Die wahre Geschichte einer Wolfspitzhündin
aufgeschrieben von Margarete Kalbe
Ich war 8 Wochen alt, als mich meine Herrschaften in ihr Haus holten und mich PUMA tauften. Natürlich war ich kein Puma, sondern ein Hundebaby der besonderen Art.
Der Name hatte mir jedenfalls sofort gefallen! Schon als Welpe war ich mit meinem dichten, schwarz-grau-weiß gewolkten Fell und den spitzen Ohren eine Schönheit! Das heißt, so ganz perfekt aufrecht standen meine Hörorgane in diesem zarten Alter noch nicht.
Wir waren 5 Geschwister… drei Brüder, eine Schwester… Warum sich meine Herrschaften, Karin und Frieder für mich entschieden, war erstens eine Folge der Vorliebe der Menschen für Rüden – scheinbar wird um die männlichen Geschöpfe auf Erden ein besonderes “Getue“ veranstaltet – aber die waren bereits vergeben.., und zweitens vielleicht ein kleiner Kniff gegenüber meiner Schwester. Zuerst hatte ich gar keine Notiz von den zwei Leuten genommen, die da eines Abends in unsere Behausung eindrangen.
Es war nämlich gerade “Fressenszeit“ und da galt es schnell mit der Schnauze den Napf fassen, um als Erste bedient zu werden! Möglicherweise hatte meine diesbezügliche Entschlossenheit den zwei Unbekannten imponiert, so dass sie mich für den Spottpreis von DM 350,00 erwarben.
So billig hatten sie mich nur gekriegt, weil meine Mutter den Fauxpas beging, sich bereits mit knapp einem Jahr mit meinem Vater einzulassen. Das schien den gestrengen Zucht-vereinsmeistern nicht ins Konzept gepasst zu haben und sie verweigerten mir das Prädikat “reinrassig“, was mir allerdings völlig egal war. Jedenfalls nahm mich Karin sehr zärtlich in den Arm und hüllte mich in ihren weichen, pelzigen Wintermantel ein. Das war schön und ich wusste sofort, dass es mir bei ihr gut gehen würde.
Als guten Rat meiner Pflegeeltern hatten mir – damit ich keine Panik bekäme – meine neuen Herrschaften als Ersatz für das pochende Herz meiner Mutter, für die Nacht einen tickenden Wecker ins Körbchen gelegt. Selbstverständlich hatte ich dieses Täuschungsmanöver sofort durchschaut. Ich war schließlich gescheit! Und gefürchtet hätte ich mich auch ohne diesen Trick nicht. Ab dieser Zeit erlebte ich unendlich viel Neues.
Vor allem lernte ich eine ganze Schar von Leuten kennen, die sich alle Frauchen oder Herrchen nannten und als solche mit mir redeten. Ein zweites Frauchen, Gretel, bewunderte mich besonders intensiv und ein Drittes ging nicht, wie ich es bisher wahrnehmen konnte, auf zwei Beinen, sondern saß in einem Stuhl, der sich bewegen ließ und zu fahren begann. Diese merkwürdige Person nannten sie “Oma“.
Alle drei Frauchen streichelten und umkosten mich, dass ich vor Wonne total hingerissen war.
Gleich am ersten Nachmittag erschien noch eine Nachbarin von gegenüber, die mich ebenfalls entzückend fand und damit als Vierte, das Frauchen – Quartett vervollständigte.
Somit wäre mein Glück perfekt gewesen, wäre da nicht auch ein fieses, rabenschwarzes “Etwas“, wie ich es noch nie gesehen hatte und das in meiner feinen Nase sofort einen abgrundtiefen Widerwillen hervorrief.
Sie riefen das fauchende “Ding“ Mohrle und es entpuppte sich als Katze. Mir blieb nichts anderes übrig, als dieses Unwesen erst einmal zu ignorieren. Dass in der Folgezeit mein Name manchmal zu “Pumsi“, “Pumakl“, “Pummerl“ abgewandelt wurde, daran hatte ich mich schnell gewöhnt. Ein bißel schwieriger wurde es, als ich bald auch “Pümi“, “Pümchen“ oder “Pümilein“ als für mich zuständig, erkennen musste. Aber schließlich gelang mir auch das!
Sehr lästig empfand ich allerdings, dass mir meine Herrschaften, wenn sie mich spazieren führten, eine Leine ans Halsband hefteten. Sollte mich wohl am Davonlaufen hindern und genaudas hätte ich dochso gern getan.
Ich war nämlich wahnsinnig neugierig!
Um mein Ausbüchsen zu vereiteln, hatten sie auch noch einen Zaun herum anfertigen lassen.
Sie begriffen einfach nicht, dass ich nur erkunden wollte, was sich in der Umgebung tat und sowieso zurückgekommen wäre, schon wegen der vielen so angenehmen Streicheleinheiten! Also blieb mir nichts anderes übrig, als einen Weg zur Überwindung des Hindernisses zu suchen
Zunächst aber lenkte mich ein faszinierendes Erlebnis von diesem Vorhaben ab. .
Eines Morgens lag der ganze, mir nun schon wohlbekannte Garten unter einer blütenweißen Decke! “Schnee,“ stöhnte Karin und zog sich warm an. Das hatte ich nicht nötig, denn mein wollig dickes Fell schützte mich vor Wind und Wetter. Ein Genuss, sich in diesem glitzernden Weiß herumzuwälzen! Ich konnte gar nicht damit aufhören! Es war weich wie in einem Daunenbett — allerdings ein bisserl feucht, aber das machte mir ja nichts aus.
Als der Zaun fertig war, durfte ich endlich ohne Leine draußen herumtollen, aber halt nur im Garten… und da hatte ich doch längst schon alles erschnüffelt.
Da kam mir die hilfreiche Idee für Unternehmungen außerhalb, nach denen ich mich so sehnte. Ich entdeckte, dass ich, wenn ich mich nur richtig “schlank“ machte, beim Gartentürl würde hindurch kriechen können. Der Versuch gelang und endlich frei, wollte ich genießerisch die Nachbarschaft inspizieren. Leider kam ich nicht weit. Ehe ich Garten und Insassen nebenan richtig beschnuppern konnte, packte mich ein fremder Mensch am Kragen und beförderte mich sogleich zurück nach Hause.
Na, vielleicht klappt es das nächste Mal besser… Dummerweise wurde ich langsam größer, was das “Abhauen“ immer schwieriger und riskanter werden ließ. Einmal versuchte ich über ein schmales Brett den Nachbargrund zu erreichen, aber das endete in einer schlimmen Pleite. Nicht nur, dass der Zaun an dieser Stelle kein einziges Schlupfloch bot, merkte ich zu spät, dass das Holz unter mir arg zu wackeln begann und fürchtete schon in eine gefährliche Tiefe abzustürzen.
Nein, nur das nicht.
Was jetzt tun?
Vor Angst schlotternd blieb ich auf dem winzigen Steg hocken und hoffte auf Rettung.
Aber es kam keine.
Gretel bemühte sich, mich aus meiner miesen Situation zurück auf sicheren Boden zu locken.
Aber ich getraute mich nicht, nur kein Risiko eingehen Endlich erschien die per Telefon herbeigerufene Karin, mir schien es eine Ewigkeit… Sehr liebevoll verleitete sie mich zur Umkehr. Immer lockender waren ihre zärtlichen Bitten geworden und unter rasendem Herzklopfen wagte ich schließlich den Rückweg auf schwankendem Pfosten, um an ihrem Herzen den ausgestandenen Schreck zu überwinden.
Ach, was doch die Welt für hinterlistige Versuchungen für uns arme Hunde bereithielt!
Noch einen letzten Ausbruchversuch riskierte ich in dieser meiner Kindheit, der um ein Haar als Tragödie geendet hätte. Nach genauer Inaugenscheinnahme, erwies sich das zweite Tor unseres Gartens als geeigneter für eine derartige Aktion. Es mündete direkt auf Gehsteig und Straße und hatte breitere Löcher zwischen den Eisenstangen… das vermutete ich zumindest. . .
Da ich im Allgemeinen nicht feige war, versuchte ich also mich hier durchzuzwängen.
Zuerst klappte das auch ganz gut, aber plötzlich, als meine Nase schon die Freiheit witterte, war es, als umklammere mich eine mächtige Faust, die jedes weitere “Vorwärts“ lähmte.
Es gab aber auch kein Zurück… ich war gefangen!
Gretel kam angewetzt und fing, als sie das Malheur sah, zu jammern und zu schreien an.
Auch ihre vorsichtige Hilfe, konnte mich nicht aus dem Kerker befreien. Daraufhin stieß sie noch heftigere Angstlaute aus, die Frau Burbach alarmierten und dieses im Galopp angerannt kam.
Normalerweise störten ja solch überdimensionale Lautstärken mein sensibles Hörorgan und waren eine Tortour für mich. Jetzt aber war mir das egal, denn der eiserne Griff drückte schon auf alle meine Eingeweide und brachte meine Blase zum Laufen. Aber auch die Bemühungen von Frau Burbach halfen nichts, meine Situation schien aussichtslos und das Ende nahe… Herr Burbach musste schnellstens von daheim herangelotst werden und Gretel lief so schnell sie konnte zum Nachbarschaftschef, der ebenfalls im Eiltempo erschien. Aber welch Wunder, als die Verstärkung eintraf, war ich bereits gerettet.
Zentimeter um Zentimeter hatte mich Frau Burbach nach vorne geschoben… es tat mächtig weh und ich weinte jämmerlich. Aber das Bravourstück gelang und ich war draußen auf dem Gehsteig, an dem ich jetzt allerdings keinerlei Interesse mehr hatte und meine schmerzenden Glieder vielmehr heilfroh in Frauchens Arme kuschelte. Nie wieder würde ich so eine gefährliche Expedition anstreben und diese gemeine Falle von Tor flößte mir fortan einen ungeheueren Respekt ein.
Dass die Katze “Mohrle“ trotz meiner anfänglichen Abneigung zur Familie gehörte, damit musste ich mich wohl oder übel abfinden. Dabei benahm die sich oft wirklich unverschämt.
Als ich ihr einmal meine Vormachtstellung beweisen wollte, da wischte sie mir eine und ihre Krallen bekam ich als Kratzer unangenehm an meiner Nase zu spüren. Musste ich diesem provokanten, undurchschaubaren Wesen gar Achtung zollen? Was konnte sie besser als ich?
Höchstens ein Drittel so groß wie ich, gab sie sich schrecklich klug und war offensichtlich bemüht, mich in die Geheimnisse ihres Erfolges bei meinen Herrschaften einzuweihen.
So führte sie mir einmal in Omas Schlafzimmer vor, wie man, wenn einem etwas nicht “passt“ seine Gebieter ärgern kann nämlich durch Pinkeln auf deren Teppiche! Ich fand das zwar hinterfotzig, hockte mich aber doch in der dafür üblichen Pose ein wenig hin und wurde prompt von Gretel dabei ertappt, während sich das Mohrle blitzschnell aus dem Staub machte.
Da es sich nur um einen Versuch gehandelt hatte und Gretel sowieso nie mit mir schimpfte, blieb der Fall geheim. Ein wesentlich bedeutungsvolleres Phänomen beeindruckte mich allerdings sehr.
Wie schaffte sie es, sich, wenn irgendwas ihr Ärgernis erregte, nach oben so auszubeulen, dass ihr Leib zu einem gekrümmten Buckel emporwuchs? Natürlich probierte ich ebenfalls, meinen wohlgeformten Körper gleichermaßen zu verbiegen, was mir zwar nicht in solcher Perfektion, aber immerhin einigermaßen gelang.
Ein noch viel amüsanteres Gebaren, war Mohrles Mäusefangtechnik, die mich so faszinierte, dass ich es unbedingt auch versuchen musste. Minutenlang konnte sie lautlos im Gras kauern, um sich irgendwann wie ein Pfeil auf ihr winziges Opfer zu stürzen und es anschließend zu verspeisen. Nach einiger Übung gelang mir tatsächlich auch ein solcher Fang, nur ihn aufzufressen… pfui Teufel, das konnte ich nicht!
Da gab es wesentlich verlockendere und geschmackvollere Dinge in Frauchens Kochtöpfen.
Irgendwann hatte ich auch meine Stimme entdeckt – einen kräftigen, wohltemperierten Bariton. Natürlich begann ich ihn sogleich ausgiebig zu nutzen. Es war ein geeignetes Mittel, um in meinem Revier für Ordnung zu sorgen. Niemand durfte sich ab dieser Zeit meinem Bereich nähern, ohne dass ich meine diesbezügliche Macht demonstrierte.
Sofort war mir klar geworden, dass es auch meine Aufgabe war, das ganze Territorium sowie meine Herrschaften zu bewachen und zu beschützen.
Das war ich ihnen auch schuldig!
Abgesehen davon, hatte es mir aber auch ziemlichen Spaß bereitet, wenn der eine oder andere Zweibeiner vor meinem Gebell eilig die Flucht ergriff. Überlegenheit zu demonstrieren, war doch ein sehr angenehmes Gefühl! Das Gelöbnis nach meinem Unfall im Gartentor, in Zukunft sehr folgsam und brav zu sein, konnte ich natürlich nicht in vollem Umfang einhalten.
Zu viele teuflische Versuchungen gab es auch innerhalb des Hauses. So bereitete es mir ein köstliches Vergnügen, auf beiseite geschobene Schuhe von Frauchen, herumzubeil3en. Sie dufteten nicht nur betörend, es ließ sich daran auch herrlich knabbern. Leider war darüber mein Frauchen sehr verärgert, was ich gar nicht verstehen konnte. Wozu brauchte sie denn diese Dinger, ich lief doch auch barfuss herum!
Das Verbot auf Couch oder Bett zu hüpfen, ignorierte ich ebenfalls geflissentlich – besonders wenn sich niemand im Raum befand. Da wo meine Herrschaften saßen oder schliefen, da gehörte doch auch ich hin Ganz besonders schön fand ich auch das Zerpflücken von Klopapierrollen. Jedes Mal wenn ich eine erwischte, gab es für die kein Pardon. Bis zum letzten Blatt nahm ich sie auseinander und umhüllte mich genüsslich mit den weißen Schnipsel Das erinnerte mich an die Schneeflocken, die ich immer mal vom Himmel fallen sah…
Irgendetwas vom Tisch zu stehlen, war mir ebenfalls strengstens verboten. Im allgemeinen akzeptierte ich das auch, obwohl es mir bei Süßigkeiten oder gar Käse äußerst schwer fiel.
Nur ein einziges Mal überwältigte das schwache Fleisch meinen wirklich guten Willen.
Karin hatte der Oma von einer Reise eine Schachtel Pralinen mitgebracht, deren wundervolles Aroma gleich meine Nase kitzelte. Mir lief das Wasser in der Schnauze heftig zusammen…
Natürlich war mir klar, dass diese Köstlichkeit nicht für mich bestimmt war und so konnte ich nur neidvoll beobachten, wie die “Oma“ ein Stück probierte und dabei hingebungsvoll schmatzte. Aber ich war schlau und verfolgte den Weg, den diese seltenen Kleinodien nahmen und auf einem, zum Glück für mich nicht unerreichbaren Tischchen, abgelegt wurden. Ich wartete den Augenblick ab, wo niemand auf mich achtete und schlich klammheimlich zu den begehrten Objekten, um wenigstens auch eines davon zu verkosten.
Wirklich nur eines wollte ich davon naschen. Aber das Zeug schmeckte so hinreißend, dass mich die nackte Gier packte und ich den gesamten Schachtelinhalt einfach auffressen musste.
Von dem Donnerwetter, dass danach auf mich niederprasselte, bekam ich nicht viel mit, denn mich hatte inzwischen eine furchtbare Übelkeit befallen, die mich zwang, den ganzen süßen Genus wieder auszuspucken. Eine schlimme Strafe!
Je mehr ich zum Teenager heranwuchs, umso ernster wurden die Zeiten. Da meine Herrschaften für unser aller Verpflegung viel arbeiten mussten, übernahmen einen Teil dieser Verpflichtung auch Herr und Frau Burbach. Auch sie liebten mich sehr und wollten nur mein Bestes. Doch so vielen “Herren“ zu dienen war für mich kein Honiglecken.. Jeder von ihnen erwartete von mir die Erfüllung “seiner“ Wünsche und die waren leider nicht immer die gleichen.
Also musste ich ganz schön flexibel sein, um nicht in die Bredouille zu kommen.
Zum Glück war ich das! Bei den täglichen Spaziergängen durch den Wald gleich hinter unseren Häusern, wurde ich von Herrn Burbach energisch an die Kandare genommen, dabei wäre ich hier doch viel lieber allein herumgestrichen, denn es gab unheimlich viel zu riechen und zu erleben in diesen Gefilden.
Aber nein … ich kriegte jetzt Kommandos eingetrichtert, die mir gar nicht gefielen. “Sitz… Platz… Fuß…„ und wie das Zeugs noch hieß, das ich befolgen sollte… Natürlich hatte ich mich dagegen gewehrt und einfach “taub‘ gestellt. Aber Herr Burbach ließ partout nicht locker und behauptete obendrein, so etwas würden wir Hunde brauchen und sogar wollen!
Na, ich bestimmt nicht, ich hatte schließlich einen eigenen Willen und der war ziemlich ausgeprägt!
Er hatte ganz schön zu tun mit mir, bis ich endlich klein beigeben und mich fügen musste.
Das einzig Positive daran war, dass er mir jedes mal für die schwere Überwindung reichlich Lob spendete.
Bei diesen Waldspaziergängen begegneten mir aber auch die aufregendsten Dinge. . .
Da gab es zum Beispiel vom letzten Regen, Tümpel voll schlammigen Wassers, die erlesene Duftnoten verströmten und in denen mich zu wälzen, gehörte zu den größten Wonnen meines Lebens. Allerdings gelang mir dies nicht immer, denn gemeinerweise hatten alle meine Aufpasser etwas gegen ein solches “Bad“ und behaupteten, ich würde danach abscheulich “stinken‘. Jedes mal wurde ich zu Hause mit einem Wasserschlauch gründlich abgespritzt!
Die Menschen haben offenbar keine Ahnung was “Parfum“ bedeutet!
Da ich infolge meines anbefohlenen Gehorsams, im Wald ohne Leine laufen durfte, gelang es mir dank meiner Schnelligkeit wenigstens ab und zu das Verbot zu missachten und ihnen ein Schnippchen zu schlagen, denn lange bevor ihre Augen ein solches Schlammloch wahrnehmen konnten, hatte ich es längst gerochen.
Dieser Wald barg aber auch noch eine Menge anderer Geheimnisse. Allerlei Getier versteckte sich in ihm, das meine Nase auch in den entferntesten Winkeln witterte… Dann waren alle Befehle und Rufe zwecklos, im Galopp preschte ich vorwärts, Flüchtende zu stellen.
Besonders wutentbrannt stürmte ich los, wenn es sich um eine Katze handelte… Musste ich schon zu Hause so ein Exemplar respektieren, wollte ich mich wenigstens an ihren Artgenos-sen schadlos halten und sie gehörig durchbeuteln. Vertreiben konnte ich sie zwar immer, aber erwischen nie, sie stoben wie der Blitz davon!
Leider gab es in diesem Gewirr von Bäumen und Sträuchern auch Tiere, vor denen ich mächtige Angst fühlte. An einer blökenden Herde von Schafen vorbeizugehen, kostete
mir große Überwindung und viel guter Worte der jeweiligen Frauchen. Von dieser Armee fürchtete ich stets einen feindlichen Angriff.
Auch vor den Riesen, die auf einer großen Wiese zu Beginn unserer Wanderung, grasten, spürte ich mächtiges Herzklopfen. Sie wieherten bedrohlich und wenn man den Zaun vor ihrem Areal streifte, gab es gleich einen schmerzhaften Schlag… Jedes mal, wenn ich Pfiffe und Rufe ignorierte, gab es hinterher tüchtige Schelte, aber das nahm ich in Anbetracht des genossenen Vergnügens gern in Kauf.
Um die Bedürfnisse meiner Rasse besser zu verstehen, traten meine Herrschaften einem Verein für “Spitze“ bei, was zur Folge hatte, dass wir des Öfteren per Auto zu einem Treffen der Vereinsmitglieder fahren mussten, das meistens in einem großen Gasthof stattfand.
Vor allem die Fahrt dahin bereitete mir jedes mal ein “himmlisches“ Vergnügen. Wenn ich nur Frieders Auto erspähte, drängte es mich unwiderstehlich hinein zu springen.
Ich war so besessen vom Autofahren, dass ich sogar einmal zum Schreck von Gretel, mit der ich gerade im Ort spazieren ging, versehentlich durch die offene Tür in ein fremdes Auto hüpfte.
Bei Frieder konnte ich immer vom rückwärtigen Fenster die Straße, auf der die Menschen sozusagen vorbei flogen, beobachten. Faszinierend. . .
Konnte mich gar nicht daran satt sehen…
Beim Rendevouz am Zielort ging es dann aber nicht so interessant, sondern nur hektisch zu.
Ich wurde in eine Horde kläffender “Spitze“ jeder Größenordnung, von winzig, über Weiße, bis zu meiner Gattung, echter Wolfsspitze eingereiht und alle jaulten in den verschiedensten Tonarten. Am schlimmsten kreischten die Kleinsten. So entstand ein ohrenbetäubendes Tohuwabohu. Bei einem solchen Meeting war einmal auch ein “Inspekteur“ anwesend, von dem wir begutachtet, geprüft und bewertet wurden. Wir mussten im Kreis herumspazieren und diverse andere unverständliche Aufgaben ausführen. Ich bekam dabei nur ein “gut“, weil ich nicht in allen Punkten dem “Rassenwahn“ der Prüfer entsprach.
Die hatten keine Ahnung von wahrer Schönheit!
Immerhin erhielt ich dabei das Adelsprädikat “Puma vom Kaltenborn“ für meine eventuelle Nachkommenschaft. Anlässlich eines solchen Treffens war einmal auch ein hübscher “Halbwolf“ – Vater Wolf, Mutter Schäferhündin – anwesend, mit dem es sich herrlich spielen ließ. Er war noch sehr jung und ein famoser Kumpel, dem ich mich ein wenig “seelenverwandt“ fühlte.
Eines Tages wurde ich plötzlich sehr schwer krank. Mir war so elend, dass ich nur noch apathisch herumtorkelte und mich ins Gestrüpp verkriechen wollte. Niemand wusste, was mir fehlte. Frau Burbach war an diesem Tage gerade bei der “Oma“, sah meinen miserablen Zustand, alarmierte Frieder, der mich sofort zum Tierarzt transportierte. Der behielt mich in seiner Praxis und erst nach Tagen durfte ich, ziemlich ramponiert und wacklig, nach Hause zurückkehren. Man hatte mich vergiften wollen, hieß es. Vermutlich eine Nachbarin, mit der meine Herrschaften wegen einiger Bäume, die ihrem Grund zu nahe standen, im Clinch lagen und die sich über mich, an ihnen rächen wollte. Ich war ganz verwirrt darüber…
Gab es denn auch böse Menschen?
Das wusste ich bisher nicht und war sehr traurig darüber. Da man es nicht beweisen konnte, durfte ich ab sofort nicht mehr allein im Garten weilen.
Manchmal veranstaltete der “Spitzverein“ Zusammenkünfte auch im Freien. Das war angenehmer, denn da konnten sich unsere verschiedenen Stimmhöhen und -tiefen besser verteilen. Dabei gab es einmal auch ein Wettrennen. Wir sollten von einer Anhöhe hinunter ins Tal spurten und wer als erster ankam, kriegte einen Preis.
Oben stand Frieder und feuerte mich an… Natürlich schoss ich sofort los. Umso schneller raste ich dann hangab, als ich sah, dass mir von unten das Frau Burbach zuwinkte… Da hieß es rennen, rennen so rasant es ging. Tatsächlich wurde ich erster Sieger und gewann für meine Herrschaften eine Flasche Wein!
Bei diesen Treffen lernten meine Herrschaften auch, wie ich zu pflegen sei. “Fell- und Pfotenpflege“ hieß das Motto… Also wurde ich regelmäßig gebürstet, zuerst gegen, dann im “Strich“ Nach der Prozedur glänzte mein Pelz wunderbar seidig! Auch meine Pfoten wurden beschnitten und wenn man mich dabei nicht versehentlich zwickte, empfand ich das als recht angenehm. Äußerst ekelhaft war dagegen, dass ich ab und zu in einer Blechbadewanne mit einem Mittel, das Milben abtöten sollte, eingeseift und geschrubbt wurde. Eine miese Tortour, deren Gestank mir fast die Nasenlöcher verstopfte.
Das Schrecklichste, was mir in diesem “Verein“ widerfuhr, war aber das Vorhaben, mich “verkuppeln“ zu wollen. Wie konnten meine Herrschaften dabei nur mitmachen? Mir wurde ein Bräutigam namens „Hector Herkules von Hellas“ angeboten, der in meinen Augen eher einem arroganten, mickrigen Gartenzwerg glich. Dass er Europasieger in der Reihe der Wolfsspitze geworden war, interessierte mich nicht im geringsten. Seinen plumpen Annäherungsversuchen widerstand ich zur Enttäuschung meiner und seiner Herrschaften mit Bravour.
Ein Jahr später versuchten sie mich noch einmal mit einem anderen Galan zu beglücken. Der war nicht ganz so unsympathisch wie jener Herkules, aber ebenso wenig mein Typ.
5 Tage trieb sich dieser “Lupus“ samt seinem Herrchen in meinem Revier herum, doch auch bei ihm blieb ich standhaft. Um mein Herz zu erweichen, hätten sie mir schon einen attraktiveren Liebhaber präsentieren müssen. Dann wäre ich eventuell bereit gewesen ihre diesbezüglichen Wünsche zu erfüllen. Aber bei jedem Vielleicht-interesse meinerseits, hieß es stets… ein solcher Partner würde nicht zu mir passen.
So erging es mir auch mit meinem langjährigen Freund “Pico“, den ich fast täglich beim Spazierengehen traf. Ein feiner Kerl mit besten Manieren. Sein goldbraunes Fell glitzerte in der Sonne und seine Ohren hingen ihm lang über die Wangen. Dieser Golden Retriever war etwas älter als ich und ein echter Gentleman.
Wir verstanden uns prächtig.
Als es mich einmal arg gelüstete ihn zu verführen, wurde ich sofort von Frau Burbach mit der ich gerade durch den Wald streifte, an die Leine gelegt und aus war der Traum vom
Liebesglück…
So kam ich schließlich in den Ruf der “eisernen Jungfrau!“
Es geschahen auch Dinge in meinem nunmehrigen Erwachsenendasein, die mich arg ärgerten.
So zum Beispiel, wenn meine Herrschaften ohne mich fortgehen wollten und mir, da sie wussten ich liebte das nicht, ein Schmacko als Trostpflaster anboten. Obwohl ich richtig “scharf“ auf solche Spezialität war, empörte mich dieses Ablenkungsmanöver. Ich riss all meinen Stolz zusammen und spukte ihnen das kostbare Stück sogleich vor die Füße…
Auch wenn sie sich umarmten und küssten, passte mir das gar nicht und ich versuchte mich zwischen sie zu drängen. Derartige Intimitäten waren nur mir gegenüber angebracht.
Auch über das dritte Frauchen, die “Oma“ war ich einmal sehr erbost! Die hatte zu Ostern von Frau Burbach einen mit Schokolade übergossenen gebackenen Osterhasen bekommen… Sie mochte ihn aber nicht und schenkte ihn weiter. Danach begründete sie sein Verschwinden mit der süffisanten Lüge, ich hätte ihn “aufgefressen!“ Wahrscheinlich hätte ich das sogar getan, doch der wurde ja sorgfältig vor mir verborgen gehalten… Und ich Unschuldslamm wurde zum “Sündenbock“ gestempelt Solche “Patzer“ sollten in ehrbaren Familien doch nicht passieren!
Es gab aber auch höchst positive Aspekte in Zusammenhang mit der Oma und der Frau Burbach. Diese kam regelmäßig einmal in der Woche zur Oma wo es dann immer lebhaft und lustig zuging. Der Höhepunkt dieses “Ritus“ gipfelte in einer Art kulinarischer Orgie, an der auch das Mohrle und ich teilnehmen durften. Wenn Frau Burbach eine Packung Eis aus der Tiefkühltruhe holte – von der wir allerdings nichts abkriegten, so war das ein Alarmzeichen für den kommenden Genuss.
Sofort standen wir Schnauzen schleckend parat, denn gleich danach klickte die Sprühdose, aus der die köstlichste aller Köstlichkeiten – ein dicker Strahl weißer Sahne heraus quoll. Davon wurde auch uns je ein flaumiges Häubchen serviert, auf das wir uns schwelgerisch stürzten! Wirklich ein tolles Zeremoniell!
Die einschneidendste Veränderung in meinem Dasein fand statt, als ich bereits 8 Jahre alt war. Schon Wochen vorher merkte ich, dass etwas äußerst Wichtiges bevorstand, denn es herrschte große Hektik. Ein Alptraum, wenn man spürt, dass etwas passieren wird und nicht weiß, was…
Dann stand plötzlich ein riesengroßer Lastwagen mit einem Anhänger vor unserem Haus, in die all unser Hab und Gut hineingepackt wurde. Aber das hatte ich nur von weitem mitgekriegt, denn zu dieser Zeit war ich schon beim Frau Burbach einquartiert worden.
Danach verschwanden meine Herrschaften vollends und auch Gretel erschien nur selten als Besuch in meinem derzeitigen Domizil Auch das Mohrle war weg und vor unserem Haus sah ich lauter fremde Leute, was mich sehr irritierte!
Wenn ich mich über die merkwürdige Situation näher informieren wollte und unserem Haus zustrebte, zog mich Frau Burbach schnell weg und ins eigene Haus hinein.
Dort hatte ich zwar wahrlich ein Leben wie im Schlaraffenland, wurde verwöhnt mit Leckereien und meiner Lieblingsspeise gebratene Hähnchenschenkel. Auch die täglichen Spaziergänge blieben die gleichen. Nur… wo waren meine Herrschaften und was hatte das alles zu bedeuten?
Ich war überzeugt, dass sie wiederkommen würden, denn die herzliche Verbindung, die wir hatten, konnte nicht einfach abreißen. 4 Monate später – für mich eine Ewigkeit – stand tatsächlich das so bekannte Auto meiner Herrschaft vor der Tür von Burbachs. Voll Enthusiasmus sprang ich sofort hinein und vergaß dabei meinen Ersatzherrschaften ein hoffnungsfrohes “auf Wiedersehen“ zu bellen… was mir nachher sehr leid tat.
Kaum hatte ich meinen Platz in dem geliebten Vehikel eingenommen, merkte ich die Turbulenz, die darin herrschte.
Alles war vollgerammelt mit Taschen und Koffern. Musste mich ganz schön einschränken auf meinem gewohnten Platz… und da hockte auch das Mohrle in einem Käfig zwischen aufgestapelten Utensilien. Sie miaute zum Gotterbarmen, weil ihr Gefängnis in jeder Kurve ins Wanken geriet und meine Herrschaften die Schieflage nicht merkten. Mir war das alles egal, ich war endlich wieder bei meinen Herrschaften und die fuhren, fuhren und fuhren…
Die Landschaft flog an mir vorbei und ich war glückselig. Aber wohin fuhren sie denn nur?
Ab und zu hielten sie an und holten mich und auch das Mohrle aus deren Verlies, legten uns Beiden die Leinen um den Hals an Plätzen, wo entsetzlich viele Autos parkten.
Da mussten wir auf Kommando “pinkeln“ und wurden gleich darauf wieder ins Auto verstaut.
Weiter ging es… und ich hatte keine Ahnung wohin. Alles war fremd, vor lauter Hetzerei kam ich gar nicht dazu die Gerüche der Gegend zu diagnostizieren. Zwei Nächte verbrachten wir in so genannten Hotels, wo mir das Bellen strengstens untersagt wurde.
Nein so etwas…
Wissbegierig wie ich war, plagte mich die Neugier, was noch alles geschehen würde.
Es zeigte sich sehr bald in Form eines überdimensionalen Kolosses, der im Wasser schwamm und in den mein Frieder samt uns einfach “hineinfuhr.“ Aber gleich mussten wir aus dem Auto raus und hinein in einen winzigen Raum, wo es für uns Vier sehr eng wurde.
Doch das seltene Vergnügen im Bett direkt neben Frieder und Frauchen schlafen zu dürfen, entschädigte mich reich für alle Strapazen. Auch das Mohrle genoss diesen Vorzug, aber an diese unvermeidliche Gesellschaft war ich schließlich gewöhnt!
Im gleichen Tempo ging es weiter. .
Rein ins Auto, raus zum Pinkeln – mein Gott was hätte ich dabei an neuen Düften kennen lernen können. Aber ich musste weiter, immer weiter…
Noch einmal mussten wir eine Nacht in einem solchen im Meer schwimmenden Monster zubringen und wieder registrierte Karin erleichtert, dass sie uns nicht in einen der für Tiere vorgesehenen Behälter abliefern, sondern bei sich behalten durften.
Am folgenden Morgen erdrückten uns schier die Menschenmassen, die alle ins Freie strömten. Frauchen musste sich und uns durch sie hindurchwälzen. Endlich draußen stürmte und goss es in Strömen, sodass mir in wenigen Minuten das Fell am Leib klebte und ich klatschnass nur mehr die halbe Portion meiner selbst war. Bis Frieder endlich unser Auto heransteuerte, dauerte es lange und hätte uns Karin in dieser Zeit nicht fest in der Hand gehalten, wäre ich in diesem Tumult sicher übergeschnappt!
Wieder fuhren wir und konnten uns dabei ein bißerl erholen! Dann plötzlich mitten zwischen Feldern und Wiesen hielten meine Herrschaften tief aufatmend und seufzend an und ließen uns aussteigen.
Wo waren wir gelandet? Dieses Gebäude schien offenbar das Ziel der ganzen langen Expedition zu sein. Ich stürmte als erster ins Innere und erschrak sogleich heftig. Oh du lieber Himmel – wie sah es denn hier aus!
Zwischen und um Möbelstücke waren unzählige Kartons gestapelt, durch die man sich um zur Eckbank zu gelangen, hindurch winden musste. Die kam mir allerdings bekannt vor aus der Wohnung von Gretel. Zuerst wohnte die “Oma“ darin, aber die war seit einiger Zeit verschwunden. Mein Geruchssinn kriegte von all dem Durcheinander totale Schlagseite, sodass ich ins Rotieren geriet und ich nicht mehr zwischen damals und jetzt unterscheiden konnte. Inzwischen war es auch höchste Zeit für mein Abendmahl geworden. Die Verpflegung während der ganzen Tour war ohnedies eher spartanisch ausgefallen. Außerdem behaupteten meine Herrschaften, die 4 Schlemmermonate bei Herrn und Frau Burbach hätten meine Figur arg verschandelt und ich müsste auf Diät gesetzt werden… Keine rosigen Aussichten!
In Erinnerung an die alten Zeiten, hoffte ich heute meine Ration wieder in meinem gewohnten appetitlichen Keramikschüsselchen serviert zu bekommen. Leider vergeblich, denn Karin behauptete, dieses hätte sich in einem der Pappkartons verschloffen und sie wüsste nicht in welchem.
Also gab es auch an diesem denkwürdigen Abend nur Dosenfutter aus einem simplen Napf.
Meine Herrschaften schienen übrigens auch mächtig hungrig gewesen zu sein und wollten sich zwei saftige Steaks in die Pfanne werfen, als das elektrische Licht streikte, das das Vorhaben zunichte machte.
Solch nahrhafte Stücke roh zu verspeisen hatten sich die Menschen seit Olims Zeiten längst abgewöhnt und auch ich hatte mir diese Unsitte gefälligst zu verkneifen. Zum Glück gab es auch im neuen Zuhause hilfreiche Nachbarn, die mit vereinten Kräften die Elektrik wieder in Gang brachten und wir an diesem ersten Abend in der Fremde nicht verhungern mussten.
Am nächsten Morgen begann ich sogleich bei einem Spaziergang mit Frieder das Terrain zu erforschen. Dabei überfielen mich Gerüche, denen ich noch nie begegnet war. Natürlich interessierten mich all diese Aromen sehr, ich konnte sie aber nirgendwo einordnen.
Und was sich da an unbekannten Tieren herumtrieb, das versetzte mir den nächsten Schock!
Offenbar waren wir nach der langen Odyssee auf einem anderen Stern gelandet! Dem Mohrle dürfte die fragwürdige Situation ebenso zugesetzt haben, denn aus Protest haute sie ganz einfach ab. So etwas gehörte sich nicht und würde ich nie tun. Und ausgerechnet ich sollte sie suchen, bzw. erschnüffeln.
Karin und Frieder zuliebe bemühte ich mich auch sehr darum, aber bei dem Überangebot an ungewohnten Düften, gelang es mir leider nicht. Glücklicherweise kam sie nach drei Tagen freiwillig wieder, vermutlich des Hungers wegen.
Da abgesehen vom Mohrle, Katzen ein schreckliches Ärgernis für mich waren, musste ich feststellen, dass diese in meiner neuen Heimat geradezu scharenweise herumschlichen.
Ein Jammer, das würde für mich eine ständige Herausforderung bedeuten und ihre Vertreibung zur Lebensaufgabe werden! Nirgends war man vor ihnen sicher… überall tauchten sie klammheimlich auf, zogen sich selbst auf mein erbostetes Gebell nur scheinbar zurück, um gleich darauf hämisch und frech wieder und wieder ihre allgegenwärtige Präsenz zu demonstrieren. Gegen diese Meute war das Mohrle direkt ein angenehmes Exemplar!
Aber es ereigneten sich auch höchst erfreuliche Dinge in dieser Zeit auf dem fremden “Stern“.
Zu meiner freudigen Überraschung tauchte – wie vom Himmel gefallen – nach einer Woche plötzlich Gretel auf und bezog einen Stock höher ebenfalls eine Wohnung.
Darin sah es allerdings genau so vollgerammelt von Pappkartons aus, wie bei unserer Ankunft im Erdgeschoß.
Da inzwischen der Tag war, an dem die Menschen sehr feierlich das “Weihnachtsfest“ zelebrieren, konnten wir die Wiedervereinigung sehr würdig auf der beliebten Eckbank vollziehen. Im Gegensatz zum alten Milieu spendete der Himmel bei solchem Anlass seinen Segen hier nicht mit Kälte, Schnee, Eis oder Regen, sondern mit einem glitzernden Sternengeflimmer.
Inzwischen hatte ich auch herausbekommen, dass wir gar nicht in einem außerirdischen Territorium sondern auf einer Insel inmitten eines riesigen Ozeans an Land gegangen waren. Ein Eiland namens Kreta, auf dem ich in der nächsten Zeit wahrscheinlich noch allerhand großartige Abenteuer erleben würde.
Schon bald durfte ich mit Frieder zu diesem faszinierenden unendlich weiten, verlockend blau leuchtenden Gewässer mitfahren und kam aus dem Staunen über dieses fremde Phänomen gar nicht heraus. Selbstverständlich konnte ich es kaum erwarten, da hinein zu springen.
Bisher musste ich mich stets mit kleinen Tümpeln begnügen und jetzt auf einmal diese Megagröße! Mit Frieder schwamm ich in dem kühlen Nass um die Wette… nur schade dass es so grauslich schmeckte!
Ein anderes, geradezu umwerfendes Erlebnis widerfuhr mir ein paar Tage später beim Herumschnuppern am Samstagsmarkt im nahen Städtchen, zu dem mich Frieder mitnahm.
Ich mochte zwar die Leine nie, aber dabei war ich ausnahmsweise froh darüber, denn es herrschte ein fürchterlicher Trubel, in dem ich sehr leicht hätte verloren gehen können. Waren die Gerüche um unser Zuhause schon aufreizend genug – inzwischen konnte ich die meisten identifizieren – so war das Angebot auf den Ständen dieses Bazars einfach umwerfend.
Am meisten brachte mich hier eine Theke voll von Käse aus dem Gleichgewicht.
Diese Geruchsfaszination betäubte mich derart, dass ich nicht weiterlaufen konnte.
Ich hockte mich streikend vor den Stand, entschlossen ihn zu plündern. Das wäre die Krönung meines Lebens gewesen. Doch wieder wurde mir solches Tun untersagt und Frieder zerrte mich gewaltsam weiter.
Als Entschädigung dafür bekam ich allerdings ein wenig später ein dickes Lob zu hören.
Ein fremder Mann bewunderte mich ausgiebig – so etwas war ich gewohnt – und fragte mein Frieder in welcher Schule ich denn das “Folgen“ gelernt hätte. Ach, der gute Mann konnte nicht ahnen welche Überwindung mich das gekostet hatte!
Längst war mir klar geworden, dass auf dieser unserer Insel, auf der wir nach so vielen Strapazen gelandet waren, alles anders war, als in der früheren Heimat. Die Menschen meinen immer, da wir nicht sprechen können, wir Tiere würden nichts verstehen. Das ist ein großer Irrtum, denn ich wusste und verstand alles und zwar in jeder Sprache und war sozusagen universell! Ein paar Worte konnte ich lernen, aber meine eigentliche Stärke war das “Erfühlen“ aller Vorgänge!
Wie es aussah, hatten meine Herrschaften die Absicht zeitlebens auf dieser seltsamen Insel zu bleiben und ich musste zugeben, dass sie auch mir von Tag zu Tag besser gefiel… Zwar gab es Zeiten, wo es mir in meinem dichten Fellkleid verdammt warm wurde, aber umso Genussreicher verlief dann das ausgiebige Dösen auf einem versteckten, schattigen Plätzchen.
Bei meinen Herrschaften war man vor Überraschungen nie sicher.
Eines Tages schleppten sie einen schwarzen Winzling an, der offensichtlich auch zum Familienclan gehören sollte. Gottlob keine Katze, sondern ein Hundewelpe aus irgendeiner undefinierbaren Promenadenmischung. Warum das sein musste, wusste ich nicht… sie hatten doch schließlich mich! Aber na ja, mit dieser zappeligen Rotznase würde ich schon fertig werden.
Und bald schien noch mehr Neues bevorzustehen, denn wie ich von unserem Domizil aus beobachten konnte – am besten vor der Eingangstür oben zum 1. Stock – planten meine Herrschaften ein großes Haus mit viel Grundstück und einer Mange von Olivenbäumen drum herum, zu bauen. Keine schlechte Idee!
Ich verfolgte jede Phase dieses Unternehmens und wusste, dass es, wenn vollendet, ein herrliches Revier für mich abgeben würde. Viel imposanter und weitläufiger als alles bisherige Bis dahin musste ich mich halt mit der engen Wohnung und der mickrigen, eingezäunten Terrasse davor begnügen, aber Frieder ging ja jeden Tag mit mir spazieren und das bescherte mir immer wieder aufregende Abenteuer.
Ich begegnete dabei dem unglaublichsten Getier, das ich nirgendwo in meinem bisherigen Erfahrungsbereich einordnen konnte und fiel auf manch gefährlichen Irrtum herein. Da grasten doch, auf den jetzt mitten im Winter saftig grünen Wiesen Geschöpfe, bei denen ich überzeugt war, sie von früher zu kennen. Jene nahmen schleunigst Reißaus, wenn ich angaloppiert kam. Natürlich rechnete ich bei diesen hier mit derselben Reaktion.
Aber welcher Schreck, die dachten gar nicht ans Davonlaufen… Mir wurde ganz anders, als sie mit ihren Hörnern direkt auf mich zukamen und offenbar entschlossen waren, sich zu verteidigen. Es waren nämlich keine Rehböcke, sondern sehr wehrhafte Ziegen.
Ähnlich erging es mir mit einem viel kleineren Viehzeug, das auf Wiesen und Äckern frei herumlief. Selbstverständlich wollte ich auch die verscheuchen und… nicht zu fassen, auch dieses sich mächtig aufplusternde Pack stellte sich mir kampfbereit entgegen. Enttäuschend! Meine Herrschaften nannten solches Federvieh daher “Kampfhühner!“
Blieb mir nur die Katzenjagd, aber auch die hatte ihre argen Tücken. Einmal hätte ich es beinahe geschafft, einen solchen Frechdachs aus Nachbars reichhaltiger Clique zu “erledigen“, da wischte mir das Luder eine, dass mir gleich das Blut aus der Nase lief und so endete auch diese Attacke mit einer Pleite.
Nach einem Jahr zogen meine Herrschaften, das Mohrle und der in der Zwischenzeit recht aufmüpfig gewordene Blacky ins neue Haus – eine großartige Aktion! Nur Gretel blieb im alten Domizil wohnen. Es lag nur drei Äcker weit entfernt. Sehr praktisch, so hatte ich eine Anlaufstelle, wenn bei uns einmal etwas “schief“ lief. Gretel war viel weniger streng und verzieh mir sozusagen alles.
Davon musste ich tatsächlich eine Weile später Gebrauch machen! Es war inzwischen Sommer und sehr, sehr heiß geworden. Da verschlief man am besten die Tage!
Aber die Nächte… was waren die voll verlockender Geheimnisse! Das Geächze und Gekreische der Zikaden und Grillen, die tagsüber einen selbstherrlichen Lärm in den Olivenbäumen veranstalteten, war endlich verstummt.
Ein leichter Wind fuhr wohltuend durch mein Fell und kühlte es ein wenig. An einem solchen Abend vernahm ich plötzlich Stimmen Lockrufe von “meinesgleichen?“ Mal kamen sie aus der einen, dann aus der anderen Richtung… Riefen sie mich? Was wollten sie?
Ich fühlte mich magisch von ihnen angezogen. Ich bekam Lust, mich zu ihnen zu gesellen… und einen immer intensiveren Drang dazu. Es trieb mich einfach dazu heimlich abzuhauen, ohne dass ich wusste warum. Niemand schien mein Verschwinden zu bemerken und natürlich traf ich die Verführer, die sich in der Nacht in unserer Umgebung herumtrieben; frei und offenbar ohne Herrschaft. Es waren keine Gentlemans wie einst mein Freund Pico… nein, richtige Draufgänger und Temperamentprotze. Solche Haudegen war ich ja gar nicht gewöhnt, aber darauf nahmen sie keine Rücksicht!
Die ganze Nacht war ich unterwegs, nie würde ich jemand von den Begebenheiten in diesen Stunden erzählen, es wird für immer mein intimstes Geheimnis bleiben.
Als der Morgen graute, war ich total “groggy!“ Wohin jetzt?
Nie hätte ich mich in diesem ramponierten Zustand nach Hause gewagt. Aber da war ja gottlob Gretel, zu deren Türe ich mich schuldbewusst hinauf schlich. Sie war gerade beim Frühstücken und ziemlich erstaunt über mein ungewöhnliches Erscheinen. Sie ahnte ja nicht was ich am Kerbholz hatte und warum mir der Sinn nur nach “Schlafen“ stand. Mit viel Streicheleien und Schmackos versuchte sie mich aufzuheitern, aber sogar auf diese köstlichen Leckerbissen hatte ich momentan keinen Gusto.
Für die Tröstung und die Fürsprache bei meinen Herrschaften, war ich ihr aber sehr dankbar. Auch sie verziehen mir schließlich mein Vergehen und waren letztendlich wohl froh, dass ich wiedergekommen war. Und wer weiß, siie hätten sogar Verständnis dafür gehabt, dass mich nur das aphrodisierende Klima dieser Insel Kreta zu dem spontanen Ausbruch verleitet hatte.
Der nüchterne Alltag vertrieb mir alle weiteren Gelüste auf aushausige Abenteuer und ich erfüllte nun meine Aufgaben besonders eifrig und passte vor allem auf, dass niemand Unberufener sich unserem Gelände näherte. Außer meinem kräftigen Bell—Bariton konnte ich auch noch andere Klangelemente einsetzen, die ich aber nur in besonderen Fällen und mehr als Trick verwendete.
Ich konnte nämlich “heulen“ wie es meine Urahnen dereinst in den Weiten ihrer Jagdgebiete taten. Eine Fähigkeit, die nicht alle meine Artgenossen beherrschten, die aber besonders Gretel beeindruckte, wenn ich sie zum Beispiel am Weggehen verhindern wollte.
Zu meiner großen Freude sah ich auch Herrn und Frau Burbach aus der alten Heimat wieder. Sie fanden “unsere“ Insel auch wunderschön und besuchten uns jedes Jahr einmal.
Für mich hätte es nirgendwo schöner sein können als hier. Die Möglichkeiten zwischen Olivenbäumen und üppig wucherndem Gras und Gesträuch herumzuschliefen, waren toll und eine Wonne. Dass ich danach vor Kletten und Spelzen, manchmal auch Zecken, strotzte, war unvermeidlich.
Diese aus meinem Wollkleid herauszuklauben, war für meine Herrschaften manchmal Sisyphusarbeit. Den Blacky, der auch als Erwachsener kaum mehr als eine Höhe von 30 cm erreichte und daher all das ausgedörrte Zeug auf seinen üppig wuchernden schwarzen Zotteln mitschleppte, ließen sie im Sommer einfach “scheren!“ Und Blacky, dieser eitle Tropf stellte nach jeder Schur als Nackedei stolz und provokativ seine kräftigen Muskeln zur Schau.
Bei mir wäre das Sünde gewesen, denn gerade die dichte Farbsymphonie wies mich ja als echten Nachfahren der Wolfsahnen aus. Dass manche Leute behaupteten, die zurecht gestutzten Pudel kämen diesen am nächsten, hielt ich stets für pure Propaganda.
In meinem Fall blieb also nur vorsichtiges Herauszupfen und Bürsten. Zweimal im Jahr warf ich sowieso mein Fell ab und deponierte dabei die überflüssigen Haare im Wohnzimmer meiner Herrschaften.
Eine zeitlang sammelten sie diese, um sich daraus vielleicht einen Pullover zu stricken. Aber angesichts der anwachsenden Menge und der Tatsache, dass es auf unserer Insel meist sehr warm ist, gaben sie dieses Vorhaben auf.
In meinen “wechselhaften“ Tagen sah ich immer sehr dezimiert aus, aber hinterher glänzte ich umso attraktiver.
Der Blacky spielte sich allmählich als Möchtegernherrscher im Haus auf. Eine Weile tolerierte ich dieses respektlose Verhalten, bis er es zu arg trieb und mich in Rage brachte.
Da schnappte ich ihn mir und beutelte ihn wie einen nassen Lappen in meiner Schnauze hin und her – diese Alpha-Hund-Allüren mussten ihm ausgetrieben werden! Karin schrie, fürchtete ich würde ihn zerbeißen, aber solche Absichten hatte ich natürlich nicht. Aber die Rangordnung musste eingehalten werden.
Richtig leid tat mir allerdings, dass dieser “Held“ in seiner Angst und Hysterie meinen Herrschaften das Wohnzimmer voll geschissen hatte. Im Geiste bat ich um Entschuldigung dafür. Zeitweise zeigte sich der Blacky aber auch äußerst galant mir gegenüber und mimte den perfekten Liebhaber! Unerwartet und ungeplant “flog“ uns eines Tages noch ein weiteres Familienmitglied zu.
Frieder vernahm im Garten ein klägliches Wimmern und fand unter den Sträuchern ein winziges Wesen, das vermutlich über den Zaun in unser Areal hineinbefördert worden war.
Es passte gerade in seine Hand, in der er es uns präsentierte. Es hatte Augen so groß wie Bernsteine und Ohren, die mal standen, mal zusammenfielen. Sein Fell war glatt und glänzte goldfarben und erinnerte mich an meinen Freund Pico.
Was tun überlegten meine Herrschaften…
Ein verwaistes Geschöpf von irgendwoher, von irgendwem aus irgendwelchem Grund auf dem Luftweg zu uns hereintransportiert… was sollte denn das? Eines erkannte ich sofort, es war keine Katze. Obwohl es vor allem bei Frauchen leichte Zweifel bezüglich eines Hundestammbaumes gab – sie zog einen wüstenfuchsähnlichen Welpen möglicherweise in Betracht – gewährten sie dem seltsamen Findling Asyl und tauften ihn “Lena“, denn es war eine “Sie!“ Auf diese Weise war unser Clan um ein weiteres Mitglied angewachsen.
Eine Katze wollte man meinen Herrschaften auch schon mal unterjubeln, weil sie uns Tieren wohlgesinnt sind. Derartiges hätten jedoch ich und Blacky nicht geduldet. Das “Mohrle“ war zu dieser Zeit bereits spurlos verschwunden, genau wie lange vorher, noch in der alten Heimat die “Oma“. Plötzlich waren sie weg… Warum und weshalb es dieses “Verschwinden“ immer wieder mal gab, konnte ich überhaupt nicht begreifen.
In unserem jetzigen Hundetrio herrschten zwar manchmal ein Gerangel und Gezeter, im allgemeinen aber recht friedliche Zeiten und Ehrensache war, dass ich mir von niemand meine Vormachtstellung nehmen ließ.
Vom oberen Balkon unseres Hauses hatten wir übrigens einen prächtigen Ausguck über unser gesamtes Terrain.Genau drei Spalten darin, in die unsere Köpfe hinein passten, boten jedem von uns einen Überblick über alle Geschehnisse, die außerhalb stattfanden. So konnten wir, wenn notwendig, mit heftigem “Crescendo“ gemeinsam auf etwaige Ungereimtheiten reagieren.
Es gäbe noch viel zu erzählen von meinem Dasein auf der Erde bei den Menschen, den offensichtlichen Herren über diesen, im Himmelsgebäude kreisenden Planeten. Für mich war es ein aufregendes Hundeleben in Herrlichkeit, dass ich für alle Zeiten genießen wollte…
Doch im Herbst, es war noch sehr warm, packten Karin und Frieder ihre großen Koffer, also sie wollten wieder mal verreisen, lang! Mir war zu der Zeit nicht wohl und Karin sah mich beim Abschied lange an und sagte, sie hoffe mich gesund wieder zu sehen. Zunächst ging alles glatt. Futter brachte uns Gretel und wie reichlich! Doch eines Morgens ging es mir ganz schlecht. Ich fühlte mich schwach und konnte nicht mehr mit den Hinterläufen aufstehen. Emanuel, Gretels Nachbar kam zur Hilfe und holte Roulla, die Tierärztin. Die gab mir Medikamente und es ging ein bisschen besser. Gretel meinte, ich würde es noch schaffen bis Karin und Frieder zurückkämen.
Ich war aber sicher, es würde nicht gehen. Ich fühlte mich schwächer und schwächer. Kaum konnte ich die leckeren Käsestückchen essen die Gretel mir anbot. Eines Morgens kam Emanuel mit Gretel mit zu mir, Gretel mit Tränen in den Augen. Sie streichelte mich über den Kopf und ging dann rasch hinaus.
Emanuel hielt nun meinen Kopf und herein kam die Tierärztin Roulla. Ich freute mich denn wenn sie da gewesen war ging es mir hinterher ja immer ein bisschen besser. Die Spritze fühlte ich kaum, dann glaubte ich Frieders Pfiff zu hören, Karins lautes Rufen, ich roch den Duft von Lavendel und Jasmin, dann den Duft der feuchten kretischen Erde, die ich so geliebt hatte und dann wurde es dunkel um mich.
© Margarete Kalbe 2005