Mallorca

Das zweite vom Mittelmeer liebkoste Eiland, von dem ich erzählen will, ragt viel weiter westlich aus seinem blauen Wellenbett und steht unter spanischem Patronat: MALLORCA.

Meine erste Begegnung mit dieser imposant aus dem Ozean herausragenden Landmarke fand Ende der 50er Jahre gemeinsam mit meinen Mann statt, als besagter Wirtschaftszweig “Tourismus“, die ersten Gehversuche wagte und man die weiter entfernten Traumgestade per Reiseveranstalter und Flugzeug ansteuerte.

Vorgefertigte Organisation, pauschale Fürsorge ersparte jegliche Eigeninitiative und verleitete am Zielort zum bequemen, süßen Nichtstun, nach der Devise: „alle Viere von sich strecken“ .

Noch hatte sich damals allerdings die Branche, mangels entsprechender Erfahrung nicht allzu perfektioniert und die Insel, zwar nicht mehr jungfräulich, bot neben ein paar attraktiven Ferienorten, noch viel unberührten Strand und Natur pur.

Ein wunderbares Erlebnis bescherte mir diese, meine erste Flugreise. Plötzlich hoch über der Erde zu schweben, empfand ich als Versuch ihrer Schwere zu entfliehen. Ich hatte einen Fenstersitz und sah tief unter mir das Land immer kleiner, unbedeutender werden und schließlich unter einer weißen Wolkenwand total verschwinden. Über dieses skurille, alle erdenklichen Formen bildende, weich und sanft erscheinende Daunengewölk glitt die Maschine viel zu lärmend hinweg, störte die erhabene Schönheit.

Viel zu rasch war auch wieder fester Boden erreicht, dessen Schicksal als Insel durch die unterirdischen Aktivitäten unseres Planeten in grauer Vorzeit besiegelt wurde. Nach Belieben verschoben sie die afrikanische und europäische Platte, so dass sich die einzelnen Gebirgszüge falteten – wie die Alpen.

Das war die Geburtsstunde der „Balearen“, deren größter Emporkömmling Mallorca, sich uns in den nächsten zwei Wochen vorstellen würde. Die Oberfläche der aus dem Meer aufgetauchten Hügelketten liegt zu 85 % unter und nur 200 m über Wasser und bietet in Mallorca mit dem Gipfel des Ping Major immerhin eine Höhe von fast 1500 m.

Sand und Kalkstein zeichnen das markante Profil der Insel, das wir bei der Fahrt vom Flughafen zum äußersten südwestlichen Zipfel, an dem wir unser Quartier gebucht hatten, neugierig betrachten. Santa Ponsa nennt sich die Bucht, an der uns ein einziges Hotel erwartet … Unseres. Rundherum nur ungeschminktes, ländliches Idyll und ein menschenleerer Strand, hinter dem glasklar, ohne wesentliche Brandung das Meer schimmert, das wir ausgiebig zu nutzen gedachten, ohne dabei auf zielstrebige Erkundung der Insel zu verzichten.

Während in der Umgebung nur ein Kreuz an die von Menschen gemachte Geschichte der Insel erinnerte, quoll die nahe Hauptstadt Palma mit höchst interessanten Zeugen davon über.

In „unserer“ Bucht , die wir oft allein für uns hatten, verrät uns dieses mächtige Symbol der Christenheit, dass hier der spanische König von Aragonien Jaume I. 1229 an Land gegangen war, um die Sarazenen – Araber – die seit 900 Jahren Mallorca fest im Griff hatten, zu vertreiben, was ihm unter ziemlichen Mühen schließlich gelang; er war es auch, der den Grundstein für die berühmte Kathedrale La Seu in Palma gelegt hat.

Die Araber waren natürlich nicht die ersten Herren der Insel. Entdeckt hatten sie schon vom Norden kommende Urzeit-Wanderer vor 6000 bis 8000 Jahren – zahlreiche Megalithen beweisen es.

Griechen, Phönizier, Karthager – jedes neu erkundete Land diente den diversen Völkern als Tummelplatz für Gewinn bringenden Handel. Als besonders sesshafte Herren erwiesen sich auch hier die Römer, denen erst die Vandalen und andere germanische Stämme im 5.Jhdt. den Garaus machten. Mallorca war führende Drehscheibe für den lukrativen Handel im Mittelmeer, bis dieser in den Atlantik verlegt wurde. Später begann der Tourismus in seine Fußstapfen zu treten. Aber, wie gesagt, zur Zeit unserer ersten Reise zeigte er sich noch äußerst bescheiden.

Paradox mag klingen, dass wir uns manchmal sogar eine zu Fuß erreichbare Taverne gewünscht hätten, denn außer unserem Hotel und einem Kiosk gab es nichts, was für Essen zuständig gewesen wäre.

Umso intensiver genossen wir Licht, Luft und Sonne in einer unberührten Landschaft. Ich versuchte sogar zu schnorcheln, sichtete aber nur wenige Meeresbewohner, da das Wasser angeblich arm an Plankton wäre. Die Einsamkeit war überwältigend, sodass wir das nicht weit entfernte Peguera an einem langen Badestrand mit einigen Lokalen und Hotels, etc. schon als von Touristen überlaufen, empfanden.

Natürlich widmeten wir uns auch Palma, das eine 2000-jährige Geschichte vorzuweisen hat und deren gotische Kathedrale – eine der schönsten der Welt – über dem Hafen die Stadt gewissermaßen krönt. 3 Jahre wurde an ihr gebaut und außen wie innen verkörpert sie den Anspruch auf unerschütterliche Gläubigkeit nach römisch-katholischer Tradition.

Maurisches Erbe wurde in Palma gründlich ausgemerzt. Nur die arabischen Bäder und ein Torbogen erinnern noch an diese langjährige, immerhin auch fruchtbare Epoche.

Der Almudaina-Palast schließt sich direkt an die Seu und war einst die Festung arabischer Herrscher. Auf seinen Trümmern residierten danach die mallorquinischen Könige.

Die malerischen, verwinkelten Gassen der Altstadt entführen ins Mittelalter und deren Stadtpaläste gewähren Blicke in stille, verträumte Innenhöfe mit Palmen, Blumen, Brunnen und Bänken, die als mallorquinische „Spezialität“ die Vergangenheit beschwören.

Es gibt viel zu sehen in dieser Stadt und zu genießen… z.B. den Bummel auf dem Paseo

Sagrero – eine Allee und Hafenpromenade, die zwei prächtige Palmenreihen schmücken… oder dem Paseo del Born mit Geschäften, Restaurants und viel Betrieb.

Auch Valdemosa am westlichen Küstenabschnitt der Insel war für uns mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen.

Durch des berühmte Liebespaar George Sand und Frederic Chopin zählt es zu den ersten Touristen-Attraktionen die die Insel, außer seiner überaus spektakulären Landschaft zu vergeben hatte.

1835 wurde das Karthäuserkloster in dieser wunderbaren Berglandschaft säkularisiert und drohte zu verkommen. Vereinzelt mieteten sich Privatleute in den Klausen ein.

Drei Jahre später erhofften sich der kranke Komponist und seine Geliebte mit ihren 2 Kindern im mediterranen Klima Besserung und verbrachten drei Wintermonate, von Paris kommend, nach einer für heutige Begriffe höchst langwierigen und umständlichen Reise auf der Insel. Quartier bezogen sie in einer Kartause des ehemaligen Klosters, in dem Chopin zwar nicht gesundete, aber seine schönsten Präludien schuf. Eine Musik, geboren nicht aus glücklichen Empfindungen, sondern aus Angst und Verzweiflung, denn er litt, übersensibel wie er war, unter den oft heftigen Winterregen, der die Insel um diese Jahreszeit heimsuchte. Ebenso bedrückte ihn die ablehnende Haltung der mallorquinischen Bevölkerung.

Diesen einfachen, von tiefer Religiosität geprägten Menschen, erschienen die Fremden, vor allem die emanzipierte Schriftstellerin, die Zigarren rauchte und in Hosen herumlief, als Inbegriff der Sünde und das unverheiratete Paar mit den 2 Kindern höchst suspekt.

Durch Sturm verzögerte sich dann auch noch die geplante Abreise um eine Woche.

Auch George Sand beklagt in ihrem wunderbar erzählten Buchband „Ein Winter in Mallorca“ das feindliche Verhalten und die Rückständigkeit der Mallorquiner, preist aber die landschaftliche Schönheit der Insel mit hinreißenden Worten.

Fast 150 Jahre später wird kaum einer, der Mallorca besucht, versäumen, in Valdemosa durch jene Kartause zu spazieren, in der das an Komfort gewöhnte Künstlerpaar überwinterte und ehrwürdig das Klavier zu betrachten, dem Chopin seine Empfindungen anvertraute und auf Notenpapier für die Nachwelt festhielt.

Auch für uns war die äußere, sich immer wieder neu und grandios präsentierende, aus dem Meer emporragende Gestalt des Eilands ein Quell der Bewunderung. Dabei ersetzte der Zauber der Natur den Mangel an Kontakten mit den Einheimischen.

Wieder Jahrzehnte später – 1998 – als Mallorca bereits im Verruf des Massentourismus und der Ballermann-Szenerie nahe Palma, stand, besuchte ich noch einmal die nunmehr von allerlei Klatsch besudelte Insel. Vor meinem eigenen Auszug aus Deutschland auf eine griechische Insel, nutzte ich im November die Wartezeit bis zur Übersiedlung in die neue Heimat an meinem geliebten Mittelmeer, für den zweiten Blick auf Mallorca.

Diesmal wählte ich den entgegen gesetzten Punkt – Cala Ratjada – für den Insel-Urlaub.

Das Hotel auf Massenpublikum eingestellt, entsprechend unpersönlich mit zugewiesenen Sitzplätzen im Speisesaal – ich landete bei drei älteren Damen – lag ca. eine halbe Fußstunde vom gleichnamigen Ort entfernt; das Meer nur wenige Minuten.

Der Balkon meines Zimmers, der den Blick auf einen Pinienwald hinter dem Haus offerierte, versöhnte mich mit der übrigen Atmosphäre von geschäftiger Betriebsamkeit, wo Kommen und Gehen bei Frühstück- und Abendbuffet herrschte. Dieses Hotel war trotz November voll ausgebucht, während ich bei meinen Spaziergängen feststellen konnte, dass eine Anzahl von Hotels, Restaurants, Geschäften und Supermärkten bereits auf Winterschlaf geschaltet hatten.

Gegenüber dem Hotel befanden sich kleine Lokale, von denen eines geöffnet und für kleine Imbisse geeignet war.

Mit Chartermaschinen und zahlreichen Ausflugsangeboten fungierte der organisierte Tourismus fast wie in der Saison, unterschied sich jedoch von ihm durch weitaus weniger daran Interessierte.

Immerhin eine Möglichkeit, Massenanhäufungen zu entgehen… leider nicht sehr populär, denn das Gros der Urlauber schätzt vor allem von der Sonne aufgeheizten Strand, um sich auf Liegen „grillen“ zu lassen.

Jetzt jedoch gab es keine Liegen, keinen Sonnenschutz und keine Menschen bevölkerten die sanfte, von feinem Sand umsäumte Rundung der Bucht, hinter der sich die dunkelgrünen Schirme des Pinienwäldchens in lockerer Formation ausbreiteten. Auf der anderen Seite lief das Halbrund in eine waagrechte, von Felsen zerrissene Küstenlinie aus, die zum Ortszentrum führte und zu einer asphaltierten Uferpromenade ausgebaut wurde.

Auf ihr entlang zu bummeln, gehörte in den 14 Tagen meines Aufenthaltes zu den vergnüglichsten Unternehmungen.

Wenn die Sonne das Panorama von Meer und dahinter aufsteigende Hügel vergoldete oder noch aufregender, wenn eine weiße vom Sturm gepeitschte Gischt lautstark gegen die Felsen klatschte und vom Himmel schwarze Wolkenbänke zu explodieren drohten, dann zeigte Mallorca sein wahres Gesicht. Apartmenthäuser verwandelten zwar die untere Etage der Berghänge in ein nahtlos aneinander gefügtes Wohnungsimperium, doch um diese Zeit waren sie ebenfalls verschlossen und menschenleer. Nur ein paar herrenlose Katzen trieben manchmal ihr neckisches Spiel auf der einsamen Promenade, die parallel zur Hauptstraße nach Cala Ratjada führte. Der Ort besaß einen kleinen Bootshafen, hübsch und beschaulich, auf dem ein paar wenige Schiffchen melancholisch im Wasser herum torkelten.

Als Zentrum des Städtchens fungierte ohne besonderes Flair der Pinienplatz mit einigen Exemplaren dieser Art.

Die Tatsache, dass im Verlauf des Jahres 1998 bis Ende Oktober 9 Millionen Touristen die Insel heimsuchten, vermittelt eine Ahnung, wie es vor wenigen Monaten auf ihr ausgesehen haben mag.

50.000 Ausländer, meist Deutsche hatten ohnehin bereits die „Naturschönheit“ zu ihrer Heimat erkoren.

Mein erster Tagesausflug zum Cap Formentor, dem lang gezogenen Dorn, der sich im äußersten Nordwesten ins Meer bohrt, fand im strömenden Regen statt.

Gebucht ist gebucht und nichts kann ein organisiertes Programm erschüttern.

Der Bus startete gegenüber meinem Hotel mit dem Abholauftrag und sammelte in der folgenden Stunde weitere Teilnehmer vor den diversen Hotels oder an Straßenecken auf, sodass die Tour voll besetzt stattfinden konnte.

Es wurde eine Fahrt zum Süden des Eilands.

Bis zur Stadt Sineu, das auf einem Hügel um die mächtige Kirche den geografischen Mittelpunkt der Insel versinnbildlichte, erfuhren wir manches Interessante über die vorüber flitzenden Städte und Dörfer. So z.B., dass sich Manacor, dessen Namen „Herz in der Hand“ bedeutete, eine römische Gründung ist und berühmt für die Herstellung von künstlichen Perlen wäre.

Petra, ebenfalls während der 500-jährigen Herrschaft der Römer entstanden, hatte den 1713 hier geborenen Franziskanerpater Serra, der Welt beschert, der in den Vereinigten Staaten eine ganze Kette Missionsstationen gegründet hatte, die sich wie San Diego, Los Angeles und San Francisco, zu kalifornischen Großstädten entwickelten.

Bei dieser Fahrt durch Ortschaften und Städte fällt auf, dass die dazu gehörigen Friedhöfe ziemlich weit außerhalb angesiedelt waren. Der Grund dafür, Aberglaube…

Ebenso erstaunlich war, dass die großen Städte meist landeinwärts auf Hügeln aus der Landschaft ragten, während ihre Hafenanlagen Kilometer entfernt am Meer ein getrenntes Dasein führten. Das allerdings war handfeste, praktische Notwendigkeit, da Mallorca im Mittelalter immer wieder von Piratenüberfällen geplagt und die Bevölkerung terrorisiert wurde. Aus dieser Zeit stammen auch die Wachtürme, die einst durch Rauchsignale von einem Ort zum anderen, vor Seeräubern warnte.

In Sineu, wo heute der Markt stattfand, war der erste Aufenthalt geplant und zum Glück hatte sich zwar der Himmel statt in Blau, in einheitliches Grau gekleidet, aber es regnete wenigstens nicht. Also tauchten wir für eine Stunde unter das kauflustige Volk, das sich hier traf.

Kein Genuss für Tierfreunde war der Anblick von in Zwinger und Käfige gepferchten Schafen, Ziegen, Schweinen, ebenso Hühner, piepsenden Kücken, zusammen gedrängt in engen Behältern. Auch Kanarienvögel und Wellensittiche fehlten nicht im Angebot der Ware „Tier“. Junge Hunde, Welpen trieben sich in Kartons oder Zeitungen, bestenfalls auf einem Tuch herum und warteten auf ein ungewisses Schicksal.

Im Zentrum vor der Kirche spendete das Standbild des Schutzheiligen – ein geflügelter Markuslöwe – als Sinnbild der Macht, seinen Segen zu den Machenschaften der Menschen und hier waren es vor allem hübsch drapierte Obst- und Gemüsestände, die zum Kauf animierten.

Kaum zurück im Bus, ging wieder ein heftiger Regenschauer nieder und vernebelte die Landschaft.

Nächster Anlaufpunkt der Hafen von Pollenca. Das auf einer Anhöhe befindliche Städtchen gilt als besonders anziehend und unverdorben, sein Hafen dagegen wird als „Touristenklecks“ in schöner Umgebung bezeichnet. Und gerade er sollte uns auf dieser Tour vorgeführt werden.

Allerdings goss und stürmte es hier dermaßen, dass wir vom Parkplatz im Sauseschritt in die gegenüberliegenden Arkaden flüchten mussten und in der gedeckten Flaniermeile mit Geschäften und Restaurants, das nächstbeste Lokal für die vorgegebene Aufenthaltsdauer wählten.

Immerhin eine Chance, die Zeit des Regengusses bei einem Essen der Marke O815 im Trockenen abzusitzen. Ein gepflegter Ort mit schöner Uferpromenade, konnte ich immerhin als vage Erinnerung mitnehmen.

Ähnlich gestaltete sich die Weiterfahrt durch eine herrliche Gegend, die jedoch mehr zu ahnen als zu sehen war. In scharfen Serpentinen quälte sich der Bus 5 km bergan zum Mirador Es Colomer, wo ein Denkmal den Bauherrn der kühnen Straße ehrt und ein prächtiger Blick auf die senkrecht ins Meer abfallenden Felsen die Mühe der Auffahrt lohnte. Für uns Fehlanzeige… es wütete und tobte so arg, dass der Fahrer sich nicht einmal die Bustür, zu öffnen wagte.

Also wieder bergab bis zum äußersten Ende des Cape Formentor – etwas erhöht hatte ein deutschstämmiger Argentinier in den 20-er Jahren ein Nobelhotel für die Reichen dieser Welt errichten lassen – wo vor einer Cafeteria am Meer die nächste Pause stattfand.

Allein die Überquerung der teilweise überfluteten Straße zu den Toiletten erwies sich als feuchte Strapaze… noch nie empfand ich soviel Sympathie für das Transportmittel „Bus“, als an diesem Novembertag auf Mallorca.

Zurück in Cala Ratjada, dessen Schreibweise übrigens „mallorquinisch „ ist, wurde deutlich, dass auch hier das Wetter, bzw. Unwetter ziemlich gewütet hatte, wobei sogar Schäden im Treppenhaus und einigen Zimmern aufgetreten waren.

Während der Ära General Franco, war die Sprache der Mallorquiner – eine Mundart des Katalanischen – das sich als selbständige Kultursprache aus dem Latein entwickelt hatte, verboten. Nun wird sie neben dem kastillischen Spanisch als zweite Sprache in den Schulen gelernt und ist Umgangssprache auf der ganzen Insel.

Nach Regen folgte Sonne, allerdings beutelte der nächste Tag jeden Spaziergänger auf der Uferpromenade kräftig durch und die Brandung knallte wie eine gereizte Furie wild gegen die Felsen. Aber außer mir, war ohnedies niemand unterwegs und ich genoss eine ganze Weile Zähne klappernd das ungewöhnliche Schauspiel.

Eine weitere Busfahrt quer durch die Insel, erschloss mir vor allem den gebirgigen Westen der Insel und ein Beispiel genialen Straßenbaues durch die fast 700 Meter tiefe Schlucht Torrente de Pareis.

Auf einer Trasse von wenigen Kilometern mit gewaltigen Höhenunterschieden, frisst sich die Asphaltschlange in atemberaubenden, irrationalen Windungen auf und ab und die Felsen. Schleifen, Kehren, Serpentinen wechseln einander in rasanter Folge ab, formen ständig neue Formen und Muster aus der steinernen Barriere.

Auf einer der Höhen erscheint plötzlich, eingebettet in Grün, als kostbares Kleinod, Mallorcas größte Klosteranlage de Lluc. Legenden ranken sich um die „braune Madonna“, die dort verwahrt wird. Leider fällt auch diese abgeschiedene Pilgerstätte in der Saison dem Wandertrieb der Massen zum Opfer.

Nach halsbrecherischen 62 Kurven ist der winzige Hafen La Colabre erreicht, der als Bilderbuchschönheit den Endpunkt der Schlucht markiert, die zwar gefährlich ist, aber im Sommer durchwandert werden kann.

Zwar nicht überfüllt, aber doch recht belebt, bieten mehrere Restaurants, zu nicht ganz billigen Preisen, Stärkung an.

Eigentlich sollte uns von hier ein Boot entlang der Küste nach dem weiter südlich gelegenen Soller bringen. Doch aus irgendwelchen Gründen fährt es heute nicht, was ich angesichts des primitiven, brüchigen Holzstegs als Anlegestelle, nicht bedauere und lieber die spektakuläre Rückfahrt auf der Straße, bevorzuge.

An einem römischen Viadukt zweigt dann auch die Route nach Soller ab, bietet durch Tunnels ebenfalls ein großartiges Panorama an leeren Stauseen vorbei, ins Tal von Soller, das wegen der vielen Apfelsinenbäume und Zypressen, „Goldener Garten“ genannt wird.

Wieder liegt die Stadt vom Hafen, den wir ansteuern, einige Kilometer entfernt. Ein Trip entlang der Küste entschädigt uns für die Schiffspassage nach Soller und erklärt sofort, warum diese nicht stattfand. Das Meer verhält sich nämlich heute, vom Land aus nicht erkennbar, ausgesprochen turbulent und beutelt uns, obwohl wir kaum das Hafenbecken, Richtung offenes Meer verlassen, ganz schön durcheinander.

Mit dem Bus zurück ins Städtchen folgt ein kurzer Fußmarsch die Hauptstraße entlang, vorbei an schönen Bürgerhäusern mit Balkonen, hinauf zum Bahnhof, der sich nostalgisch über dem ansprechenden Hauptplatz mit der Kirche erhebt und über Stufen erreicht wird.

Die Bahn, die von ihm seit 1912 nach Palma tuckert, bietet als ächzendes, ratterndes Museumsstück, Romantik auf harten Holzbänken und offeriert dabei beschauliche Blicke auf eine anmutige Landschaft mit Getreidefeldern, Obstbäumen, aber auch schroffe Felsen und kämpft sich durch 13 Tunnels, 27 km bis zur Hauptstadt.

Anfangs dampfte sie mit Kohle, vor fast 20 Jahren wurde ihr eine elektrische Lok vorgespannt, mit der der „rote Blitz“ nun keuchend durch die Gegend rumpelt.

Ein gemütlicher Abschluss eines wundervollen Ausflugs also, ehe der Bus seine Gäste wieder in den einzelnen Hotels abliefert.

Jetzt fehlt mir nur noch der Besuch der Hauptstadt selbst…

Die Straße dahin führt durch uralte Dörfer im südlichen Teil der Insel, die sich auf Obst und Gemüse – in Montuiri auf Knoblauch – spezialisiert haben.

Türme, die immer wieder auftauchen, sind Reste von alten Windmühlen.

Mit 543 m erhebt sich der Tafelberg aus der Ebene, der drei von der Straße aus nicht sichtbare Heiligtümer beherbergt.

In Algaida hat sich seit 1719 in einem Bau, der einer Festung gleicht, eine Glasmanufaktur angesiedelt; aus Quarz, Sand und Soda werden hier mit Hilfe des Feuers (900 – 1500 Grad) aus der zähen Masse, wahre Wunderwerke gezaubert.

Von den Hunderten auf Mallorca vorhandenen Zeugen der Megalithkultur, bekommen wir auf dieser Fahrt nichts zu sehen, obwohl sich eines der berühmtesten Überbleibsel aus dieser als Talajot-Kultur benannten Ära, nur einige Kilometer direkt unterhalb der Hauptstraße, an der Südküste befindet. Diese Urbevölkerung, die zuerst in Höhlen lebte, fing später, so um 2000 vor Ch. an, über der Erde zu bauen, indem sie Felsblöcke und Steine zu Wohnungen, Grabstätten und Wehrtürme zusammen schichtete. Diese frühen Menschen hielten Tiere hinter Schutzwällen, betrieben Ackerbau und waren… geschickte Steinschleuderer, was nachfolgende Eroberer, wie Karthager, Griechen, etc. zu nutzen wussten und die Inseln, auf denen sie Stützpunkte planten, nach dem griechischen „ballein“ = schleudern – Balearen – tauften. Die Steine der Ureinwohner fanden später vielfach Verwendung für die zahlreichen Kirchenbauten.

Plötzlich tauchte auf dieser Fahrt nach Palma ein flacher, von Windmühlen übersäter Landstrich auf – das Tal der 1000 Windmühlen – und schließlich bekommen wir vom Busfenster aus, kurz vor Mallorcas Metropole, die Häuserkomplexe der berüchtigten, sich 10 km am Meer entlang ziehenden Amüsiermeile zu sehen, die nun menschenleer, einen tristen Eindruck vermitteln. Dieser lange Sandstrand erstreckt sich nach Osten von Platia de Palma bis Areal und hier befindet sich auch die berüchtigte Strandbar Ballermann 6.

In Palma widme ich mich dieses Mal vor allem seiner viel gerühmten, wie eine riesige steinerne Matrone über dem Meer als Wahrzeichen prunkende Kathedrale – der Seu – die direkt an den Almudaina-Palast anschließt. Vor ihr wurde der Parc de la Mar angelegt, damit sich dieses architektonische Meisterwerk in seinem Wasser attraktiv spiegle.

Allein, ohne Führung, versuche ich mich in dem Bau, der eine Mischung von sehr alt und sehr neu darstellt, zu orientieren, was gar nicht einfach, sondern recht verwirrend ist.

Hat doch der katalanische Architekt Antonie Gaudi, Meister des Jugendstils, Anfang unseres Jahrhunderts, Hand an dieses Gotteshaus gelegt, um es vom Dunkel der Gotik mit Hilfe von Glaskunstfenster, mit dem „Licht“ der Gegenwart zu versehen.

Doch trotz der einst zugemauerten, nun in bunten Lobpreisungs-Szenen leuchtenden, langen Fenster, den Rosetten der großen Fensterrose, vermag die eindringende Helligkeit das mystische Dunkel des riesigen Kirchenschiffes nicht vollends zu besiegen.

Umgeben von so viel blinkender Herrlichkeit, die hier vorhanden, aber nicht greif bar ist, fühle ich mich irgendwie verloren in dem mächtigen Bauwerk, dessen Schätze sichtbar und doch von unsichtbaren Kräften, dem Zugriff neugieriger Blicke entzogen, scheinen.

Der monströse Lüster Antonie Gaudis hängt als schmiedeeiserner Baldachin über dem Hochaltar gleich einem überdimensionalen Schutzschild.

Eine Kathedrale der Superlative… mit den größten Kirchenschiffen und den höchsten und schlankesten Säulen, in der die Schritte des Einzelnen verhallen, verschluckt werden und in den Tiefen des Raumes verklingen.

Der an die Seu anschließende Gebäudekomplex der Almudaina erinnert trotz totalem Umbau an die arabische Herrschaft auf der Insel – nur 2 Türme und 2 Bögen stammen noch aus dieser Ära – ebenso wie der Grundstein für die Kathedrale auf den Ruinen der Hauptmoschee ruht. Die Überbauung des mächtigen Gebäudes diente für die kurze Zeit von 1276 – 1343 als Residenz für die Herrscher des einzigen, selbständigen Königreiches, ehe es wieder zu Spanien gehörte. Später war es Sitz des Gouverneurs, dann richtete sich die balearische Militärkommandantur darin häuslich ein und nun benutzt es König Carlos für Empfänge, wenn seine Yacht gerade in Mallorca vor Anker geht.

Diesen letzten Ausflug in den Süden beschließt nach ausgiebigem Bummel durch die auch im Herbst quirrlige Hauptstadt der Insel, der herrliche Blick auf das sich unterhalb befindliche Kastell de Bellver, dem einzigen „runden“ Festungsbau in Europa aus dem 13.Jhdt, der seinem Namen „schöne Aussicht“ alle Ehre erweist.

Auch dieser 14-tägige Trip reichte nur für ein flüchtiges Kennenlernen all´ der Schönheiten und verborgenen Geheimnisse der Insel und ihrer Bewohner und dafür, die Leuchtkraft des Edelsteins „Mallorca“ unter den vielen in den Fluten des Mittelmeeres treibenden Perlen, zu erfahren.

Dabei galt es eben, wie in einem chaotischen Verkehrsgewühl dem Trubel geschickt auszuweichen, Seitenwege, die mühsamer und holpriger sind zu suchen oder aber den für das Gedeihen der Insel so kostbaren Regen zu akzeptieren, der auch mir nicht nur bei der Fahrt nach Kap Formentor übel mitspielte, sondern immer wieder mal als unangenehmes, nasses Zwischenspiel meine Unternehmungen begleitete.