Die Mosel

Liebeserklärung an einen Fluss

Geschmeidig und elegant wie eine Schlange. windet sich die, in den südlichen Vogesen entsprungene Mosel, durch die deutsche Landschaft von Trier bis Koblenz.

Dort, am Deutschen Eck vereinigt sie sich mit dem berühmten, viel besungenen Vater Rhein, als dessen, mit 545 km langer, größter Nebenfluss und wird von ihm, mit zur Nordsee befördert.

Als eher sanftes, aber eigenwilliges Gewässer zwängt sie sich in Kurven und Kehren durch ein von Wäldern, Höhen und Bergen geformtes Land, das einst von Kelten bewohnt… im 1. Jhdt vor Ch von den Römern erobert wurde.

Deren Erbe prangt unübersehbar mit der Porta Nigra, dem „schwarzen Tor“ in Trier, das jedoch noch mit weiteren Hinterlassenschaften als Ruinen, des gewaltigen Imperiums aufwartet.

Die größte Dankbarkeit gebührt aber den längst im Moder der Zeit versunkenen fremden Ahnherren für eine andere Gabe: sie haben der Mosel, bzw. deren Umgebung die Weinrebe beschert, die nun die Hänge des Flusses, oft lieblich, sehr viel öfter aber Schwindel erregend steil, umrahmen.

Mit diesem „Geschenk“ hat die Mosel, den alten Konkurrenten Rhein, fast überflügelt, denn nirgendwo sonst in deutschen Landen wird so viel Wein angebaut wie neben und oberhalb ihrer Ortschaften!

Und was für ein köstlicher Tropfen rinnt da nach harter Arbeit aufs ganze Jahr verteilt, aus den Fässern der Weinkellereien !

Wie das Wasser im Fluss glänzt der Riesling golden in den „Römern“, diesen bauchigen, oft von Trauben verzierten Gläsern, als Erinnerung an diese Ahnen.

Dass der Weinbau bereits in den römischen Jahrhunderten an der Mosel florierte, davon zeugen Funde, wie zum Beispiel die römische Kelter-Anlage in Piesport.

Trotzdem wird manchmal betont, dass bereits in keltischen Siedlungen der Anbau von Wein betrieben wurde und zwar inspiriert von den Griechen.

Beweisen würde dies der an der Mosel übliche und traditionelle „Stock-Anbau“, der während der Römerzeit nicht üblich war, aber in Griechenland mancherorts noch heute stattfindet.

Kein Grund jedoch den Römern ihr Privileg streitig zu machen. Tatsache bleibt, dass er von ihnen an der Mosel eingeführt und in großem Umfang verbreitet wurde.

Weinbau fand auf unserem Globus ja an vielen Orten schon zu wesentlich früherer Zeit statt und eine Sage erklärt in seinem vermutlichen Ursprungsland Persien, wodurch diese „Erfindung“ gelang.

Danach fand vor ca. 8000 Jahren ein König die Weintrauben in seinem Keller gärend vor und hielt sie entsetzt, für von Geistern besessen und vergiftet.

Die Königin, von Kopfschmerzen geplagt, konnte nicht widerstehen, sie zu kosten und siehe da, sie wurde nicht nur von dem Leiden befreit, sondern auch sehr fröhlich nach dem seltsamem Genuss.

In Persien wurde auch die bisher älteste Kelter-Anlage mit einem Alter von 7000 – 7400 Jahren entdeckt.

Schon 5000 vor Ch lässt sich Weinanbau in Georgien, sowie in Sumer nachweisen…

Voraussetzung dafür war jedenfalls die Sesshaftigkeit der Menschen.

Die Griechen dürften im 7. oder 6. Jhdt vor Ch. Rebstöcke nach Gallien gebracht haben, während die Römer sie an Spanien, Gallien, Nordafrika und später an Rhein und Mosel weiter reichten.

Die Griechen vermischten ihre Rebensäfte mit einer gehörigen Portion Wasser, von allen aber wurde die entstandene Köstlichkeit als Trank der Götter betrachtet und geehrt.

Die Voraussetzung für das Kraft und Gesundheit spendende Elixier war jedoch die Wildrebe, die wiederum durch Funde, ihre Existenz vor 80 Millionen Jahren belegt!!

Der Grund unserer persönlichen Beziehung zur Mosel, seinen anheimelnden Dörfern, den lieblichen Hängen, auf denen der Wein gedeiht, den auch wir als Gabe Gottes schätzten, ergab sich durch unseren, ein paar Jahre währenden Wohnort im Siegerland, in Westfalen. Die dunklen Wälder dort mit ihren reichlichen Regenfällen und der anstrengende Beruf von Kurt, verlangten an den Wochenenden nach einer Flucht in lieblichere Regionen und die fand sich sehr bald an den Gestaden dieses Flusses.

Das passende Quartier für das häufige Ausschwärmen fand sich in dem kleinen Weindorf Valwig an der Mittelmosel, wo die Weinberge bis an die Straße reichen und das Dorf umrahmen… im Hotel-Restaurant eines alt eingesessenen Weinbauers, sehr zentral, um von hier die Mosel von Trier bis Koblenz kennen zu lernen, doch vor allem ihre zauberhafte Schönheit zwischen Cochem und Bernkastel zu bewundern.

Doch nicht nur die Äußerlichkeiten lockten uns, auch die schwere Arbeit der Winzer über das ganze Jahr hindurch, von den nackten Stöcken auf Hängen und Ufer über die Ernte, das Keltern, den Vorgang des Gärens und Reifens in den Weinfässern und schließlich die Abfüllung in Flaschen bis zum Genuss in Gläsern verfolgten wir interessiert und lernten den Wein dadurch umso mehr zu als echte Gabe Gottes zu schätzen, die mit Verstand und Andacht getrunken werden muss.

Schräg gegenüber von Valwig hielt die Stadt Cochem, als eines der wichtigsten Zentren der Mittelmosel, bereits ein sehr malerisches Portrait mit Fachwerkhäusern und lauschigen, engen Gassen für uns bereit, deren Gesichtszüge auf der Strandpromenade am Strom, sich jedoch zu einem Flair mit einem Hauch Weltgewandtheit verwandeln. Wenn gefeiert wurde in Cochem, dann stellte der Platz hinter der Promenier-Meile, sein Viereck dem Amüsement zur Verfügung.

Das Wahrzeichen der Stadt liefert jedoch die Reichsburg, hoch oben auf einem Felsklotz, das leider allerdings bereits zweite Wahl ist, denn das Original aus der Zeit um 1000, als Wunschtraum eines Pfalzgrafen errichtet – das später ein König zum Reichslehen erhob – wurde 1689 bei der französischen Invasion an der Mosel annektiert und gesprengt. Auch Cochem selbst erlitt das Desaster der totalen Zerstörung.

Nachbarschafts-Streitereien auf höchster Ebene…

Erst 1868 erbarmte sich ein Berliner Kaufmann der traurigen Ruine über der wiederaufgebauten Stadt, ließ sie neu-gotisch wieder erstehen und behielt sie 75 Jahre lang als Sommersitz der Familie.

Jetzt ist die Stadt Cochem stolz auf das prächtige Erbe und pflegt und hegt es für die Touristen, die damals noch nicht in so massenhafter Anzahl den Vater Rhein und seinen schönen Nebenfluss belagerten.

Am rechten Ufer der Mosel – von Trier aus betrachtet – schließt sich unmittelbar an Valwig, der kleine, steil empor steigende Ort Beilstein an.

Als echtes „Bilderbuch-Dorf“ nahm es einen festen Platz in unserem Besuchs-Kalender ein… wir wurden nicht müde, uns über die vielen Stiegen zu seinem Hauptplatz aufwärts zu quälen.

Schmucke Häuser kuschelten sich eng aneinander, als fürchteten sie, in die schwindelnde Tiefe zu stürzen.

Auf der unteren Etage, verrichteten auf Miniatur-Plätzen die Bewohner ihren Arbeitsalltag zwischen tierischen Hausgenossen, so wie vor Hunderten von Jahren… hölzerne Bottiche standen bereit für die Lese der Trauben, der wichtigsten Beschäftigung im Jahr.

Auch die Durchgangsgasse zum Mosel-Ufer war schmal und von Grün überwuchert und das Rascheln der Blätter, vermählte sich mit dem leisen Murmeln der Wellen.

Über dem winzigen Marktplatz, der noch in bestens erhaltenem mittelalterlichen Zustand glänzt, thront als kahles Gerippe auf einem 60 m hohen, auf 3 Seiten steil abfallenden Felssporn… die Ruine Metternich.

Eine Burg da oben, wird erstmals 1268 als Lehen eines Angehörigen des Erzbistums Köln, genannt. Sie hat dem 30-jährigen Krieg standhaft getrotzt und 1637 erscheint sie in den Annalen der Herren von Metternich.

Bereits 50 Jahre später wurde sie leider ebenfalls ein Opfer der Zerstörungswut der französischen Nachbarn.

Nie wieder aufgebaut, war der letzte Herrscher über die Ruine bis 1794 der Fürst von Metternich.

Eine Familie übernahm dann das traurige Abbild feudaler Vergangenheit und später hat sich eine Gaststätte in den umfangreichen Resten etabliert.

Beilsteins historisches Zentrum machte dagegen als „Miniatur – Rothenburg“ Furore oder wird liebevoll auch als „Dornröschen der Mosel“ zitiert, zumal ein Puppenspieler mittlerweile hier das richtige Milieu für seine Kunst entdeckt hatte.

Ein Pilgerziel ist der kleine Ort auch, da seine barocke Klosterkirche mit einer „Schwarzen Madonna“ zur Wallfahrt animiert.

Wie Perlen reihen sich die malerischen Orte an beiden Ufern der Mosel aneinander – manche beanspruchen beide Seiten des Flusses – und bilden eine schillernde Kette, die sich in großen und kleinen Schleifen vor Urzeiten in die Hochflächen des Rheinischen Schiefergebirges eingegraben hat.

Eine ideale Grundlage für die an den empor gestaffelten Hängen, vor allem eingepflanzte Riesling-Weinrebe! Sie und auch Müller-Thurgau gedeihen unter den fantasievollen Namen der einzelnen „Lagen“ prächtig und sind sprichwörtlich geworden!

Obwohl immer wieder Brücken die Ufer der Mosel verbinden – die älteste präsentiert die Römerbrücke in Trier – verkehrten in diesen 60-er Jahren auch noch von Hand betriebene Fähren, die wie Flöße mit Sitzgelegenheit aussahen, zwischen Hüben und Drüben.

Mit ihnen überzusetzen war besonders gemütlich, boten sie doch mit ihrem gemächlichem Betrieb stets die Chance für Schwätzchen, mit vom Fluss getrennten Nachbarn.

Pittoresk und geradezu verwegen muten die Schleifen der Mosel zwischen Cochem und Bernkastel aus der Vogelperspektive, an… Aber auch danach in Richtung Trier beweisen besonders die Orte Piesport und Trittenheim mit ausschweifenden Schlingen, den Übermut und Eigenwillen des Flusses.

Eine Sorge belastete allerdings unsere so abwechslungsreichen und wundervollen Wochenenden am Strom: wie wird er in den folgenden Jahrzehnten wohl aussehen? Wird er auch dann noch sein Image als stilles und romantisches Gewässer bewahren können?

Der Mosel-Vertrag von 1956 verpflichtete nämlich Deutschland, neben Luxemburg und Frankreich zur Regulierung eines 270 km langen Teilstücks mit entsprechenden Schleusen-Anlagen (insgesamt 10), damit auch dieser Wasserweg in Europa für große Schiffe befahrbar sein würde und bestand auf Fertigstellung bis 1964.

Zwar liefen die Arbeiten für dieses Korsett der Mosel bereits, waren aber noch nicht bis zu unserem Mittelstück vorgedrungen, sodass wir noch ungestört seinen Charme und Reiz genießen konnten.

Immerhin hatten schon die Römer mit der Idee einer Schiffbarmachung geliebäugelt, auch im Gedicht von Ausenius wird sie erwähnt, trotzdem konnten bis ins 19. Jhdt nur kleine Kähne in ihren Fluten kreuzen.

Erst seit 1841 fand regelmäßiger Dampfschiff-Verkehr zwischen Trier und Koblenz statt.

Nun wurde damit Ernst und die Stunde des Abschieds von idyllischer Beschaulichkeit, hatte bereits zu schlagen begonnen. Umso intensiver versuchten wir die verbleibende Zeit zu nützen.

Den zweiten Höhepunkt an der Mosel stellt in jedem Fall Bernkastel, mit dem ihm 1905 einverleibten, älteren Kues, am gegenüberliegenden Ufer, dar.

Es kann eine besonders weit in die Zeit zurückreichende Historie bieten, denn Archäologen haben herausgefunden, dass bereits 1000 vor Chr. Menschen aus der Bandkeramik-Ära in Kues gesiedelt haben.

600 vor Ch waren es die Kelten, die das hübsche Panorama zur Heimat erwählten und von 50 vor Ch bis 400 nach Ch wandelten die Römer in dieser Dependance ihrer Kaiserstadt Trier in den Fußstapfen der Vorgänger.

Die Burgruine Landshut, die uns schon von weitem sichtbar, zuwinkte, schrieb erst um 1000 als Sitz von Adalbero von Luxemburg, Probst eines Trier Stiftes, Geschichte… es löste ein auf der Anhöhe thronendes, römisches Kastell, ab.

Sehr bald entspann sich um dieses attraktive Bauwerk eine heftige Auseinandersetzung. Grund war der Streit um den Bischofsstuhl des Erzbistums Trier.

Adalbero, der Herr von Landshut weigerte sich, den vom Papst gewählten Kandidaten für dieses Amt, anzuerkennen und machte ihm den Stuhl streitig.

Ein Zwist zwischen Kirchenmännern, der 7 Jahre, von 1005 – 1016 dauerte und in dessen Verlauf sich Bischof und Gegenbischof, unterstützt von ihrer jeweiligen Adelsclique, ganz schöne Kraftproben lieferten.

Adalbero, der Probst der Benediktinerabtei St. Paulin am Stadtrand von Trier, zerstörte die Stadt und der gewählte Bischofs-Anwärter eroberte und demolierte in der Endphase des Debakels um den „Stuhl“, Adalberos Burg Landshut und konnte 1017 endlich sein Amt antreten.

Als große „Moselfehde“ ist dieses Desaster in den Annalen vermerkt.

Die Burg wurde neu aufgebaut, aber der „Landshut“ war kein dauerndes Glück beschieden. 1692 zerstörte sie ein Brand völlig und 1920 erbarmte sich die Stadt Bernkastel der traurigen Ruine und nahm sie in Besitz.

Solches und ähnliches Verhalten der „Elite Gottes“ auf Erden sorgte öfter schon für Entsetzen, Zorn und Zweifel an den heiligen Institutionen… die Robe der Religionsdiener ist halt keineswegs fleckenlos, denn auch sie sind eben nur Menschen!

Das Städtchen Bernkastel mit seinen wunderschönen Fachwerkhäusern, dem attraktiven Marktplatz mit dem Michaelsbrunnen, vertreibt schnell alle ketzerischen Gedanken.

In einer seiner gemütlichen Weinstuben, zum Beispiel den „Bernkastler Doktor“ zu schlürfen, versöhnt schnell mit der „Schlechtigkeit“ der Welt.

Was wären schließlich alle die Städte und Dörfer ohne ihre prächtigen Kirchen. Und künden nicht die Glocken der Gotteshäuser überschwänglich von Frieden… der doch immer wieder gebrochen wird!

Trotz allem, der Wunsch und die Hoffnung darauf dürfen nicht untergehen… diese Botschaft vermittelt insbesondere auch der edle Tropfen aus den „Römern!“

Wie das gesamte Europa sind auch die Mosel-Dörfer und Städte von Kriegen und Krankheiten, wie Pest gebeutelt worden… das römische Imperium ist von der Weltbühne verschwunden, aber der liebliche Strom fließt weiter…

1401 wurde Nicolaus Cusanus, als Sohn eines wohlhabenden Schiffers und Kaufmann in Kues geboren.

Mit ihm hat ein Universalgenie an der Mosel, die Weltbühne betreten. Als Theologe, Mathematiker und Philosoph trug er sein Wissen als erster Humanist des ausgehenden Mittelalters, in die zum Start bereite Neuzeit und durch Europa.

Seine Philosophie widmete sich der Überwindung der Gegensätze in der Welt des Menschen, die er in der Einheit zu finden hoffte und ordnete diese dem Phänomen „Gott“ zu.

Bernkastel verdankt diesem großen Gelehrten und Kirchenmann das Nikolaus-Hospital, das sich noch heute um Kranke kümmert.

Nach Bernkastel statteten wir noch 2 Orten kurze Besuche in Richtung Trier ab, die ebenfalls in einem kühnen Bogen ins Land hinein ragen.

Da lockte zuerst an beiden Ufern, der Weinort Piesport, wo auf steilen, in Terrassen angelegten Hängen, erlesene Lagen und Sorten gedeihen, die zu einer Kostprobe einladen.

Besonders viele Relikte aus römischer Zeit und alte Weinhöfe gehören zu seinem Image und als Besonderheit weist es einen Felsen in seiner Nähe als „Mosel-Loreley“ aus.

Allerdings waren wir der Ansicht, dass dieses etwas niedrigere Double vom Rhein es nicht nötig hat, sich mit fremden Federn zu schmücken, für sich allein durchaus anziehend wirkte und ohne Vergleich auskommt. Die Lage des „Piesporter Tröpfchen“ dagegen verdient außer Zweifel einen unbestrittenen Spitzenplatz im Kalendarium der Moselweine.

Der Schlussstrich vor Trier gehörte dann bei einer unserer längeren Touren, dem, ebenfalls auf beide Ufer verteilten Trittenheim, das wiederum einen Benediktinerabt als Gelehrtem von hohen Rang, namens Trithemius, hervorgebracht hat. Die Stadt ehrt ihn mit einem Denkmal!

Ein wenig merkwürdig scheint er schon gewesen zu sein, dieser spätere Abt von Sponheim bei Bad Kreuznach…

Mit 17 Jahren von daheim fort gelaufen, eignete er sich sein Wissen auf sehr mühevolle Art an, besuchte nie eine Universität und sprach trotzdem Griechisch, Latein und später auch Hebräisch!

Er ordnete das Mönchs-Wesen nach strengen Attributen, forderte Disziplin und fiel damit schließlich bei den Untergebenen so in Ungnade, dass sie seine so leidenschaftlich gesammelten Bücher verbrannten, was ihn sein Leben lang schmerzte.

Er ging nach Würzburg, wurde abermals zum Abt gewählt und starb auch dort.

Hoch verehrt, gab es auch kritische Stimmen über ihn, denn man sagte ihm einen Hang zur Magie nach, was sich aus seiner Sicht nur auf den „weißen“ Teil dieses „Glaubens“ bezog, während Gegner ihn auch als Anhänger der „schwarzen“ Seite bezichtigten und ihm der Name Hexen-Theoretiker verliehen wurde.

Ein Gelehrter also, der sich nicht ganz aus den Fängen seiner Zeit befreien konnte!

Uns stärkte in Trittenheim jedoch vielmehr das berühmte „Altärchen“ vor dem Rückweg über Bernkastel, Richtung Cochem, nach Valwig.

Auf diesem Abschnitt präsentiert ja die Mosel das hauptsächliche und eigentliche Milieu Ihrer verwegenen Mäander-Tätigkeit. Hier schuf sie ihr aufreizendes Profil von Schlingen und Schleifen und erteilte jedem geraden Flusslauf, sogleich eine Absage. In immer neuen Verrenkungen, löste sie, ehe sich ein Schleife zu verwickeln drohte, in einer scharfen Kurve den anstehenden Knoten auf.

Durch diese spitzbübische Laune ergeben sich immerhin, eine beträchtliche Anzahl von Straßenkilometern, die dem Verkehrsweg aufgezwungen werden. Etwa 60 mögen es bis Valwig noch sein.

Kurze Station am „Heimweg“ verdiente vor allem Ürzig, als einer der ältesten Orte am linken Mosel-Ufer, der von einem schroffen Steilhang an einer weiten Schleife überragt wird. Der Wachturm, Relikt aus einer mittelalterlichen Befestigung, trägt eine Sonnenuhr an seiner Südwand.

In der nächsten, etwas bescheideneren Schleife empfing uns das von Historie beladene Dorf Kröv. In römischer Zeit Corviacum genannt, hielten hier später im sogenannten „Cröver Reich“ die fränkischen Könige Hof.

In den Weinstuben der winkeligen Gassen, voll von bildhübschen Fachwerkhäusern, wird der weltbekannte „Kröver Nacktarsch“ ausgeschenkt. Eine Spezialität, um die sich allerlei Legenden ranken.

Die glaubwürdigste Version dieser wohlschmeckende Visitenkarte, ist wohl die, dass eines Tages böse Buben den Wein in einer Kellerei probieren wollten, dabei vom Kellermeister entdeckt wurden und zur Strafe den Hintern versohlt bekamen!

Viel zu nüchterne Zeitgenossen meinen dagegen, dass sich der ominöse Name der köstlichen Marke einfach vom lateinischen Nektarius, bzw. Nackta ableite.

Noch ein kleines Stück Straße, dann waren wir in Traben-Trarbach angelangt, dem Doppelort, der seit 1898 durch eine Brücke verbunden ist.

Über ihm thront das markante Wahrzeichen der Grevenburg, das leider wieder zu einer Art Ruine verkommen ist. Im spanischen Erbfolgekrieg beschädigt, versetzten ihr die Franzosen im siebenjährigen Krieg durch Sprengung den Todes-Stoß.

Auch das einst schöne Stadtbild, löschte ein Brand im19. Jhdt aus, sodass das gegenwärtige Portrait, die Züge eines historischen Nachbaus, trägt.

Durch den besonders großen Bogen, den hier die Mosel in die Landschaft geschlagen hat, liegen Traben-Trarbach und Bernkastel einander direkt gegenüber, obwohl 26 km Straße zwischen ihnen zu überwinden sind.

Danach ging es eine kurze Strecke etwas gerader, bis in Zell der nächste, nicht ganz so freche Bogen fällig wurde. Die Stadt Zell am schmalen Ufersaum dieser Kehre durchquerten wir allerdings nur, obwohl die „schwarze Katz‘ „ einen vorzüglichen Wein für Besucher bereit hält und sogar ein Denkmal am Brunnen des Marktplatzes, auf sie aufmerksam macht.

Von der einstigen Stadtbefestigung avancierte der „Pulverturm“ zum Wahrzeichen und das einstige Kurfürstliche Schloss reizt Anhänger feudaler Adelsherrschaft, zur Bewunderung,

Seit 500 vor Ch dürfte die Gegend von Kelten besiedelt gewesen sein, diente dann den Römern als Raststation und die Stadt selbst scheint ebenfalls von ihnen gegründet worden, zu sein. Davon zeugen auch die Reste einer römischen Bade-Anstalt, die mit einer Heizungsanlage ausgestattet war.

Zügig, ohne Aufenthalt ging es weiter über zwei verhältnismäßig bescheidene Schleifen zu „unserem“ Valwig, wo uns dann auf der Terrasse des Weingut-Restaurants, das älteste Familienmitglied, der Opa aus Wien bzw. Feldkirch erwartete. Immer wieder führten wir mal, außer Tochter und weiterer Verwandtschaft, auch lieben Freunden unser Wochenend-Lieblingsplätzchen vor. So kam eines Sonntags zum Beispiel, der zum Jüngling herangewachsenen Sohn, unserer langjährigen, englischen Freunde in den Genuss der Mosellandschaft. Diplomat war sein damaliges Berufsziel, das ihn inzwischen immerhin zu einem Lehrer in Oxford gebracht hat.

Der Ort, so klein und heimelig er auch ist – nicht einmal auf kleinen Karten findet er sich – hat dennoch eine ehrwürdige Geschichte zu bieten. Denn auch er wurde bereits von den Kelten entdeckt und danach weisen Reste auf einen römischen „Bade- und Wohnbereich“ hin.

Im Zick-Zack führt eine Straße hinauf zum Ortsteil Valwigerberg, in dem ein Wallfahrt-Kirchlein auf Pilger und vielleicht auch diejenigen wartet, die dem edlen Tropen zu viel gehuldigt und ihn damit beleidigt hatten, um hier nach entsprechender Reue, die Vergebung dieser Sünde zu erhalte.

Eine keltische Fluchtburg, von der nichts mehr zu sehen ist, soll sich ebenfalls einmal östlich von Valwigerberg befunden haben.

Nur 4 km sind es von Valwig zur Altstadt von Cochem am anderen Moselufer, das sich damit fast auf Augenhöhe befindet und gemeinsam mit Beilstein, unsere besonders intensive Liebe zu Mosel und ihrer Landschaft während der 60er Jahre, empfing.

Natürlich hatten wir während dieser Zeit auch ein paar flüchtige Blicke auf die Ortschaften der Untermosel zwischen Cochem und Koblenz geworfen. Ihr Weg zum Ziel und Treffpunkt mit dem

Rhein am Deutschen Eck verläuft auffallend weniger spektakulär als in der Mitte. Mit Ausnahme von geringen Ausuferungen, bewegt sich die Mosel sehr manierlich dem „alten Vater“ entgegen, als hätte sie Respekt oder gar Angst vor ihm.

Keine Frage, auch die Dörfer und Städte am unteren Lauf des Flusses haben… und zeigen reizvolle Panoramen! In Kobern, ebenfalls keltischen Ursprungs befand sich sogar einmal eine Kultstätte aus vorchristlicher Zeit und auf dem mittelalterlichem, mit Fachwerkhäusern geschmücktem Hauptplatz, symbolisiert der Tatzelwurm-Brunnen den Schlangenlauf des Flusses, der sich hier doch bereits sehr gezähmt und sittsam seiner Vereinigung nähert.

Vielleicht erschien das veränderte Fluidum auch nur uns, weniger anziehend und beschwingt, denn nicht nur die Bauarbeiten belasteten bereits mit ersten Anzeichen das zukünftige Aussehen, auch die Stadt Koblenz, mit rund 2000 Jahren, eine der ältesten Deutschlands, stört mit seiner Verwicklung in manch‘ kriegerische Auseinandersetzungen das Trugbild von Harmonie etwas. Nicht nur das Denkmal Kaiser Wilhelm I., des berüchtigten Soldatenkönigs, weckten Erinnerungen an Krieg und Leid.

Mag sein, dass wir während unserer Wochenenden an der Mosel viel von den Herrlichkeiten ihrer weiteren Umgebung, Spaziergängen auf Höhenwegen, sportliche Betätigungen usw., usw. versäumt haben… aber es war eben vor allem „die“ Mosel, die uns immer wieder und immer von Neuem in ihren Bann zog.

Es liegt wohl an ihrem „weiblichen“ Attribut, dass sie so meisterhaft „Stimmungen“ auf ihre klar fließende Oberfläche zu zaubern verstand, die faszinierten und denen niemand entfliehen konnte.

Wenn das Himmels-Gestirn es erlaubte, dann erschienen ganze Ortschaften auf ihrem, von Weinreben überquellenden Profil…

Auch wenn ein trüber Tag sich verabschiedete und alle Konturen im Zwielicht verschwammen, registrierten ihre Fluten diese, ein wenig wehmütige Ansicht.

Oder aber, wenn die Sonne mit letzter Leuchtkraft mit ein paar goldenen Strahlen die drohende Finsternis ankündigte, dann spiegelte sich auch diese Szenerie auf ihren Wogen wider.

Alle diese Abbilder müssen auch den römischen Dichter Ausenius vor Hunderten von Jahren dazu gedrängt haben, ihren Charme zu preisen.

Eines unserer unvergesslichsten Erlebnisse war damals, das einmal im Jahr zur Herbstzeit stattfindende, große Weinfest von Bernkastel!

Mit einem, von Musikkapellen angeführten, grandiosen Festzug feierten die Bewohner den „Erntedank“ für ihre Weine.

Wie auf einer Bühne mit Rädern zogen die Töchter und Söhne als personifizierte Hauptdarsteller vor einem begeisterten Publikum über die Brücke von Bernkastel nach Kues und huldigten der Weinrebe in ihrer flüssigen End-Variante, ließen die verschiedenen Lagen und Sorten in einen Wettstreit miteinander treten…

Jedes Dorf war bemüht, in diesem Corso von Lastwagen und Traktoren, die Qualität seiner speziellen Rebsorte attraktiv zu inszenieren und von hohen Podesten aus, dem Volk zu seinen Füssen, Farben prächtig zu empfehlen.

Dank sei den Römern für den göttlichen Trank… daher schwenkte auch Bacchus von seinem Gefährt das Glas, auf das Wohl der ganzen Welt!

Der „Ürziger Würzgarten“ meldete sich aus einem von Blüten geflochtenen Dickicht… das „Zeltinger Himmelreich“ umgab sich mit einem Baldachin weißer Blüten…

Andere berühmte Namen verbargen ihre Identität und zogen es vor, dem Publikum die Entdeckung ihres Charakter zu überlassen.

Im Schritttempo bewegte sich die Kolonne vorwärts und bot Gelegenheit, Motive und Symbole zu bewundern und zu deuten…

Verbarg sich hier etwa der berühmte „Bernkastler Doktor… ?

Welches Dorf führte „Rotkäppchen“ als Erkennungszeichen… ?

Die „Wehlener Sonnenuhr“ verriet sich sofort durch ihren strahlend hellen Schein…

Eine festliche Parade jedenfalls, die da grüßend und winkend vor einer dicht gedrängten, staunenden Menge vorüber defilierte, zu der selbstverständlich an diesem Wochenende auch wir extra angereist waren und als Erinnerung an das wunderbare Fest begleiteten uns ein paar, in Flaschen abgefüllte Spezialitäten mit auf den Rückweg ins Siegerland.

Wir haben die Mosel seit ihrer Regulierung nicht wieder besucht…

Nachdem wir gegen Ende der 60er Jahre unseren Wohnsitz wieder nach Süddeutschland wechselten, waren Hin- und Rückfahrt über das Wochenende illusorisch geworden.

Das Idyll von einst gibt es nicht mehr, aber wer weiß, vielleicht verströmt sie ihren Charme nun auf andere Weise… bringt mehr Wohlstand durch mehr Tourismus zu den Weinbauern, verschont vielleicht auch besser – wie man hoffte – die Bewohner von der Plage der jährlichen Überschwemmungen im Frühling.

Angeblich hätte man auch – so weit wie eben möglich – auf die Belange der Natur bei den Arbeiten und Schleusen Rücksicht genommen… wir wissen es nicht.

Alle Prospekte über diese zauberhafte Landschaft und ihr Orte quellen nunmehr über von Angeboten für eine Freizeit jeglicher Art. Jedes Dorf würde jetzt sein eigenes Weinfest feiern. Besonderes Lob erfahren dabei die Aktivitäten im Sport und für Wanderungen, Radfahren und allem, was sich in den letzten 50 Jahren an Errungenschaften des allgemeinen Wohlstands, erfinden ließ…

Wer weiß, vielleicht würde uns auch das neue Antlitz der Mosel gefallen… die Zeit hat vieles verändert und mit ihr auch uns… ob wir es wollten oder nicht…

Trotzdem, es ist gut, dass der Weg zur Mosel für uns, inzwischen noch weiter geworden ist, sodass sie uns für alle Zeit als nostalgischer Traum an sie, in Erinnerung bleiben kann und wir, wie Ausenius vor 2000 Jahren, ein wenig wehmütig seufzen dürfen

Oh Mosella…