategorie „Schattenseite“ der vom Licht und der Sonne verwöhnten Insel Gran Canaria: unweit vom Stadtstrand Las Canteras beherbergt eine Bucht, einen der größten Slums der Stadt und es gibt weitere auf dem Eiland, über die Luxus und Komfort geflissentlich hinwegtäuschen.

Die Ausfahrt aus der Stadt führt am Meer entlang… den Streifen zwischen den Fahrbahnen schmücken Bäume mit rot leuchtenden Weihnachtssternen, um die herum auch noch Geranien blühen – ein wunderschöner Abschiedsgruß!

Während es auf der mir bekannten Strecke Richtung Süden, zügig vonstatten geht, berichtet mir ein Ehepaar, das in Porto Rico ihr Urlaubsquartier hat, von dem Prachtblick aus ihrem Apartment aufs Meer hinaus. Nur die 700 Stufen hinunter wären sehr mühevoll und will man sie durch den regelmäßig verkehrenden Bus vermeiden, würde das die Urlaubskasse belasten, denn auch kleine Beträge summieren sich.

Bei der Gelegenheit erfahre ich auch, dass weitere Ausbaupläne für Puerto Mogan geplant wären und dass auch Puerte de Ingles früher nicht so abschreckend verbaut gewesen wäre.

Traurige Aussichten für eine zauberhafte Insel…

Dass auch Gran Canaria, abseits der besonders im Süden vom Bauboom verunstalteten Strandbereiche, eine grandiose… ja Atem beraubende Natur zu bieten hat, wird mir bei einer Inselrundfahrt klar.

Dem eigentlichen Kernstück meines derzeitigen, neu angelegten und sehr stilvoll gestalteten Quartiers im Hafen von Puerta de Mogan, begegne ich im 12 km nördlich gelegenen Dorf Mogan, wo ein erster kurzer Halt angesagt ist. Das Tal dahin ist mit Quellen gesegnet, sodass hier, nahe dem trockenen Süden, zahlreiche Früchte gedeihen. Der Ort selbst wirkt einfach und bescheiden und liegt um diese Zeit noch im Schatten. Erst weitere 10 km bergan, beleuchtet die Sonne eine Felswand, die durch Einwirkung von Eruptionen auf abgelagertes Tuffgestein, in allen Farben schillert.

Vor ca. 9 Millionen Jahren entstanden, wird diese „Felswand der Azulejos“ als Naturwunder den Touristen vorgestellt, obwohl auf ihr vor allem die Farbe grün dominiert.

Die Straße windet sich in Kehren aufwärts. Oberhalb erstreckt sich das mit Kieferwäldern bedeckte Naturschutzgebiet Pinar de Inagua… unterhalb das Dorf Tasarte.

Steil bergab präsentiert uns das langgezogene Städtchen San Nicola, bereits an der Westküste angesiedelt, seinen winzigen Hafen Punte de la Aldea.

Es folgt der Aussichtspunkt Mirador de Balkon, der dicht am Abgrund hängt und einen ersten, überwältigenden Eindruck von der imposanten Schönheit der westlichen Steilküste, offenbart.

Wolfsmilchgewächse beleben die Hänge des Felspanoramas, während sich die Straße in ununterbrochenen Kehren nordwärts quält und spektakuläre Blicke auf ein grandioses Szenario von Fels und Meer, aus schwindelnder Höhe, liefert. Erst in den 60er Jahren, um den Preis vieler Todesopfer erbaut, ziehen auf dieser Route – ein Anhalten ist kaum möglich – ständig wechselnde Bilder, in bizarren Formationen, am Busfenster vorüber.

Der „Schlucht der Palmen“, dem Blick zum „Finger Gottes“ – einem im Meer emporragenden 30 m hohen Felsmonolith – folgt im Hafen von Las Nieves eine kurze Atempause – im Gelände warten geduldige Dromedare auf Kundschaft – und die Abzweigung zum hübschen Städtchen Agaete, bereitet uns mit einem sehr ordentlichen Mittagsmahl, auf weitere, neue Eindrücke vor.

Danach schwenkt die Straße vom Meer weg und zur Nordküste, die wie in Teneriffa, als grünes Gegenstück zum heißen, trockenen Süden, gilt.

Auf diesem Wegstück sind Höhlen der Ureinwohner deutlich wahrzunehmen und die Stadt Galdar, die sich um ihr Wahrzeichen – einen charakteristischen Bergkegel – gruppiert, erinnert mit einem Denkmal an den einst hier herrschenden alt-kanarischen Fürst Teniso Semidan, der sich 1483 den Spaniern ergab und mit ihnen kooperierte. Er wurde an den spanischen Hof gebracht, in Toledo getauft und mit Ländereien belohnt, da er den Eroberern wertvolle Vermittler-Dienste leistete.

Galdar kann sich mit dem Prädikat „erste Hauptstadt“ vor Las Palmas schmücken und ist stolz darauf.

Bis 1526 zu ihr gehörend, schließt sich unmittelbar die Stadt Guia an, die damals Sitz der Großgrundbesitzer war und heute die Erzeugung des „Blumenkäse“, ein aus Ziegen- oder Schafsmilch

gefertigtes, mit dem Blütensaft einer Artischocke angereichertes Produkt, als Markenzeichen führt.

Deutlich verstärkt sich nun der Straßenverkehr… noch ein schöner Blick auf den Roque de San Felipe, auf einer von der Brandung umspülten Landzunge, ist uns als letzte Attraktion vergönnt, denn danach bietet die Fahrt an der Nordküste bis Las Palmas nichts außergewöhnliches mehr. Ohne Besonderheit verläuft auch die Rückkehr entlang der Ostküste nach Süden und Puerto de Mogan.

Das die Weihnachtszeit mit ihren Feiertagen naht – und damit auch mein Urlaub sich dem Ende zuneigt – verrät die Woche vor dem Fest durch verstärktes Eintreffen neuer Gäste. Um den Pool herrscht nun lauter Betrieb von Kindern, die bereits Schulferien haben und mit den Eltern verreist sind.

Noch einmal nütze ich daher das Schwimmen im Atlantik, das verlockend eine Drift nach draußen suggeriert, der ich mich gern hingebe. Die schmale Bucht verrät erst ihre unsichtbare Strömung, als ich vor den Stufen zum Aufgang ins Hotel, das Geländer nicht fassen kann und immer wieder davon zurück getrieben werde. Es ist, als ob eine geheime Macht, mich in die Weite des Ozeans zu ziehen versuchte. Erst als ein junges Mädchen von oben meine vergeblichen Anstrengungen bemerkt und mir von der untersten Stiege die Hand entgegen reicht, gelingt es mir, den Halt zu greifen und auf das Podest zu klettern.

Einen sehr schönen Spaziergang gewährt mir auch der Aufstieg über unzählige Treppen, zum über dem Hafen empor gestaffelten Dorf, der auf einer Aussichtsplattform endet.

Dabei ergibt sich so mancher zufällige Einblick in die Häuslichkeit der Bewohner, die umgeben von Blumen, ihren Alltag unbeeinflusst von der unten befindlichen Ferienanlage und dem gepflegten Yachthafen in ungezwungener Ursprünglichkeit vollziehen.

Hohe Felsen rahmen seitlich das weiße Häuser-Konglomerat und – wie schade – hier stören Abfallhaufen das friedvolle, dörfliche Flair.

Da ich in den vergangenen 2 Wochen den kreisförmigen Inselkörper von Gran Canaria umrundet habe, bleiben die restlichen Tage der, soweit möglichen Erkundung, seines Innenlebens vorbehalten…

Dass in der benachbarten Bucht von Taurito der Hotelkomplex „Prinzess“ etabliert ist, konnte ich von weitem von Puerto de Mogan erkennen. Wie riesig er in der Landschaft klotzt, wird dagegen erst aus der Nähe deutlich.

Dass Puerto Rico, dessen Strand mit dem Sand von Maspalomas weiß gedüngt wurde, bis hoch hinauf in die Berge weitläufig zugebaut wurde, zeigt sich ebenfalls besonders bei diesem Ausflug.

So gehen die Küstenorte praktisch ohne Übergang ineinander über, wobei der Glaspalast des Hotel Steigenberger einen besonders exklusiven Glanzpunkt setzt. Der Ort Arguineguin, der zur Gemeinde Mogan gehört und nach den alten Kanariern „stilles Wasser“ bedeutet, wird ebenfalls vom Touristengriff Puerto Ricos umklammert und läuft Gefahr, sein Eigenleben zu verlieren.

Solcher Art erschrecken mich die Buchten der Südküste in Richtung Osten bis Ingenio einigermaßen.

Hier erinnert die Nachbildung einer Zuckerpresse an einer Kreuzung, an das Zeitalter eines anderen Booms, der ebenfalls Folgen nach sich zog. Heute floriert hier der Tomatenanbau, aber trotzdem herrscht auf der Insel Arbeitslosigkeit als größtes der Probleme. Man setzt auf Tourismus, aber was ist, wenn der stagniert… ?

Die Bergwelt rückt näher. Wieder muss sich die Straße, über der sich Basaltfelsen erheben, in Kurven aufwärts winden. In einem riesigen Felsblock sind Höhlenwohnungen zu erkennen.

In diesem Gebiet soll sich ein Kult- und Versammlungsort der Altkanarier und auch ein heiliger Berg der Ureinwohner – der Almagaren – befunden haben. Welcher der Bergspitzen es war, bleibt offen.

Die zweitgrößte Stadt der Insel, Telde, meldet sich mit weißen Häusern an und lässt uns während der Durchfahrt zumindest an seiner Pflanzenwelt – Orangen, Bananen und Feigenkaktusse, Weihnachtssterne – und dem Blick zum Meer, teilhaben.

Weiter nach Norden, ändert sich ab 400 m Höhe die Vegetation. Vulkane bestimmen mit 6 Kratern das Panorama. Eukalyptusbäume begleiten die Straße, oben in den Bergen ducken sich verstreut einzelne Dörfer.

In den Höhlenwohnungen um La Atalya leben auch heute noch Menschen. Durch Vorbauten kaum noch als solche zu erkennen, verfügen ihre Bewohner über Wasser, Strom und Telefon.

Mispelbäume in Straßennähe, Johannisbrotbäume und Weihnachtssterne erfreuen, nebst in allen Farben blühenden Bougainvillas immer wieder das Auge, bis schließlich der 200 m tiefe Bandama-Crater erreicht ist, der bis vor einiger Zeit bewirtschaftet war. Vom 600 m hohen Vulkankegel öffnet sich ein fantastischer Rundblick bis nach Las Palmas.

Im Gebiet von Tafira zeigen viele Häuser typisch englischen Kolonialstil und es gibt hier auch eine Universität. Für die Besichtigung des in der Nähe befindlichen Botanischen Gartens bleibt leider keine Zeit, da erst die Stadt Teror nach einem Schwenk von Nord, zur Mitte der Insel als Aufenthaltsziel auserwählt wurde. Hier verkündet dann auf einem der schönsten Plätze der ganzen Insel, die Kirche Nuestra Senora del Pino, das Wunder einer Marienerscheinung am 8.9.1481 in einer über 40 m hohen Kiefer. 200 Jahre später soll dieser Baum zur Osterzeit, altersschwach zusammen gebrochen sein.

Vom Papst, als „Jungfrau von der Kiefer“ zur Schutzpatronin der Insel ernannt, genießt sie nun das Privileg des wichtigsten Wallfahrtsortes und religiöses Zentrum.

Reich geschmückt thront die Patronin in einem Glasschrein über dem Altar.

Und da sie auch das Militär beschützt, hat ihr 1929 der spanische König den Titel eines „Capitain Generals“ verliehen. Daher spielt bei den Feierlichkeiten ihr zu Ehren, auch eine Militärkapelle auf.

Leider konnte ihre Heiligkeit nicht verhindern, dass infame Diebe 1975 durchs Dach in die Kirche eindrangen und sie ihrer Juwelen beraubten.

Am Platz in Teror brillieren außer der Kirche, das bischöfliche Palais, das Rathaus und vor allem die wunderschön geschnitzten Balkone aus Kiefernholz.

Nach dem Mittagessen in einem Restaurant am Mirador (Aussichtspunkt) mit unvergleichlichem Blick auf Teror, den Nordwesten und bis Las Palmas, dringen wir weiter bergan bis gegen die Mitte des Inselkreises, der einen Durchmesser von 50 km hat und ca. 236 km Küstenlinie aufweist, vor.

Mit Cruz de Tejeda passieren wir den höchsten Pass in ca. 1500m Höhe, der ein großartiges Panorama mit dem Felsfinger Roque Nublo links und dem Roque Bentaiga in der Mitte präsentiert. In 1800 m Höhe begrüßt uns dann das Wahrzeichen der Insel Roque Nublo unter einem glasklaren Himmel und dem Felsen Bentaiga direkt vor uns, sozusagen „persönlich“. Außerdem eine wolkenlose Sicht auf die Insel Teneriffa.

Ein „Höhepunkt“ in jeder Weise, nachdem es jetzt von dieser tief beeindruckenden, wild zerklüfteten Bergwelt, gesegnet mit viel Grün durch Kiefern, Pinien und Esskastanien-Bäumen, nur noch abwärts, Richtung Süden gehen kann.

Immer wieder tauchen Stauseen auf, sie sind ausgetrocknet, da 90 % ihres Wassers durch die Trockenheit verdunstet. Die Insel leidet sehr unter dem Wassermangel.

Der Stadt San Bartolome folgt das 12 km lange Fataga-Tal, das steil abwärts hinunter zum Meer verläuft. Wieder wartet auf einem großen Platz eine Anzahl Kamele für einen Ritt zu den Sanddünen von Maspoloma, in die diese „Schlucht der Palmen“ mündet.

Noch vor ein paar Jahren war das Dorf Fataga so isoliert, dass ein Fremder als Sensation empfunden wurde. Mandelbäume, Aprikosen und Palmengärten verraten seinen südlichen Charakter.

In der Ferne wird das Freilichtmuseum „Mundo Aborigen“ erkennbar, in dem Bau- und Lebensweise einer Ureinwohner-Siedlung nachempfunden wird.

Die Straße in dieser einsamen Gegend wurde von Gefangenen des spanischen Bürgerkrieges erbaut.

Es soll auch ein Friedhof mit Skeletten der Altkanadier entdeckt worden sein.

Auf der Insel Gran Canaria findet übrigens Erdbestattung heute kaum mehr statt. Vielmehr schiebt man die Toten in eine für 5 Jahre gemietete Kammer, danach werden sie verbrannt oder auf See bestattet.

Überhaupt stimmt die Mixtur, die aus den Altkanariern und den spanischen Eroberern, bereichert durch allerlei andere Völkerschaften, zu den heutigen Canariern führte, mit dem Mutterland nicht immer überein. Letztere haben inzwischen durchaus ein eigenes Selbstbewusstsein entwickelt, das dem Spaniens oft widerspricht.

Ein Beispiel dafür liefert der mörderische, in Spanien als höchstes Freizeitvergnügen geschätzte Stierkampf… die Canarier lehnen ihn strikt ab und frönen ihren eigenen Sporterfindungen, wie dem „Stockkampf“, eine Art Fechten mit speziell präparierten Ästen von Bäumen, bei dem vor allem Kraft und Geschicklichkeit gefordert ist. Ebenso erfreut sich der Ringkampf nach strengen Regeln großer Beliebtheit.

Mit jedem Tag nähert sich das Weihnachtsfest und damit auch meine Rückkehr ins winterliche Deutschland.

Trotzdem mich die Wohnsilos an der Südküste, als Ausgeburten nach Gewinn süchtiger Unternehmen, zutiefst abschrecken, kann ich eine direkte Begegnung mit ihnen kurz vor meiner Abreise, nicht vermeiden. Denn an dieses Puerto de Ingles grenzen die Sanddünen von Maspalomas, denen ich zur Vervollständigung meiner Reiseeindrücke noch begegnen will, zumal sie sich so nahe an meinem Domizil ausdehnen. Außerdem enthält die angebotene Tour auch einen Aufenthalt im berühmten Palmitos-Park, der ein Pendant zum Lore-Park in Teneriffa sein dürfte.

Eingeschlossen sind ebenfalls, eine Führung durch eine Bananenplantage und ein Spaziergang in San Fernando, dem Vorort von Maspalomas, bei dem der großen und reich bestückten Markthalle ein Besuch abgestattet wird. In diesem Vorort wohnen meist die Angestellten der Touristenbetriebe und hier setzte auch der Bauboom ein, der später so drastisch ausuferte.

Vorbei am Wasserpark Aqua Sur zweigt nördlich die 8 km lange Straße zum Palmitos-Park ab, der von einem Deutschen gegründet wurde.

Schon unterwegs zu ihm, bezaubert die Landschaft und gleich hinter dem Eintritt, empfängt mich eine Fülle von Pflanzen, Bäumen und Palmen und ein vibrierendes Vogelgezwitscher aus allen Richtungen.

Ein gepflasterter Pfad, ausgestattet mit Ruhebänken schlängelt sich durch das weitläufige Gelände… Wasserteiche, Pflanzen und Tiere, vor allem Vögel erfreuen, teils in Käfigen, teils frei, Auge und Ohr.

2 ½ Stunden durchstreife ich allein dieses Areal und genieße die einmalige Atmosphäre. Kakteenanlagen, ein Orchideenhaus, der Aloengarten, das Schmetterlingshaus und ein Aquarium führen stets zu neuem Erleben einer ansprechend gestalteten Naturoase, die sich hier konzentriert präsentiert.

Die gleiche Strecke zurück, zieht noch einmal die grüne Landschaftspalette am Busfenster vorüber, ehe sich in Santa Monika die Szenerie vor dem alten Leuchtturm radikal verwandelt und in ein vom Wind gepeitschtes, sich ständig veränderndes Meer aus Sand übergeht.

Vom Atlantik angeschwemmt, vom Wind aus der Sahara getrieben, türmen sich Milliarden winziger

Körnchen, als instabiler Gruß aus einer fremden Zone, zu Hügeln und Mini-Bergen. In fahlem hellgelb leuchtet diese, dem Inselkreis aufgestülpte, eindrucksvolle Haube, vor dem Blau des Ozeans.

Der Leuchtturm, als erstes Bauwerk der Gegend, stammt aus dem vorigen Jahrhundert und war bis vor ca. 40 Jahren einsames Wahrzeichen für die extravagante Laune der Natur, mit Wasser, Wind und Sand zu experimentieren und ein kleines Areal zu erschaffen, das heute leider durch den Rummel in seiner Umgebung, das Gefühl, in der Weite der Sahara zu weilen, Lügen straft.

Kann man in Nähe der noblen Exklusivität der großen Hotels noch einen Abglanz von Ruhe und Beschaulichkeit empfinden, so wird dies bei dem anschließenden, einstündigen Aufenthalt am Strand von Puerto de Ingles brutal abgetötet. Der Wind heult in Sturmstärke sein aufbegehrendes Lied zu dem

Massenbetrieb.

Im Einkaufcenter dieses Beach-Bereichs tanzen die Kleidungsstücke im Kreis herum, als hätte sie der Irrsinn befallen. Die Lokale verlocken ebenfalls nicht zum Verweilen.

Schließlich spaziere ich eine Treppe hoch in eine Gaststätte, an die sich ein Swimmingpool mit Liegen reiht, auf denen Sonnenhungrige dem Wind trotzen. Aus dem Radio grölt laute Musik, der ein Wetterbericht in deutscher Sprache folgt.

Gern steige ich nach dieser gewährten Stunde „Erholung“ wieder in den Bus zur Stadtrundfahrt in Playa del Ingles, ein. Als Zentrum der südlichen Küste trotzt dieses mit Hotels und Apartments voll gefüllte Häusermeer jeder Orientierung.

Zwar begnügt sich dabei der Lärm mit einem etwas niedrigerem Pegel als am Strand, aber der Alptraum bezüglich des unübersichtlichen Beton-Wirrwarrs bleibt konstant und schwindet erst nach Heimkehr in Puerto de Mogan.

Am 24. 12. zeitig frühmorgens starte ich zum Rückflug nach Deutschland.

Das Wetter ist klar und voll Sonne.

Wehmut… Bedauern… keimt auf ….wie schade, dass dieses aus den Tiefen des Atlantik empor getragene, mit Schönheit gesegnete Eiland, sein südliches Antlitz, mit einer so hässlichen Zementmaske, entstellt…