oder die Tücke der Elektronik
Es ist Januar und die Zeit, wo Zitronen, Orangen und Mandarinen als helle Farbtupfer aus dem Blätterdach der Zitrusbäume leuchten.
Als ich von meinem Balkon der oberen Etage des Hauses, dieses verlockende Angebot zwischen im Sonnenlicht flackernden Geäst bewundere, fällt mir ein, dass ich fürs Mittagessen ein solch‘ pralles, saftiges Exemplar brauchen könnte.
Wie oft um diese Jahreszeit, lässt ein wolkenloser Himmel auf der Insel Kreta, auf der ich seit 11 Jahren beheimatet bin, vergessen, dass anderswo auf der Weltbühne der Winter mit Eis und Schnee das Zepter schwingt.
Ich spaziere also auf die Terrasse hinunter und setzte mich, ein wenig ramponiert von der Last der Jahre, erst einmal hin…freue mich am Weihnachtstern, der bis fast an die Fenster der unteren Wohnung hoch gewachsen ist und mit seinen roten Blättern, eine üppige Blütenpracht vortäuscht.
Die Sonne sprenkelt den nackten Betonboden pittoresk mit wechselnden Blattmustern der Umgebung.
Es ist schön hier unten und so gemütlich, besonders wenn im Sommer liebe Gäste zu Besuch unten einkehren, um mit mir „meine Insel“ zu erkunden.
Jetzt im „cheimonas“, im Winter herrscht Stille auf dem Eiland, fast alle Tavernen halten Winterschlaf, da Heizungen für ein angenehmes Milieu meist fehlen und die Touristen ohnehin abgereist sind.
Nach einer Weile erinnere ich mich an mein Vorhaben und suche im Zitronenbaum nach den schönsten Früchten….im Blattgewirr versteckt, entdecke ich dann immer wieder eine, schöner als die andere…..
Leider habe ich kein Sackerl, zu gut deutsch Tüte dabei und verstaue die Auslese in der rechten Tasche meiner ärmellosen Weste.
Plötzlich sehe ich meinen Schwiegersohn im Laufschritt heran eilen – nur wenige Meter entfernt von mir, haben Karin und Frieder ihr Haus – und fragt aufgeregt, was denn los sei…?
„Was soll denn los sein…?“ wundere ich mich. „ich brauche ein paar Zitronen….“ und deute auf meine voll gefüllte rechte Westentasche.
„Aber Du hast doch Alarm ausgelöst….“ keucht er atemlos…
Ich erschrecke maßlos….“wieso…. das gibt’s doch nicht“.
Dann geht mir schlagartig ein Licht auf….
Ohne die Gefahr einer Kollision zu bedenken, habe ich auch noch eine besonders attraktive Zitrone in die linke Westentasche geschoben, in der das winzige Gerät, das mit dem Notfall-Telefon in der Wohnung verbunden ist und stets von mir mitgetragen werden soll.
Erst vor kurzem wurde es zu meiner Sicherheit und im Falle eines „Falles“ installiert, denn in Anbetracht fortgeschrittener Jahre und notorisch „patschert“, habe ich mir schon öfters einen Ausrutscher geleistet. Einmal bin ich sogar kurz vor der Fahrt zum Flughafen zu einer größeren Reise, noch schnell daheim über den Teppich gestolpert und Karin musste mir im Cafe in der Wartehalle am Flughafen, den dabei entstandenen Riss in der Bluse, zunähen.
„Aber Du solltest doch das Gerät um den Hals tragen, dazu ist die lange Schnur daran…“ belehrt mich Frieder, der beim ersten Heulton aus dem Haus geeilt ist, sichtlich erleichtert.
„Habe ich ja auch gemacht….“ versuche ich eine Rechtfertigung… „aber vorgestern, als ich gemütlich beim Lesen im Sessel saß, muss das Buch irgendwie mit dem kleinen Gerät in Berührung gekommen sein und schon ging eine fürchterliche lauter Heulerei los. Konnte gerade noch schnell das Telefon abheben und den Irrtum korrigieren, bevor Ihr alarmiert worden seid.
Beruhigt, dass nichts passiert ist und auch ein wenig darüber, dass das neue Gerät bestens funktioniert, marschiert Frieder, Kopf schüttelnd zurück nach Hause.
Als ich mich mitsamt meiner Tasche voll Zitronen, vor dem Aufstieg über 18 steile Stufen, noch einmal hinsetze, um mich ein wenig von dem Schreck zu erholen, fährt ein Auto vor…
Nachbar Emmanuel steigt aus und fragt ebenfalls was passiert sei…
Er hat als zweite Sicherheit für mich, auf seinem Handy ebenfalls meine Notfallnummer von Frieder installiert bekommen und ist somit heute auch alarmiert worden.
Was für eine Blamage, wie unangenehm…. Emmanuel und Dimitra waren auf dem Weg zu einem der Dörfer in der Umgebung und wollten seinen Bruder besuchen…. Der Alarm zwang sie zur sofortigen Umkehr!
Ich schäme mich gehörig …. und das alles wegen einem Winzling von höchsten 3 x 5 cm in meiner Westentasche, mit einem roten Knopf in der Mitte, der bei Gefahr gedrückt werden muss.
Meine insgeheime Entschuldigung für das Malheur: Niemand vermutet schließlich eine so enorme Magie oder Energie in einer Zitrone, dass ihre bloße Gegenwart gleich einen lautstarken Alarm in der Umgebung auslöst!
Jedenfalls hängt seit diesem Tag das Band mit dem ominösen Mini-Gerät an der Klinke der Schlafzimmertür – dem zentralsten und am besten von überall zu erreichenden Platz in der Wohnung und ich kann nur hoffen und zu Gott beten, dass ich es niemals mehr als echtes Gefahren-Signal in Aktion versetzen muss!!!