Budapest

Wo die Donau statt der Walzer- Zimbalklänge weiterträgt

Ende Juli 1988 erfülle ich mir mit einer Reise nach Budapest einen Jugendtraum.
Als Schülerin hatte ich Gelegenheit bei einer Klassenfahrt ein Wochenende in dieser Stadt zu verbringen und sein Parlament – nach England das zweitgrößte in Europa – kennen zu lernen.
Wie Abgeordnete durften wir auf den Bänken sitzen, bekamen Informationen über die diversen Funktionen und waren fasziniert von dem mächtigen Prachtbau am Donauufer.
Dass es mit 268 m Länge und 123 m Breite einem Giganten gleicht, habe ich damals kaum registriert und auch nicht die 40 kg Gold, mit der die Innenausstattung veredelt wurde.
Ich empfand es einfach als wunderschön….ein Gebäude, das sogar die unserer Wiener Ringstraße an Glanz übertraf.

Meine Heimat schien mir dabei nicht mehr ganz so einmalig und irgendwie gehörten Wien und Budapest ohnedies zusammen.
Obwohl bereits in einer Republik geboren und aufgewachsen, steckt schließlich auch in den Nachfahren der alten k.und k. Monarchie, dessen vergangene Glorie einfach drinnen!

Vom 1. Weltkrieg, dessen Übermut Jahre später die zweite verheerende Tragödie auslöste, erfuhren wir durch die erschreckenden Erzählungen der Eltern. Den Zweiten, mussten ich und meine Generation hautnah mit erleben…er hat die Welt durcheinander gebeutelt und die Landkarte verändert.

Ungarn – die heimliche aber leider störrische Liebe aller Österreicher – geriet nach dem Unheil vollen Gemetzel, wie alle östlichen Staatsgebilde, in den Sog des sowjetischen Kommunismus.

Zwar entsprach auch der habsburgische Traum der Doppelmonarchie nicht der Mentalität dieses Volkes, das kurz vor der ersten Jahrtausend-Wende als halbnomadische, wilde Reiter-Stämme vom Ural kommend, plündernd und raubend neues Land gesucht und dieses zwischen Österreich und den Balkanstaaten, als neue Heimat in Besitz genommen hatte.
Dem Stamm der Magyaren war es gelungen, die insgesamt 7 verschiedenen Stämme zu einer Einheit zu verschmelzen. Nach diesem bravourösen Erfolg musste man natürlich die christliche Religion annehmen und im Jahr 1001 war durch die Krönung Stephan I. – später heilig gesprochen, obwohl er recht grausam seinen Vetter hatte blenden lassen – das neue Königreich UNGARN, inmitten des alten Europa geboren worden.

Allerdings, einfach gestaltete sich die Zukunft der Reiter aus dem Grenzgebiet zu Asien nicht…Kämpfe und Verwüstungen, die Mongolen und die Türken wüteten abwechslungsweise in ihrem Gebiet, in dem meist Fremde als Könige herrschten.
Das alles mag auch den Charakter des Volkes verändert haben, dem neben Temperament und Kampfgeist auch Melancholie, Sentimentalität und tiefe Trauer inne wohnten.

Bis 1946 bestand dieses Königreich Ungarn…nach dem Ende des verbrecherischen 2. Weltkrieges, von dem sich auch die zerstörten, westlich der Demarkationslinie befindlichen Staaten, nur langsam erholten, geriet also Ungarn in den Sog der östlichen Hemisphäre, von der es sich auch durch einen Aufstand nicht befreien konnte.

Aber es gelang diesem seltsamen Volk immerhin, nach dem Gemetzel, den Druck der Sowjets abzumildern und einen mit Paprika gewürzten „Gulasch-Kommunismus“ zu praktizieren.

Seit Jahrzehnten in Deutschland wohnhaft, begebe ich mich im Jahr 1988 voll freudiger Erwartung, von Frankfurt aus, in die Hauptstadt dieses jetzt rot gefärbten Territoriums.

Der Flug mit der Hungaria Airline gestaltet sich ebenso angenehm wie mit anderen Fluglinien.
Dass ich nicht wie zugesichert, von einem Reiseleiter abgeholt werde, ist auch kein Malheur…ich habe keine Gruppenreise gebucht, sondern beabsichtige die Stadt allein und ohne fremdes Programm zu durchstreifen. Durch einen Geldwechsel von DM in Forint am Flughafen, erreiche ich per Taxi mein vorbestelltes Hotel, das sehr komfortabel wirkt… bin lediglich erstaunt, dass der Boy, der mir die Reisetasche ins Zimmer befördert, sofort an einem illegalen Geldwechsel interessiert ist.

Es ist ungewöhnlich heiß an diesem frühen Nachmittag.
Doch da ich für die Stadt und seine Umgebung nur 1 Woche zur Verfügung habe, starte ich sofort, um die, wie Wien mit der Donau verbundene Metropole und die Seele ihrer Menschen zu ergründen, zu einem Spaziergang.

Dieses, als eine der schönsten Städte Europas gepriesene Budapest, ist sehr jung. Erst 1871 vereinigten sich die Stadtteile Buda – das alte Ofen – mit dem am gegenüber liegenden Donauufer befindlichen Pest, zur Hauptstadt und daher hatte auch die turbulente Geschichte des Königreichs Ungarn mit der Krönung Stephan I, nicht hier, sondern im 64 km entfernten Esztergom am Donauknie, begonnen.

Trotz Hitze marschiere ich also gleich los, fühle mich fast wie ein Entdecker und versuche meine Erinnerung an die Stadt und Ungarn mit der Gegenwart zu vereinen.
Mein Hotel liegt zentral, direkt an der Fußgängerzone Vaci utca, die sich mir mit Geschäften gespickt und offensichtlich mehr Touristen als Einheimischen, präsentiert.
Auf dem Verösmarty-ter spielen Straßenmusikanten, Maler porträtieren Besucher.
Inmitten einer winzigen Anlage prangt ein weißes Denkmal des gleichnamigen Dichters, der als Romantiker und pessimistischer Philosoph das tragische Gedicht „Der alte Zigeuner“ schrieb.
An der Ecke des Platzes lockt das berühmte und große Cafe Gerbeaut mit Spezialitäten.

Eine Atmosphäre fast wie in südlichen Ländern, zu der auch die Temperatur passt und schließlich verläuft ja wenige Meter parallel zur Vaci utca der Donaukorso, der das südliche Flair mit seinem Strom perfektioniert. Sein sanftes Rauschen wird auf dieser zauberhaften Promenade von den vielfältigen Geräuschen der hier Flanierenden verschluckt und auch die davor ab und zu vorbei bimmelnde Straßenbahn, steuert ihre Melodie bei.

In einem der vielen Restaurants esse und trinke ich und habe sofort Kontakt mit 2 anderen Gästen.
In Budapest wäre man nie allein, versichern sie mir.

Ich schlendere weiter bis zur Kettenbrücke, der ältesten von den 8 die Donau überquerenden Bauten, die alle vor dem Einmarsch der sowjetischen Truppen gesprengt wurden und wieder aufgebaut werden mussten. Erst seit 1949 überspannt sie wieder mit ihren wie Triumphbögen gestalteten Pfeilern und den steinernen Löwen den Fluss. Das Panorama von hier auf das von Bergen umgebene Buda gleicht einer zauberhaften Bühnenkulisse.

Inzwischen ist es spät geworden und die Abendsonne wirft ihren goldfarbenen Schleier über die grauen Gebäude der Stadt. Auch auf den ruhig dahinfließenden Wellen der Donau führt der Widerschein des Lichts einen flackernden Tanz auf.
Eine laue Brise hat die Hitze des Tages abgelöst und es fällt mir schwer, ins Hotel zurückzukehren.

Am Korso zurück in die Vaci utca – mein Gott, was für eine schwierige und für unsere Ohren so fremde Sprache….utca, Straße, ter Platz… die Ungarn haben sie aus ihrer alten Heimat mitgebracht. Finnisch-ugrisch, wie es ähnlich auch die Finnen, die ja ebenfalls aus dem Ural kamen, sprechen und sich im Norden Europas ihr neues Zuhause erobert haben.

Zurück im Hotel ignoriere ich einfach die Hitze im Zimmer und den lauten Straßenlärm.

Ich weiß nun, Budapest ist tatsächliche eine wunderbare Stadt, in der mich manches an meine Heimat Wien erinnert.

Der nächste Morgen beginnt mit moderaten Temperaturen und einem guten und reichlichen Frühstück.
Gleich danach zieht mich wieder der Korso magisch an, schließlich spielt die Donau den Hauptakkord
in der ungarischen Symphonie.
Über die Kettenbrücke wende ich mich ihrem anderen Ufer zu und bin froh, dass ich den Aufweg zum Burghügel per Zahnradbahn überwinden kann.

Vor den Toren des Burgkomplexes ist Endstation.
Pompös und monströs weitläufig, präsentiert er sich mir.

Auf diesem 170m hohen Hügel hat außer diesem Königsschloss auch das „Burg“ genannte Stadtviertel
seinen Platz gefunden und in dieses begebe ich mich entlang der rückwärtigen Mauern, durch schattige Anlagen und den Blick auf die Budaer Berghöhen – ein wunderschönes, hügeliges Waldgebiet, das ein wenig dem Wienerwald ähnelt.

Überall herrscht Ruhe, Beschaulichkeit und viele Sitzplätze verleiten, sie zu genießen. Das gönne ich mir kurze Zeit und wende mich dann dem alten Stadtteil zu.
Malerische Häuser schmücken in Pastellfarben die Straßen und Gassen.
Es ist köstlich hier herum zu schweifen und immer wieder in die Hinterhöfe hinein zu schauen und zu gehen.
Eine säuberlich herausgeputzte Idylle mit musealem Charme, die sehr an alte Städte wie Rust im Burgenland, aber auch an alte Viertel in Wien und Graz erinnert.
Alles wirkt liebevoll erneuert und sehr sauber.

Die Königsburg selbst, in der kaum Könige gewohnt haben, spiegelt irgendwie das Schicksal Ungarns wider.
Die Arpaden-Dynastie regierte im Palast von Esztergom.
Der von König Sigismund erbaute Palast wurde von den Türken zerstört.
Das an seiner Stelle von Kaiserin Maria Theresia errichtete Burgschloss, brannte 1848 nieder, wurde aber wieder hergestellt und erneuert.
Heute sind in seinen Räumen diverse Museen untergebracht.
Diese zu besuchen bin ich allerdings nicht in Stimmung und spaziere daher zurück, um der Matthiaskirche einen Besuch abzustatten.

Inzwischen sind massenhaft Besucher in Buda angekommen und vor dem Kirchentor staut sich eine Menschenmenge…

Wie das ganze Land, hatte auch die Kirche, ein Bau aus dem 13. Jahrhundert, ein stürmisches Schicksal zu ertragen. Im 14./15. Jahrhundert erhielt sie ein mehrfach verändertes, gotisches Antlitz und 1470 taufte man dieses vorher als Krönungskirche benannte Gotteshaus, in Matthiaskirche um.

Als einziger ungarischer König nach der Arpaden-Dynastie ließ dieser sie ebenfalls umbauen und bereicherte Stadt und Land durch seinen Griff nach dem Westen, wo die Macht beheimatet war. 1485 besiegte er den Habsburger Kaiser Friedrich, verbannte ihn ins Exil nach Linz und zog in Wien ein.
5 Jahre später starb er dort ohne Erben und seine Nachfolger, mussten, wohl oder übel, die eroberten Gebiete wieder abgeben und den Anspruch Habsburgs darauf, anerkennen.

Als die Türken auf der westlichen Bühne erschienen wurde die Matthiaskirche zu einer Moschee degradiert und erhielt erst 1873 wieder seine gotische Rekonstruktion.

Zwar verläuft die Besichtigung des bemerkenswerten Baues durch die vielen Besucher für mich ein wenig gestört, doch der mit Pflanzenornamenten versehene Freskenschmuck an Säulen und Deckengewölben, die bunten Farbfenster, beeindrucken außerordentlich, obwohl sie den Kirchenraum verdunkeln.
Ich dränge mich durch die Menschenmenge die Treppe hinunter zur Krypta und wieder hinauf zur Schatzkammer mit Monstranzen, Kelchen, Messgewändern, etc. und immerhin ein sehr schöner Blick auf die Fresken des Kirchenschiffs und die in einer Einzelvitrine aufbewahrte Krone, die Kaiserin Elisabeth bei ihrer Hochzeit mit Kaiser Franz Joseph trug, lohnen die Strapaze.

Draußen vor der Kirche mit Blick auf die Fischerbastei, erhebt sich auf einem Bronzeross der Gründerkönig Stephan I auf einem Kalksteinsockel mit Marmorreliefs auf 4 Seiten.

Abgesehen davon, dass Budapest eine große Liebe für Denkmäler entwickelt hat, die immer und überall von berühmten Menschen zu berichten wissen, hat der heilig gesprochene Stephan als Glanzleistung den ungarischen Staat und die Kirche organisiert. 4 Löwengestalten wachen über ihn.

Im anschließenden, kleinen Park, vor dem die üblichen Souvenirbuden aufgebaut sind und ausreichend interessiertes Publikum finden, erhole ich mich ein wenig, ehe ich die wenigen Schritte vor bis zur Fischerbastei mit ihren pittoresken Türmen, den gottlob schattigen Gängen und schmalen Aussichtsveranden, spaziere.

Die Ausblicke von hier auf die Stadt sind wahrhaft großartig und das Parlament, das mich als Schülerin so faszinierte und gewissermaßen zu dieser Reise verlockt hat, leuchtet mir unter einem strahlend blauen Himmel, an der gleichmütig dahin fließenden Donau, verführerisch entgegen.
Durch die Säulen der Bastei offenbart sich die Silhouette des Pester Stromufers bis hin zur Margareteninsel, als glänzendes Band von geballter Schönheit.

Bei Temperaturen zwischen 30 und 40 Grad bin ich inzwischen ganz schön müde geworden und durchstreife auf dem Rückweg das weitläufige Burggelände und die diversen Höfe, an dem kaum Leute interessiert sind, schnell und ohne zusätzlichen Aufenthalt…
Was für ein gigantischer Bau ragt da gegen den Himmel, der fast nie seinen Zweck als Königspalast erfüllte. Zwar hatte Matthias Corvinus ihn mit einer berühmten Bibliothek ausgestattet, Künstler und Wissenschaftler hierher geholt, aber Zeit hatte er für ihn keine.
Sein Palast in Visegrad und vor allem die Burg ihn Wien waren ihm wichtiger….
Auch als Maria Theresia nach dem türkischen Missbrauch den Komplex wieder zu neuem Glanz erweckte, blieb Einsamkeit sein Schicksal, denn außer zeitweiligen kurzen Aufenthalten von Kaiser Franz Joseph, blieb er leer.

Nach dem 2. Weltkrieg wiederum zerstört und neuerlich aufgebaut, versucht er nun – wie es scheint, ebenfalls nicht sehr erfolgreich – durch interessante Museen, das Publikum anzuziehen.

Mit der Zahnradbahn kehre ich nach Pest zurück und eile über die Kettenbrücke zum Donaukorso, um mich in einem hübschen Lokal mit anmutigem Donaublick, einem kühlem Bier und einem ungarischen Kalbsgulasch, von diesem Ausflug zu erholen.
Wie köstlich…sitzen, schauen, trinken….

Nur kurz im Hotelzimmer, wo Sauna-Temperatur herrscht, flüchte ich bald wieder in die Fussgängerzone der Vaci utca, wo gerade von Bauersfrauen vom Land, gestickte Tischtücher, Blusen, etc. zum Kauf angeboten werden.

So schön die Geschäfte in dieser Bummelstraße auch aussehen, was drinnen hängt und liegt, entspricht nicht ganz den inzwischen verwöhnten Ansprüchen westlicher Besucher und ist zudem gar nicht billig.

Um auch den Pester Stadtteil zu erforschen spaziere ich wieder vor zur Donau, werfe einen Blick in die griechisch-orthodoxe Kirche, die mit einer großen und imposanten Ikonenwand, sofort die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Etwas unschlüssig und ziellos durchstreife ich dann die Straßen und hoffe, dabei auch auf den Boulvard zu treffen, der sich heute Straße der Volksrepublik nennt und als Wohn-, Büro-, Flanier-, Verkehrs- und Aufmarschstraße ein würdiges Pendant zu den Pariser Champs Elyssee darstellen soll.
Parallel dazu verläuft übrigens die Ende des 19.Jahrhunderts eröffnete, erste U-Bahnstation unseres Kontinents.

Statt dieser Prachtstrasse entdecke ich allerdings plötzlich die Kuppel der Stefans-Basilika, von der ein Turm eingerüstet ist. Ihr Inneres wirkt düster trotz der Ausschmückung ihrer Kuppel und wenn man genauer hoch blickt, wird deutlich, dass sie eine Renovierung gebrauchen könnte.

In diesem dennoch attraktiven Dom verleitet eine seltsame Reliquie die Gläubigen einmal im Monat zur Anbetung….denn, verborgen in einem Wandschrank ruht die „rechte Hand“ des Staatsgründers, die dem Toten nach der Heiligsprechung zwecks allgemeiner Verehrung, abgehackt wurde.

Dass dieses Relikt eine wahre Odyssee bis zu seinem endgültigen Ruheplatz zu erdulden hatte, passt irgendwie zum Schicksal des ungarischen Volkes.

Den Budapester Champs Elyssee begegne ich bei meinem Streifzug dagegen nicht. Eine von Bäumen bestandene Allee, die von meiner Straße abzweigt, scheint mir etwas zu schmal für ein solches Herzeige-Objekt und ich spaziere weiter über Plätze und Gassen mit teils alten, teils modernen Häusern – wobei die Alten fast am Abbröckeln sind und die neuen im Glasstil dazwischen glänzen, ähnlich den großen Hotels an der Donaupromenade. Irgendwie und überraschender Weise komme ich beim entzückenden Hermesbrunnen, wenige Schritte von meinem Hotel entfernt, aus dem Strassenlabyrint heraus.
Dieser zwar ein wenig anstrengende Bummel hat für mich immerhin das Portrait der Stadt mit vielen, sonst oft unbemerkten Details, bereichert.

Eine für den Abend gebuchte Folklore-Vorstellung beginnt nach einigen Ungereimtheiten verspätet mit einem roten Taxi, das mich als einzigem Fahrgast, durch eine wundervolle Landschaft bis weit hinauf in die Budaer Berge, zu einem pompösen Restaurant befördert, das von Touristen überquillt.
An einem kleinen Tischerl wird noch ein Platz für mich organisiert, damit ich für die voraus bezahlten 45,– DM an dem, für die Fremden organisierten Spektakel, teilnehmen kann.
Man gibt sich allerdings Mühe, dieses, mit dem im Preis enthaltenen Essen und Trinken, einigermaßen angenehm zu gestalten. Die Ober laufen und schwitzen um alle Reisegruppen schnell zu bedienen.

Zwischen Teller klappern und anderen Geräuschen, läuft dann die halbstündige Folklore mit Musik und Tanz in bunten Trachten an, wobei der Gesang per Mikrofon verstärkt, fast unerträglich laut, alles übertönt.

Ebenso präzise wie für Massenveranstaltungen üblich, ist der ganze Zauber Punkt 10 Uhr zu Ende …ein Spendenkorb macht die Runde und das rote Taxi, dessen Fahrer mir schon bei der Anfahrt mitteilte, dass die Rückfahrt nicht im Preis inbegriffen sei, steht bereit, mich zurück ins Hotel zu bringen.

Ein unerwartetes Erlebnis gestaltet diesen Abend nach dem Plansoll für Touristen ohne jede Spontanität, auf den ich gut und gerne hätte verzichten können, dennoch zum einmaligen Triumph durch den Taxifahrer, der mich für die zusätzlich zu zahlenden 300 Forint – das sind nach offiziellem Wechselkurs, den ohnedies kaum jemand wählt DM 10,– – durch das märchenhaft beleuchtete, nächtliche Budapest, kurvt.

Er hält zuerst auf einem Aussichtspunkt, von dem die Stadt wie ein funkelnder Diamant zu uns hinauf strahlt. Welch‘ ein Meer von Lichtern, in dem die Kettenbrücke über den Strom triumphiert und die Budaer Burg ihre Leere durch Helligkeit überwindet.

Und nicht genug dieses faszinierenden Anblicks fährt er mit mir noch durch das Pester Stadtgebiet zum Heldenplatz mit dem Milleniums-Denkmal, das anlässlich der 1000-Jahr-Feier errichtet, alle sieben Stammesfürsten, die vereinigt das Land in Besitz nahmen, in Bronze gegossen, darstellt. Alles ringsum, ist ebenfalls in helles Licht getaucht.
Dazu bereichert der freundliche Mann auch noch mit interessanten Erklärungen mein Wissen und ich beginne zu begreifen, wie sehr dieses Volk bemüht ist, die eigene Identität zu bewahren.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges und der sowjetischen Besatzung hat ihnen ein unerschrockener Aufstand gegen diese geholfen, dem ungeliebten politischen System, so viel wie nur möglich, eigene Note aufzuzwingen.

Auch der folgende Tag verspricht sehr heiß zu werden, kein Wölkchen trübt das Blau des Firmaments.
Auf meinem Programm steht heute der Spaziergang zur Margareten-Insel, jener berühmten Oase im Donaustrom, die sich durch das Zusammenwachsen von Sandbänken im Laufe der Zeit gebildet hat und schon unter den Römern bewohnt war.
Nicht entlang des Donau-Ufers, sondern da kürzer und schattiger zwischen den Häuserreihen, nähere ich mich der Margaretenbrücke, in deren Mitte ein Weg abwärts zu dem Eiland führen soll.
Dabei passiere ich das Parlament, dessen neugotische Pracht mit der von 24 Türmen umgebenen Kuppel in den Himmel ragt, doch derzeit teilweise eingerüstet ist.
Es wird viel restauriert in Budapest!

Ich versage mir den Wunsch seine Prunkräume nach so vielen Jahrzehnten und unter einem anderen Zeitgeist, anderen Perspektiven dienenden Funktionen, zu besuchen….will lieber die Erinnerung von damals bewahren und mich dem heutigen Budapest widmen.

Von der Brücke führt in etwa ihrer Mitte ein Weg hinunter zur Insel und viele Menschen streben gleich mir diesem Ziel zu, die sich aber auf dem weitläufigen Gelände schnell verlaufen. Eine wohltuende Ruhe umgibt mich bald.
Von Autos verschont, sprühen überall zwischen den Bäumen, Wasserspender Feuchtigkeit auf die Wiesen.
Im Gras machen es sich die Budapester gemütlich…schattige Ruhebänke locken zu einer Rast, es ist ein beschauliches Idyll inmitten der Großstadt.
Das Casino, dessen Eleganz uns Schülern bei dem Wochenend-Ausflug damals vor vielen Jahren sehr beeindruckte, liegt immer noch herrlich eingebettet in Grün, nur dürften die reichen Leute, die darin spielten, nunmehr fehlen und jetzt zur Vormittagszeit herrscht hier sowieso kein Betrieb. Reiche Leute sucht man in dieser Stadt sowieso meist vergeblich…möglicherweise gibt es sie, aber sie haben keine eigenen Oasen mehr.

Ich spaziere durch verschlungene Pfade und treffe dabei auf die Ruinen des Dominikanerinnen-Klosters, in dem einst die Tochter eines Königs als Nonne ihr Leben verbringen musste.
Mit ihm ist eines der tragischsten Kapitel der ungarischen Geschichte verknüpft.
Rund 250 Jahre nach dem Einfall der eigenen, raubenden Reiterhorden – inzwischen sesshaft und zu ordentlichen Christen geworden – überfielen die Mongolen unter Batu Khan ihre Nachfahren, schlugen das Heer des Königs vernichtend und dezimierten durch ihre Massaker die Hälfte der Bevölkerung.
König Bela IV, vorletzter Spross der Arpaden-Dynastie musste nach Trogir in Kroatien fliehen, das damals zu Ungarn gehörte und versprach, sollte sich alles zum Guten wenden, ein Kloster zu bauen, dem er seine Tochter als Nonne anvertrauen würde.

Das Blatt wendete sich tatsächlich, als der Großkahn plötzlich starb und die Mongolen nach Osten abzogen.
1251 wurde das Kloster gebaut, mit Ländereien beschenkt und Tochter Margit lebte darin Zeit ihres Lebens besitzlos als Nonne. Auch das Land ließ der König neu erblühen, baute und baute, holte Siedler für die Verluste an Menschen bis….ja bis die nächste Katastrophe in Form der türkischen Besatzer über die Länder des Ostens und auch Ungarn herein brach.
Wie vieles wurde in dieser Zeit auch das Kloster zweckentfremdet, verfiel und geriet schließlich im Laufe der Jahrhunderte in Vergessenheit.

Und abermals war es ein Unglück, das die Vergangenheit in die Gegenwart des Jahres 1838 katapultierte!
Damals brandete eine verheerende Sturmflut über die Donau hinweg und kehrte auch auf der Margareteninsel das unterste zu oberst, riss Bäume mitsamt der Wurzel aus der Erde und hinterließ ein Chaos. Aus diesem Durcheinander versuchte man und bemüht sich bis heute, aus den steinernen Überresten die Geschichte und das Aussehen jenes einst so reichen Klosters und der 1943 heilig gesprochenen Nonne Margit, zu rekonstruieren.

Ich bummle weiter auf diesem herrlichen, 2,5 km langen und an breitester Stelle sich 500m ausdehnenden Eiland bis zu seinem westlichen Ende mit dem Wasserturm als Wahrzeichen und einem kleine Selbstbedienungs-Kiosk.

Ein weiter Fußweg in umgekehrter Richtung steht mir bevor und da ich nicht weiß, wo es Fahrscheine für die Straßenbahn zum Donaukorso gibt, werde ich auch diese Strecke zu Fuß bewältigen, stärke mich aber davor in einem bulgarischen Restaurant gegenüber dem Parlament für den langen Weg.
Sofort spricht mich da der Ober an, ob ich Geld umwechseln möchte….natürlich nehme ich gern die Gelegenheit wahr und bekomme für DM 50,–, 1700 Forint, wofür es heute Morgen offiziell nur 1400 gab. Das Mittagsmahl, Hühnerleber mit Reis, dazu eine Karaffe Wein und eine Flasche Wasser finde ich für 170 Forint äußerst billig und angereichert mit der Seitenansicht des Parlaments ein ideales Platzerl.

In der Vaci utca herrscht der übliche Betrieb, es ist heiß und nach nur kurzer Erholungspause im Hotelzimmer flüchte ich gern in ein kleines Lokal am Korso, um dort statt sonstiger Unternehmungen, für die ich zu müde bin, den Nachmittag und Abend zu verbringen.
Es ist ein Vergnügen das bunte Völkchen, das da vorbei und hin und her wogt und meist von jungen Menschen dominiert wird, zu beobachten.

Doch abgesehen vom pulsierenden, menschlichen Verkehr, mit welch‘ faszinierendem Anblick wird man hier beschenkt!
Die Donau als gemächlich dahinfließendes Band vereinigt nicht nur 2 Stadtteile, sie ist auch das Bindeglied von Natur und Architektur, die sie zu einem großartigen Panorama voll Schönheit und Harmonie zusammenfügt, das über alle Nöte von Vergangenheit und Gegenwart hinwegtäuscht.

Da grüßen die Felsen des 235 m hohen Gellertberges mit dem Freiheitsdenkmal auf seinem Gipfel als Dank für die sowjetischen Befreier erbaut und dahinter ragen die Mauern der Zitadelle von den ungeliebten Habsburgern errichtet, in den Himmel. Ein Stück darunter erinnert das Gellert-Denkmal an den Bischof, der 1046 von Ungarn, die keine Christen werden wollten, über den Berg abwärts ins Jenseits befördert wurde.

Am Fuße dieser Szenerie erzählen das einst feudale und restaurierte Gellert-Hotel und das berühmte Gellert-Bad von freundlichen Zeiten.
Man denke daran, dass Budapest seit den Römern als größte Badestadt Europas, Berühmtheit erlangte. 120 heiße Quellen sprudeln aus ihrem Boden. Es entstanden Badehäuser.
Den Türken, die Klöster geschändet haben und nicht viel Gutes für die Ungarn taten, sind als wohl einziges Plus, 5 davon zu verdanken.

An den Gellertberg schließen sich im Westen Budas, der Prachtbau der Burg, die Stadt Burg, einst Ofen genannt, die Türme der Fischerbastei und diese imposante Gebäudefront wird, wie von einem Maler darüber gepinselt, von den grünen Hügeln der Budaer Berge überwölbt.

Elegant schwingen sich neben mir, die Ketten- und die Elisabethbrücke über die Donau, die in der Eiszeit geboren, einschließlich der Außenbezirke ca. 30 km mitten durch Budapest fließt. Alt und würdig mit steinernen Löwen an den Brückenköpfen die Eine, einst als längste Hängebrücke Europas verehrt, die Andere.

Gedanken, die mir die imposante Sicht auf das so junge Budapest an diesem Nachmittag am Donau-Korso offeriert, dem Fluss der für Viele, die Hauptstraße der Stadt symbolisiert.
Als exklusive Zugabe erlebe ich an diesem von Unternehmungen freien Nachmittag, gegen Abend auch noch die Attraktion des Sonnenuntergangs über dem Strom.
Wie vergoldet strahlt die Burg, dieses prächtige und doch so wenig ihrem Zweck dienende Bauwerk, in den sich langsam verdunkelnden Himmel, während der Fluss immer wieder von glitzernden Lichtern umgarnt, seine leise Melodie über die Stadt und das Land nach Osten trägt.

Die folgende Nacht wird für mich unruhig, Straßenlärm und Hitze stören den Schlaf.
Für den Tag habe ich einen Ausflug in die Pußta gebucht, der um 9 Uhr mit einem Kleinbus in Gesellschaft eines italienischen Pärchens startet. Ein älterer Herr spielt den Reiseleiter und beginnt sogleich pflichtgemäß mit Informationen, abwechselnd in Deutsch und Englisch …in der Hoffnung, wenigstens eine der Sprachen wird auch von Italienern verstanden.

Er klärt uns vor allem über die politische und wirtschaftliche Lage in Ungarn auf, wobei er immer wieder betont, wie sehr sich diese nach dem Aufstand gegen die Besatzer und der Wahl von Staatschef
Kader gebessert hätte und fast schon als normal bezeichnet werden könne.
Davor musste es sehr schwierig für das Land gewesen sein und hätte auch viel Deportationen gegeben.

Wir fahren durch die ungarische Tiefebene, ein Brettel ebenes Land…beiderseits der Straße dehnen sich ganze Felder voll Sonnenblumen aus, die leider, da es zu lange trocken war, traurig ihre prächtigen, gelben Köpfe hängen lassen. Immer wieder erblicken wir niedere, kleine Anwesen – vereinzelt und weit voneinander entfernt – die immer weniger werden, da die Alten aussterben und die Jungen die Höfe nicht übernehmen wollen.
Ein wenig enttäuscht, muss ich feststellen, dass in dieser Landschaft keinerlei Pußta-Romantik herrscht, zumindest keine Spur von Ziehbrunnen und sonstigem, was man sich darunter vorstellt.
Dafür gäbe es in Ungarn nur noch museale Nationalparks und davon auch lediglich Zwei, wird uns erläutert.

In Kecskemet, 85 km von Budapest entfernt und seinem Umkreis existieren über eine Million Obstbäume und Weingärten und in diesem hübschen Städtchen besichtigen wir die katholische Barockkirche und das Rathaus in ungarischem Stil mit einem attraktiven Stiegenhaus.

Südlich davon breitet sich nun die „echte“ Bugac Pußta aus, deren Sandsteppe aber in den letzten Jahren auch auf einen Nationalpark reduziert worden ist.
Sie ist jedoch nicht unser Ziel, sondern uns wird an anderem Ort das erwünschte Pußta-Erlebnis in Form einer Reitervorführung geboten. Im Vergleich zu früher gibt es auch weit weniger solche Gestüte als früher, aber immerhin es existieren noch mehrere von ihnen.

So erleben wir also auf einer kleinen Tribüne bei Barrak und Likör als Vorführung das, was früher einmal war….
Vor uns rasen die blau gekleideten Csikos in Atem beraubendem Galopp durch die ovale Bahn.
Reiten und Peitschen knallen haben sie noch nicht verlernt und wenn Einer, auf zwei Pferden stehend die Troika vorbei flitzen lässt, dann hat es auch als Show nichts von seiner mitreißenden Wirkung verloren. Ebenso imponieren auch die rasant dahin rasenden Gespanne.

Man zeigt uns wie sich die Pferde an das Peitschen-Geknalle gewöhnen und wie einst die Hirten auf ihren Tieren schliefen.
Nur als sich dann das Pferd auf seinen Knien vorstellt, weist unser „Führer“ darauf hin, dass dies für Touristen dazu erfunden wurde.
Auch die Darbietungen eines Esels sowie die anschließende Kutschfahrt über holprigen Sand wären zusätzlicher Spaß für die Fremden.

Bei der Besichtigung des Gestüts, können wir nur feststellen, dass es sich um herrliche, gepflegte Pferde handelt, die sich, wie wir beobachten, gleich nach der Vorstellung in freier Wildbahn austoben können…zumindest ein Teil von ihnen und nur im Bereich des Gestütes.
Bei dieser Gelegenheit zeigt man uns auch die reinrassigen, nur in Ungarn gezüchteten Schafe mit gedrehten Hörnern.

Danach wird das Mittagessen fällig, das in der Tanja Csarda stattfindet und ausgesprochen köstlich schmeckt. Es gibt deftige Gulaschsuppe, zartes garniertes Schweinskotelett und als Nachspeise
Palatschinken in Honig, übergossen und angezündet mit viel Marillenschnaps!

Daran schließt sich die Rückfahrt nach Budapest mit 66 km an und um 5 Uhr nachmittags bin ich zurück in meinem Hotel.

Nach dieser trotz allem sehr eindrucksvollen Tour in die längst durch die nüchterne Gegenwart verschluckte Pußta-Idylle, die vermutlich auch zu ihrer Blütezeit, wenig Romantisches an sich hatte,
ist wieder Eigeninitiative für den folgenden Tag im Zeitplan vermerkt. Der empfiehlt dafür das Nationalmuseum und die Gegend um den Heldenplatz.

Ersteres kann ich, zumal es vormittags noch nicht zu heiß wird, per Fuß erreichen.
Am Corso entlang zieht mich als erstes die Freiheitsbrücke, die einst Franz Josephs-Brücke hieß in ihren Bann. Trotz ihrer Eisenverstrebungen schwebt sie elegant, und schwerelos über dem Fluss.
Danach finde ich zwar in dem Chaos der Straßen von Pest die zum Teil eingerüstete Universität, aber nicht die dazu gehörige Kirche und treffe unvermutet auf die Markthalle, die natürlich zu einem Besuch animiert.
Da gibt es alles….Fleisch, Wurst, Speck im Übermaß, auch Obst und Gemüse, allerdings keine exotischen Früchte.
Übrigens, wie ich bei einem der vorhergehenden Spaziergänge zu meinem Ärger feststellen konnte,
wird auch das einheimische Erzeugnis der ungarischen Salami in Spezialgeschäften nur gegen Devisen gehandelt und ist damit für die meisten Bewohner unerschwinglich.

Das Nationalmuseum verspricht schon durch seine Außenseite eine Besonderheit.
Mit 8 dorischen Säulen und einer groß angelegten Freitreppe, hält dann auch sein Inneres das Versprechen von außergewöhnlichen Schätzen, die sowohl die Vergangenheit, vor dem Eintreffen, der zu Christen gewordenen Ungarn, wie die der eigenen Epoche bis zum Jahr 1848, in sehr interessanten Exponaten zur Schau stellen.

Was ab diesem Jahr des Aufstands gegen die Habsburger, denen das Prädikat „Unterdrücker“ angehängt wird, als Beweismittel in den Vitrinen erscheint, mag manchem Verehrer der Österreich-Ungarischen Monarchie, irritieren.

In einem kleinen Raum versöhnen dann herrliche Goldarbeiten mit der bösen Politik und das Klavier Beethovens oder der Dirigentenstab von Franz Liszt aus purem Gold, lassen wieder friedliche Töne erklingen.

Bewacht und in extra Kästen finden sich auch die erst 1978 nach langwierigen Verhandlungen an Ungarn zurück gegebenen, 1945 geraubten Kroninsignien! Darunter ist auch die Stephanskrone zu bestaunen, die vom Papst Silvester dem Gründer Ungarns geschenkt worden war. Wissenschaftler behaupten allerdings, dass diese aus einem späteren Jahrhundert stamme und daher nie von dem König getragen worden sein könne. Wer weiß es schon, Glaube und Wissen passen öfter nicht zusammen!
So oder so, dieser Besuch war für mich ein Erlebnis!

Es ist heiß geworden und um mein Pensum zu erfüllen, werde ich mich der Metro anvertrauen, die mich in rasantem Tempo nach 6 Stationen am Heldenplatz abliefert. Zwar sind ihre Züge und Stationen keine Schönheit, eher abgeblättert und hässlich, ihre Fahrweise ist dagegen vehement.

Bei der nächtlichen Begegnung haben mich die Lichter dieser Gedenkstätte fasziniert, jetzt registriere ich ihre riesige Größe und die Intensität des Milleniumdenkmals.
Da steigt aus der Mitte der 7 vereinigten Stammesfürsten, die sich von nun an Magyaren nennen, eine 36 Meter hohe Säule mit dem Erzengel Gabriel an der Spitze empor, der die Stephanskrone hält.

Das Grabmal des Unbekannten Soldaten und in den Kolonnaden die Statuen der ungarischen Könige, Fürsten und Freiheitskämpfer verherrlichen ebenfalls Volk und Vaterland.

Bevor ich mich in das im Nordwesten des Platzes untergebrachte Museum für Bildende Künste stürze, ist eine Pause – gewidmet den leiblichen Genüssen – notwendig, denen ich im schattigen Garten eines Lokals huldige.

Gestärkt und wieder einigermaßen Aufnahme fähig, lasse ich mich zuerst im Untergeschoss des Gebäudes mit den Sammlungen der Antike, in die Vergangenheit entführen.
Danach präsentiert mir das Obergeschoss eine Bildergalerie riesigen Ausmaßes, die an diesem Nachmittag lediglich einen sehr unvollkommener, flüchtigen Überblick und kein Erfassen einzelner, besonders wertvoller Gemälde möglich macht. Außerdem wäre für die insgesamt über 50 Räume und ihre Inhalte ein genauer Plan und bessere Vorbereitung notwendig gewesen.
Zwei so hervorragende Museen an einem einzigen Tag zu verkraften, fällt sowieso schwer.
So kann ich auch die Räume für Restaurierungen, wo die Statuen in ihrem aufgefundenen Zustand zu sehen wären, nicht mehr besuchen und flüchte vom Haus der Kunst hinaus in die Natur. Im nahen Stadtwäldchen erhoffe ich mir ein wenig Abstand.

Da empfängt mich auch schon ein hübscher, kleiner, wohl künstlich angelegter See, in dem sich das Laub der umliegenden Bäume spiegelt und eine Brücke neugierig macht, was dieses lauschige Refugium inmitten der grauen Häuserzeilen einer Großstadt, wohl noch alles zu bieten hat.
Also überquere ich diesen Steg und stehe danach sehr erstaunt vor einer Burganlage, die so gar nicht in das eben verlassene Naturidyll passt.

Die Erinnerung an den Hinweis eines Prospektes hilft weiter….
Es handelt sich offenbar um die Kopie der Burg Vajdahunyad in Siebenbürgen, das einmal zu Ungarn gehörte und deren Nachbildung ebenfalls zur 1000-Jahrfeier des Staates hier nachgebaut wurde. Nun Rumänien zugehörig, fungiert dort das Original auch als Museum.

Statt in die grüne Natur hat es mich also wieder in eine mir unbekannte Vergangenheit verschlagen und durch ein gotisches Burgtor spaziere ich in den Innenhof und eine Weile darin herum.

Genug von Besichtigungen, beschließe ich, mich schleunigst von der Metro in mein Quartier befördern zu lassen und suche nach dem schnellsten Weg zurück zum Heldenplatz.
Da ertönt von irgendwoher Musik und unversehens, auf der Spur der Klänge, finde ich mich in einem bayrischen Biergarten wieder, als willkommene Chance für eine entsprechende Erfrischung vor der endgültigen Heimkehr.

Doch jetzt narrt mich auch noch mein Orientierungssinn….ich schlage den verkehrten Weg ein, passiere das neubarocke Szechenyi- Heil- und Freibad mit 76 Grad heißen Quellen, das Nobelrestaurant Gundel, merke zu spät den verkehrten Weg und lande statt bei der Metro im Vergnügungszentrum des Stadtwäldchens mit Zoo, Zirkus, Kunsteisbahn, etc. – einem Areal, das für die etwas andere Art Erholung der Bürger sorgt.

Es bleibt nichts übrig, ich muss denselben Weg zurück marschieren, um danach endlich ohne weitere Komplikationen am Heldenplatz von der so flotten Metro „nach Hause“ transportiert zu werden.
Dass ich an diesem Abend sogar auf den von mir so geliebten Sonnenuntergang am Donaukorso verzichte, dürfte sicher verständlich sein.

Per Kleinbus und betreut abermals von Reiseführer Georg, der uns durch die Pußta begleitet hatte, starte ich am nächsten Morgen mit 6 deutschen Touristen zum Plattensee, der mit ca. 50 Quadratkilometer die Fläche des Bodensees überbietet und daher als größter See Mitteleuropas triumphiert.
Vor etwa 10.000 Jahren in einem abgesunkenen, tektonischen Becken entstanden, nennen die Einheimischen ihren Balaton stolz „ungarisches Meer“.

Auch diesmal erfüllt „György“ seine Führerpflichten mit interessanten Details über die Politik und betont – vielleicht da er selbst, wie ich aus seiner Visitenkarte sah, den Doktortitel trägt – dass es im Kommunismus schlimm wäre, als Intellektueller zu leben, da nur die Arbeiterschaft zähle.
Auch wären die Renten allgemein sehr niedrig.

Durch eine hügelige Landschaft steuern wir als erstes ein uraltes Kirchlein auf einem Hügel an, zu dem wir hoch steigen, von dem aber weder die Herkunft noch sein Zweck bekannt sei.

In der traditionellen Porzellanmanufaktur von Herend, der nächsten Halte-Station verhindern uns die hohen, in Dollar ausgezeichneten Preise am Kauf der sehr schönen Waren und nach kurzer Weiterfahrt landen wir viel zu früh, bereits um 12 Uhr zum Mittagessen in der Betyracsarda, die übersetzt als „Räuberschenke“ richtig urig, ihrem Namen Ehre macht.

Auf Bänken unter einem Schutzdach im Freien, wird uns ein deftiges Mahl mit Barrak als Apperitiv und Wein aus Glasbehältern sowie aus großen Blecheimern geschöpfter Suppe, danach Gulasch – das übrigens keine ungarischen Wurzeln hat – aufgetischt.

Nach der ländlich deftigen Pause geht es mit vollem Magen endlich zum Plattensee, wo wir im berühmten Heil- und Kurbad Balatonföred zwischen Touristenmassen bis zum Seeufer vordringen.
Eine sehr flüchtige erste Begegnung!
Das Wasser schimmert in verschiedenen, grünen Farbtönen und durch plötzliche Gewitter könnten, wie man uns erzählt, schöne Stimmungsbilder entstehen.

Tief ist der See nicht, im Durchschnitt 3 – 4 m, an tiefster Stelle 11 m und im allgemeinen liegt er 106 Meter über Meereshöhe.
11 Kohlesäure haltige Quellen entspringen hier am Nordufer von Balatonföred, werden wir belehrt, doch außer ein paar flüchtigen Blicken auf die Kurpromenade erhalten wir in den 10 Minuten Aufenthalt, keinen nachhaltigen Eindruck.

Wir fahren weiter zur Halbinsel Tihany, die den See in 2 Becken teilt und und stapfen da wieder zwischen einer Unmenge von Menschen empor zur wunderschönen Barockkirche, die 1055 gegründet und im 18.Jahrhundert erneuert, einen herrlichen Blick auf den See gewährt.
Nur leider auch hier, Menschen draußen, Menschen drinnen.
Am meisten beeindruckt mich die uralte Krypta im romanischen Stil aus dem 11.Jahrhundert, die noch genauso aussieht, wie vor 1000 Jahren.

Anschließend spazieren wir noch zu einem Freilichtmuseum und besichtigen ein Bauernhaus mit originaler Einrichtung, ein strohgedecktes Fischerhaus, in Schuppen auch einstige Boote. Es soll 64 Häuser geben, die aus Basalttuffstein gebaut, Schilfdächer haben und unter Denkmalschutz stehen. Für sie haben wir keine Zeit, werden vielmehr in einem Restaurant auf einem Hügel mit schönem Blick auf den See mit einem Drink für die Heimfahrt versorgt und damit ist dann das heutige Programm beendet.
Um 7 Uhr sind wir zurück in Budapest, der sehr nette Fahrer bietet uns für 1500 Forint, satt offiziell 1400 einen günstigen Wechselkurs an, von dem ich für 50,– DM Gebrauch mache.

Heute beschließt natürlich ein Abend am Donaukorso mit Sonnenuntergang den für mich interessanten Tag.

Meine Reise neigt sich dem Ende und ein letzter Ausflug – selbstverständlich im Kleinbus und Georg – in Gemeinschaft mit einem englischen Ehepaar mit Sohn führt uns ans Donauknie, wo Ungarns Geschichte begann, zu den Stätten ihrer ersten Könige, in einer Zeit, wo Buda als Ofen zwar bereits nach den Kelten und Römern, ein von zahlreichen Menschen besiedelter Platz war, aber es noch viele Jahrhunderte dauern sollte bis zur Geburt der Hauptstadt Budapest, beiderseits der Donau.

Seit 855 waren die Reiterhorden aus dem Ural plündernd durch Europa gezogen, hatten die Bevölkerung dezimiert, bis Otto I sie 955 in der Schlacht am Lechfeld so vernichtend schlug, dass sie sich ins Gebiet des Donauknies zurückzogen,
Die Arpaden, Gegenspieler, der nun geschwächten Klasse der Reiterkrieger, gewann damit die Oberhand. Das veränderte die Gesellschaft, sie wurde sesshaft, Großfürst Geza, Vater des späteren König Stephan, bat den ostfränkischen Kaiser Otto I, um Missionare und entmachtete den alten Kriegsadel.

Zu diesen Ursprüngen der Geschichte Ungarns also sind wir entlang der Donau unterwegs und wechseln über die Margarethenbrücke nach Buda, um hier als erstes der römischen Epoche zu begegnen. Ein Teil des Amphietheaters von Aquincum, das bis 375 benutzt wurde, über 13.000 Menschen fasste und dem Militär dieser Garnisonsstadt vorbehalten war, beeindruckt bereits vor dem eigentlichen Ziel.
Heute durchschneidet die Autostraße die einstige römische Stadt, von der daher auch nichts ausgegraben werden kann.
Das römische Aquincum gehörte zusammen mit Obuda (Alt-0fen) zu den ersten Siedlungen in dieser Region.

Nach 21 km erreichen wir Szentendre, ein reizendes Städtchen, das aus einem römischen Kastell hervorging.
Unser Spaziergang durch die Gassen mit den alten Häusern bereitet viel Vergnügen. Hier hat sich auch eine Künstlerkolonie, vor allem Maler, angesiedelt und am Hauptplatz, dem Mittelpunkt der Stadt, bietet uns die Orthodoxe Kirche bei feierlicher Musik, den Anblick einer besonders prächtigen Ikonostase. Der herrliche Blick auf die Donau krönt zusätzlich den Aufenthalt vor der Weiterfahrt.

Diese erfolgt entlang der Donau durch eine liebliche Landschaft, ähnlich der Wachau in Niederösterreich, nach Visegrad, das ab 1250 – nach dem Mongolen-Desaster – zur Residenz der ungarischen Könige geworden war und durch König Matthias Corvinus eine Erweiterung im Renaissance-Stil erfuhr.

Während der Türkenzeit verfiel der Palast, wurde als Steinbruch benutzt und erst 1934 begann die Freilegung der Ruinen.
Der Besichtigung dieser Reste gilt hier unser Besuch.
Besonders interessant finde ich den gotischen Kreuzgang, die dritte, besonders aussichtsreiche Schlossterrasse und den Löwenbrunnen.

Inzwischen ist es Mittag geworden und durch die Berge begeben wir uns zu einem wundervollen Restaurant in wunderschöner Lage, mit Blick auf Wälder und die Donau.
Im Freien serviert, von Zigeunermusik untermalt, schmeckt hier das Essen besonders gut.

64 km von Budapest entfernt folgt unser nächstes und letztes, geschichtsträchtiges Ausflugsziel – die Stadt Esztergom, eine der ältesten Städte Ungarns und einst die östlichste Festung des Frankenreiches.
In ihrem Umfeld wurde 969 Stephan, der Sohn des Arpaden-Fürsten Geza geboren und 985 getauft.
Auf dem Burgberg entstand hier die erste Königsburg, die den ungarischen Königen bis Ende des 12. Jahrhunderts, als Residenz diente.
Zerstört von den Türken sind Spuren von ihr zufällig erst vor einiger Zeit entdeckt worden. Auch Reste mittelalterlicher Plastik aus der alten Kathedrale des 11.-13. Jahrhunderts tauchten auf. Viel zu wenig, um das einstige Milieu auch nur schemenhaft auferstehen zu lassen.

So müssen auch wir uns mit den Sehenswürdigkeiten aus jüngerer Zeit begnügen und da ist es vor allem die imposante Basilika aus den Jahren 1822 – 1856 auf einer Anhöhe, die wir besuchen, zu deren Einweihung Franz Liszt die „Graner Messe“ komponierte.
Sie besitzt eines der größten Altarbilder der Welt, das wir von weitem bewundern können.
Die Schatzkammer besticht durch erlesene Kunstwerke.

Esztergom war einst die Hochburg des ungarischen Katholizismus und sein Erzbischof ist heute noch Primas von Ungarn.
Vom Domplatz aus genießen wir einen schönen Blick auf die Donau und erkennen auch die noch nicht wieder hergestellte Brücke zum anderen Ufer, das zur Tschechoslowakei gehört.
Eine kurze Besichtigungstour erschließt uns flüchtig das heutige Esztergom.

Für die Rückkehr nach Budapest benutzen wir die um 10 km kürzere Strecke durch die ca. 600 m hohen Berge, die oft von den Russen, außer sonntags gesperrt wird. Sie ist ebenfalls wunderschön, doch kein Fahrzeug oder Mensch begegnet uns.

Bereits im Bereich von Budapest angekommen, zeigt sich plötzlich das von der Nachmittagssonne magisch beleuchtete Parlament als prunkvolle Visitenkarte der Stadt.

Georg hat uns während der Fahrt wieder mit allerlei netten, aber auch tristen Geschichten unterhalten. Er betonte vor allem die Tragik der ersten Jahre unter den Russen, in denen Menschen aufgrund irgendwelcher Angaben, nachts aus ihren Wohnungen geholt und deportiert wurden und niemand hätte von ihnen etwas gehört. Auf die Bürger der DDR wäre man in Ungarn nicht gut zu sprechen, die wären Knechte, die die Parolen der Partei nachplapperten.

Am Abend dieses ebenfalls sehr interessanten Tages nehme ich am Korso Abschied von der Donau, der Stadt und seinen sympathischen Menschen, die innerhalb von 1000 Jahren zu integrierten Europäern geworden sind.

Da am folgenden Tag der Rückflug erst spät nachmittags stattfindet, nutze ich die Zeit bis dahin für einen zweiten Ausflug über die Kettenbrücke und Drahtseilbahn hinauf nach Buda….bummle nochmals durch die alten Gassen mit den hübsch renovierten Häusern und genieße bei einer kurzen Rast in der Anlage dahinter, den Blick auf die Budaer Berge.
Danach unternehme ich auch einen Streifzug durch den neuen Glaspalast des Hotel Hilton, der praktisch auf und um die Ruinen eines Dominikaner-Klosters aus dem 13.Jahrhundert und dem Turm der Nikolauskirche aus dem 13. – 15. Jahrhundert, erbaut worden ist.
Welch‘ ein Kontrast : einerseits die spärlichen Klosterreste samt Kreuzgang, zeichnerisch ergänzt, andererseits das feudale, hochmoderne Hotel mit Anlagen aller Art.
In seinen hohen Glasfenstern spiegeln sich die Türme der Fischerbastei.und daneben blickt man in die Reste des Klosters.

Da sich wieder viel zu viel Menschen auf der Bastei drängen, spaziere ich über Stufen zur sogenannten „Wasserstadt“ am Fluss, die früher einmal mit ihren kleinen Häusern romantisch gewesen sein muss.
Entlang des Budaer Donauufers, grüßt mich ein letztes Mal das für mich so sehr von der Erinnerung geprägte Parlament und in einem kleinen Lokal mit Tischen im Freien – wie sie auch in Wien, als „Beiseln“ im Sommer auf Gehsteigen, von Planen überdacht, für Genüsse innerhalb der Stadtmauern sorgen – beschließe ich mit einem Donaukarpfen als Mittagsmahl, meinen Budapester Aufenthalt.

Begleitet wird er von der leisen Melodie des Flusses, der so viele verschiedene Klänge auf der Reise zum Schwarzen Meer eingefangen hat…Sie erzählen von Landschaften und Menschen, die an seinen Ufern leben, von deren Sehnsüchten und Wünschen und mit „Seid umschlungen Millionen“ einem der
Walzer von Johann Strauß trösten seine Wellen über alle Unterschiede und Nöte hinweg, spenden
Zuversicht und Trost.

Das war meine Reise im Sommer 1988.

Ein Jahr später fiel in Berlin die Mauer, die Ost und West voneinander getrennt hat.
Dass dies ohne Blutvergießen und Kämpfe stattfinden konnte, daran hat das kleine Ungarn einen verdienstvollen Anteil. Es öffnete spontan seine Grenzen und trug wesentlich zum Treffen der bis dahin getrennten Völker bei.

Umso trauriger stimmt es, dass dieses Land in den folgenden Jahren bis heute zwar Mitglied der Europäischen Union geworden ist, aber mit wirtschaftlichen und politischen Nöten zu kämpfen hat, seine Währung des Forint keine Stabilität erreicht und durch einen Rechtsruck seiner Regierung, Sorgen bereitet.

B U D A P E ST – Wo die Donau statt der Walzer- Zimbalklänge weiterträgt

Ende Juli 1988 erfülle ich mir mit einer Reise nach Budapest einen Jugendtraum.
Als Schülerin hatte ich Gelegenheit bei einer Klassenfahrt ein Wochenende in dieser Stadt zu verbringen und sein Parlament – nach England das zweitgrößte in Europa – kennen zu lernen.
Wie Abgeordnete durften wir auf den Bänken sitzen, bekamen Informationen über die diversen Funktionen und waren fasziniert von dem mächtigen Prachtbau am Donauufer.
Dass es mit 268 m Länge und 123 m Breite einem Giganten gleicht, habe ich damals kaum registriert und auch nicht die 40 kg Gold, mit der die Innenausstattung veredelt wurde.
Ich empfand es einfach als wunderschön….ein Gebäude, das sogar die unserer Wiener Ringstraße an Glanz übertraf.

Meine Heimat schien mir dabei nicht mehr ganz so einmalig und irgendwie gehörten Wien und Budapest ohnedies zusammen.
Obwohl bereits in einer Republik geboren und aufgewachsen, steckt schließlich auch in den Nachfahren der alten k.und k. Monarchie, dessen vergangene Glorie einfach drinnen!

Vom 1. Weltkrieg, dessen Übermut Jahre später die zweite verheerende Tragödie auslöste, erfuhren wir durch die erschreckenden Erzählungen der Eltern. Den Zweiten, mussten ich und meine Generation hautnah mit erleben…er hat die Welt durcheinander gebeutelt und die Landkarte verändert.

Ungarn – die heimliche aber leider störrische Liebe aller Österreicher – geriet nach dem Unheil vollen Gemetzel, wie alle östlichen Staatsgebilde, in den Sog des sowjetischen Kommunismus.

Zwar entsprach auch der habsburgische Traum der Doppelmonarchie nicht der Mentalität dieses Volkes, das kurz vor der ersten Jahrtausend-Wende als halbnomadische, wilde Reiter-Stämme vom Ural kommend, plündernd und raubend neues Land gesucht und dieses zwischen Österreich und den Balkanstaaten, als neue Heimat in Besitz genommen hatte.
Dem Stamm der Magyaren war es gelungen, die insgesamt 7 verschiedenen Stämme zu einer Einheit zu verschmelzen. Nach diesem bravourösen Erfolg musste man natürlich die christliche Religion annehmen und im Jahr 1001 war durch die Krönung Stephan I. – später heilig gesprochen, obwohl er recht grausam seinen Vetter hatte blenden lassen – das neue Königreich UNGARN, inmitten des alten Europa geboren worden.

Allerdings, einfach gestaltete sich die Zukunft der Reiter aus dem Grenzgebiet zu Asien nicht…Kämpfe und Verwüstungen, die Mongolen und die Türken wüteten abwechslungsweise in ihrem Gebiet, in dem meist Fremde als Könige herrschten.
Das alles mag auch den Charakter des Volkes verändert haben, dem neben Temperament und Kampfgeist auch Melancholie, Sentimentalität und tiefe Trauer inne wohnten.

Bis 1946 bestand dieses Königreich Ungarn…nach dem Ende des verbrecherischen 2. Weltkrieges, von dem sich auch die zerstörten, westlich der Demarkationslinie befindlichen Staaten, nur langsam erholten, geriet also Ungarn in den Sog der östlichen Hemisphäre, von der es sich auch durch einen Aufstand nicht befreien konnte.

Aber es gelang diesem seltsamen Volk immerhin, nach dem Gemetzel, den Druck der Sowjets abzumildern und einen mit Paprika gewürzten „Gulasch-Kommunismus“ zu praktizieren.

Seit Jahrzehnten in Deutschland wohnhaft, begebe ich mich im Jahr 1988 voll freudiger Erwartung, von Frankfurt aus, in die Hauptstadt dieses jetzt rot gefärbten Territoriums.

Der Flug mit der Hungaria Airline gestaltet sich ebenso angenehm wie mit anderen Fluglinien.
Dass ich nicht wie zugesichert, von einem Reiseleiter abgeholt werde, ist auch kein Malheur…ich habe keine Gruppenreise gebucht, sondern beabsichtige die Stadt allein und ohne fremdes Programm zu durchstreifen. Durch einen Geldwechsel von DM in Forint am Flughafen, erreiche ich per Taxi mein vorbestelltes Hotel, das sehr komfortabel wirkt… bin lediglich erstaunt, dass der Boy, der mir die Reisetasche ins Zimmer befördert, sofort an einem illegalen Geldwechsel interessiert ist.

Es ist ungewöhnlich heiß an diesem frühen Nachmittag.
Doch da ich für die Stadt und seine Umgebung nur 1 Woche zur Verfügung habe, starte ich sofort, um die, wie Wien mit der Donau verbundene Metropole und die Seele ihrer Menschen zu ergründen, zu einem Spaziergang.

Dieses, als eine der schönsten Städte Europas gepriesene Budapest, ist sehr jung. Erst 1871 vereinigten sich die Stadtteile Buda – das alte Ofen – mit dem am gegenüber liegenden Donauufer befindlichen Pest, zur Hauptstadt und daher hatte auch die turbulente Geschichte des Königreichs Ungarn mit der Krönung Stephan I, nicht hier, sondern im 64 km entfernten Esztergom am Donauknie, begonnen.

Trotz Hitze marschiere ich also gleich los, fühle mich fast wie ein Entdecker und versuche meine Erinnerung an die Stadt und Ungarn mit der Gegenwart zu vereinen.
Mein Hotel liegt zentral, direkt an der Fußgängerzone Vaci utca, die sich mir mit Geschäften gespickt und offensichtlich mehr Touristen als Einheimischen, präsentiert.
Auf dem Verösmarty-ter spielen Straßenmusikanten, Maler porträtieren Besucher.
Inmitten einer winzigen Anlage prangt ein weißes Denkmal des gleichnamigen Dichters, der als Romantiker und pessimistischer Philosoph das tragische Gedicht „Der alte Zigeuner“ schrieb.
An der Ecke des Platzes lockt das berühmte und große Cafe Gerbeaut mit Spezialitäten.

Eine Atmosphäre fast wie in südlichen Ländern, zu der auch die Temperatur passt und schließlich verläuft ja wenige Meter parallel zur Vaci utca der Donaukorso, der das südliche Flair mit seinem Strom perfektioniert. Sein sanftes Rauschen wird auf dieser zauberhaften Promenade von den vielfältigen Geräuschen der hier Flanierenden verschluckt und auch die davor ab und zu vorbei bimmelnde Straßenbahn, steuert ihre Melodie bei.

In einem der vielen Restaurants esse und trinke ich und habe sofort Kontakt mit 2 anderen Gästen.
In Budapest wäre man nie allein, versichern sie mir.

Ich schlendere weiter bis zur Kettenbrücke, der ältesten von den 8 die Donau überquerenden Bauten, die alle vor dem Einmarsch der sowjetischen Truppen gesprengt wurden und wieder aufgebaut werden mussten. Erst seit 1949 überspannt sie wieder mit ihren wie Triumphbögen gestalteten Pfeilern und den steinernen Löwen den Fluss. Das Panorama von hier auf das von Bergen umgebene Buda gleicht einer zauberhaften Bühnenkulisse.

Inzwischen ist es spät geworden und die Abendsonne wirft ihren goldfarbenen Schleier über die grauen Gebäude der Stadt. Auch auf den ruhig dahinfließenden Wellen der Donau führt der Widerschein des Lichts einen flackernden Tanz auf.
Eine laue Brise hat die Hitze des Tages abgelöst und es fällt mir schwer, ins Hotel zurückzukehren.

Am Korso zurück in die Vaci utca – mein Gott, was für eine schwierige und für unsere Ohren so fremde Sprache….utca, Straße, ter Platz… die Ungarn haben sie aus ihrer alten Heimat mitgebracht. Finnisch-ugrisch, wie es ähnlich auch die Finnen, die ja ebenfalls aus dem Ural kamen, sprechen und sich im Norden Europas ihr neues Zuhause erobert haben.

Zurück im Hotel ignoriere ich einfach die Hitze im Zimmer und den lauten Straßenlärm.

Ich weiß nun, Budapest ist tatsächliche eine wunderbare Stadt, in der mich manches an meine Heimat Wien erinnert.

Der nächste Morgen beginnt mit moderaten Temperaturen und einem guten und reichlichen Frühstück.
Gleich danach zieht mich wieder der Korso magisch an, schließlich spielt die Donau den Hauptakkord
in der ungarischen Symphonie.
Über die Kettenbrücke wende ich mich ihrem anderen Ufer zu und bin froh, dass ich den Aufweg zum Burghügel per Zahnradbahn überwinden kann.

Vor den Toren des Burgkomplexes ist Endstation.
Pompös und monströs weitläufig, präsentiert er sich mir.

Auf diesem 170m hohen Hügel hat außer diesem Königsschloss auch das „Burg“ genannte Stadtviertel
seinen Platz gefunden und in dieses begebe ich mich entlang der rückwärtigen Mauern, durch schattige Anlagen und den Blick auf die Budaer Berghöhen – ein wunderschönes, hügeliges Waldgebiet, das ein wenig dem Wienerwald ähnelt.

Überall herrscht Ruhe, Beschaulichkeit und viele Sitzplätze verleiten, sie zu genießen. Das gönne ich mir kurze Zeit und wende mich dann dem alten Stadtteil zu.
Malerische Häuser schmücken in Pastellfarben die Straßen und Gassen.
Es ist köstlich hier herum zu schweifen und immer wieder in die Hinterhöfe hinein zu schauen und zu gehen.
Eine säuberlich herausgeputzte Idylle mit musealem Charme, die sehr an alte Städte wie Rust im Burgenland, aber auch an alte Viertel in Wien und Graz erinnert.
Alles wirkt liebevoll erneuert und sehr sauber.

Die Königsburg selbst, in der kaum Könige gewohnt haben, spiegelt irgendwie das Schicksal Ungarns wider.
Die Arpaden-Dynastie regierte im Palast von Esztergom.
Der von König Sigismund erbaute Palast wurde von den Türken zerstört.
Das an seiner Stelle von Kaiserin Maria Theresia errichtete Burgschloss, brannte 1848 nieder, wurde aber wieder hergestellt und erneuert.
Heute sind in seinen Räumen diverse Museen untergebracht.
Diese zu besuchen bin ich allerdings nicht in Stimmung und spaziere daher zurück, um der Matthiaskirche einen Besuch abzustatten.

Inzwischen sind massenhaft Besucher in Buda angekommen und vor dem Kirchentor staut sich eine Menschenmenge…

Wie das ganze Land, hatte auch die Kirche, ein Bau aus dem 13. Jahrhundert, ein stürmisches Schicksal zu ertragen. Im 14./15. Jahrhundert erhielt sie ein mehrfach verändertes, gotisches Antlitz und 1470 taufte man dieses vorher als Krönungskirche benannte Gotteshaus, in Matthiaskirche um.

Als einziger ungarischer König nach der Arpaden-Dynastie ließ dieser sie ebenfalls umbauen und bereicherte Stadt und Land durch seinen Griff nach dem Westen, wo die Macht beheimatet war. 1485 besiegte er den Habsburger Kaiser Friedrich, verbannte ihn ins Exil nach Linz und zog in Wien ein.
5 Jahre später starb er dort ohne Erben und seine Nachfolger, mussten, wohl oder übel, die eroberten Gebiete wieder abgeben und den Anspruch Habsburgs darauf, anerkennen.

Als die Türken auf der westlichen Bühne erschienen wurde die Matthiaskirche zu einer Moschee degradiert und erhielt erst 1873 wieder seine gotische Rekonstruktion.

Zwar verläuft die Besichtigung des bemerkenswerten Baues durch die vielen Besucher für mich ein wenig gestört, doch der mit Pflanzenornamenten versehene Freskenschmuck an Säulen und Deckengewölben, die bunten Farbfenster, beeindrucken außerordentlich, obwohl sie den Kirchenraum verdunkeln.
Ich dränge mich durch die Menschenmenge die Treppe hinunter zur Krypta und wieder hinauf zur Schatzkammer mit Monstranzen, Kelchen, Messgewändern, etc. und immerhin ein sehr schöner Blick auf die Fresken des Kirchenschiffs und die in einer Einzelvitrine aufbewahrte Krone, die Kaiserin Elisabeth bei ihrer Hochzeit mit Kaiser Franz Joseph trug, lohnen die Strapaze.

Draußen vor der Kirche mit Blick auf die Fischerbastei, erhebt sich auf einem Bronzeross der Gründerkönig Stephan I auf einem Kalksteinsockel mit Marmorreliefs auf 4 Seiten.

Abgesehen davon, dass Budapest eine große Liebe für Denkmäler entwickelt hat, die immer und überall von berühmten Menschen zu berichten wissen, hat der heilig gesprochene Stephan als Glanzleistung den ungarischen Staat und die Kirche organisiert. 4 Löwengestalten wachen über ihn.

Im anschließenden, kleinen Park, vor dem die üblichen Souvenirbuden aufgebaut sind und ausreichend interessiertes Publikum finden, erhole ich mich ein wenig, ehe ich die wenigen Schritte vor bis zur Fischerbastei mit ihren pittoresken Türmen, den gottlob schattigen Gängen und schmalen Aussichtsveranden, spaziere.

Die Ausblicke von hier auf die Stadt sind wahrhaft großartig und das Parlament, das mich als Schülerin so faszinierte und gewissermaßen zu dieser Reise verlockt hat, leuchtet mir unter einem strahlend blauen Himmel, an der gleichmütig dahin fließenden Donau, verführerisch entgegen.
Durch die Säulen der Bastei offenbart sich die Silhouette des Pester Stromufers bis hin zur Margareteninsel, als glänzendes Band von geballter Schönheit.

Bei Temperaturen zwischen 30 und 40 Grad bin ich inzwischen ganz schön müde geworden und durchstreife auf dem Rückweg das weitläufige Burggelände und die diversen Höfe, an dem kaum Leute interessiert sind, schnell und ohne zusätzlichen Aufenthalt…
Was für ein gigantischer Bau ragt da gegen den Himmel, der fast nie seinen Zweck als Königspalast erfüllte. Zwar hatte Matthias Corvinus ihn mit einer berühmten Bibliothek ausgestattet, Künstler und Wissenschaftler hierher geholt, aber Zeit hatte er für ihn keine.
Sein Palast in Visegrad und vor allem die Burg ihn Wien waren ihm wichtiger….
Auch als Maria Theresia nach dem türkischen Missbrauch den Komplex wieder zu neuem Glanz erweckte, blieb Einsamkeit sein Schicksal, denn außer zeitweiligen kurzen Aufenthalten von Kaiser Franz Joseph, blieb er leer.

Nach dem 2. Weltkrieg wiederum zerstört und neuerlich aufgebaut, versucht er nun – wie es scheint, ebenfalls nicht sehr erfolgreich – durch interessante Museen, das Publikum anzuziehen.

Mit der Zahnradbahn kehre ich nach Pest zurück und eile über die Kettenbrücke zum Donaukorso, um mich in einem hübschen Lokal mit anmutigem Donaublick, einem kühlem Bier und einem ungarischen Kalbsgulasch, von diesem Ausflug zu erholen.
Wie köstlich…sitzen, schauen, trinken….

Nur kurz im Hotelzimmer, wo Sauna-Temperatur herrscht, flüchte ich bald wieder in die Fussgängerzone der Vaci utca, wo gerade von Bauersfrauen vom Land, gestickte Tischtücher, Blusen, etc. zum Kauf angeboten werden.

So schön die Geschäfte in dieser Bummelstraße auch aussehen, was drinnen hängt und liegt, entspricht nicht ganz den inzwischen verwöhnten Ansprüchen westlicher Besucher und ist zudem gar nicht billig.

Um auch den Pester Stadtteil zu erforschen spaziere ich wieder vor zur Donau, werfe einen Blick in die griechisch-orthodoxe Kirche, die mit einer großen und imposanten Ikonenwand, sofort die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Etwas unschlüssig und ziellos durchstreife ich dann die Straßen und hoffe, dabei auch auf den Boulvard zu treffen, der sich heute Straße der Volksrepublik nennt und als Wohn-, Büro-, Flanier-, Verkehrs- und Aufmarschstraße ein würdiges Pendant zu den Pariser Champs Elyssee darstellen soll.
Parallel dazu verläuft übrigens die Ende des 19.Jahrhunderts eröffnete, erste U-Bahnstation unseres Kontinents.

Statt dieser Prachtstrasse entdecke ich allerdings plötzlich die Kuppel der Stefans-Basilika, von der ein Turm eingerüstet ist. Ihr Inneres wirkt düster trotz der Ausschmückung ihrer Kuppel und wenn man genauer hoch blickt, wird deutlich, dass sie eine Renovierung gebrauchen könnte.

In diesem dennoch attraktiven Dom verleitet eine seltsame Reliquie die Gläubigen einmal im Monat zur Anbetung….denn, verborgen in einem Wandschrank ruht die „rechte Hand“ des Staatsgründers, die dem Toten nach der Heiligsprechung zwecks allgemeiner Verehrung, abgehackt wurde.

Dass dieses Relikt eine wahre Odyssee bis zu seinem endgültigen Ruheplatz zu erdulden hatte, passt irgendwie zum Schicksal des ungarischen Volkes.

Den Budapester Champs Elyssee begegne ich bei meinem Streifzug dagegen nicht. Eine von Bäumen bestandene Allee, die von meiner Straße abzweigt, scheint mir etwas zu schmal für ein solches Herzeige-Objekt und ich spaziere weiter über Plätze und Gassen mit teils alten, teils modernen Häusern – wobei die Alten fast am Abbröckeln sind und die neuen im Glasstil dazwischen glänzen, ähnlich den großen Hotels an der Donaupromenade. Irgendwie und überraschender Weise komme ich beim entzückenden Hermesbrunnen, wenige Schritte von meinem Hotel entfernt, aus dem Strassenlabyrint heraus.
Dieser zwar ein wenig anstrengende Bummel hat für mich immerhin das Portrait der Stadt mit vielen, sonst oft unbemerkten Details, bereichert.

Eine für den Abend gebuchte Folklore-Vorstellung beginnt nach einigen Ungereimtheiten verspätet mit einem roten Taxi, das mich als einzigem Fahrgast, durch eine wundervolle Landschaft bis weit hinauf in die Budaer Berge, zu einem pompösen Restaurant befördert, das von Touristen überquillt.
An einem kleinen Tischerl wird noch ein Platz für mich organisiert, damit ich für die voraus bezahlten 45,– DM an dem, für die Fremden organisierten Spektakel, teilnehmen kann.
Man gibt sich allerdings Mühe, dieses, mit dem im Preis enthaltenen Essen und Trinken, einigermaßen angenehm zu gestalten. Die Ober laufen und schwitzen um alle Reisegruppen schnell zu bedienen.

Zwischen Teller klappern und anderen Geräuschen, läuft dann die halbstündige Folklore mit Musik und Tanz in bunten Trachten an, wobei der Gesang per Mikrofon verstärkt, fast unerträglich laut, alles übertönt.

Ebenso präzise wie für Massenveranstaltungen üblich, ist der ganze Zauber Punkt 10 Uhr zu Ende …ein Spendenkorb macht die Runde und das rote Taxi, dessen Fahrer mir schon bei der Anfahrt mitteilte, dass die Rückfahrt nicht im Preis inbegriffen sei, steht bereit, mich zurück ins Hotel zu bringen.

Ein unerwartetes Erlebnis gestaltet diesen Abend nach dem Plansoll für Touristen ohne jede Spontanität, auf den ich gut und gerne hätte verzichten können, dennoch zum einmaligen Triumph durch den Taxifahrer, der mich für die zusätzlich zu zahlenden 300 Forint – das sind nach offiziellem Wechselkurs, den ohnedies kaum jemand wählt DM 10,– – durch das märchenhaft beleuchtete, nächtliche Budapest, kurvt.

Er hält zuerst auf einem Aussichtspunkt, von dem die Stadt wie ein funkelnder Diamant zu uns hinauf strahlt. Welch‘ ein Meer von Lichtern, in dem die Kettenbrücke über den Strom triumphiert und die Budaer Burg ihre Leere durch Helligkeit überwindet.

Und nicht genug dieses faszinierenden Anblicks fährt er mit mir noch durch das Pester Stadtgebiet zum Heldenplatz mit dem Milleniums-Denkmal, das anlässlich der 1000-Jahr-Feier errichtet, alle sieben Stammesfürsten, die vereinigt das Land in Besitz nahmen, in Bronze gegossen, darstellt. Alles ringsum, ist ebenfalls in helles Licht getaucht.
Dazu bereichert der freundliche Mann auch noch mit interessanten Erklärungen mein Wissen und ich beginne zu begreifen, wie sehr dieses Volk bemüht ist, die eigene Identität zu bewahren.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges und der sowjetischen Besatzung hat ihnen ein unerschrockener Aufstand gegen diese geholfen, dem ungeliebten politischen System, so viel wie nur möglich, eigene Note aufzuzwingen.

Auch der folgende Tag verspricht sehr heiß zu werden, kein Wölkchen trübt das Blau des Firmaments.
Auf meinem Programm steht heute der Spaziergang zur Margareten-Insel, jener berühmten Oase im Donaustrom, die sich durch das Zusammenwachsen von Sandbänken im Laufe der Zeit gebildet hat und schon unter den Römern bewohnt war.
Nicht entlang des Donau-Ufers, sondern da kürzer und schattiger zwischen den Häuserreihen, nähere ich mich der Margaretenbrücke, in deren Mitte ein Weg abwärts zu dem Eiland führen soll.
Dabei passiere ich das Parlament, dessen neugotische Pracht mit der von 24 Türmen umgebenen Kuppel in den Himmel ragt, doch derzeit teilweise eingerüstet ist.
Es wird viel restauriert in Budapest!

Ich versage mir den Wunsch seine Prunkräume nach so vielen Jahrzehnten und unter einem anderen Zeitgeist, anderen Perspektiven dienenden Funktionen, zu besuchen….will lieber die Erinnerung von damals bewahren und mich dem heutigen Budapest widmen.

Von der Brücke führt in etwa ihrer Mitte ein Weg hinunter zur Insel und viele Menschen streben gleich mir diesem Ziel zu, die sich aber auf dem weitläufigen Gelände schnell verlaufen. Eine wohltuende Ruhe umgibt mich bald.
Von Autos verschont, sprühen überall zwischen den Bäumen, Wasserspender Feuchtigkeit auf die Wiesen.
Im Gras machen es sich die Budapester gemütlich…schattige Ruhebänke locken zu einer Rast, es ist ein beschauliches Idyll inmitten der Großstadt.
Das Casino, dessen Eleganz uns Schülern bei dem Wochenend-Ausflug damals vor vielen Jahren sehr beeindruckte, liegt immer noch herrlich eingebettet in Grün, nur dürften die reichen Leute, die darin spielten, nunmehr fehlen und jetzt zur Vormittagszeit herrscht hier sowieso kein Betrieb. Reiche Leute sucht man in dieser Stadt sowieso meist vergeblich…möglicherweise gibt es sie, aber sie haben keine eigenen Oasen mehr.

Ich spaziere durch verschlungene Pfade und treffe dabei auf die Ruinen des Dominikanerinnen-Klosters, in dem einst die Tochter eines Königs als Nonne ihr Leben verbringen musste.
Mit ihm ist eines der tragischsten Kapitel der ungarischen Geschichte verknüpft.
Rund 250 Jahre nach dem Einfall der eigenen, raubenden Reiterhorden – inzwischen sesshaft und zu ordentlichen Christen geworden – überfielen die Mongolen unter Batu Khan ihre Nachfahren, schlugen das Heer des Königs vernichtend und dezimierten durch ihre Massaker die Hälfte der Bevölkerung.
König Bela IV, vorletzter Spross der Arpaden-Dynastie musste nach Trogir in Kroatien fliehen, das damals zu Ungarn gehörte und versprach, sollte sich alles zum Guten wenden, ein Kloster zu bauen, dem er seine Tochter als Nonne anvertrauen würde.

Das Blatt wendete sich tatsächlich, als der Großkahn plötzlich starb und die Mongolen nach Osten abzogen.
1251 wurde das Kloster gebaut, mit Ländereien beschenkt und Tochter Margit lebte darin Zeit ihres Lebens besitzlos als Nonne. Auch das Land ließ der König neu erblühen, baute und baute, holte Siedler für die Verluste an Menschen bis….ja bis die nächste Katastrophe in Form der türkischen Besatzer über die Länder des Ostens und auch Ungarn herein brach.
Wie vieles wurde in dieser Zeit auch das Kloster zweckentfremdet, verfiel und geriet schließlich im Laufe der Jahrhunderte in Vergessenheit.

Und abermals war es ein Unglück, das die Vergangenheit in die Gegenwart des Jahres 1838 katapultierte!
Damals brandete eine verheerende Sturmflut über die Donau hinweg und kehrte auch auf der Margareteninsel das unterste zu oberst, riss Bäume mitsamt der Wurzel aus der Erde und hinterließ ein Chaos. Aus diesem Durcheinander versuchte man und bemüht sich bis heute, aus den steinernen Überresten die Geschichte und das Aussehen jenes einst so reichen Klosters und der 1943 heilig gesprochenen Nonne Margit, zu rekonstruieren.

Ich bummle weiter auf diesem herrlichen, 2,5 km langen und an breitester Stelle sich 500m ausdehnenden Eiland bis zu seinem westlichen Ende mit dem Wasserturm als Wahrzeichen und einem kleine Selbstbedienungs-Kiosk.

Ein weiter Fußweg in umgekehrter Richtung steht mir bevor und da ich nicht weiß, wo es Fahrscheine für die Straßenbahn zum Donaukorso gibt, werde ich auch diese Strecke zu Fuß bewältigen, stärke mich aber davor in einem bulgarischen Restaurant gegenüber dem Parlament für den langen Weg.
Sofort spricht mich da der Ober an, ob ich Geld umwechseln möchte….natürlich nehme ich gern die Gelegenheit wahr und bekomme für DM 50,–, 1700 Forint, wofür es heute Morgen offiziell nur 1400 gab. Das Mittagsmahl, Hühnerleber mit Reis, dazu eine Karaffe Wein und eine Flasche Wasser finde ich für 170 Forint äußerst billig und angereichert mit der Seitenansicht des Parlaments ein ideales Platzerl.

In der Vaci utca herrscht der übliche Betrieb, es ist heiß und nach nur kurzer Erholungspause im Hotelzimmer flüchte ich gern in ein kleines Lokal am Korso, um dort statt sonstiger Unternehmungen, für die ich zu müde bin, den Nachmittag und Abend zu verbringen.
Es ist ein Vergnügen das bunte Völkchen, das da vorbei und hin und her wogt und meist von jungen Menschen dominiert wird, zu beobachten.

Doch abgesehen vom pulsierenden, menschlichen Verkehr, mit welch‘ faszinierendem Anblick wird man hier beschenkt!
Die Donau als gemächlich dahinfließendes Band vereinigt nicht nur 2 Stadtteile, sie ist auch das Bindeglied von Natur und Architektur, die sie zu einem großartigen Panorama voll Schönheit und Harmonie zusammenfügt, das über alle Nöte von Vergangenheit und Gegenwart hinwegtäuscht.

Da grüßen die Felsen des 235 m hohen Gellertberges mit dem Freiheitsdenkmal auf seinem Gipfel als Dank für die sowjetischen Befreier erbaut und dahinter ragen die Mauern der Zitadelle von den ungeliebten Habsburgern errichtet, in den Himmel. Ein Stück darunter erinnert das Gellert-Denkmal an den Bischof, der 1046 von Ungarn, die keine Christen werden wollten, über den Berg abwärts ins Jenseits befördert wurde.

Am Fuße dieser Szenerie erzählen das einst feudale und restaurierte Gellert-Hotel und das berühmte Gellert-Bad von freundlichen Zeiten.
Man denke daran, dass Budapest seit den Römern als größte Badestadt Europas, Berühmtheit erlangte. 120 heiße Quellen sprudeln aus ihrem Boden. Es entstanden Badehäuser.
Den Türken, die Klöster geschändet haben und nicht viel Gutes für die Ungarn taten, sind als wohl einziges Plus, 5 davon zu verdanken.

An den Gellertberg schließen sich im Westen Budas, der Prachtbau der Burg, die Stadt Burg, einst Ofen genannt, die Türme der Fischerbastei und diese imposante Gebäudefront wird, wie von einem Maler darüber gepinselt, von den grünen Hügeln der Budaer Berge überwölbt.

Elegant schwingen sich neben mir, die Ketten- und die Elisabethbrücke über die Donau, die in der Eiszeit geboren, einschließlich der Außenbezirke ca. 30 km mitten durch Budapest fließt. Alt und würdig mit steinernen Löwen an den Brückenköpfen die Eine, einst als längste Hängebrücke Europas verehrt, die Andere.

Gedanken, die mir die imposante Sicht auf das so junge Budapest an diesem Nachmittag am Donau-Korso offeriert, dem Fluss der für Viele, die Hauptstraße der Stadt symbolisiert.
Als exklusive Zugabe erlebe ich an diesem von Unternehmungen freien Nachmittag, gegen Abend auch noch die Attraktion des Sonnenuntergangs über dem Strom.
Wie vergoldet strahlt die Burg, dieses prächtige und doch so wenig ihrem Zweck dienende Bauwerk, in den sich langsam verdunkelnden Himmel, während der Fluss immer wieder von glitzernden Lichtern umgarnt, seine leise Melodie über die Stadt und das Land nach Osten trägt.

Die folgende Nacht wird für mich unruhig, Straßenlärm und Hitze stören den Schlaf.
Für den Tag habe ich einen Ausflug in die Pußta gebucht, der um 9 Uhr mit einem Kleinbus in Gesellschaft eines italienischen Pärchens startet. Ein älterer Herr spielt den Reiseleiter und beginnt sogleich pflichtgemäß mit Informationen, abwechselnd in Deutsch und Englisch …in der Hoffnung, wenigstens eine der Sprachen wird auch von Italienern verstanden.

Er klärt uns vor allem über die politische und wirtschaftliche Lage in Ungarn auf, wobei er immer wieder betont, wie sehr sich diese nach dem Aufstand gegen die Besatzer und der Wahl von Staatschef
Kader gebessert hätte und fast schon als normal bezeichnet werden könne.
Davor musste es sehr schwierig für das Land gewesen sein und hätte auch viel Deportationen gegeben.

Wir fahren durch die ungarische Tiefebene, ein Brettel ebenes Land…beiderseits der Straße dehnen sich ganze Felder voll Sonnenblumen aus, die leider, da es zu lange trocken war, traurig ihre prächtigen, gelben Köpfe hängen lassen. Immer wieder erblicken wir niedere, kleine Anwesen – vereinzelt und weit voneinander entfernt – die immer weniger werden, da die Alten aussterben und die Jungen die Höfe nicht übernehmen wollen.
Ein wenig enttäuscht, muss ich feststellen, dass in dieser Landschaft keinerlei Pußta-Romantik herrscht, zumindest keine Spur von Ziehbrunnen und sonstigem, was man sich darunter vorstellt.
Dafür gäbe es in Ungarn nur noch museale Nationalparks und davon auch lediglich Zwei, wird uns erläutert.

In Kecskemet, 85 km von Budapest entfernt und seinem Umkreis existieren über eine Million Obstbäume und Weingärten und in diesem hübschen Städtchen besichtigen wir die katholische Barockkirche und das Rathaus in ungarischem Stil mit einem attraktiven Stiegenhaus.

Südlich davon breitet sich nun die „echte“ Bugac Pußta aus, deren Sandsteppe aber in den letzten Jahren auch auf einen Nationalpark reduziert worden ist.
Sie ist jedoch nicht unser Ziel, sondern uns wird an anderem Ort das erwünschte Pußta-Erlebnis in Form einer Reitervorführung geboten. Im Vergleich zu früher gibt es auch weit weniger solche Gestüte als früher, aber immerhin es existieren noch mehrere von ihnen.

So erleben wir also auf einer kleinen Tribüne bei Barrak und Likör als Vorführung das, was früher einmal war….
Vor uns rasen die blau gekleideten Csikos in Atem beraubendem Galopp durch die ovale Bahn.
Reiten und Peitschen knallen haben sie noch nicht verlernt und wenn Einer, auf zwei Pferden stehend die Troika vorbei flitzen lässt, dann hat es auch als Show nichts von seiner mitreißenden Wirkung verloren. Ebenso imponieren auch die rasant dahin rasenden Gespanne.

Man zeigt uns wie sich die Pferde an das Peitschen-Geknalle gewöhnen und wie einst die Hirten auf ihren Tieren schliefen.
Nur als sich dann das Pferd auf seinen Knien vorstellt, weist unser „Führer“ darauf hin, dass dies für Touristen dazu erfunden wurde.
Auch die Darbietungen eines Esels sowie die anschließende Kutschfahrt über holprigen Sand wären zusätzlicher Spaß für die Fremden.

Bei der Besichtigung des Gestüts, können wir nur feststellen, dass es sich um herrliche, gepflegte Pferde handelt, die sich, wie wir beobachten, gleich nach der Vorstellung in freier Wildbahn austoben können…zumindest ein Teil von ihnen und nur im Bereich des Gestütes.
Bei dieser Gelegenheit zeigt man uns auch die reinrassigen, nur in Ungarn gezüchteten Schafe mit gedrehten Hörnern.

Danach wird das Mittagessen fällig, das in der Tanja Csarda stattfindet und ausgesprochen köstlich schmeckt. Es gibt deftige Gulaschsuppe, zartes garniertes Schweinskotelett und als Nachspeise
Palatschinken in Honig, übergossen und angezündet mit viel Marillenschnaps!

Daran schließt sich die Rückfahrt nach Budapest mit 66 km an und um 5 Uhr nachmittags bin ich zurück in meinem Hotel.

Nach dieser trotz allem sehr eindrucksvollen Tour in die längst durch die nüchterne Gegenwart verschluckte Pußta-Idylle, die vermutlich auch zu ihrer Blütezeit, wenig Romantisches an sich hatte,
ist wieder Eigeninitiative für den folgenden Tag im Zeitplan vermerkt. Der empfiehlt dafür das Nationalmuseum und die Gegend um den Heldenplatz.

Ersteres kann ich, zumal es vormittags noch nicht zu heiß wird, per Fuß erreichen.
Am Corso entlang zieht mich als erstes die Freiheitsbrücke, die einst Franz Josephs-Brücke hieß in ihren Bann. Trotz ihrer Eisenverstrebungen schwebt sie elegant, und schwerelos über dem Fluss.
Danach finde ich zwar in dem Chaos der Straßen von Pest die zum Teil eingerüstete Universität, aber nicht die dazu gehörige Kirche und treffe unvermutet auf die Markthalle, die natürlich zu einem Besuch animiert.
Da gibt es alles….Fleisch, Wurst, Speck im Übermaß, auch Obst und Gemüse, allerdings keine exotischen Früchte.
Übrigens, wie ich bei einem der vorhergehenden Spaziergänge zu meinem Ärger feststellen konnte,
wird auch das einheimische Erzeugnis der ungarischen Salami in Spezialgeschäften nur gegen Devisen gehandelt und ist damit für die meisten Bewohner unerschwinglich.

Das Nationalmuseum verspricht schon durch seine Außenseite eine Besonderheit.
Mit 8 dorischen Säulen und einer groß angelegten Freitreppe, hält dann auch sein Inneres das Versprechen von außergewöhnlichen Schätzen, die sowohl die Vergangenheit, vor dem Eintreffen, der zu Christen gewordenen Ungarn, wie die der eigenen Epoche bis zum Jahr 1848, in sehr interessanten Exponaten zur Schau stellen.

Was ab diesem Jahr des Aufstands gegen die Habsburger, denen das Prädikat „Unterdrücker“ angehängt wird, als Beweismittel in den Vitrinen erscheint, mag manchem Verehrer der Österreich-Ungarischen Monarchie, irritieren.

In einem kleinen Raum versöhnen dann herrliche Goldarbeiten mit der bösen Politik und das Klavier Beethovens oder der Dirigentenstab von Franz Liszt aus purem Gold, lassen wieder friedliche Töne erklingen.

Bewacht und in extra Kästen finden sich auch die erst 1978 nach langwierigen Verhandlungen an Ungarn zurück gegebenen, 1945 geraubten Kroninsignien! Darunter ist auch die Stephanskrone zu bestaunen, die vom Papst Silvester dem Gründer Ungarns geschenkt worden war. Wissenschaftler behaupten allerdings, dass diese aus einem späteren Jahrhundert stamme und daher nie von dem König getragen worden sein könne. Wer weiß es schon, Glaube und Wissen passen öfter nicht zusammen!
So oder so, dieser Besuch war für mich ein Erlebnis!

Es ist heiß geworden und um mein Pensum zu erfüllen, werde ich mich der Metro anvertrauen, die mich in rasantem Tempo nach 6 Stationen am Heldenplatz abliefert. Zwar sind ihre Züge und Stationen keine Schönheit, eher abgeblättert und hässlich, ihre Fahrweise ist dagegen vehement.

Bei der nächtlichen Begegnung haben mich die Lichter dieser Gedenkstätte fasziniert, jetzt registriere ich ihre riesige Größe und die Intensität des Milleniumdenkmals.
Da steigt aus der Mitte der 7 vereinigten Stammesfürsten, die sich von nun an Magyaren nennen, eine 36 Meter hohe Säule mit dem Erzengel Gabriel an der Spitze empor, der die Stephanskrone hält.

Das Grabmal des Unbekannten Soldaten und in den Kolonnaden die Statuen der ungarischen Könige, Fürsten und Freiheitskämpfer verherrlichen ebenfalls Volk und Vaterland.

Bevor ich mich in das im Nordwesten des Platzes untergebrachte Museum für Bildende Künste stürze, ist eine Pause – gewidmet den leiblichen Genüssen – notwendig, denen ich im schattigen Garten eines Lokals huldige.

Gestärkt und wieder einigermaßen Aufnahme fähig, lasse ich mich zuerst im Untergeschoss des Gebäudes mit den Sammlungen der Antike, in die Vergangenheit entführen.
Danach präsentiert mir das Obergeschoss eine Bildergalerie riesigen Ausmaßes, die an diesem Nachmittag lediglich einen sehr unvollkommener, flüchtigen Überblick und kein Erfassen einzelner, besonders wertvoller Gemälde möglich macht. Außerdem wäre für die insgesamt über 50 Räume und ihre Inhalte ein genauer Plan und bessere Vorbereitung notwendig gewesen.
Zwei so hervorragende Museen an einem einzigen Tag zu verkraften, fällt sowieso schwer.
So kann ich auch die Räume für Restaurierungen, wo die Statuen in ihrem aufgefundenen Zustand zu sehen wären, nicht mehr besuchen und flüchte vom Haus der Kunst hinaus in die Natur. Im nahen Stadtwäldchen erhoffe ich mir ein wenig Abstand.

Da empfängt mich auch schon ein hübscher, kleiner, wohl künstlich angelegter See, in dem sich das Laub der umliegenden Bäume spiegelt und eine Brücke neugierig macht, was dieses lauschige Refugium inmitten der grauen Häuserzeilen einer Großstadt, wohl noch alles zu bieten hat.
Also überquere ich diesen Steg und stehe danach sehr erstaunt vor einer Burganlage, die so gar nicht in das eben verlassene Naturidyll passt.

Die Erinnerung an den Hinweis eines Prospektes hilft weiter….
Es handelt sich offenbar um die Kopie der Burg Vajdahunyad in Siebenbürgen, das einmal zu Ungarn gehörte und deren Nachbildung ebenfalls zur 1000-Jahrfeier des Staates hier nachgebaut wurde. Nun Rumänien zugehörig, fungiert dort das Original auch als Museum.

Statt in die grüne Natur hat es mich also wieder in eine mir unbekannte Vergangenheit verschlagen und durch ein gotisches Burgtor spaziere ich in den Innenhof und eine Weile darin herum.

Genug von Besichtigungen, beschließe ich, mich schleunigst von der Metro in mein Quartier befördern zu lassen und suche nach dem schnellsten Weg zurück zum Heldenplatz.
Da ertönt von irgendwoher Musik und unversehens, auf der Spur der Klänge, finde ich mich in einem bayrischen Biergarten wieder, als willkommene Chance für eine entsprechende Erfrischung vor der endgültigen Heimkehr.

Doch jetzt narrt mich auch noch mein Orientierungssinn….ich schlage den verkehrten Weg ein, passiere das neubarocke Szechenyi- Heil- und Freibad mit 76 Grad heißen Quellen, das Nobelrestaurant Gundel, merke zu spät den verkehrten Weg und lande statt bei der Metro im Vergnügungszentrum des Stadtwäldchens mit Zoo, Zirkus, Kunsteisbahn, etc. – einem Areal, das für die etwas andere Art Erholung der Bürger sorgt.

Es bleibt nichts übrig, ich muss denselben Weg zurück marschieren, um danach endlich ohne weitere Komplikationen am Heldenplatz von der so flotten Metro „nach Hause“ transportiert zu werden.
Dass ich an diesem Abend sogar auf den von mir so geliebten Sonnenuntergang am Donaukorso verzichte, dürfte sicher verständlich sein.

Per Kleinbus und betreut abermals von Reiseführer Georg, der uns durch die Pußta begleitet hatte, starte ich am nächsten Morgen mit 6 deutschen Touristen zum Plattensee, der mit ca. 50 Quadratkilometer die Fläche des Bodensees überbietet und daher als größter See Mitteleuropas triumphiert.
Vor etwa 10.000 Jahren in einem abgesunkenen, tektonischen Becken entstanden, nennen die Einheimischen ihren Balaton stolz „ungarisches Meer“.

Auch diesmal erfüllt „György“ seine Führerpflichten mit interessanten Details über die Politik und betont – vielleicht da er selbst, wie ich aus seiner Visitenkarte sah, den Doktortitel trägt – dass es im Kommunismus schlimm wäre, als Intellektueller zu leben, da nur die Arbeiterschaft zähle.
Auch wären die Renten allgemein sehr niedrig.

Durch eine hügelige Landschaft steuern wir als erstes ein uraltes Kirchlein auf einem Hügel an, zu dem wir hoch steigen, von dem aber weder die Herkunft noch sein Zweck bekannt sei.

In der traditionellen Porzellanmanufaktur von Herend, der nächsten Halte-Station verhindern uns die hohen, in Dollar ausgezeichneten Preise am Kauf der sehr schönen Waren und nach kurzer Weiterfahrt landen wir viel zu früh, bereits um 12 Uhr zum Mittagessen in der Betyracsarda, die übersetzt als „Räuberschenke“ richtig urig, ihrem Namen Ehre macht.

Auf Bänken unter einem Schutzdach im Freien, wird uns ein deftiges Mahl mit Barrak als Apperitiv und Wein aus Glasbehältern sowie aus großen Blecheimern geschöpfter Suppe, danach Gulasch – das übrigens keine ungarischen Wurzeln hat – aufgetischt.

Nach der ländlich deftigen Pause geht es mit vollem Magen endlich zum Plattensee, wo wir im berühmten Heil- und Kurbad Balatonföred zwischen Touristenmassen bis zum Seeufer vordringen.
Eine sehr flüchtige erste Begegnung!
Das Wasser schimmert in verschiedenen, grünen Farbtönen und durch plötzliche Gewitter könnten, wie man uns erzählt, schöne Stimmungsbilder entstehen.

Tief ist der See nicht, im Durchschnitt 3 – 4 m, an tiefster Stelle 11 m und im allgemeinen liegt er 106 Meter über Meereshöhe.
11 Kohlesäure haltige Quellen entspringen hier am Nordufer von Balatonföred, werden wir belehrt, doch außer ein paar flüchtigen Blicken auf die Kurpromenade erhalten wir in den 10 Minuten Aufenthalt, keinen nachhaltigen Eindruck.

Wir fahren weiter zur Halbinsel Tihany, die den See in 2 Becken teilt und und stapfen da wieder zwischen einer Unmenge von Menschen empor zur wunderschönen Barockkirche, die 1055 gegründet und im 18.Jahrhundert erneuert, einen herrlichen Blick auf den See gewährt.
Nur leider auch hier, Menschen draußen, Menschen drinnen.
Am meisten beeindruckt mich die uralte Krypta im romanischen Stil aus dem 11.Jahrhundert, die noch genauso aussieht, wie vor 1000 Jahren.

Anschließend spazieren wir noch zu einem Freilichtmuseum und besichtigen ein Bauernhaus mit originaler Einrichtung, ein strohgedecktes Fischerhaus, in Schuppen auch einstige Boote. Es soll 64 Häuser geben, die aus Basalttuffstein gebaut, Schilfdächer haben und unter Denkmalschutz stehen. Für sie haben wir keine Zeit, werden vielmehr in einem Restaurant auf einem Hügel mit schönem Blick auf den See mit einem Drink für die Heimfahrt versorgt und damit ist dann das heutige Programm beendet.
Um 7 Uhr sind wir zurück in Budapest, der sehr nette Fahrer bietet uns für 1500 Forint, satt offiziell 1400 einen günstigen Wechselkurs an, von dem ich für 50,– DM Gebrauch mache.

Heute beschließt natürlich ein Abend am Donaukorso mit Sonnenuntergang den für mich interessanten Tag.

Meine Reise neigt sich dem Ende und ein letzter Ausflug – selbstverständlich im Kleinbus und Georg – in Gemeinschaft mit einem englischen Ehepaar mit Sohn führt uns ans Donauknie, wo Ungarns Geschichte begann, zu den Stätten ihrer ersten Könige, in einer Zeit, wo Buda als Ofen zwar bereits nach den Kelten und Römern, ein von zahlreichen Menschen besiedelter Platz war, aber es noch viele Jahrhunderte dauern sollte bis zur Geburt der Hauptstadt Budapest, beiderseits der Donau.

Seit 855 waren die Reiterhorden aus dem Ural plündernd durch Europa gezogen, hatten die Bevölkerung dezimiert, bis Otto I sie 955 in der Schlacht am Lechfeld so vernichtend schlug, dass sie sich ins Gebiet des Donauknies zurückzogen,
Die Arpaden, Gegenspieler, der nun geschwächten Klasse der Reiterkrieger, gewann damit die Oberhand. Das veränderte die Gesellschaft, sie wurde sesshaft, Großfürst Geza, Vater des späteren König Stephan, bat den ostfränkischen Kaiser Otto I, um Missionare und entmachtete den alten Kriegsadel.

Zu diesen Ursprüngen der Geschichte Ungarns also sind wir entlang der Donau unterwegs und wechseln über die Margarethenbrücke nach Buda, um hier als erstes der römischen Epoche zu begegnen. Ein Teil des Amphietheaters von Aquincum, das bis 375 benutzt wurde, über 13.000 Menschen fasste und dem Militär dieser Garnisonsstadt vorbehalten war, beeindruckt bereits vor dem eigentlichen Ziel.
Heute durchschneidet die Autostraße die einstige römische Stadt, von der daher auch nichts ausgegraben werden kann.
Das römische Aquincum gehörte zusammen mit Obuda (Alt-0fen) zu den ersten Siedlungen in dieser Region.

Nach 21 km erreichen wir Szentendre, ein reizendes Städtchen, das aus einem römischen Kastell hervorging.
Unser Spaziergang durch die Gassen mit den alten Häusern bereitet viel Vergnügen. Hier hat sich auch eine Künstlerkolonie, vor allem Maler, angesiedelt und am Hauptplatz, dem Mittelpunkt der Stadt, bietet uns die Orthodoxe Kirche bei feierlicher Musik, den Anblick einer besonders prächtigen Ikonostase. Der herrliche Blick auf die Donau krönt zusätzlich den Aufenthalt vor der Weiterfahrt.

Diese erfolgt entlang der Donau durch eine liebliche Landschaft, ähnlich der Wachau in Niederösterreich, nach Visegrad, das ab 1250 – nach dem Mongolen-Desaster – zur Residenz der ungarischen Könige geworden war und durch König Matthias Corvinus eine Erweiterung im Renaissance-Stil erfuhr.

Während der Türkenzeit verfiel der Palast, wurde als Steinbruch benutzt und erst 1934 begann die Freilegung der Ruinen.
Der Besichtigung dieser Reste gilt hier unser Besuch.
Besonders interessant finde ich den gotischen Kreuzgang, die dritte, besonders aussichtsreiche Schlossterrasse und den Löwenbrunnen.

Inzwischen ist es Mittag geworden und durch die Berge begeben wir uns zu einem wundervollen Restaurant in wunderschöner Lage, mit Blick auf Wälder und die Donau.
Im Freien serviert, von Zigeunermusik untermalt, schmeckt hier das Essen besonders gut.

64 km von Budapest entfernt folgt unser nächstes und letztes, geschichtsträchtiges Ausflugsziel – die Stadt Esztergom, eine der ältesten Städte Ungarns und einst die östlichste Festung des Frankenreiches.
In ihrem Umfeld wurde 969 Stephan, der Sohn des Arpaden-Fürsten Geza geboren und 985 getauft.
Auf dem Burgberg entstand hier die erste Königsburg, die den ungarischen Königen bis Ende des 12. Jahrhunderts, als Residenz diente.
Zerstört von den Türken sind Spuren von ihr zufällig erst vor einiger Zeit entdeckt worden. Auch Reste mittelalterlicher Plastik aus der alten Kathedrale des 11.-13. Jahrhunderts tauchten auf. Viel zu wenig, um das einstige Milieu auch nur schemenhaft auferstehen zu lassen.

So müssen auch wir uns mit den Sehenswürdigkeiten aus jüngerer Zeit begnügen und da ist es vor allem die imposante Basilika aus den Jahren 1822 – 1856 auf einer Anhöhe, die wir besuchen, zu deren Einweihung Franz Liszt die „Graner Messe“ komponierte.
Sie besitzt eines der größten Altarbilder der Welt, das wir von weitem bewundern können.
Die Schatzkammer besticht durch erlesene Kunstwerke.

Esztergom war einst die Hochburg des ungarischen Katholizismus und sein Erzbischof ist heute noch Primas von Ungarn.
Vom Domplatz aus genießen wir einen schönen Blick auf die Donau und erkennen auch die noch nicht wieder hergestellte Brücke zum anderen Ufer, das zur Tschechoslowakei gehört.
Eine kurze Besichtigungstour erschließt uns flüchtig das heutige Esztergom.

Für die Rückkehr nach Budapest benutzen wir die um 10 km kürzere Strecke durch die ca. 600 m hohen Berge, die oft von den Russen, außer sonntags gesperrt wird. Sie ist ebenfalls wunderschön, doch kein Fahrzeug oder Mensch begegnet uns.

Bereits im Bereich von Budapest angekommen, zeigt sich plötzlich das von der Nachmittagssonne magisch beleuchtete Parlament als prunkvolle Visitenkarte der Stadt.

Georg hat uns während der Fahrt wieder mit allerlei netten, aber auch tristen Geschichten unterhalten. Er betonte vor allem die Tragik der ersten Jahre unter den Russen, in denen Menschen aufgrund irgendwelcher Angaben, nachts aus ihren Wohnungen geholt und deportiert wurden und niemand hätte von ihnen etwas gehört. Auf die Bürger der DDR wäre man in Ungarn nicht gut zu sprechen, die wären Knechte, die die Parolen der Partei nachplapperten.

Am Abend dieses ebenfalls sehr interessanten Tages nehme ich am Korso Abschied von der Donau, der Stadt und seinen sympathischen Menschen, die innerhalb von 1000 Jahren zu integrierten Europäern geworden sind.

Da am folgenden Tag der Rückflug erst spät nachmittags stattfindet, nutze ich die Zeit bis dahin für einen zweiten Ausflug über die Kettenbrücke und Drahtseilbahn hinauf nach Buda….bummle nochmals durch die alten Gassen mit den hübsch renovierten Häusern und genieße bei einer kurzen Rast in der Anlage dahinter, den Blick auf die Budaer Berge.
Danach unternehme ich auch einen Streifzug durch den neuen Glaspalast des Hotel Hilton, der praktisch auf und um die Ruinen eines Dominikaner-Klosters aus dem 13.Jahrhundert und dem Turm der Nikolauskirche aus dem 13. – 15. Jahrhundert, erbaut worden ist.
Welch‘ ein Kontrast : einerseits die spärlichen Klosterreste samt Kreuzgang, zeichnerisch ergänzt, andererseits das feudale, hochmoderne Hotel mit Anlagen aller Art.
In seinen hohen Glasfenstern spiegeln sich die Türme der Fischerbastei.und daneben blickt man in die Reste des Klosters.

Da sich wieder viel zu viel Menschen auf der Bastei drängen, spaziere ich über Stufen zur sogenannten „Wasserstadt“ am Fluss, die früher einmal mit ihren kleinen Häusern romantisch gewesen sein muss.
Entlang des Budaer Donauufers, grüßt mich ein letztes Mal das für mich so sehr von der Erinnerung geprägte Parlament und in einem kleinen Lokal mit Tischen im Freien – wie sie auch in Wien, als „Beiseln“ im Sommer auf Gehsteigen, von Planen überdacht, für Genüsse innerhalb der Stadtmauern sorgen – beschließe ich mit einem Donaukarpfen als Mittagsmahl, meinen Budapester Aufenthalt.

Begleitet wird er von der leisen Melodie des Flusses, der so viele verschiedene Klänge auf der Reise zum Schwarzen Meer eingefangen hat…Sie erzählen von Landschaften und Menschen, die an seinen Ufern leben, von deren Sehnsüchten und Wünschen und mit „Seid umschlungen Millionen“ einem der
Walzer von Johann Strauß trösten seine Wellen über alle Unterschiede und Nöte hinweg, spenden
Zuversicht und Trost.

Das war meine Reise im Sommer 1988.

Ein Jahr später fiel in Berlin die Mauer, die Ost und West voneinander getrennt hat.
Dass dies ohne Blutvergießen und Kämpfe stattfinden konnte, daran hat das kleine Ungarn einen verdienstvollen Anteil. Es öffnete spontan seine Grenzen und trug wesentlich zum Treffen der bis dahin getrennten Völker bei.

Umso trauriger stimmt es, dass dieses Land in den folgenden Jahren bis heute zwar Mitglied der Europäischen Union geworden ist, aber mit wirtschaftlichen und politischen Nöten zu kämpfen hat, seine Währung des Forint keine Stabilität erreicht und durch einen Rechtsruck seiner Regierung, Sorgen bereitet.

Wo die Donau statt der Walzer- Zimbalklänge weiterträgt

Ende Juli 1988 erfülle ich mir mit einer Reise nach Budapest einen Jugendtraum.
Als Schülerin hatte ich Gelegenheit bei einer Klassenfahrt ein Wochenende in dieser Stadt zu verbringen und sein Parlament – nach England das zweitgrößte in Europa – kennen zu lernen.
Wie Abgeordnete durften wir auf den Bänken sitzen, bekamen Informationen über die diversen Funktionen und waren fasziniert von dem mächtigen Prachtbau am Donauufer.
Dass es mit 268 m Länge und 123 m Breite einem Giganten gleicht, habe ich damals kaum registriert und auch nicht die 40 kg Gold, mit der die Innenausstattung veredelt wurde.
Ich empfand es einfach als wunderschön….ein Gebäude, das sogar die unserer Wiener Ringstraße an Glanz übertraf.

Meine Heimat schien mir dabei nicht mehr ganz so einmalig und irgendwie gehörten Wien und Budapest ohnedies zusammen.
Obwohl bereits in einer Republik geboren und aufgewachsen, steckt schließlich auch in den Nachfahren der alten k.und k. Monarchie, dessen vergangene Glorie einfach drinnen!

Vom 1. Weltkrieg, dessen Übermut Jahre später die zweite verheerende Tragödie auslöste, erfuhren wir durch die erschreckenden Erzählungen der Eltern. Den Zweiten, mussten ich und meine Generation hautnah mit erleben…er hat die Welt durcheinander gebeutelt und die Landkarte verändert.

Ungarn – die heimliche aber leider störrische Liebe aller Österreicher – geriet nach dem Unheil vollen Gemetzel, wie alle östlichen Staatsgebilde, in den Sog des sowjetischen Kommunismus.

Zwar entsprach auch der habsburgische Traum der Doppelmonarchie nicht der Mentalität dieses Volkes, das kurz vor der ersten Jahrtausend-Wende als halbnomadische, wilde Reiter-Stämme vom Ural kommend, plündernd und raubend neues Land gesucht und dieses zwischen Österreich und den Balkanstaaten, als neue Heimat in Besitz genommen hatte.
Dem Stamm der Magyaren war es gelungen, die insgesamt 7 verschiedenen Stämme zu einer Einheit zu verschmelzen. Nach diesem bravourösen Erfolg musste man natürlich die christliche Religion annehmen und im Jahr 1001 war durch die Krönung Stephan I. – später heilig gesprochen, obwohl er recht grausam seinen Vetter hatte blenden lassen – das neue Königreich UNGARN, inmitten des alten Europa geboren worden.

Allerdings, einfach gestaltete sich die Zukunft der Reiter aus dem Grenzgebiet zu Asien nicht…Kämpfe und Verwüstungen, die Mongolen und die Türken wüteten abwechslungsweise in ihrem Gebiet, in dem meist Fremde als Könige herrschten.
Das alles mag auch den Charakter des Volkes verändert haben, dem neben Temperament und Kampfgeist auch Melancholie, Sentimentalität und tiefe Trauer inne wohnten.

Bis 1946 bestand dieses Königreich Ungarn…nach dem Ende des verbrecherischen 2. Weltkrieges, von dem sich auch die zerstörten, westlich der Demarkationslinie befindlichen Staaten, nur langsam erholten, geriet also Ungarn in den Sog der östlichen Hemisphäre, von der es sich auch durch einen Aufstand nicht befreien konnte.

Aber es gelang diesem seltsamen Volk immerhin, nach dem Gemetzel, den Druck der Sowjets abzumildern und einen mit Paprika gewürzten „Gulasch-Kommunismus“ zu praktizieren.

Seit Jahrzehnten in Deutschland wohnhaft, begebe ich mich im Jahr 1988 voll freudiger Erwartung, von Frankfurt aus, in die Hauptstadt dieses jetzt rot gefärbten Territoriums.

Der Flug mit der Hungaria Airline gestaltet sich ebenso angenehm wie mit anderen Fluglinien.
Dass ich nicht wie zugesichert, von einem Reiseleiter abgeholt werde, ist auch kein Malheur…ich habe keine Gruppenreise gebucht, sondern beabsichtige die Stadt allein und ohne fremdes Programm zu durchstreifen. Durch einen Geldwechsel von DM in Forint am Flughafen, erreiche ich per Taxi mein vorbestelltes Hotel, das sehr komfortabel wirkt… bin lediglich erstaunt, dass der Boy, der mir die Reisetasche ins Zimmer befördert, sofort an einem illegalen Geldwechsel interessiert ist.

Es ist ungewöhnlich heiß an diesem frühen Nachmittag.
Doch da ich für die Stadt und seine Umgebung nur 1 Woche zur Verfügung habe, starte ich sofort, um die, wie Wien mit der Donau verbundene Metropole und die Seele ihrer Menschen zu ergründen, zu einem Spaziergang.

Dieses, als eine der schönsten Städte Europas gepriesene Budapest, ist sehr jung. Erst 1871 vereinigten sich die Stadtteile Buda – das alte Ofen – mit dem am gegenüber liegenden Donauufer befindlichen Pest, zur Hauptstadt und daher hatte auch die turbulente Geschichte des Königreichs Ungarn mit der Krönung Stephan I, nicht hier, sondern im 64 km entfernten Esztergom am Donauknie, begonnen.

Trotz Hitze marschiere ich also gleich los, fühle mich fast wie ein Entdecker und versuche meine Erinnerung an die Stadt und Ungarn mit der Gegenwart zu vereinen.
Mein Hotel liegt zentral, direkt an der Fußgängerzone Vaci utca, die sich mir mit Geschäften gespickt und offensichtlich mehr Touristen als Einheimischen, präsentiert.
Auf dem Verösmarty-ter spielen Straßenmusikanten, Maler porträtieren Besucher.
Inmitten einer winzigen Anlage prangt ein weißes Denkmal des gleichnamigen Dichters, der als Romantiker und pessimistischer Philosoph das tragische Gedicht „Der alte Zigeuner“ schrieb.
An der Ecke des Platzes lockt das berühmte und große Cafe Gerbeaut mit Spezialitäten.

Eine Atmosphäre fast wie in südlichen Ländern, zu der auch die Temperatur passt und schließlich verläuft ja wenige Meter parallel zur Vaci utca der Donaukorso, der das südliche Flair mit seinem Strom perfektioniert. Sein sanftes Rauschen wird auf dieser zauberhaften Promenade von den vielfältigen Geräuschen der hier Flanierenden verschluckt und auch die davor ab und zu vorbei bimmelnde Straßenbahn, steuert ihre Melodie bei.

In einem der vielen Restaurants esse und trinke ich und habe sofort Kontakt mit 2 anderen Gästen.
In Budapest wäre man nie allein, versichern sie mir.

Ich schlendere weiter bis zur Kettenbrücke, der ältesten von den 8 die Donau überquerenden Bauten, die alle vor dem Einmarsch der sowjetischen Truppen gesprengt wurden und wieder aufgebaut werden mussten. Erst seit 1949 überspannt sie wieder mit ihren wie Triumphbögen gestalteten Pfeilern und den steinernen Löwen den Fluss. Das Panorama von hier auf das von Bergen umgebene Buda gleicht einer zauberhaften Bühnenkulisse.

Inzwischen ist es spät geworden und die Abendsonne wirft ihren goldfarbenen Schleier über die grauen Gebäude der Stadt. Auch auf den ruhig dahinfließenden Wellen der Donau führt der Widerschein des Lichts einen flackernden Tanz auf.
Eine laue Brise hat die Hitze des Tages abgelöst und es fällt mir schwer, ins Hotel zurückzukehren.

Am Korso zurück in die Vaci utca – mein Gott, was für eine schwierige und für unsere Ohren so fremde Sprache….utca, Straße, ter Platz… die Ungarn haben sie aus ihrer alten Heimat mitgebracht. Finnisch-ugrisch, wie es ähnlich auch die Finnen, die ja ebenfalls aus dem Ural kamen, sprechen und sich im Norden Europas ihr neues Zuhause erobert haben.

Zurück im Hotel ignoriere ich einfach die Hitze im Zimmer und den lauten Straßenlärm.

Ich weiß nun, Budapest ist tatsächliche eine wunderbare Stadt, in der mich manches an meine Heimat Wien erinnert.

Der nächste Morgen beginnt mit moderaten Temperaturen und einem guten und reichlichen Frühstück.
Gleich danach zieht mich wieder der Korso magisch an, schließlich spielt die Donau den Hauptakkord
in der ungarischen Symphonie.
Über die Kettenbrücke wende ich mich ihrem anderen Ufer zu und bin froh, dass ich den Aufweg zum Burghügel per Zahnradbahn überwinden kann.

Vor den Toren des Burgkomplexes ist Endstation.
Pompös und monströs weitläufig, präsentiert er sich mir.

Auf diesem 170m hohen Hügel hat außer diesem Königsschloss auch das „Burg“ genannte Stadtviertel
seinen Platz gefunden und in dieses begebe ich mich entlang der rückwärtigen Mauern, durch schattige Anlagen und den Blick auf die Budaer Berghöhen – ein wunderschönes, hügeliges Waldgebiet, das ein wenig dem Wienerwald ähnelt.

Überall herrscht Ruhe, Beschaulichkeit und viele Sitzplätze verleiten, sie zu genießen. Das gönne ich mir kurze Zeit und wende mich dann dem alten Stadtteil zu.
Malerische Häuser schmücken in Pastellfarben die Straßen und Gassen.
Es ist köstlich hier herum zu schweifen und immer wieder in die Hinterhöfe hinein zu schauen und zu gehen.
Eine säuberlich herausgeputzte Idylle mit musealem Charme, die sehr an alte Städte wie Rust im Burgenland, aber auch an alte Viertel in Wien und Graz erinnert.
Alles wirkt liebevoll erneuert und sehr sauber.

Die Königsburg selbst, in der kaum Könige gewohnt haben, spiegelt irgendwie das Schicksal Ungarns wider.
Die Arpaden-Dynastie regierte im Palast von Esztergom.
Der von König Sigismund erbaute Palast wurde von den Türken zerstört.
Das an seiner Stelle von Kaiserin Maria Theresia errichtete Burgschloss, brannte 1848 nieder, wurde aber wieder hergestellt und erneuert.
Heute sind in seinen Räumen diverse Museen untergebracht.
Diese zu besuchen bin ich allerdings nicht in Stimmung und spaziere daher zurück, um der Matthiaskirche einen Besuch abzustatten.

Inzwischen sind massenhaft Besucher in Buda angekommen und vor dem Kirchentor staut sich eine Menschenmenge…

Wie das ganze Land, hatte auch die Kirche, ein Bau aus dem 13. Jahrhundert, ein stürmisches Schicksal zu ertragen. Im 14./15. Jahrhundert erhielt sie ein mehrfach verändertes, gotisches Antlitz und 1470 taufte man dieses vorher als Krönungskirche benannte Gotteshaus, in Matthiaskirche um.

Als einziger ungarischer König nach der Arpaden-Dynastie ließ dieser sie ebenfalls umbauen und bereicherte Stadt und Land durch seinen Griff nach dem Westen, wo die Macht beheimatet war. 1485 besiegte er den Habsburger Kaiser Friedrich, verbannte ihn ins Exil nach Linz und zog in Wien ein.
5 Jahre später starb er dort ohne Erben und seine Nachfolger, mussten, wohl oder übel, die eroberten Gebiete wieder abgeben und den Anspruch Habsburgs darauf, anerkennen.

Als die Türken auf der westlichen Bühne erschienen wurde die Matthiaskirche zu einer Moschee degradiert und erhielt erst 1873 wieder seine gotische Rekonstruktion.

Zwar verläuft die Besichtigung des bemerkenswerten Baues durch die vielen Besucher für mich ein wenig gestört, doch der mit Pflanzenornamenten versehene Freskenschmuck an Säulen und Deckengewölben, die bunten Farbfenster, beeindrucken außerordentlich, obwohl sie den Kirchenraum verdunkeln.
Ich dränge mich durch die Menschenmenge die Treppe hinunter zur Krypta und wieder hinauf zur Schatzkammer mit Monstranzen, Kelchen, Messgewändern, etc. und immerhin ein sehr schöner Blick auf die Fresken des Kirchenschiffs und die in einer Einzelvitrine aufbewahrte Krone, die Kaiserin Elisabeth bei ihrer Hochzeit mit Kaiser Franz Joseph trug, lohnen die Strapaze.

Draußen vor der Kirche mit Blick auf die Fischerbastei, erhebt sich auf einem Bronzeross der Gründerkönig Stephan I auf einem Kalksteinsockel mit Marmorreliefs auf 4 Seiten.

Abgesehen davon, dass Budapest eine große Liebe für Denkmäler entwickelt hat, die immer und überall von berühmten Menschen zu berichten wissen, hat der heilig gesprochene Stephan als Glanzleistung den ungarischen Staat und die Kirche organisiert. 4 Löwengestalten wachen über ihn.

Im anschließenden, kleinen Park, vor dem die üblichen Souvenirbuden aufgebaut sind und ausreichend interessiertes Publikum finden, erhole ich mich ein wenig, ehe ich die wenigen Schritte vor bis zur Fischerbastei mit ihren pittoresken Türmen, den gottlob schattigen Gängen und schmalen Aussichtsveranden, spaziere.

Die Ausblicke von hier auf die Stadt sind wahrhaft großartig und das Parlament, das mich als Schülerin so faszinierte und gewissermaßen zu dieser Reise verlockt hat, leuchtet mir unter einem strahlend blauen Himmel, an der gleichmütig dahin fließenden Donau, verführerisch entgegen.
Durch die Säulen der Bastei offenbart sich die Silhouette des Pester Stromufers bis hin zur Margareteninsel, als glänzendes Band von geballter Schönheit.

Bei Temperaturen zwischen 30 und 40 Grad bin ich inzwischen ganz schön müde geworden und durchstreife auf dem Rückweg das weitläufige Burggelände und die diversen Höfe, an dem kaum Leute interessiert sind, schnell und ohne zusätzlichen Aufenthalt…
Was für ein gigantischer Bau ragt da gegen den Himmel, der fast nie seinen Zweck als Königspalast erfüllte. Zwar hatte Matthias Corvinus ihn mit einer berühmten Bibliothek ausgestattet, Künstler und Wissenschaftler hierher geholt, aber Zeit hatte er für ihn keine.
Sein Palast in Visegrad und vor allem die Burg ihn Wien waren ihm wichtiger….
Auch als Maria Theresia nach dem türkischen Missbrauch den Komplex wieder zu neuem Glanz erweckte, blieb Einsamkeit sein Schicksal, denn außer zeitweiligen kurzen Aufenthalten von Kaiser Franz Joseph, blieb er leer.

Nach dem 2. Weltkrieg wiederum zerstört und neuerlich aufgebaut, versucht er nun – wie es scheint, ebenfalls nicht sehr erfolgreich – durch interessante Museen, das Publikum anzuziehen.

Mit der Zahnradbahn kehre ich nach Pest zurück und eile über die Kettenbrücke zum Donaukorso, um mich in einem hübschen Lokal mit anmutigem Donaublick, einem kühlem Bier und einem ungarischen Kalbsgulasch, von diesem Ausflug zu erholen.
Wie köstlich…sitzen, schauen, trinken….

Nur kurz im Hotelzimmer, wo Sauna-Temperatur herrscht, flüchte ich bald wieder in die Fussgängerzone der Vaci utca, wo gerade von Bauersfrauen vom Land, gestickte Tischtücher, Blusen, etc. zum Kauf angeboten werden.

So schön die Geschäfte in dieser Bummelstraße auch aussehen, was drinnen hängt und liegt, entspricht nicht ganz den inzwischen verwöhnten Ansprüchen westlicher Besucher und ist zudem gar nicht billig.

Um auch den Pester Stadtteil zu erforschen spaziere ich wieder vor zur Donau, werfe einen Blick in die griechisch-orthodoxe Kirche, die mit einer großen und imposanten Ikonenwand, sofort die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Etwas unschlüssig und ziellos durchstreife ich dann die Straßen und hoffe, dabei auch auf den Boulvard zu treffen, der sich heute Straße der Volksrepublik nennt und als Wohn-, Büro-, Flanier-, Verkehrs- und Aufmarschstraße ein würdiges Pendant zu den Pariser Champs Elyssee darstellen soll.
Parallel dazu verläuft übrigens die Ende des 19.Jahrhunderts eröffnete, erste U-Bahnstation unseres Kontinents.

Statt dieser Prachtstrasse entdecke ich allerdings plötzlich die Kuppel der Stefans-Basilika, von der ein Turm eingerüstet ist. Ihr Inneres wirkt düster trotz der Ausschmückung ihrer Kuppel und wenn man genauer hoch blickt, wird deutlich, dass sie eine Renovierung gebrauchen könnte.

In diesem dennoch attraktiven Dom verleitet eine seltsame Reliquie die Gläubigen einmal im Monat zur Anbetung….denn, verborgen in einem Wandschrank ruht die „rechte Hand“ des Staatsgründers, die dem Toten nach der Heiligsprechung zwecks allgemeiner Verehrung, abgehackt wurde.

Dass dieses Relikt eine wahre Odyssee bis zu seinem endgültigen Ruheplatz zu erdulden hatte, passt irgendwie zum Schicksal des ungarischen Volkes.

Den Budapester Champs Elyssee begegne ich bei meinem Streifzug dagegen nicht. Eine von Bäumen bestandene Allee, die von meiner Straße abzweigt, scheint mir etwas zu schmal für ein solches Herzeige-Objekt und ich spaziere weiter über Plätze und Gassen mit teils alten, teils modernen Häusern – wobei die Alten fast am Abbröckeln sind und die neuen im Glasstil dazwischen glänzen, ähnlich den großen Hotels an der Donaupromenade. Irgendwie und überraschender Weise komme ich beim entzückenden Hermesbrunnen, wenige Schritte von meinem Hotel entfernt, aus dem Strassenlabyrint heraus.
Dieser zwar ein wenig anstrengende Bummel hat für mich immerhin das Portrait der Stadt mit vielen, sonst oft unbemerkten Details, bereichert.

Eine für den Abend gebuchte Folklore-Vorstellung beginnt nach einigen Ungereimtheiten verspätet mit einem roten Taxi, das mich als einzigem Fahrgast, durch eine wundervolle Landschaft bis weit hinauf in die Budaer Berge, zu einem pompösen Restaurant befördert, das von Touristen überquillt.
An einem kleinen Tischerl wird noch ein Platz für mich organisiert, damit ich für die voraus bezahlten 45,– DM an dem, für die Fremden organisierten Spektakel, teilnehmen kann.
Man gibt sich allerdings Mühe, dieses, mit dem im Preis enthaltenen Essen und Trinken, einigermaßen angenehm zu gestalten. Die Ober laufen und schwitzen um alle Reisegruppen schnell zu bedienen.

Zwischen Teller klappern und anderen Geräuschen, läuft dann die halbstündige Folklore mit Musik und Tanz in bunten Trachten an, wobei der Gesang per Mikrofon verstärkt, fast unerträglich laut, alles übertönt.

Ebenso präzise wie für Massenveranstaltungen üblich, ist der ganze Zauber Punkt 10 Uhr zu Ende …ein Spendenkorb macht die Runde und das rote Taxi, dessen Fahrer mir schon bei der Anfahrt mitteilte, dass die Rückfahrt nicht im Preis inbegriffen sei, steht bereit, mich zurück ins Hotel zu bringen.

Ein unerwartetes Erlebnis gestaltet diesen Abend nach dem Plansoll für Touristen ohne jede Spontanität, auf den ich gut und gerne hätte verzichten können, dennoch zum einmaligen Triumph durch den Taxifahrer, der mich für die zusätzlich zu zahlenden 300 Forint – das sind nach offiziellem Wechselkurs, den ohnedies kaum jemand wählt DM 10,– – durch das märchenhaft beleuchtete, nächtliche Budapest, kurvt.

Er hält zuerst auf einem Aussichtspunkt, von dem die Stadt wie ein funkelnder Diamant zu uns hinauf strahlt. Welch‘ ein Meer von Lichtern, in dem die Kettenbrücke über den Strom triumphiert und die Budaer Burg ihre Leere durch Helligkeit überwindet.

Und nicht genug dieses faszinierenden Anblicks fährt er mit mir noch durch das Pester Stadtgebiet zum Heldenplatz mit dem Milleniums-Denkmal, das anlässlich der 1000-Jahr-Feier errichtet, alle sieben Stammesfürsten, die vereinigt das Land in Besitz nahmen, in Bronze gegossen, darstellt. Alles ringsum, ist ebenfalls in helles Licht getaucht.
Dazu bereichert der freundliche Mann auch noch mit interessanten Erklärungen mein Wissen und ich beginne zu begreifen, wie sehr dieses Volk bemüht ist, die eigene Identität zu bewahren.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges und der sowjetischen Besatzung hat ihnen ein unerschrockener Aufstand gegen diese geholfen, dem ungeliebten politischen System, so viel wie nur möglich, eigene Note aufzuzwingen.

Auch der folgende Tag verspricht sehr heiß zu werden, kein Wölkchen trübt das Blau des Firmaments.
Auf meinem Programm steht heute der Spaziergang zur Margareten-Insel, jener berühmten Oase im Donaustrom, die sich durch das Zusammenwachsen von Sandbänken im Laufe der Zeit gebildet hat und schon unter den Römern bewohnt war.
Nicht entlang des Donau-Ufers, sondern da kürzer und schattiger zwischen den Häuserreihen, nähere ich mich der Margaretenbrücke, in deren Mitte ein Weg abwärts zu dem Eiland führen soll.
Dabei passiere ich das Parlament, dessen neugotische Pracht mit der von 24 Türmen umgebenen Kuppel in den Himmel ragt, doch derzeit teilweise eingerüstet ist.
Es wird viel restauriert in Budapest!

Ich versage mir den Wunsch seine Prunkräume nach so vielen Jahrzehnten und unter einem anderen Zeitgeist, anderen Perspektiven dienenden Funktionen, zu besuchen….will lieber die Erinnerung von damals bewahren und mich dem heutigen Budapest widmen.

Von der Brücke führt in etwa ihrer Mitte ein Weg hinunter zur Insel und viele Menschen streben gleich mir diesem Ziel zu, die sich aber auf dem weitläufigen Gelände schnell verlaufen. Eine wohltuende Ruhe umgibt mich bald.
Von Autos verschont, sprühen überall zwischen den Bäumen, Wasserspender Feuchtigkeit auf die Wiesen.
Im Gras machen es sich die Budapester gemütlich…schattige Ruhebänke locken zu einer Rast, es ist ein beschauliches Idyll inmitten der Großstadt.
Das Casino, dessen Eleganz uns Schülern bei dem Wochenend-Ausflug damals vor vielen Jahren sehr beeindruckte, liegt immer noch herrlich eingebettet in Grün, nur dürften die reichen Leute, die darin spielten, nunmehr fehlen und jetzt zur Vormittagszeit herrscht hier sowieso kein Betrieb. Reiche Leute sucht man in dieser Stadt sowieso meist vergeblich…möglicherweise gibt es sie, aber sie haben keine eigenen Oasen mehr.

Ich spaziere durch verschlungene Pfade und treffe dabei auf die Ruinen des Dominikanerinnen-Klosters, in dem einst die Tochter eines Königs als Nonne ihr Leben verbringen musste.
Mit ihm ist eines der tragischsten Kapitel der ungarischen Geschichte verknüpft.
Rund 250 Jahre nach dem Einfall der eigenen, raubenden Reiterhorden – inzwischen sesshaft und zu ordentlichen Christen geworden – überfielen die Mongolen unter Batu Khan ihre Nachfahren, schlugen das Heer des Königs vernichtend und dezimierten durch ihre Massaker die Hälfte der Bevölkerung.
König Bela IV, vorletzter Spross der Arpaden-Dynastie musste nach Trogir in Kroatien fliehen, das damals zu Ungarn gehörte und versprach, sollte sich alles zum Guten wenden, ein Kloster zu bauen, dem er seine Tochter als Nonne anvertrauen würde.

Das Blatt wendete sich tatsächlich, als der Großkahn plötzlich starb und die Mongolen nach Osten abzogen.
1251 wurde das Kloster gebaut, mit Ländereien beschenkt und Tochter Margit lebte darin Zeit ihres Lebens besitzlos als Nonne. Auch das Land ließ der König neu erblühen, baute und baute, holte Siedler für die Verluste an Menschen bis….ja bis die nächste Katastrophe in Form der türkischen Besatzer über die Länder des Ostens und auch Ungarn herein brach.
Wie vieles wurde in dieser Zeit auch das Kloster zweckentfremdet, verfiel und geriet schließlich im Laufe der Jahrhunderte in Vergessenheit.

Und abermals war es ein Unglück, das die Vergangenheit in die Gegenwart des Jahres 1838 katapultierte!
Damals brandete eine verheerende Sturmflut über die Donau hinweg und kehrte auch auf der Margareteninsel das unterste zu oberst, riss Bäume mitsamt der Wurzel aus der Erde und hinterließ ein Chaos. Aus diesem Durcheinander versuchte man und bemüht sich bis heute, aus den steinernen Überresten die Geschichte und das Aussehen jenes einst so reichen Klosters und der 1943 heilig gesprochenen Nonne Margit, zu rekonstruieren.

Ich bummle weiter auf diesem herrlichen, 2,5 km langen und an breitester Stelle sich 500m ausdehnenden Eiland bis zu seinem westlichen Ende mit dem Wasserturm als Wahrzeichen und einem kleine Selbstbedienungs-Kiosk.

Ein weiter Fußweg in umgekehrter Richtung steht mir bevor und da ich nicht weiß, wo es Fahrscheine für die Straßenbahn zum Donaukorso gibt, werde ich auch diese Strecke zu Fuß bewältigen, stärke mich aber davor in einem bulgarischen Restaurant gegenüber dem Parlament für den langen Weg.
Sofort spricht mich da der Ober an, ob ich Geld umwechseln möchte….natürlich nehme ich gern die Gelegenheit wahr und bekomme für DM 50,–, 1700 Forint, wofür es heute Morgen offiziell nur 1400 gab. Das Mittagsmahl, Hühnerleber mit Reis, dazu eine Karaffe Wein und eine Flasche Wasser finde ich für 170 Forint äußerst billig und angereichert mit der Seitenansicht des Parlaments ein ideales Platzerl.

In der Vaci utca herrscht der übliche Betrieb, es ist heiß und nach nur kurzer Erholungspause im Hotelzimmer flüchte ich gern in ein kleines Lokal am Korso, um dort statt sonstiger Unternehmungen, für die ich zu müde bin, den Nachmittag und Abend zu verbringen.
Es ist ein Vergnügen das bunte Völkchen, das da vorbei und hin und her wogt und meist von jungen Menschen dominiert wird, zu beobachten.

Doch abgesehen vom pulsierenden, menschlichen Verkehr, mit welch‘ faszinierendem Anblick wird man hier beschenkt!
Die Donau als gemächlich dahinfließendes Band vereinigt nicht nur 2 Stadtteile, sie ist auch das Bindeglied von Natur und Architektur, die sie zu einem großartigen Panorama voll Schönheit und Harmonie zusammenfügt, das über alle Nöte von Vergangenheit und Gegenwart hinwegtäuscht.

Da grüßen die Felsen des 235 m hohen Gellertberges mit dem Freiheitsdenkmal auf seinem Gipfel als Dank für die sowjetischen Befreier erbaut und dahinter ragen die Mauern der Zitadelle von den ungeliebten Habsburgern errichtet, in den Himmel. Ein Stück darunter erinnert das Gellert-Denkmal an den Bischof, der 1046 von Ungarn, die keine Christen werden wollten, über den Berg abwärts ins Jenseits befördert wurde.

Am Fuße dieser Szenerie erzählen das einst feudale und restaurierte Gellert-Hotel und das berühmte Gellert-Bad von freundlichen Zeiten.
Man denke daran, dass Budapest seit den Römern als größte Badestadt Europas, Berühmtheit erlangte. 120 heiße Quellen sprudeln aus ihrem Boden. Es entstanden Badehäuser.
Den Türken, die Klöster geschändet haben und nicht viel Gutes für die Ungarn taten, sind als wohl einziges Plus, 5 davon zu verdanken.

An den Gellertberg schließen sich im Westen Budas, der Prachtbau der Burg, die Stadt Burg, einst Ofen genannt, die Türme der Fischerbastei und diese imposante Gebäudefront wird, wie von einem Maler darüber gepinselt, von den grünen Hügeln der Budaer Berge überwölbt.

Elegant schwingen sich neben mir, die Ketten- und die Elisabethbrücke über die Donau, die in der Eiszeit geboren, einschließlich der Außenbezirke ca. 30 km mitten durch Budapest fließt. Alt und würdig mit steinernen Löwen an den Brückenköpfen die Eine, einst als längste Hängebrücke Europas verehrt, die Andere.

Gedanken, die mir die imposante Sicht auf das so junge Budapest an diesem Nachmittag am Donau-Korso offeriert, dem Fluss der für Viele, die Hauptstraße der Stadt symbolisiert.
Als exklusive Zugabe erlebe ich an diesem von Unternehmungen freien Nachmittag, gegen Abend auch noch die Attraktion des Sonnenuntergangs über dem Strom.
Wie vergoldet strahlt die Burg, dieses prächtige und doch so wenig ihrem Zweck dienende Bauwerk, in den sich langsam verdunkelnden Himmel, während der Fluss immer wieder von glitzernden Lichtern umgarnt, seine leise Melodie über die Stadt und das Land nach Osten trägt.

Die folgende Nacht wird für mich unruhig, Straßenlärm und Hitze stören den Schlaf.
Für den Tag habe ich einen Ausflug in die Pußta gebucht, der um 9 Uhr mit einem Kleinbus in Gesellschaft eines italienischen Pärchens startet. Ein älterer Herr spielt den Reiseleiter und beginnt sogleich pflichtgemäß mit Informationen, abwechselnd in Deutsch und Englisch …in der Hoffnung, wenigstens eine der Sprachen wird auch von Italienern verstanden.

Er klärt uns vor allem über die politische und wirtschaftliche Lage in Ungarn auf, wobei er immer wieder betont, wie sehr sich diese nach dem Aufstand gegen die Besatzer und der Wahl von Staatschef
Kader gebessert hätte und fast schon als normal bezeichnet werden könne.
Davor musste es sehr schwierig für das Land gewesen sein und hätte auch viel Deportationen gegeben.

Wir fahren durch die ungarische Tiefebene, ein Brettel ebenes Land…beiderseits der Straße dehnen sich ganze Felder voll Sonnenblumen aus, die leider, da es zu lange trocken war, traurig ihre prächtigen, gelben Köpfe hängen lassen. Immer wieder erblicken wir niedere, kleine Anwesen – vereinzelt und weit voneinander entfernt – die immer weniger werden, da die Alten aussterben und die Jungen die Höfe nicht übernehmen wollen.
Ein wenig enttäuscht, muss ich feststellen, dass in dieser Landschaft keinerlei Pußta-Romantik herrscht, zumindest keine Spur von Ziehbrunnen und sonstigem, was man sich darunter vorstellt.
Dafür gäbe es in Ungarn nur noch museale Nationalparks und davon auch lediglich Zwei, wird uns erläutert.

In Kecskemet, 85 km von Budapest entfernt und seinem Umkreis existieren über eine Million Obstbäume und Weingärten und in diesem hübschen Städtchen besichtigen wir die katholische Barockkirche und das Rathaus in ungarischem Stil mit einem attraktiven Stiegenhaus.

Südlich davon breitet sich nun die „echte“ Bugac Pußta aus, deren Sandsteppe aber in den letzten Jahren auch auf einen Nationalpark reduziert worden ist.
Sie ist jedoch nicht unser Ziel, sondern uns wird an anderem Ort das erwünschte Pußta-Erlebnis in Form einer Reitervorführung geboten. Im Vergleich zu früher gibt es auch weit weniger solche Gestüte als früher, aber immerhin es existieren noch mehrere von ihnen.

So erleben wir also auf einer kleinen Tribüne bei Barrak und Likör als Vorführung das, was früher einmal war….
Vor uns rasen die blau gekleideten Csikos in Atem beraubendem Galopp durch die ovale Bahn.
Reiten und Peitschen knallen haben sie noch nicht verlernt und wenn Einer, auf zwei Pferden stehend die Troika vorbei flitzen lässt, dann hat es auch als Show nichts von seiner mitreißenden Wirkung verloren. Ebenso imponieren auch die rasant dahin rasenden Gespanne.

Man zeigt uns wie sich die Pferde an das Peitschen-Geknalle gewöhnen und wie einst die Hirten auf ihren Tieren schliefen.
Nur als sich dann das Pferd auf seinen Knien vorstellt, weist unser „Führer“ darauf hin, dass dies für Touristen dazu erfunden wurde.
Auch die Darbietungen eines Esels sowie die anschließende Kutschfahrt über holprigen Sand wären zusätzlicher Spaß für die Fremden.

Bei der Besichtigung des Gestüts, können wir nur feststellen, dass es sich um herrliche, gepflegte Pferde handelt, die sich, wie wir beobachten, gleich nach der Vorstellung in freier Wildbahn austoben können…zumindest ein Teil von ihnen und nur im Bereich des Gestütes.
Bei dieser Gelegenheit zeigt man uns auch die reinrassigen, nur in Ungarn gezüchteten Schafe mit gedrehten Hörnern.

Danach wird das Mittagessen fällig, das in der Tanja Csarda stattfindet und ausgesprochen köstlich schmeckt. Es gibt deftige Gulaschsuppe, zartes garniertes Schweinskotelett und als Nachspeise
Palatschinken in Honig, übergossen und angezündet mit viel Marillenschnaps!

Daran schließt sich die Rückfahrt nach Budapest mit 66 km an und um 5 Uhr nachmittags bin ich zurück in meinem Hotel.

Nach dieser trotz allem sehr eindrucksvollen Tour in die längst durch die nüchterne Gegenwart verschluckte Pußta-Idylle, die vermutlich auch zu ihrer Blütezeit, wenig Romantisches an sich hatte,
ist wieder Eigeninitiative für den folgenden Tag im Zeitplan vermerkt. Der empfiehlt dafür das Nationalmuseum und die Gegend um den Heldenplatz.

Ersteres kann ich, zumal es vormittags noch nicht zu heiß wird, per Fuß erreichen.
Am Corso entlang zieht mich als erstes die Freiheitsbrücke, die einst Franz Josephs-Brücke hieß in ihren Bann. Trotz ihrer Eisenverstrebungen schwebt sie elegant, und schwerelos über dem Fluss.
Danach finde ich zwar in dem Chaos der Straßen von Pest die zum Teil eingerüstete Universität, aber nicht die dazu gehörige Kirche und treffe unvermutet auf die Markthalle, die natürlich zu einem Besuch animiert.
Da gibt es alles….Fleisch, Wurst, Speck im Übermaß, auch Obst und Gemüse, allerdings keine exotischen Früchte.
Übrigens, wie ich bei einem der vorhergehenden Spaziergänge zu meinem Ärger feststellen konnte,
wird auch das einheimische Erzeugnis der ungarischen Salami in Spezialgeschäften nur gegen Devisen gehandelt und ist damit für die meisten Bewohner unerschwinglich.

Das Nationalmuseum verspricht schon durch seine Außenseite eine Besonderheit.
Mit 8 dorischen Säulen und einer groß angelegten Freitreppe, hält dann auch sein Inneres das Versprechen von außergewöhnlichen Schätzen, die sowohl die Vergangenheit, vor dem Eintreffen, der zu Christen gewordenen Ungarn, wie die der eigenen Epoche bis zum Jahr 1848, in sehr interessanten Exponaten zur Schau stellen.

Was ab diesem Jahr des Aufstands gegen die Habsburger, denen das Prädikat „Unterdrücker“ angehängt wird, als Beweismittel in den Vitrinen erscheint, mag manchem Verehrer der Österreich-Ungarischen Monarchie, irritieren.

In einem kleinen Raum versöhnen dann herrliche Goldarbeiten mit der bösen Politik und das Klavier Beethovens oder der Dirigentenstab von Franz Liszt aus purem Gold, lassen wieder friedliche Töne erklingen.

Bewacht und in extra Kästen finden sich auch die erst 1978 nach langwierigen Verhandlungen an Ungarn zurück gegebenen, 1945 geraubten Kroninsignien! Darunter ist auch die Stephanskrone zu bestaunen, die vom Papst Silvester dem Gründer Ungarns geschenkt worden war. Wissenschaftler behaupten allerdings, dass diese aus einem späteren Jahrhundert stamme und daher nie von dem König getragen worden sein könne. Wer weiß es schon, Glaube und Wissen passen öfter nicht zusammen!
So oder so, dieser Besuch war für mich ein Erlebnis!

Es ist heiß geworden und um mein Pensum zu erfüllen, werde ich mich der Metro anvertrauen, die mich in rasantem Tempo nach 6 Stationen am Heldenplatz abliefert. Zwar sind ihre Züge und Stationen keine Schönheit, eher abgeblättert und hässlich, ihre Fahrweise ist dagegen vehement.

Bei der nächtlichen Begegnung haben mich die Lichter dieser Gedenkstätte fasziniert, jetzt registriere ich ihre riesige Größe und die Intensität des Milleniumdenkmals.
Da steigt aus der Mitte der 7 vereinigten Stammesfürsten, die sich von nun an Magyaren nennen, eine 36 Meter hohe Säule mit dem Erzengel Gabriel an der Spitze empor, der die Stephanskrone hält.

Das Grabmal des Unbekannten Soldaten und in den Kolonnaden die Statuen der ungarischen Könige, Fürsten und Freiheitskämpfer verherrlichen ebenfalls Volk und Vaterland.

Bevor ich mich in das im Nordwesten des Platzes untergebrachte Museum für Bildende Künste stürze, ist eine Pause – gewidmet den leiblichen Genüssen – notwendig, denen ich im schattigen Garten eines Lokals huldige.

Gestärkt und wieder einigermaßen Aufnahme fähig, lasse ich mich zuerst im Untergeschoss des Gebäudes mit den Sammlungen der Antike, in die Vergangenheit entführen.
Danach präsentiert mir das Obergeschoss eine Bildergalerie riesigen Ausmaßes, die an diesem Nachmittag lediglich einen sehr unvollkommener, flüchtigen Überblick und kein Erfassen einzelner, besonders wertvoller Gemälde möglich macht. Außerdem wäre für die insgesamt über 50 Räume und ihre Inhalte ein genauer Plan und bessere Vorbereitung notwendig gewesen.
Zwei so hervorragende Museen an einem einzigen Tag zu verkraften, fällt sowieso schwer.
So kann ich auch die Räume für Restaurierungen, wo die Statuen in ihrem aufgefundenen Zustand zu sehen wären, nicht mehr besuchen und flüchte vom Haus der Kunst hinaus in die Natur. Im nahen Stadtwäldchen erhoffe ich mir ein wenig Abstand.

Da empfängt mich auch schon ein hübscher, kleiner, wohl künstlich angelegter See, in dem sich das Laub der umliegenden Bäume spiegelt und eine Brücke neugierig macht, was dieses lauschige Refugium inmitten der grauen Häuserzeilen einer Großstadt, wohl noch alles zu bieten hat.
Also überquere ich diesen Steg und stehe danach sehr erstaunt vor einer Burganlage, die so gar nicht in das eben verlassene Naturidyll passt.

Die Erinnerung an den Hinweis eines Prospektes hilft weiter….
Es handelt sich offenbar um die Kopie der Burg Vajdahunyad in Siebenbürgen, das einmal zu Ungarn gehörte und deren Nachbildung ebenfalls zur 1000-Jahrfeier des Staates hier nachgebaut wurde. Nun Rumänien zugehörig, fungiert dort das Original auch als Museum.

Statt in die grüne Natur hat es mich also wieder in eine mir unbekannte Vergangenheit verschlagen und durch ein gotisches Burgtor spaziere ich in den Innenhof und eine Weile darin herum.

Genug von Besichtigungen, beschließe ich, mich schleunigst von der Metro in mein Quartier befördern zu lassen und suche nach dem schnellsten Weg zurück zum Heldenplatz.
Da ertönt von irgendwoher Musik und unversehens, auf der Spur der Klänge, finde ich mich in einem bayrischen Biergarten wieder, als willkommene Chance für eine entsprechende Erfrischung vor der endgültigen Heimkehr.

Doch jetzt narrt mich auch noch mein Orientierungssinn….ich schlage den verkehrten Weg ein, passiere das neubarocke Szechenyi- Heil- und Freibad mit 76 Grad heißen Quellen, das Nobelrestaurant Gundel, merke zu spät den verkehrten Weg und lande statt bei der Metro im Vergnügungszentrum des Stadtwäldchens mit Zoo, Zirkus, Kunsteisbahn, etc. – einem Areal, das für die etwas andere Art Erholung der Bürger sorgt.

Es bleibt nichts übrig, ich muss denselben Weg zurück marschieren, um danach endlich ohne weitere Komplikationen am Heldenplatz von der so flotten Metro „nach Hause“ transportiert zu werden.
Dass ich an diesem Abend sogar auf den von mir so geliebten Sonnenuntergang am Donaukorso verzichte, dürfte sicher verständlich sein.

Per Kleinbus und betreut abermals von Reiseführer Georg, der uns durch die Pußta begleitet hatte, starte ich am nächsten Morgen mit 6 deutschen Touristen zum Plattensee, der mit ca. 50 Quadratkilometer die Fläche des Bodensees überbietet und daher als größter See Mitteleuropas triumphiert.
Vor etwa 10.000 Jahren in einem abgesunkenen, tektonischen Becken entstanden, nennen die Einheimischen ihren Balaton stolz „ungarisches Meer“.

Auch diesmal erfüllt „György“ seine Führerpflichten mit interessanten Details über die Politik und betont – vielleicht da er selbst, wie ich aus seiner Visitenkarte sah, den Doktortitel trägt – dass es im Kommunismus schlimm wäre, als Intellektueller zu leben, da nur die Arbeiterschaft zähle.
Auch wären die Renten allgemein sehr niedrig.

Durch eine hügelige Landschaft steuern wir als erstes ein uraltes Kirchlein auf einem Hügel an, zu dem wir hoch steigen, von dem aber weder die Herkunft noch sein Zweck bekannt sei.

In der traditionellen Porzellanmanufaktur von Herend, der nächsten Halte-Station verhindern uns die hohen, in Dollar ausgezeichneten Preise am Kauf der sehr schönen Waren und nach kurzer Weiterfahrt landen wir viel zu früh, bereits um 12 Uhr zum Mittagessen in der Betyracsarda, die übersetzt als „Räuberschenke“ richtig urig, ihrem Namen Ehre macht.

Auf Bänken unter einem Schutzdach im Freien, wird uns ein deftiges Mahl mit Barrak als Apperitiv und Wein aus Glasbehältern sowie aus großen Blecheimern geschöpfter Suppe, danach Gulasch – das übrigens keine ungarischen Wurzeln hat – aufgetischt.

Nach der ländlich deftigen Pause geht es mit vollem Magen endlich zum Plattensee, wo wir im berühmten Heil- und Kurbad Balatonföred zwischen Touristenmassen bis zum Seeufer vordringen.
Eine sehr flüchtige erste Begegnung!
Das Wasser schimmert in verschiedenen, grünen Farbtönen und durch plötzliche Gewitter könnten, wie man uns erzählt, schöne Stimmungsbilder entstehen.

Tief ist der See nicht, im Durchschnitt 3 – 4 m, an tiefster Stelle 11 m und im allgemeinen liegt er 106 Meter über Meereshöhe.
11 Kohlesäure haltige Quellen entspringen hier am Nordufer von Balatonföred, werden wir belehrt, doch außer ein paar flüchtigen Blicken auf die Kurpromenade erhalten wir in den 10 Minuten Aufenthalt, keinen nachhaltigen Eindruck.

Wir fahren weiter zur Halbinsel Tihany, die den See in 2 Becken teilt und und stapfen da wieder zwischen einer Unmenge von Menschen empor zur wunderschönen Barockkirche, die 1055 gegründet und im 18.Jahrhundert erneuert, einen herrlichen Blick auf den See gewährt.
Nur leider auch hier, Menschen draußen, Menschen drinnen.
Am meisten beeindruckt mich die uralte Krypta im romanischen Stil aus dem 11.Jahrhundert, die noch genauso aussieht, wie vor 1000 Jahren.

Anschließend spazieren wir noch zu einem Freilichtmuseum und besichtigen ein Bauernhaus mit originaler Einrichtung, ein strohgedecktes Fischerhaus, in Schuppen auch einstige Boote. Es soll 64 Häuser geben, die aus Basalttuffstein gebaut, Schilfdächer haben und unter Denkmalschutz stehen. Für sie haben wir keine Zeit, werden vielmehr in einem Restaurant auf einem Hügel mit schönem Blick auf den See mit einem Drink für die Heimfahrt versorgt und damit ist dann das heutige Programm beendet.
Um 7 Uhr sind wir zurück in Budapest, der sehr nette Fahrer bietet uns für 1500 Forint, satt offiziell 1400 einen günstigen Wechselkurs an, von dem ich für 50,– DM Gebrauch mache.

Heute beschließt natürlich ein Abend am Donaukorso mit Sonnenuntergang den für mich interessanten Tag.

Meine Reise neigt sich dem Ende und ein letzter Ausflug – selbstverständlich im Kleinbus und Georg – in Gemeinschaft mit einem englischen Ehepaar mit Sohn führt uns ans Donauknie, wo Ungarns Geschichte begann, zu den Stätten ihrer ersten Könige, in einer Zeit, wo Buda als Ofen zwar bereits nach den Kelten und Römern, ein von zahlreichen Menschen besiedelter Platz war, aber es noch viele Jahrhunderte dauern sollte bis zur Geburt der Hauptstadt Budapest, beiderseits der Donau.

Seit 855 waren die Reiterhorden aus dem Ural plündernd durch Europa gezogen, hatten die Bevölkerung dezimiert, bis Otto I sie 955 in der Schlacht am Lechfeld so vernichtend schlug, dass sie sich ins Gebiet des Donauknies zurückzogen,
Die Arpaden, Gegenspieler, der nun geschwächten Klasse der Reiterkrieger, gewann damit die Oberhand. Das veränderte die Gesellschaft, sie wurde sesshaft, Großfürst Geza, Vater des späteren König Stephan, bat den ostfränkischen Kaiser Otto I, um Missionare und entmachtete den alten Kriegsadel.

Zu diesen Ursprüngen der Geschichte Ungarns also sind wir entlang der Donau unterwegs und wechseln über die Margarethenbrücke nach Buda, um hier als erstes der römischen Epoche zu begegnen. Ein Teil des Amphietheaters von Aquincum, das bis 375 benutzt wurde, über 13.000 Menschen fasste und dem Militär dieser Garnisonsstadt vorbehalten war, beeindruckt bereits vor dem eigentlichen Ziel.
Heute durchschneidet die Autostraße die einstige römische Stadt, von der daher auch nichts ausgegraben werden kann.
Das römische Aquincum gehörte zusammen mit Obuda (Alt-0fen) zu den ersten Siedlungen in dieser Region.

Nach 21 km erreichen wir Szentendre, ein reizendes Städtchen, das aus einem römischen Kastell hervorging.
Unser Spaziergang durch die Gassen mit den alten Häusern bereitet viel Vergnügen. Hier hat sich auch eine Künstlerkolonie, vor allem Maler, angesiedelt und am Hauptplatz, dem Mittelpunkt der Stadt, bietet uns die Orthodoxe Kirche bei feierlicher Musik, den Anblick einer besonders prächtigen Ikonostase. Der herrliche Blick auf die Donau krönt zusätzlich den Aufenthalt vor der Weiterfahrt.

Diese erfolgt entlang der Donau durch eine liebliche Landschaft, ähnlich der Wachau in Niederösterreich, nach Visegrad, das ab 1250 – nach dem Mongolen-Desaster – zur Residenz der ungarischen Könige geworden war und durch König Matthias Corvinus eine Erweiterung im Renaissance-Stil erfuhr.

Während der Türkenzeit verfiel der Palast, wurde als Steinbruch benutzt und erst 1934 begann die Freilegung der Ruinen.
Der Besichtigung dieser Reste gilt hier unser Besuch.
Besonders interessant finde ich den gotischen Kreuzgang, die dritte, besonders aussichtsreiche Schlossterrasse und den Löwenbrunnen.

Inzwischen ist es Mittag geworden und durch die Berge begeben wir uns zu einem wundervollen Restaurant in wunderschöner Lage, mit Blick auf Wälder und die Donau.
Im Freien serviert, von Zigeunermusik untermalt, schmeckt hier das Essen besonders gut.

64 km von Budapest entfernt folgt unser nächstes und letztes, geschichtsträchtiges Ausflugsziel – die Stadt Esztergom, eine der ältesten Städte Ungarns und einst die östlichste Festung des Frankenreiches.
In ihrem Umfeld wurde 969 Stephan, der Sohn des Arpaden-Fürsten Geza geboren und 985 getauft.
Auf dem Burgberg entstand hier die erste Königsburg, die den ungarischen Königen bis Ende des 12. Jahrhunderts, als Residenz diente.
Zerstört von den Türken sind Spuren von ihr zufällig erst vor einiger Zeit entdeckt worden. Auch Reste mittelalterlicher Plastik aus der alten Kathedrale des 11.-13. Jahrhunderts tauchten auf. Viel zu wenig, um das einstige Milieu auch nur schemenhaft auferstehen zu lassen.

So müssen auch wir uns mit den Sehenswürdigkeiten aus jüngerer Zeit begnügen und da ist es vor allem die imposante Basilika aus den Jahren 1822 – 1856 auf einer Anhöhe, die wir besuchen, zu deren Einweihung Franz Liszt die „Graner Messe“ komponierte.
Sie besitzt eines der größten Altarbilder der Welt, das wir von weitem bewundern können.
Die Schatzkammer besticht durch erlesene Kunstwerke.

Esztergom war einst die Hochburg des ungarischen Katholizismus und sein Erzbischof ist heute noch Primas von Ungarn.
Vom Domplatz aus genießen wir einen schönen Blick auf die Donau und erkennen auch die noch nicht wieder hergestellte Brücke zum anderen Ufer, das zur Tschechoslowakei gehört.
Eine kurze Besichtigungstour erschließt uns flüchtig das heutige Esztergom.

Für die Rückkehr nach Budapest benutzen wir die um 10 km kürzere Strecke durch die ca. 600 m hohen Berge, die oft von den Russen, außer sonntags gesperrt wird. Sie ist ebenfalls wunderschön, doch kein Fahrzeug oder Mensch begegnet uns.

Bereits im Bereich von Budapest angekommen, zeigt sich plötzlich das von der Nachmittagssonne magisch beleuchtete Parlament als prunkvolle Visitenkarte der Stadt.

Georg hat uns während der Fahrt wieder mit allerlei netten, aber auch tristen Geschichten unterhalten. Er betonte vor allem die Tragik der ersten Jahre unter den Russen, in denen Menschen aufgrund irgendwelcher Angaben, nachts aus ihren Wohnungen geholt und deportiert wurden und niemand hätte von ihnen etwas gehört. Auf die Bürger der DDR wäre man in Ungarn nicht gut zu sprechen, die wären Knechte, die die Parolen der Partei nachplapperten.

Am Abend dieses ebenfalls sehr interessanten Tages nehme ich am Korso Abschied von der Donau, der Stadt und seinen sympathischen Menschen, die innerhalb von 1000 Jahren zu integrierten Europäern geworden sind.

Da am folgenden Tag der Rückflug erst spät nachmittags stattfindet, nutze ich die Zeit bis dahin für einen zweiten Ausflug über die Kettenbrücke und Drahtseilbahn hinauf nach Buda….bummle nochmals durch die alten Gassen mit den hübsch renovierten Häusern und genieße bei einer kurzen Rast in der Anlage dahinter, den Blick auf die Budaer Berge.
Danach unternehme ich auch einen Streifzug durch den neuen Glaspalast des Hotel Hilton, der praktisch auf und um die Ruinen eines Dominikaner-Klosters aus dem 13.Jahrhundert und dem Turm der Nikolauskirche aus dem 13. – 15. Jahrhundert, erbaut worden ist.
Welch‘ ein Kontrast : einerseits die spärlichen Klosterreste samt Kreuzgang, zeichnerisch ergänzt, andererseits das feudale, hochmoderne Hotel mit Anlagen aller Art. In seinen hohen Glasfenstern spiegeln sich die Türme der Fischerbastei.und daneben blickt man in die Reste des Klosters.

Da sich wieder viel zu viel Menschen auf der Bastei drängen, spaziere ich über Stufen zur sogenannten „Wasserstadt“ am Fluss, die früher einmal mit ihren kleinen Häusern romantisch gewesen sein muss.
Entlang des Budaer Donauufers, grüßt mich ein letztes Mal das für mich so sehr von der Erinnerung geprägte Parlament und in einem kleinen Lokal mit Tischen im Freien – wie sie auch in Wien, als „Beiseln“ im Sommer auf Gehsteigen, von Planen überdacht, für Genüsse innerhalb der Stadtmauern sorgen – beschließe ich mit einem Donaukarpfen als Mittagsmahl, meinen Budapester Aufenthalt.

Begleitet wird er von der leisen Melodie des Flusses, der so viele verschiedene Klänge auf der Reise zum Schwarzen Meer eingefangen hat…Sie erzählen von Landschaften und Menschen, die an seinen Ufern leben, von deren Sehnsüchten und Wünschen und mit „Seid umschlungen Millionen“ einem der
Walzer von Johann Strauß trösten seine Wellen über alle Unterschiede und Nöte hinweg, spenden
Zuversicht und Trost.

Das war meine Reise im Sommer 1988.

Ein Jahr später fiel in Berlin die Mauer, die Ost und West voneinander getrennt hat.
Dass dies ohne Blutvergießen und Kämpfe stattfinden konnte, daran hat das kleine Ungarn einen verdienstvollen Anteil. Es öffnete spontan seine Grenzen und trug wesentlich zum Treffen der bis dahin getrennten Völker bei.

Umso trauriger stimmt es, dass dieses Land in den folgenden Jahren bis heute zwar Mitglied der Europäischen Union geworden ist, aber mit wirtschaftlichen und politischen Nöten zu kämpfen hat, seine Währung des Forint keine Stabilität erreicht und durch einen Rechtsruck seiner Regierung, Sorgen bereitet.