Ein ungebetener Gast oder Tierliebe am Prüfstand

Es passierte etwa ein halbes Jahr nach unserem Auszug aus Deutschland, um auf der griechischen Insel KRETA, unser weiteres Leben zu gestalten.

Als bereits ziemlich betagte Witwe, hatte ich mich dem Unternehmen von Tochter und Schwiegersohn gern angeschlossen und startete mit ihnen, dem gesamten Hausrat sowie Hund Puma und Katze Mohrle, Wellensittich Micki war leider bereits verstorben – zu einem neuen Dasein in Europas Süden.

Zwei Wohnungen in einem gemieteten Haus, umgeben von Wiesen, auf denen Ziegen weideten, Olivenbäumen mit prallen Früchten boten uns ein sehr sympathisches Ambiente, von dem nur die Tiere zuerst ein wenig irritiert waren .

Nach einem Frühling voll Blumen und duftender Kräuter, zog der Sommer alle Register von sonnen- durchglühten Tagen und lauen Abenden, an denen die ganze Fülle südlichen Charmes durch Fenster und Türen flutete und den ich in der oberen Etage meines neuen Domizils, in vollen Zügen genoss.

Es war ein Wochenende und Karin und Frieder hatten beschlossen, die Hauptstadt Iraklion aufzusuchen, sodass nur Puma und Mohrle das untere Terrain bewachten. Letztere war leider schon sehr alt, besaß nur noch einen einzigen Zahn im Maul, nahm aber noch regen Anteil am Familienleben.

Es dämmerte bereits…

Ich saß im Wohnzimmer vor dem Fernseher….ein leichter Wind spielte mit den Vorhängen an der Balkontür, die wie in Trance ein wenig vor- und zurück schwebten.

Plötzlich tauchte ein Schatten auf….bewegte sich….

Spiegelt sich etwas von draußen…..?

Nein, es huscht entlang meines Musikschrankes und zur offenen Tür hinein ins Badezimmer….

Da war doch eben ein langer, nackter Schwanz….

In meinem Kopf purzeln die Gedanken durcheinander, aber ehe ich sie sammeln kann, übernimmt mein Instinkt die Regie….

Ich springe auf, knalle die Tür ins Schloss….der Eindringling ist gefangen!

Was nun…??

Offenbar habe ich eine Ratte in der Wohnung….

Noch nie bin ich solch‘ einem lebendigen Exemplar direkt begegnet….

Mich beuteln Aufregung und Angst…

Jedermann weiß um die Schädlichkeit dieses Getiers, sogar die Pest haben sie übertragen…

Und dass sie in Teilen Indiens als heilig verehrt und gefüttert werden, entspringt purem Aberglauben…

Leider existieren unter Gottes so schönem, blauen Himmel auch höchst gefährliche und unwürdige Geschöpfe…

Fazit: das Vieh muss raus…

Aber wie….??

Ich überlege intensiv…

Da, ein Geistesblitz: Unten…. das Mohrle… die war ja schon immer eine hervorragende Mäuse-Fängerin und hat ihren Herrschaften so manches erlegte Prachtexemplar präsentiert!

Gedacht, getan….. ich renne hinunter, greife das verdutzte, schon schlafende Tier, schleppe es die 18 Stufen zu mir hoch und lasse sie, einen Spalt die Tür öffnend, ins Badezimmer gleiten!

Jetzt kann das Schicksal seinen Lauf nehmen und ich ruhig schlafen!

Das kleine Problem, dass sich im Bad auch das einzige Clo befindet, wird mit Hilfe eines Eimers, im Falle nächtlichen Bedarfs, gelöst.

Der nächste Morgen bricht an….

Aus dem Bad ertönt intensives, jämmerliches Miauen…..

Oh Gott, steh‘ mir bei…. es bleibt nichts anderes übrig, als die Tür zu öffnen!

Schwarze Haare am Fußboden zeugen von einem nächtlichen Kampf und Mohrle stürzt sofort heraus und entflieht über den Balkon und die Markise entlang, auf die untere Terrasse….

Mit ihrem einzigen Zahn hatte sie vermutlich keine Chance den Feind zu erlegen…

Aber wo ist dann die Ratte….?

Mit einem höchst beklemmenden Gefühl in der Magengegend inspiziere ich den kleinen Raum und entdecke den ungebetenen Gast zusammen gekauert, wie ein Häuferl Elend, hinter der Waschmaschine auf einem schmalen, erhöhten Podest. Völlig verängstigt schaut er mich an….unbeweglich, wie um Gnade flehend….

Diese Auge in Auge – Begegnung währt nur Sekunden….dann gebietet meine Ratio entschlossenes Handeln…

Ich schreite zur Tat, spurte eilig nach dem Besen, um damit, durch einen hoffentlich gezielten Schlag dem Spuk dieses Wochenendes ein Ende zu bereiten.

Dabei unterschätzte ich allerdings die Reaktionsfähigkeit des kleinen Nagers, der ohne mein Bemerken,

wie davor das Mohrle, blitzschnell über den Balkon in die Freiheit entflohen sein muss.

Auf diese Weise blieb mir zum Glück das Tötungsdelikt eines, wenn auch höchst ungeliebten und minderwertigen Unholds, aus Gottes Schöpfungs-Universum, erspart!